Heft 1 / 2008 - BDSW
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4<br />
nachDem sich scheinbar und<br />
auch nur zaghaft endlich die Vernunft<br />
bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen<br />
andeutete und auch die Diskussion<br />
zu Mindestlöhnen immer raumgreifender<br />
wird, ist es mehr als ein Rückfall,<br />
wenn neuerdings wieder der alte Hut des<br />
„vergabefremden Kriteriums Tariftreue“<br />
bemüht wird. Und das auch noch unter<br />
dem Deckmäntelchen der Interessenvertretung<br />
des Mittelstandes! - So geschehen<br />
am 08.11.2007 im Newsletter Nr. 44<br />
des DIHK!<br />
Und dito in einem Seminar für Vergaberecht<br />
durch die Auftragsberatungsstelle<br />
des Freistaates Sachsen am 11. Dezember<br />
2007 den (hoffentlich) staunenden Teilnehmern<br />
als geltendes Recht (und das ist<br />
leider stimmig) offeriert.<br />
Unter der Frage ‚Wie teuer darf der<br />
Staat einkaufen?‘, wird neben anderen<br />
sogenannten politischen Aspekten wieder<br />
die Basis der Tariftreue als für den<br />
Staat unzumutbares vergabefremdes<br />
Kriterium dargestellt, denn schließlich<br />
soll der Staat ja billig einkaufen. Das<br />
Ganze gipfelt für die Verfasserin vom<br />
DIHK dann auch noch in der Feststellung:<br />
„Alle Bedingungen kann irgendwann<br />
kein Unternehmen mehr einhalten<br />
– außer vielleicht eine Handvoll Großunternehmen“.<br />
Schon lange spricht niemand mehr vom<br />
wahren Inhalt der Vergaberichtlinien:<br />
wirtschaftlich einzukaufen, was im Interesse<br />
auch der Steuer zahlenden Unternehmen<br />
ist, aber eben auch wirtschaftlich<br />
für die bietenden Unternehmen und<br />
die öffentliche Hand sein muss.<br />
DIE LETZTE SEITE<br />
Das Letzte<br />
Von Dr. Birgit feuerstein<br />
Praxis jedoch ist: wirtschaftlich wird<br />
mit BILLIGST gleichgesetzt.<br />
In der Dienstleistung sind der „Rohstoff“<br />
die Menschen. Das heißt, dass die<br />
Grundlage für die Kalkulation immer die<br />
Entlohnung des eingesetzten Mitarbeiters<br />
ist. Diese ist auch die Ausgangsbasis für<br />
die Erhebung der Sozialabgaben, also die<br />
direkten und indirekten Lohnnebenkosten.<br />
Dazu kommen dann die Kosten für Bekleidung<br />
und Ausrüstung, Ausbildung, Anleitung<br />
und Kontrolle, natürlich ein gewisser<br />
Verwaltungsaufwand und eine Gewinn-<br />
und Risikospanne. Auch wenn letztere<br />
sich schon kaum ein Unternehmen mehr<br />
in der Kalkulation auszuweisen wagt.<br />
Vor kurzem war in der Zeitung DIE<br />
WELT zu lesen, dass ein Unternehmen in<br />
Rheinland-Pfalz, welches im Auftrag der<br />
dortigen Landesregierung Kasernen der<br />
Bereitschaftspolizeien sichert, seine Mitarbeiter<br />
mit Revolvern „ausgerüstet“ hat,<br />
die schlichtweg vor Rost auseinander zu<br />
fallen drohen. Dieser Auftrag wurde sicher<br />
vergabekonform vergeben ...<br />
Aber zurück zur Basis unserer Preisbildung,<br />
den Lohnkosten. Diese Basis<br />
soll vergabefremd sein? Die Aussage der<br />
Kammern, die Verankerung des Grundsatzes<br />
der Tariftreue sei ein vergabefernes<br />
Kriterium, ist längst von der Praxis<br />
überholt. Jeder Bieter muss bei öffentlichen<br />
Vergaben seine Kalkulation auf der<br />
Basis der Tarife offen legen. Ich halte dies<br />
zwar für gesetzeswidrig, frage mich aber<br />
dennoch, wozu dies dienen soll. Es macht<br />
doch nur dann Sinn, wenn es die Grundlage<br />
zur Prüfung der Einhaltung der Tarife<br />
und der sich daraus ableitenden kor-<br />
DR. BIRGIT FEUERSTEIN ist Geschäftsführerin<br />
des Dresdner<br />
Wach- und Sicherungsinstituts<br />
GmbH, Dresden, sowie Vizepräsidentin<br />
des BDWS, Bad Homburg.<br />
1/<strong>2008</strong><br />
rekten Höhe der Sozialabgaben durch die<br />
Zollbehörden ist.<br />
Bei einer einfachen Bewachungsstunde<br />
sieht der Tarif für das Land Sachsen<br />
einen Stundengrundlohn von 5,10 Euro<br />
für den Mitarbeiter vor. Die Vergaben von<br />
öffentlichen Aufträgen für einen Unternehmerstundenpreis<br />
von 7,20 Euro sind<br />
gängige Praxis! Mit diesem Preis kann<br />
ein Bewachungsunternehmer nur arbeiten,<br />
wenn er den Tarif unterläuft, mithin<br />
die Mitarbeiter, die Sozialversicherungen<br />
bzw. die Steuerbehörden betrügt und /<br />
oder aber sein Unternehmen in die „roten<br />
Zahlen“ und damit letztlich in die Insolvenz<br />
führt.<br />
Bei einem von der SPD und auch der<br />
Gewerkschaft ver.di geforderten Mindestlohn<br />
von 7,50 Euro bin ich denn<br />
doch auf die Empfehlung des DIHK für<br />
die Preisbildung gespannt. Sicher wird es<br />
dann auf einen Schlag von Ich-AG’s wimmeln,<br />
oder ... Da verlässt mich dann doch<br />
meine Phantasie und der Mut!<br />
Ich unterstelle einmal positiv, dass dies<br />
nicht gewünscht ist. Bleibt die Frage, was<br />
der DIHK sich denn als Maßstab für Vergaben<br />
vorstellt. Und gern hätte ich auch<br />
noch eine Empfehlung sowohl für die<br />
Vergabestellen als auch die Unternehmen:<br />
Wie halten wir’s denn nun mit den<br />
Mindestlöhnen?