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Mitglieder-Brief Nr. 85 19. März 2009 - freudlacan

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4.<br />

Medienschau<br />

A) PSYCHOANALYTICA<br />

‒ Fotini Ladaki zu Lacans Haa<br />

Nach Lacans Stenografin: Endlich! Lacans Friseur!<br />

Zur Empfehlung des Buchs der AFP‐Förderin Fotini Ladaki<br />

Im Anfang war das Haar<br />

Ich weiß, was Sie denken. Sie denken:<br />

Hatte Einstein überhaupt einen Friseur?<br />

Robert L. Wolke<br />

Und ich weiß, was auch Sie denken, weil<br />

Sie es denken müssen. Sie denken: „Hatte La‐<br />

can überhaupt einen Friseur?” Ja, er hatte ei‐<br />

nen, Karlos Kambelopoulos, Friseur, Maler<br />

und Bildhauer, in La Maison de Beauté Carita.<br />

Dieser Friseur hat es der Öffentlichkeit offen‐<br />

bart, am 26. <strong>März</strong> des Jahres 2008, in einer<br />

ARTE‐Reportage mit dem Thema „Gesichter<br />

Europas”. Damit gab er den Stachel für diesen<br />

Text, der ohne diese Wunder‐Sagung weder<br />

erdacht, noch zustande gebracht worden wäre.<br />

Drum gilt Karlos Kambelopoulos vor allen<br />

Anderen ein großer Dank. Zehn Jahre lang, je‐<br />

den zehnten Tag, meistens inmitten der Wo‐<br />

che, besuchte Lacan diesen Salon. Denn auch<br />

Lacan war jenseits des Mythos seines<br />

Psychismus, den er erfand und mit aller Kraft<br />

kolportierte, eine öffentliche Person, die vom<br />

esse est percipi nicht lassen wollte. In seiner<br />

Theorie begann er erst zu ahnen, wie prekär<br />

und suspekt die Beziehung des Subjekts zu<br />

seinem Körper sein kann. Die Formen seiner<br />

katastrophischen Wirkungen aber waren<br />

wahrscheinlich auch ihm noch dicht gänzlich<br />

bekannt. Vielmehr schien er mit den Katastro‐<br />

phen zu experimentieren, um sie besser ermes‐<br />

sen zu können. Nach seiner Definition der lo‐<br />

gischen Zeit stand Lacan selbst noch in dem<br />

Augenblick des Öffnens und Sammelns. Des‐<br />

wegen traute er sich womöglich, sich selbst<br />

dem obskuren Diskurs „Ich komme vom Fri‐<br />

seur” zu stellen. Kam es ihm womöglich wie<br />

gerufen, dass das Spitzenprodukt der Kosme‐<br />

tiklinie des renommierten Hauses Carita in<br />

seiner Glanzzeit Beauté de Carita hieß? Zu dem<br />

Wasser der Gnade muss man pilgern, um ge‐<br />

heiligt oder geweiht zu werden. Ob dieses<br />

Wasser jedoch das Salz in der Geschichte wer‐<br />

den kann, ist ungewiss. Vielleicht kann es aber<br />

das Haar in der Suppe werden. Denn um das<br />

22<br />

MB der AFP <strong>Nr</strong>. <strong>85</strong>/<strong>März</strong> 2010<br />

Haar wird es hier gehen und um die Kunst mit<br />

den schönen Frisuren und Perücken. Aber<br />

denken Sie keinen Augenblick an die<br />

Trikotillomanie. Wie wäre es mit dem Musical<br />

Hair, das sich wie Herr anhört? Und ist dieses<br />

Musical nicht zum Symbol der Hippie‐<br />

Bewegung geworden, die gegen das Militäri‐<br />

sche und Unnatürliche in der Gesellschaft pro‐<br />

testierte? […]<br />

Karolos Kambelopoulos: Minotaure<br />

Der Figaro von Lacan hat einen Namen, ein Dop‐<br />

pelleben und zwei goldene Hände<br />

Karolos Kambelopoulos wurde 1930 in Kai‐<br />

ro geboren. Mit elf Jahren verlor er seine Mut‐<br />

ter. Von da an hatte er das Gefühl, auf sich al‐<br />

lein gestellt zu sein. Mit neun‐zehn Jahren<br />

wurde er zum Friseur der königlichen Familie<br />

in Ägypten. Mit Anfang Zwanzig verließ er<br />

Kairo. Er wollte nach Paris, um Karriere zu<br />

machen. Über vierzig Jahre lang arbeitete er in<br />

der Maison de Beauté der Schwestern Carita. Sie<br />

legten Wert auf goldene Hände und nicht so<br />

sehr auf Berufszertifikate. Karlos<br />

Kambelopoulos wurde nachgesagt, er führe<br />

ein Doppelleben, da er abends in seinem Ateli‐<br />

er seine Kunst betrieb. Dort entstanden be‐<br />

rühmte Köpfe von Maria Callas, Silvia Mont‐<br />

fort, Melina Mercouri, Nikos Kazanzakis, And‐<br />

reas Papandreou, Pournara, Ritsos, Voutsinas,<br />

Jack Lang. Seine Keramikarbeiten haben einen<br />

Hauch von Zen‐Buddhismus. Sein „Minotaure”<br />

scheint wie aus drei Keramiksträngen gebogen<br />

zu sein, als wären sie den borromäischen Kno‐<br />

ten entsprungen.<br />

Nach seiner Pensionierung entschied sich<br />

Karlos Kambelopoulos nach Griechenland zu<br />

gehen. Denn auch er war die ganze Zeit im<br />

undefinierbaren Exil. Er kaufte sich auf der In‐<br />

sel Kreta ein mittelalterliches Kloster. Venezia‐<br />

nische und arabische Prägungen und Stilele‐<br />

mente wurden mit besonderer Sorgfalt her‐<br />

ausgestellt. In diesem Anwesen sind heute eine<br />

Bibliothek, Atelierräume, Konferenzräume, ei‐

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