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der aufkommenden Windstöße sich unterzuordnen und deren<br />
Wellen, genau nach seiner Pfeife tanzend, an die Uferböschung<br />
und die Bordwände der über sie hinweggleitenden<br />
Schie zu schlagen.<br />
Bald aber kehrten die schlechten Zeiten wieder zu ihm zurück.<br />
Zunächst unterbrach der Tod der Königin alle Auührungen.<br />
Aber auch danach blieben die Zuschauer fern, durch<br />
einen ausgebrochenen spanischen Erbfolgekrieg vom Geldmangel<br />
überrascht oder aber übersättigt vom schnurgeraden<br />
Ernst der ihnen in jenen Krisenwochen immer unverständlicher<br />
gewordenen Erhabenheit seiner steifen italienischen<br />
Opernhelden und Heldenopern, die ihnen entweder nicht<br />
mehr fein genug waren oder zu fein geworden. Das eater<br />
blieb leer, und so verließen ihn auch bald alle anderen und<br />
selbstverständlich auch Ihre Impertinenzen, die sogenannten<br />
Herren Kastraten, welche sich aus ihrem astronomischen<br />
nanziellen, ihn ausblutenden Verdienst durch den oft nur<br />
mangelhaften Gesang seiner Arien vielfach die kuriosesten<br />
Paläste bauen lassen konnten, und hatten sie es vielleicht<br />
ihm heimzahlen wollen, was ihnen im Knabenalter angetan<br />
worden war von den unverantwortlichen Sauschneidern der<br />
fürchterlichen, den Fortbestand der Gesangskultur zu sichern<br />
vermeinenden Kinderchorleiter, vor deren verstümmelnder<br />
Gewalt keine sich der Pubertät nähernde schöne Stimme sicher<br />
sein konnte.<br />
Aber auch seine musikalischen Einfälle samt ihrer die Sinne<br />
verzaubernden Macht schienen ihn zu verlassen, denn alles,<br />
was er mit steigender Verbissenheit dagegen zu komponieren<br />
versuchte, geriet ihm nun mehr blaß zu kraftlosen Klangschattengewächsen,<br />
bis er, auch des letzten verbliebenen Mutes<br />
verlustig, zu schreiben aufhörte.<br />
Warum die heißen Quellen ihn nicht bei sich behalten hätten,<br />
und warum er einer bedenklichen Befreiung wie dieser<br />
ausgesetzt war, fragte er sich, wenn er müde abends durch<br />
die Öde der überfüllten Straßen, die ihm wie leergefegt vorkamen,<br />
irrte, und welche ihm wie von den Gefühlen seines<br />
inneren Verzweifelns aus dem eigenen Kopf auf die Dächer,<br />
Gassen und Plätze gesunken erschienen, als habe sich seine<br />
Einfallslosigkeit als ein grenzenloses Trauern um die Häuser<br />
gehüllt.<br />
Doch war es vorwiegend eine boshafte Trauer, denn die jahrelange<br />
Lästerkonkurrenz verdiente blendend, wenn auch<br />
zum Teil auf seine Kosten, indem man einigen seiner Werke<br />
ihren schnurgeraden Ernst raubte und sie in satirischer Verspottung,<br />
zu schlagkräftigen Witzen verwandelt, in die randalierende<br />
Öentlichkeit zurückschleuderte.<br />
Denn zu einem bedeutenden Anteil hatte er seinen Niedergang<br />
jener Betteloper des John Gay zu verdanken, welche das<br />
Publikum stürmte, und mit der steigenden Begeisterung der<br />
Leute an jener schien das Interesse an Händel zu versiegen<br />
angesichts eines eaters, in dem die adelige Hochnäsigkeit<br />
verkommener Grafen die Verschlagenheit heruntergekommener<br />
Gassenprostituierter ehelichte und nebenbei auch<br />
einige seiner Melodien, klug verstümmelt zu Gassenhauern,<br />
über die Bühne geworfen wurden mit derart bewundernswert<br />
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