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Mitglieder-Brief Nr. 85 19. März 2009 - freudlacan

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choanalyse vorbehalten ist. Die Ärzte, Psycho‐<br />

logen und regelmäßig auf <strong>Mitglieder</strong>listen re‐<br />

gistrierten Psychoanalytiker können teilweise<br />

oder ganz von dieser Ausbildung in klinischer<br />

Psychopathologie befreit (dispensé) werden.<br />

Für die „weder‐noch“ gibt es Übergangslö‐<br />

sungen(?). Die Ausbildungsinstitute werden<br />

gesetzlich zugelassen. Die Psychotherapeuten‐<br />

Vereinigungen beantragen ihre Genehmigung<br />

als Ausbildungsinstitut. Die ursprüngliche Ab‐<br />

sicht, die Bevölkerung vor Scharlatanen und<br />

Sekten zu schützen, scheint nicht ganz erfüllt<br />

zu sein. Die Ausbildung zum Psychoanalytiker<br />

und seine Anerkennung liegen in den Händen<br />

der Universität und in den Händen der großen<br />

psychoanalytischen Assoziationen. Die Psy‐<br />

choanalytiker, die nicht der illegalen Aus‐<br />

übung der Psychotherapie angeklagt werden<br />

wollen, müssen in einer „anerkannten“ psy‐<br />

choanalytischen Vereinigung unterkommen.<br />

Das Psychologiestudium ist entwertet. Wo<br />

bleibt die „Laienanalyse“? Was natürlich hin‐<br />

derlich war und bleibt, ist der Mangel an Ver‐<br />

ständigung und Austausch unter den psycho‐<br />

analytischen Assoziationen in Frankreich!<br />

Wenn Sie in Ihrem Land zu einer Zulas‐<br />

sung zum öffentlichen Gesundheitssystem<br />

verpflichtet sind, führt dies für Sie zu Konflik‐<br />

ten als Psychoanalytiker oder Psychothera‐<br />

peut?<br />

Bisher besteht noch die Möglichkeit, die<br />

Psychoanalyse „uneingeschrieben“ auszuüben.<br />

Wie lang noch?<br />

3. Führt Ihre theoretische oder ethische<br />

Ausrichtung als Analytiker oder Psychothera‐<br />

peut zu Konflikten mit der staatlichen Autori‐<br />

tät oder mit den Krankenkassen?<br />

Die staatlich vorgeschriebene Ausbildung<br />

in klinischer Psychopathologie wird zeigen,<br />

wie groß der Unterschied sein wird.<br />

Zurzeit gibt es in Frankreich verschiedene<br />

Zusatzversicherungen (z.B. Die MGEN), die<br />

einen kleinen Teil der Honorare für psycho‐<br />

analytische Sitzungen zurückerstatten. Dazu<br />

braucht der Patient eine psychiatrische oder<br />

pediatrische Verschreibung, und der Psycho‐<br />

analytiker muss auf der präfektoralen Liste<br />

stehen! (Wie kann ein Psychiater eine Psycho‐<br />

analyse verschreiben?)<br />

4. Beobachten Sie soziale oder staatliche<br />

Tendenzen zur Entwicklung und Zwangsein‐<br />

führung weiterer restriktiver Normen in Ihrer<br />

Tätigkeit? Beeinflussung aus dem wissen‐<br />

schaftlichen Diskurs, aus der Politik, bestehen<br />

13<br />

MB der AFP <strong>Nr</strong>. <strong>85</strong>/<strong>März</strong> 2010<br />

Veränderungen in der Haltung oder den Wer‐<br />

ten im sozialen Umfeld und in Ihren Patien‐<br />

ten?<br />

Eine starke Tendenz ist die Evaluation (ein<br />

Bewertungsprinzip, eine Art Qualitäts‐ und<br />

Verlaufskontrolle), die sich in den Kranken‐<br />

häusern und heilpädagogischen Einrichtungen<br />

breitmacht. Anfangs (Regierung Rocard,<br />

Gesundheitsminister Evin) ging es darum, das<br />

Gesundheitswesen effizienter zu machen, den<br />

spärlicher werdenden Finanzen anzupassen,<br />

die Willkür einzelner Chefärzte einzugrenzen,<br />

den Heilberufen die Verantwortung aufzuer‐<br />

legen, die Steuergelder nicht zu verschwen‐<br />

den. Kurz: die Verwaltung sollte das letzte<br />

Wort haben. (Wie viel kostet ein Tag Kranken‐<br />

hausaufenthalt?)<br />

Mit epidemiologischen Mitteln sollte die<br />

Wirksamkeit von Behandlungen geprüft wer‐<br />

den: die Behandlung einer psychotischen Ent‐<br />

gleisung wie die Behandlung eines Herzin‐<br />

farkts: eine Art Qualitätskontrolle der psychi‐<br />

atrischen Behandlung. Wie in der Industrie<br />

oder im Lebensmittelbereich. Ein neues Mana‐<br />

gement breitet sich in den Heilanstalten (Insti‐<br />

tutionen) aus: alle „nicht‐produktive“ Zeit wie<br />

Versammlungen (réunion), Essen‐zubereiten<br />

und Miteinander‐ essen auf Kinderstationen<br />

wird überflüssig. Es handelt sich um Rentabili‐<br />

tät.<br />

Das Subjekt findet in diesem Konzept kei‐<br />

nen Platz: im finanziellen, quantifizierbaren<br />

Diskurs wird es als „subjektives“ abgetan, als<br />

unzuverlässig, unfassbar abgelehnt. (Siehe:<br />

Bernhard Schwaiger, „Die Psychoanalytische<br />

Klinik als Sub‐Version der Institution“, Freud‐<br />

Lacan‐Gesellschaft Berlin, Dezember 2003).<br />

Gleichzeitig erscheint eine Wendung von<br />

der „psychischen Krankheit, Geisteskrankheit“<br />

(die behandelt werden kann) zur „psychischen<br />

Gesundheit, Geistesgesundheit“ (als Präventi‐<br />

on), die seit 1978 von der Organisation mondiale<br />

de la Santé (OMS) angestrebt wird. Die psychi‐<br />

sche Gesundheit ist mit naturwissenschaftli‐<br />

chen Mitteln nicht fassbar, es handelt sich um<br />

das Genießen, um den Mehrwert, um das Ob‐<br />

jekt (a) Lacans. Jedes Subjekt hat seine eigene<br />

Weise, dem Objekt‐Grund des Begehrens<br />

(cause du désir) entgegenzugehen, dieses Objekt<br />

ist für immer verloren und kann daher auf<br />

Fragebogen nicht formuliert werden. Der na‐<br />

turwissenschaftliche Determinismus ist auf das<br />

Genießen nicht anwendbar, es ist gesetzlos,<br />

gehört auch dem Todestrieb an. Diese Schwie‐

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