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Das eine Geheimnis - Missionszentrale der Franziskaner

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In diesem Heft<br />

Vorwort<br />

Stephan Ottenbreit OFM<br />

|<br />

Interreligiöser Dialog<br />

in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong><br />

Religiosität<br />

Volney Berkenbrock OFM<br />

|<br />

Franziskus und <strong>der</strong><br />

Interreligiöse Dialog |<br />

Aldir Crocoli ofmcap<br />

Bekenntnis im Dialog |<br />

Francis X. D’Sa S.J.<br />

ISSN 1618-9264<br />

I/2007 G21131F<br />

99<br />

Berichte<br />

Dokumente<br />

Kommentare<br />

<strong>Das</strong> <strong>eine</strong><br />

<strong>Geheimnis</strong><br />

und die<br />

vielen Religionen<br />

missionszentrale<br />

<strong>der</strong> franziskaner


Foto: wDsign<br />

missionszentrale<br />

<strong>der</strong> franziskaner<br />

2007<br />

<strong>Das</strong> <strong>eine</strong><br />

<strong>Geheimnis</strong><br />

und die<br />

vielen Religionen


Impressum<br />

Die Grüne Schriftenreihe „Berichte – Dokumente – Kommentare“<br />

erscheint vierteljährlich und kann abonniert werden.<br />

Herausgeber: <strong>Missionszentrale</strong> <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> e.V.<br />

ISSN: 1618-9264<br />

Verantwortlich für Redaktion und Übersetzung:<br />

Pfarrer Norbert Arntz<br />

Layout und Satz: Jakina Ulrike Wesselmann, wDsign<br />

Redaktion missionszentrale <strong>der</strong><br />

und Anschrift: franziskaner<br />

Albertus-Magnus-Str. 39<br />

53177 Bonn<br />

Verlag und Versand:<br />

Bankverbindung:<br />

Postfach 20 09 53<br />

53139 Bonn<br />

Telefon: 02 28 / 9 53 54-0<br />

Telefax: 02 28 / 9 53 54-40<br />

E-Mail: post@missionszentrale.de<br />

http://www.mzf.org<br />

<strong>Missionszentrale</strong> <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> GmbH<br />

Bank für Orden und Mission<br />

BLZ 510 917 11<br />

Konto 80 0071 08<br />

Gedruckt auf EnviroTop Recycling Papier<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhalt<br />

Vorwort 5<br />

Stephan Ottenbreit OFM<br />

Interreligiöser Dialog in <strong>der</strong> 7<br />

Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

Zehn Thesen<br />

Volney J. Berkenbrock OFM<br />

Franziskus und 21<br />

<strong>der</strong> Interreligiöse Dialog<br />

Aldir Crocoli ofmcap<br />

Bekenntnis im Dialog 43<br />

Zur Ortsbestimmung des<br />

interreligiösen Dialogs im<br />

heutigen interkulturellen<br />

Kontext<br />

Francis X. D’Sa S.J.<br />

Bisher erschienene Titel 54


Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Vorwort<br />

Den Dialog <strong>der</strong> religiösen Erfahrung<br />

zu wagen – zu diesem Unterfangen wollen<br />

die Artikel dieses Heftes anregen. Damit<br />

ergänzen wir die Aspekte, die im Heft<br />

100 unter dem Titel „Zum Dialog berufen“<br />

erschienen sind. Werden sich alle,<br />

die den Dialog <strong>der</strong> Religionen wünschen,<br />

auf <strong>eine</strong> Stärke besinnen können, die sich<br />

aus <strong>der</strong> Selbstbeschränkung, also aus <strong>der</strong><br />

Einsicht in die „Schwäche“ ergibt? Es ist<br />

kein unerlaubter Relativismus, wenn sich<br />

Christen nicht als Besitzende <strong>der</strong> Wahrheit<br />

verstehen und behaupten, son<strong>der</strong>n als<br />

Hörende des Wortes und Pilgernde zu<br />

jenem <strong>Geheimnis</strong>, aus dem wir kommen<br />

und zu dem wir gehen. Nur unvollendete,<br />

suchende und pilgernde Menschen<br />

können miteinan<strong>der</strong> im Sinne <strong>eine</strong>s einfühlsamen<br />

Dialogs kommunizieren.<br />

Ein Dialog könnte also paradoxerweise<br />

über die bestehenden Identitätsgrenzen<br />

hinaus gelingen, wenn sich die am<br />

Dialog Beteiligten nicht einfach nur im<br />

Namen von Religionen ansprechen, son<strong>der</strong>n<br />

als religiös bewegte Menschen, die<br />

mit an<strong>der</strong>en religiös bewegten Menschen<br />

insGesprächkommenunddabeidieGrenzen<br />

ihrer Identität durchaus aufs Spiel setzen.<br />

<strong>Das</strong> hieße nicht notwendigerweise,<br />

dass man dann s<strong>eine</strong>n Glauben aufgeben<br />

müsste. Im Gegenteil, das Problem<br />

wird sich erst gar nicht stellen, wie Volney<br />

Berkenbrock aus religionssoziologischer<br />

Sicht und Francis D’Sa aus missionstheologischer<br />

Perspektive uns darlegen und<br />

Vorwort<br />

P. Stephan Ottenbreit OFM<br />

Pfarrer Norbert Arntz<br />

wie Aldir Crocoli am historischen Beispiel<br />

des Franziskus aufweist. Menschen, die in<br />

verschiedenen religiösen Traditionen verwurzelt<br />

sind, sprechen über ihren spirituellen<br />

Reichtum, indem sie sich die Gründe<br />

ihresGlaubensundTunsmitteilenundihre<br />

Erfahrungen in Gebet und Kontemplation<br />

austauschen. Diese Art des Gespräches<br />

über Ausdrucksformen und Wege des Suchens<br />

nach Gott bzw. nach dem „absoluten<br />

<strong>Geheimnis</strong>, das wir Gott nennen“<br />

(K. Rahner) kann zu gegenseitiger fruchtbarer<br />

Bereicherung führen und tiefe geistliche<br />

Ideale o<strong>der</strong> Werte ans Licht bringen.<br />

Auchangesichtsmanchmalschmerzlicher<br />

Gegensätze muss ein solcher Dialog nicht<br />

aufhören. Denn gerade das Fremde, das<br />

uns vielleicht zunächst nur abschreckt,<br />

kann ein Bild für die Begegnung mit dem<br />

unergründlichen Gott sein.<br />

Der indische Jesuit Sebastian Painadath,<br />

<strong>der</strong> ein Zentrum für indische Spiritualität<br />

begründet hat, weiß aus eigener<br />

Erfahrung: „Durch <strong>eine</strong> Kultur des Dialogs<br />

werden die tief in den Religionen sich entfaltenden<br />

konvergierenden Spuren <strong>der</strong><br />

Spiritualität deutlicher wahrnehmbar. In<br />

<strong>eine</strong>m gemeinsamen Einsatz mit an<strong>der</strong>en<br />

glaubenden Menschen für Gerechtigkeit,<br />

Frieden und Bewahrung <strong>der</strong> Schöpfung<br />

wird das befreiende Potential je<strong>der</strong> Religion<br />

wirksam. Der religiöse Mensch <strong>der</strong><br />

Zukunft wird ein interreligiöser Mensch<br />

sein. Tief verwurzelt in <strong>der</strong> Kernerfahrung<br />

des eigenen Glaubens versucht er, sich zu


den an<strong>der</strong>en Religionen auszustrecken<br />

um von ihnen bereichert zu werden.“<br />

Der interreligiöse Dialog zielt letzten<br />

Endes auf jene umfassenden Fragen, die<br />

am Anfang des Konzilsdokuments „über<br />

das Verhältnis <strong>der</strong> Kirche zu den nichtchristlichen<br />

Religionen“ (Nostra Aetate<br />

Nr. 1) erinnert werden und <strong>der</strong>en letzte<br />

lautet: „Was ist jenes letzte und unsagbare<br />

<strong>Geheimnis</strong> unserer Existenz, aus dem<br />

wir kommen und wohin wir gehen?“ Auf<br />

dieses <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> verweisen die vielen<br />

Religionen.<br />

Bonn-BadGodesberg,12.März2007,<br />

am 30. Jahrestag <strong>der</strong> Ermordung von<br />

P. Rutilio Grande/ El Salvador<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Interreligiöser Dialog in <strong>der</strong> Perspektive<br />

<strong>der</strong> Religiosität – Zehn Thesen –<br />

Vorbemerkungen<br />

Gestatten Sie mir einige Anmerkungen<br />

zum Dialog im heutigen religiösen<br />

Kontext, bevor ich mich dem eigentlichen<br />

Thema zuwende.<br />

a) Wirlebenin<strong>eine</strong>rZeit,in<strong>der</strong>esnicht<br />

einfach ist, vom Dialog zu sprechen. <strong>Das</strong><br />

gilt nicht nur für den religiösen Kontext,<br />

in dem sofort <strong>der</strong> Gedanke an Fundamentalismus<br />

und Fanatismus aufkommt,<br />

son<strong>der</strong>n auch für Politik und Wirtschaft.<br />

In diesen Bereichen erleben wir weltweit,<br />

dass man eher geneigt ist, Positionen zu<br />

Wir leben in <strong>eine</strong>r Zeit, in <strong>der</strong> es<br />

nicht einfach ist, vom Dialog zu<br />

sprechen.<br />

bestimmen und durchzusetzen, Identitäten<br />

zu definieren bzw. definieren zu<br />

lassen und Gruppen bzw. Nationen zu<br />

klassifizieren (z.B. Terroristen, „Achse des<br />

Bösen“), als sich füreinan<strong>der</strong> zu öffnen<br />

und einan<strong>der</strong> näher zu kommen.<br />

b) Auch im Christentum selbst nimmt<br />

<strong>der</strong> Dialog offenbar k<strong>eine</strong>n vorrangigen<br />

Platz ein. Auf institutioneller Ebene tritt<br />

<strong>der</strong> ökumenische Dialog seit Jahrzehnten<br />

auf <strong>der</strong> Stelle. Die bilateralen Dialog-Kommissionen<br />

zwischen den verschiedenen<br />

Kirchen entwickelten sich zu diplomatischen<br />

Instanzen, zu „Außenministerien“,<br />

anstatt Orte <strong>der</strong> Begegnung und Annä-<br />

Berkenbrock – Interreligiöser Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

Volney J. Berkenbrock OFM,<br />

Prof. für Fundamentaltheologie<br />

am Theologischen Institut <strong>der</strong><br />

<strong>Franziskaner</strong> in Petrópolis/Brasilien<br />

herung zu sein. Dabei ist zu beobachten,<br />

dass es wichtiger ist, die eigene Identität<br />

zu betonen, als den Dialog zu suchen. In<br />

Brasilien hat <strong>der</strong> Zuwachs <strong>der</strong> Pfingstkirchen<br />

geradezu die Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit dem An<strong>der</strong>en verschärft, anstatt den<br />

Dialog mit ihm zu för<strong>der</strong>n. <strong>Das</strong> gilt auch<br />

für die meisten an<strong>der</strong>en Kirchen.<br />

c) Und was ist zum Dialog innerhalb<br />

des Katholizismus zu sagen? Die Öffnungsbewegung<br />

mit ihren Folgen, die<br />

vor allem durch das II. Vatikanum ausgelöst<br />

wurde, hat ansch<strong>eine</strong>nd bereits<br />

ihren Höhepunkt überschritten. Wir leben<br />

wie<strong>der</strong> in <strong>eine</strong>r Zeit des Rückzugs.<br />

Gehorsam, Betonung <strong>der</strong> Hierarchie,<br />

Standardisierungen bestimmen schon<br />

seit Jahrzehnten den Ton in <strong>der</strong> katholischen<br />

Kirche. Für Dialogbemühungen<br />

zwischen Gläubigen verschiedener Religionen<br />

hat man die Bezeichnung „interreligiöser<br />

Dialog“ gewählt. Begegnung<br />

und Dialog zwischen den Gläubigen <strong>der</strong><br />

verschiedenen christlichen Konfessionen<br />

wird als „Ökumenismus“ definiert. Doch<br />

für den Dialog innerhalb des Katholizismus<br />

ist nicht einmal ein Begriff festgelegt<br />

worden. Vielleicht lässt sich schon daran<br />

erkennen, dass es sich um <strong>eine</strong>n äußerst<br />

schwierigen Sachverhalt handelt.<br />

d) Möglicherweise ließe sich für<br />

dieses Dilemma des Dialogs ein Ausweg<br />

finden, indem man vom interreligiösen<br />

Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

redet? Wäre sie vielleicht das „neue“ Feld<br />

für den Dialog? Nein. Ich möchte die Re-


ligiosität nicht als ein „neues“ o<strong>der</strong> „an<strong>der</strong>es“<br />

Dialogfeld vorstellen. Vielmehr<br />

möchte ich einige ganz bescheidene Anmerkungen<br />

zum interreligiösen Dialog<br />

anbieten, <strong>der</strong> m<strong>eine</strong>r Meinung nach bereits<br />

seit langem auf dem Gebiet <strong>der</strong> Religiosität<br />

stattfindet. Ich möchte lediglich<br />

auf <strong>eine</strong>n Bereich aufmerksam machen,<br />

in dem <strong>der</strong> Dialog längst schon vollzogen<br />

wird, ohne dass man sich dabei zwangsläufig<br />

um ihn Sorgen macht. M<strong>eine</strong> Darlegung<br />

wird in zwei Schritten erfolgen:<br />

In <strong>eine</strong>m ersten Schritt halte ich es für<br />

wichtig zu beschreiben, was man unter<br />

„Religiosität“ versteht; in <strong>eine</strong>m zweiten<br />

Schritt werde ich in zehn Thesen Anmerkungen<br />

zum interreligiösen Dialog in <strong>der</strong><br />

Perspektive <strong>der</strong> Religiosität formulieren.<br />

1. Religiosität<br />

<strong>Das</strong> Wort „Religiosität“ wird häufig<br />

mit dem Zusatz „Volks...“ verwendet<br />

und dementsprechend verstanden. Als<br />

„Volksreligiosität“ bezeichnet man <strong>eine</strong><br />

Reihe von religiösen Praktiken und Glaubensweisen<br />

des „einfachen Volkes“, die<br />

ihren Platz eher am Rande <strong>der</strong> Institution,<br />

wenn nicht gar außerhalb <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Institution<br />

gefor<strong>der</strong>ten und gelebten „Religion“<br />

haben. Einige Kreise gebrauchen<br />

das Wort „Volksreligiosität“ mit <strong>eine</strong>r Art<br />

Vorurteil, weil sie darin <strong>eine</strong> Mischung aus<br />

Aberglauben, religiöser Einfalt und Ignoranz<br />

sehen. An<strong>der</strong>e Kreise verstehen unter<br />

dem Begriff <strong>eine</strong> Art religiöser Unverfälschtheit,<br />

weil sie den „wahren Kern“<br />

religiöser Überzeugung in ihr erkennen.<br />

Ich verstehe das Wort „Religiosität“<br />

nicht in dieser Weise und werde es im Folgenden<br />

auch nicht im Sinne von „Volksreligiosität“<br />

verwenden, was auch immer<br />

man darunter verstehen mag.<br />

Ich werde das Wort „Religiosität“ im<br />

Sinne des persönlich gelebten und erlebten<br />

Glaubens gebrauchen. Religiosität<br />

in diesem Sinne legt den Akzent auf die<br />

Glaubensüberzeugung und das religiöse<br />

Erleben des Menschen. Weil <strong>der</strong> Mensch<br />

<strong>eine</strong>n Glauben hat (vielleicht wäre es besser<br />

zu sagen „vom Glauben überzeugt<br />

ist“), praktiziert er auch ein religiöses<br />

Verhalten, das sich in Handlungen, Riten,<br />

Verhaltensweisen und Weltanschauung<br />

manifestiert, kurzum in Weisen des eigenen<br />

Verhaltens und des Umgangs mit<br />

an<strong>der</strong>en. <strong>Das</strong> Empfinden, das <strong>der</strong> subjektiven<br />

Seite aller dieser „religiösen“ Seinsweisen<br />

zugrunde liegt, bezeichne ich als<br />

Religiosität. Sie bedeutet also Ausdruck<br />

des Gefühls, <strong>der</strong> Seins- und <strong>der</strong> Lebensweise<br />

des Subjekts, ausgehend von <strong>der</strong><br />

Religion. Die so verstandene Religiosität<br />

ist unabhängig von <strong>der</strong> religiösen Institution,<br />

an die sich <strong>der</strong> Mensch gebunden<br />

fühlt. Sie ist unabhängig, weil sie sich<br />

we<strong>der</strong> für noch gegen das von <strong>der</strong> religiösen<br />

Institution vertretene Verständnis<br />

ausspricht. Die so verstandene Religiosität<br />

ist in <strong>der</strong> Person verwurzelt, im Menschen,<br />

<strong>der</strong> glaubt, ohne auf die Gültigkeit<br />

<strong>der</strong> religiösen Vorstellungen <strong>eine</strong>r Institution<br />

festgelegt zu sein. Der Mensch hat<br />

o<strong>der</strong> empfindet Religiosität unabhängig<br />

davon, ob er sie im Kontext <strong>eine</strong>r verfassten<br />

religiösen Institution als gültig erfährt<br />

o<strong>der</strong> nicht.<br />

Der Mensch hat o<strong>der</strong> empfindet<br />

Religiosität unabhängig davon,<br />

ob er sie im Kontext <strong>eine</strong>r<br />

verfassten religiösen Institution<br />

als gültig erfährt o<strong>der</strong> nicht.<br />

Wo ist denn nun aber persönliche Religiosität<br />

verwurzelt o<strong>der</strong> geachtet, wenn<br />

nicht in irgend<strong>eine</strong>r religiösen Institution?<br />

Nach m<strong>eine</strong>m Verständnis ist sie in <strong>der</strong> religiösen<br />

Erfahrung verwurzelt. Religiosität<br />

legitimiert sich zuallererst aus <strong>der</strong> Erfahrung,<br />

aus dem „religiösen Empfinden“,<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Foto: KNA<br />

bevor sie durch irgend<strong>eine</strong> religiöse Institution<br />

akzeptiert und interpretiert wird.<br />

Es erhebt sich dann die Frage: Was könnte<br />

denn dieses „religiöse Empfinden“, diese<br />

religiöse Erfahrung sein? Um dafür <strong>eine</strong><br />

Erklärung zu finden, beziehe ich mich<br />

auf den von dem Religionswissenschaftler<br />

Mircea Eliade verwendeten Begriff Hierophanie.<br />

Laut Mircea Eliade beschreibt<br />

<strong>der</strong> Begriff Hierophanie „die Erfahrung<br />

des Heiligen“. Diese Erfahrung ereignet<br />

sich - laut Eliade - in <strong>der</strong> mentalen<br />

Welt dessen, <strong>der</strong> glaubt. Selbst wenn <strong>der</strong><br />

Mensch verschiedenartige Hierophanien<br />

(als Phänomene) haben kann, so behalten<br />

sie stets die gleiche Struktur <strong>der</strong> Erfahrung<br />

des Sakralen für den Glaubenden.<br />

Eben deshalb ist jede Hierophanie stets<br />

wirklich und wahr. Dies vorausgesetzt,<br />

erklärt sich die Charakterisierung <strong>eine</strong>r<br />

Erfahrung als „religiös“ von selbst: sie<br />

wird als religiös empfunden und bedarf<br />

Berkenbrock – Interreligiöser Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

k<strong>eine</strong>r Instanz, die sie als religiös qualifiziert<br />

o<strong>der</strong> klassifiziert. Religiosität, wie ich<br />

sie hier verstehe, hat also solcherart religiöse<br />

Erfahrung zur Grundlage. Sie vollzieht<br />

sich und wird aufgebaut auf dieser<br />

Erfahrung, sie wird durch sie legitimiert<br />

und verifiziert, das heißt bewahrheitet.<br />

Wenn die Religiosität auf <strong>der</strong> religiösen<br />

Erfahrung gründet, dann ist auch nicht<br />

die religiöse Institution ihr Bezugspunkt,<br />

son<strong>der</strong>n das persönliche Empfinden, das<br />

in <strong>der</strong> Erfahrung s<strong>eine</strong> Grundlage hat. Damit<br />

wird die religiöse Erfahrung <strong>der</strong> Referenzpunkt,<br />

von dem aus das Subjekt s<strong>eine</strong><br />

Religiosität entwickelt.<br />

Wenn hier vom Bezugpunkt für die<br />

Religiosität gesprochen wird, so sei ein<br />

weiterer Begriff eingeführt, <strong>der</strong> in diesem<br />

Kontext wichtig ist. Man redet viel von<br />

religiöser Identität, davon, wie wichtig es<br />

sei, religiöse Identität zu denken, zu klären<br />

9


10<br />

und gegenwärtig zu haben. Religiöse Institutionen<br />

sorgen sich auch um die Weitergabe,<br />

die Erhaltung und Verteidigung<br />

dessen, was sie als ihre religiöse Identität<br />

begreifen. Unter dem Gesichtspunkt<br />

<strong>eine</strong>r Religiosität, die religiöse Erfahrung<br />

zur Grundlage hat, halte ich es für besser,<br />

von religiöser Identifikation als von religiöser<br />

Identität zu sprechen. Der Begriff<br />

religiöse Identität vermittelt den Eindruck<br />

<strong>eine</strong>r statischen Größe, die man anstrebt<br />

und beibehält. Religiöse Identifikation dagegen<br />

ist <strong>eine</strong> dynamische Größe, die auf<br />

Grund <strong>der</strong> Erfahrung stets neu bestimmt<br />

wird. So wird auch die Religiosität aus<br />

<strong>der</strong> persönlichen religiösen Erfahrung,<br />

mit <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> glaubende Mensch identifiziert,<br />

stets neu konstituiert. An<strong>der</strong>s gesagt:<br />

Sobald bestimmte Erfahrungen als<br />

religiös empfunden werden, geschieht<br />

durch sie religiöse Identifikation. Konkret<br />

kann das ein Ritual, ein Erlebnis, ein Inhalt,<br />

ein Wort, ein Ort u. a. m. sein.<br />

Sobald bestimmte Erfahrungen<br />

als religiös empfunden werden,<br />

geschieht durch sie religiöse<br />

Identifikation.<br />

An dieser Stelle soll auch auf die Tatsache<br />

hingewiesen werden, dass sich das<br />

Verständnis von Ort und Bedeutung <strong>der</strong><br />

persönlichen religiösen Erfahrung verän<strong>der</strong>t.<br />

Die persönliche religiöse Erfahrung<br />

wird für das mo<strong>der</strong>ne und post-mo<strong>der</strong>ne<br />

Subjekt immer mehr zur Instanz für religiöse<br />

Verifikation. Etwas ist dann in religiösen<br />

Begriffen wahr, wenn es als solches<br />

empfunden bzw. erfahren wird und nicht<br />

mehr dann, wenn es irgend<strong>eine</strong> Institution<br />

für wahr erklärt. Die religiöse Institution<br />

hat für das Subjekt weitgehend die<br />

Fähigkeit eingebüßt, religiöse Wahrheit<br />

definieren zu können. Die Verantwor-<br />

tung für die religiöse Wahrheit – mehr im<br />

Sinne <strong>eine</strong>r Überzeugung als im Sinne <strong>eine</strong>r<br />

Lehraussage – hat sich für das Subjekt<br />

von <strong>der</strong> Institution auf s<strong>eine</strong> eigene Erfahrung<br />

verlagert.<br />

2. Zehn Thesen<br />

zum interreligiösen Dialog<br />

in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong><br />

Religiosität<br />

1. These: Der interreligiöse Dialog<br />

auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Religiosität<br />

ist ein viel älterer Prozess als das Bewusstsein<br />

<strong>der</strong> religiösen Institution<br />

über Bedeutung und Ort des interreligiösen<br />

Dialogs.<br />

Religiöser Austausch unter dem Gesichtspunkt<br />

von Religiosität ereignet sich<br />

als Prozess seit den frühesten Zeiten <strong>der</strong><br />

Menschheit. Von dem Moment an, da<br />

irgendein religiöses Handeln (ein Ritual,<br />

ein Opfer, ein Tempel etc.) etwas für jemanden<br />

bedeuten kann, das heißt, <strong>eine</strong><br />

religiöse Erfahrung sein kann, wird es mit<br />

ihm <strong>eine</strong> Identifikation geben. Es wird<br />

zum Bezugspunkt. So werden schließlich<br />

sehr unterschiedliche „religiöse Bräuche“<br />

verschiedenartigster Herkunft von an<strong>der</strong>en<br />

Gruppen übernommen, sofern sie <strong>eine</strong><br />

religiöse Bedeutung haben, das heißt,<br />

<strong>eine</strong> religiöse Erfahrung - und damit <strong>eine</strong><br />

Identifikation - vermitteln.<br />

Dank des Dialogs auf dieser Ebene<br />

gibt es in <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Religionen<br />

viele Beispiele religiösen Austausches,<br />

von denen einige hier erwähnt werden<br />

sollen. Die Geschichte hinduistischer religiöser<br />

Traditionen ist voller Gottheiten,<br />

<strong>der</strong>en Kulte vereinigt wurden; voller Rituale,<br />

die aus an<strong>der</strong>en religiösen Gruppen<br />

stammen, voller neu gedeuteter Rituale<br />

etc. Die Bibel ist ein weiteres interessantes<br />

Beispiel dafür, wie die Erinnerung<br />

an diesen Dialog <strong>der</strong> Religiositäten in <strong>der</strong><br />

jüdischen Tradition bewahrt wird. In ihr<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


lesen wir von <strong>eine</strong>r Fülle verschiedener Riten,<br />

Kulte und religiöser Handlungen, die<br />

sozusagen nebeneinan<strong>der</strong> existieren. Es<br />

gibt Berichte über Rituale zur Opferung<br />

<strong>der</strong> Erstlingsgaben, <strong>der</strong> ersten Früchte <strong>der</strong><br />

Erde. Solche Rituale sind eindeutig agrarischen<br />

Ursprungs. Viele an<strong>der</strong>e Berichte<br />

handeln von <strong>der</strong> Opferung von Tieren,<br />

die über Steinhaufen verbrannt werden.<br />

Solche Rituale stammen aus Hirtenkulturen.<br />

O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Berichte erzählen<br />

von religiösen Handlungen auf Berggipfeln.<br />

Solche Rituale stammen aus Traditionen,<br />

die Gottheiten personalisierten<br />

und ihnen ganz bestimmte, oft schwer<br />

zugängliche Orte als Wohnungen zuwiesen.<br />

Die Bibel selbst bezeugt die Schwierigkeiten,<br />

mit denen man konfrontiert<br />

war, als man versuchte, den Kult um den<br />

Tempel von Jerusalem zu vereinheitlichen,<br />

ein Prozess, <strong>der</strong> mehr Spaltung als<br />

Einheit mit sich brachte. Noch zur Zeit Jesu<br />

fragte ihn die Samaritanerin, wo man<br />

den richtigen Gottesdienst feiere, ob auf<br />

diesem Berg o<strong>der</strong> in Jerusalem. Um noch<br />

ein weiteres Beispiel anzufügen: Auch die<br />

Geschichte des Christentums ist voll von<br />

Momenten des Dialogs, <strong>der</strong> sich mit den<br />

sogenannten heidnischen Kulten ereignete.<br />

Dank dieses Dialogs wird ein Datum<br />

für das Weihnachtsfest fixiert, indem man<br />

das Datum <strong>eine</strong>s römischen Kultes übernimmt.<br />

Dank dieses Dialogs findet <strong>der</strong><br />

Weihnachtsbaum, <strong>der</strong> aus germanischen<br />

Kulten kommt, Eingang ins Christentum.<br />

<strong>Das</strong> sind nur zwei Beispiele aus <strong>der</strong> Geschichte<br />

des Christentums.<br />

Wenn man über die lange Geschichte<br />

von Austausch und Dialog zwischen<br />

den verschiedenen religiösen Traditionen<br />

nachzudenken beginnt, wird klar,<br />

dass die Sorge seitens <strong>der</strong> religiösen Institution<br />

um die Bedeutung und den Ort<br />

des interreligiösen Dialogs erst ganz am<br />

Anfang steht. Der interreligiöse Dialog<br />

im Bewusstsein <strong>der</strong> religiösen Institution<br />

Berkenbrock – Interreligiöser Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

– und s<strong>eine</strong> Respektierung – steckt noch<br />

in den Anfängen; er könnte viel lernen<br />

von dem Jahrtausende alten Weg, den<br />

<strong>der</strong> Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

schon zurückgelegt hat.<br />

2. These: Auch wenn die religiöse<br />

Institution den interreligiösen<br />

Dialog als ihre Aufgabe betrachtet<br />

– und dafür Kommissionen, Foren<br />

und Strukturen schafft, so bedeutet<br />

das nicht automatisch <strong>eine</strong>n Fortschritt<br />

für den Dialog. Die offiziellen<br />

Instanzen für den interreligiösen<br />

Dialog werden eher zu „Außenministerien“<br />

als zu Orten des Dialogs.<br />

Sie werden eher zu Orten, an denen<br />

sich die repräsentierte Institution<br />

verteidigt, als zu Orten, an denen<br />

<strong>der</strong> Austausch erleichtert wird.<br />

<strong>Das</strong>s <strong>der</strong> interreligiöse Dialog von<br />

<strong>der</strong> Institution als Aufgabe angenommen<br />

wird, ist in <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Religionen<br />

erst ein ganz junger Prozess und daher<br />

noch längst nicht in allen Institutionen<br />

etabliert. In <strong>der</strong> katholischen Kirche zum<br />

Beispiel geschah dies erst beim II. Vatikanischen<br />

Konzil durch das Dokument Nostra<br />

aetate.<br />

Für die religiöse Institution ist die Einsicht<br />

in die Notwendigkeit des interreligiösen<br />

Dialogs und die daraus folgende<br />

Schaffung von Instanzen und Organismen,<br />

die ihn voranbringen, zweifellos ein<br />

großer Fortschritt. Für den Prozess des<br />

Austauschs und des Dialogs jedoch muss<br />

dieses Faktum deshalb noch kein qualitativer<br />

Sprung nach vorn sein. Sobald<br />

<strong>eine</strong> bestimmte religiöse Institution den<br />

interreligiösen Dialog als ihre Aufgabe<br />

ansieht, schafft sie normalerweise dafür<br />

Strukturen. Verantwortliche für den Dialog<br />

werden ernannt, Kommissionen für<br />

den Dialog geschaffen, Versammlungen,<br />

Foren, Treffen etc. organisiert. Die Erfah-<br />

11


12<br />

rung einiger Jahrzehnte beweist jedoch,<br />

dass diese Strukturen schließlich eher <strong>eine</strong><br />

Rolle als „Außenministerium“ spielen<br />

und weniger als Raum des Austausches<br />

gelten. Diese Strukturen sind eher dafür<br />

da, die jeweilige Position <strong>der</strong> von ihnen<br />

repräsentierten Institution klarzustellen<br />

und zu verteidigen, als in <strong>eine</strong>n offenherzigen<br />

Dialog einzutreten. Schließlich hat<br />

man dann <strong>eine</strong> Struktur „religiöser Diplomatie“<br />

geschaffen, über die sich die<br />

Institutionen gegenseitig zu bestimmten<br />

Daten Botschaften zusenden, die jeweiligen<br />

Verantwortlichen Grußworte schicken<br />

o<strong>der</strong> sich „diplomatische“ Besuche<br />

abstatten.<br />

Wenn <strong>der</strong> interreligiöse Dialog von <strong>eine</strong>r<br />

religiösen Institution geleitet wird,<br />

spielen die Darlegung und Verteidigung<br />

<strong>der</strong> von „ihr vertretenen religiösen<br />

Wahrheit“ stets <strong>eine</strong> große Rolle.<br />

Wenn <strong>der</strong> interreligiöse Dialog von<br />

<strong>eine</strong>r religiösen Institution geleitet wird,<br />

spielen die Darlegung und Verteidigung<br />

<strong>der</strong> von „ihr vertretenen religiösen Wahrheit“<br />

stets <strong>eine</strong> große Rolle. <strong>Das</strong> versteht<br />

sich von selbst, denn die religiöse Institution<br />

kann sich nicht allzu sehr von ihrer<br />

religiösen Wahrheit entfernen; an<strong>der</strong>nfalls<br />

würde sie sich von ihrer eigenen<br />

Identität lösen und damit zum Teil ihren<br />

<strong>Das</strong>einsgrund einbüßen. Für den Dialogprozess<br />

spielt dieses Faktum also mehr<br />

die Rolle <strong>eine</strong>s Kristallisationspunktes als<br />

<strong>eine</strong>s Motors <strong>der</strong> Entwicklung.<br />

<strong>Das</strong> ist nur <strong>eine</strong> Feststellung und nicht<br />

in erster Linie <strong>eine</strong> Kritik o<strong>der</strong> gar <strong>eine</strong><br />

Abwertung <strong>der</strong> Dialogstrukturen religiöser<br />

Institutionen und ihrer Handlungen.<br />

Nein, auch sie haben ihre Bedeutungen<br />

und ihre Rechtfertigung, aber man muss<br />

klar sehen, dass sie qualitativ und quantitativ<br />

nur geringe Erfolge erzielen, bzw.<br />

dass ihr Handlungsspielraum und ihre<br />

Wirkungen relativ begrenzt sind.<br />

3. These: Die Logik des interreligiösen<br />

Dialogs auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Religiosität<br />

unterscheidet sich deutlich<br />

von jener des interreligiösen<br />

Dialogs auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> religiösen<br />

Institution. Vereinfacht gesagt: Die<br />

Logik <strong>der</strong> Identifikation - die Fähigkeit,<br />

sich mit etwas Gemeinsamem<br />

identifizieren zu können - ist ein<br />

entscheiden<strong>der</strong> Faktor für den Dialog<br />

in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität,<br />

während für den Dialog,<br />

<strong>der</strong> von <strong>der</strong> religiösen Institution<br />

aus denkt, die Logik <strong>der</strong> institutionellen<br />

Identität bestimmend ist.<br />

Selbst wenn beide den Begriff interreligiöser<br />

Dialog verwenden, folgen sie<br />

völlig verschiedenen Logiken. <strong>Das</strong> heißt<br />

nicht, dass die Logiken im Gegensatz<br />

o<strong>der</strong> im Wi<strong>der</strong>spruch zueinan<strong>der</strong> stehen<br />

müssen. Man muss nur klar sehen,<br />

dass sie sich erheblich voneinan<strong>der</strong> unterscheiden<br />

und daher nicht verwechselt<br />

werden dürfen.<br />

Unter Religiosität – siehe oben – verstehe<br />

ich das Empfinden und die daraus<br />

folgenden Handlungsweisen, also das Erleben,<br />

das von <strong>der</strong> religiösen Erfahrung<br />

ausgeht. Der interreligiöse Dialog in <strong>der</strong><br />

Perspektive <strong>der</strong> Religiosität findet s<strong>eine</strong>n<br />

Konvergenzpunkt in <strong>der</strong> religiösen Erfahrung.<br />

Die Identifikation mit <strong>eine</strong>r bestimmten<br />

religiösen Erfahrung bzw. mit<br />

einzelnen Aspekten dieser Erfahrung ist<br />

<strong>der</strong> Punkt, um den sich <strong>der</strong> Dialog dreht,<br />

über den sich <strong>der</strong> Austausch ereignet.<br />

Die Identifikation ist k<strong>eine</strong> direkte Konsequenz<br />

<strong>eine</strong>s Willensaktes. Sie geschieht<br />

o<strong>der</strong> geschieht nicht. Sie leitet sich her<br />

aus <strong>eine</strong>r Empfindung. Und die Annäherung<br />

an diese religiöse Empfindung ist<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


<strong>der</strong> Pfad, dem <strong>der</strong> Dialog folgt und <strong>der</strong><br />

ihn möglich macht. Je näher man dieser<br />

Empfindung kommt, je intensiver man in<br />

<strong>der</strong> Empfindung übereinstimmt, umso<br />

größer ist die Chance des Dialogs. <strong>Das</strong><br />

Zentrum, <strong>der</strong> Dreh- und Angelpunkt für<br />

den Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> so verstandenen<br />

Religiosität sind also nicht die<br />

am Dialog Beteiligten, son<strong>der</strong>n das, was<br />

sie zusammenführt: sich mit etwas Gemeinsamem<br />

identifizieren zu können, einan<strong>der</strong><br />

nahe zu sein im religiösen Empfinden,<br />

Erleben und Erfahrungen zu teilen.<br />

Der von <strong>der</strong> Logik <strong>der</strong> Institution<br />

her gedachte interreligiöse Dialog dagegen<br />

gründet mehr auf <strong>der</strong> jeweils eigenen<br />

Identität <strong>der</strong> Dialogpartner. Wer an<br />

diesem Dialog beteiligt ist, nimmt daran<br />

nicht teil, weil er ein gemeinsames o<strong>der</strong><br />

ähnliches Empfinden mit dem an<strong>der</strong>en<br />

teilen will – auch wenn es das geben kann<br />

und es sogar gut wäre, wenn es das gäbe<br />

–, son<strong>der</strong>n weil er als Vertreter <strong>der</strong> Institution<br />

daran teilnimmt. Als Sprecher <strong>der</strong><br />

jeweiligen Institution sprechen die Dialogbeteiligten<br />

nicht im eigenen Namen,<br />

son<strong>der</strong>n im Namen <strong>der</strong> Institution, die<br />

sie vertreten und die ihre Teilnahme legitimiert.<br />

Die Identität ist also legitimiert<br />

und entsteht nicht erst durch die Erfahrung<br />

<strong>der</strong> Dialogbeteiligten. Dementsprechend<br />

entwickelt sich auch die Logik, die<br />

diese Art des Dialogs bestimmt: es ist <strong>eine</strong><br />

Logik des Bewahrens, um nicht zu sagen:<br />

<strong>der</strong> Verteidigung <strong>der</strong> Identität, die man<br />

vertritt. In diesem Kontext ist es üblich<br />

davon zu sprechen, dass es im interreligiösen<br />

Dialog wichtig sei, Klarheit über die<br />

eigene religiöse Identität zu haben. Diese<br />

Klarheit ist zwar wichtig, aber es ist auch<br />

wichtig zu wissen, dass es eindeutig die<br />

Institution und ihre Bedürfnisse sind, die<br />

diese Klarheit verlangen. Folglich ist <strong>der</strong><br />

Konvergenzpunkt für diese Art des Dialogs<br />

<strong>der</strong> Wille, aus sich herauszugehen<br />

und dem an<strong>der</strong>en zu begegnen. In dieser<br />

Bewegung gibt es zumindest zwei Identi-<br />

Berkenbrock – Interreligiöser Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

täten, die einan<strong>der</strong> begegnen und darum<br />

bemüht sind, eindeutig zwei zu bleiben.<br />

Der Konvergenzpunkt besteht nicht in<br />

<strong>eine</strong>m Dritten, zu dem beide sich hingezogen<br />

fühlen und das beiden gemeinsam<br />

ist und daher in beiden ein Empfinden <strong>der</strong><br />

Identifikation hervorrufen kann.<br />

4. These: Ein weiterer entscheiden<strong>der</strong><br />

Faktor für den interreligiösen<br />

Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong><br />

Religiosität ist „die Logik des gemeinsamen<br />

Zieles“, das heißt, <strong>der</strong><br />

Dialog kommt zustande, weil die<br />

Ziele sich einan<strong>der</strong> annähern, und<br />

nicht auf Grund <strong>der</strong> Identität, aus<br />

<strong>der</strong> man stammt.<br />

Diese These schließt sich gedanklich<br />

an die vorherige an. Ein entscheiden<strong>der</strong><br />

Faktor für den interreligiösen Dialog ist<br />

<strong>der</strong> impulsgebende Faktor. Im Fall <strong>eine</strong>s<br />

Dialogs ist es jener Faktor, <strong>der</strong> zur Konvergenz<br />

führt. So könnte man vereinfacht<br />

sagen, dass die Logik des gemeinsamen<br />

Zieles die Grundlage für den interreligiösen<br />

Dialog bildet. Was ich als religiöses<br />

Empfinden, als religiöse Erfahrung, als<br />

religiöses Erleben o<strong>der</strong> einfach als Religiosität<br />

bezeichnet habe, treibt den interreligiösen<br />

Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong><br />

Religiosität voran. Ich habe dafür den<br />

Begriff Identifikation gewählt und m<strong>eine</strong><br />

damit: in dem übereinkommen können,<br />

was bewegt. Im Falle des Dialogs ist es<br />

das, was die Teilnehmenden übereinstimmend<br />

o<strong>der</strong> ähnlich empfinden und was<br />

sie daher gemeinsam bewegt. Ein erhellendes<br />

Beispiel für den interreligiösen Dialog<br />

in dieser Perspektive ist <strong>der</strong> religiöse<br />

Synkretismus. Gerade <strong>der</strong> religiöse Synkretismus<br />

ist <strong>eine</strong> <strong>der</strong> bekanntesten historischen<br />

Konsequenzen aus <strong>der</strong> Interaktion<br />

zwischen den Religiositäten. Der<br />

Synkretismus ist ein bedeutsamer Dialogprozess<br />

auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Religiosität.<br />

Im Synkretismus gab es <strong>eine</strong>n Austausch,<br />

13


1<br />

<strong>eine</strong>n Dialog mit Konsequenzen, auf <strong>der</strong><br />

Basis <strong>eine</strong>r Empfindung von Identifikation<br />

mit <strong>eine</strong>m gemeinsamen Ziel. Als Beispiel<br />

kann <strong>der</strong> Weihnachtsbaum dienen. Er<br />

weckt die Empfindung für das entstehende<br />

Leben, <strong>eine</strong>s Lebens, das nicht stirbt,<br />

son<strong>der</strong>n Wi<strong>der</strong>stand leistet; auf <strong>der</strong> Basis<br />

dieser Logik des gemeinsamen Zieles, <strong>eine</strong>r<br />

gemeinsamen Identifikation, wurde<br />

<strong>der</strong> Baum akzeptiert und mühelos in die<br />

christliche Tradition eingeglie<strong>der</strong>t.<br />

An<strong>der</strong>s verhält es sich mit <strong>der</strong> Logik<br />

des interreligiösen Dialogs auf <strong>der</strong> Basis<br />

<strong>der</strong> religiösen Institution. Sie definiert<br />

sich durch die Herkunft <strong>der</strong> am Dialog<br />

Beteiligten. Die religiöse Identität, ihre<br />

Darlegung, Erhaltung und Rechtfertigung<br />

ist hier <strong>der</strong> entscheidende Faktor.<br />

In dieser Logik <strong>der</strong> Herkunft gibt<br />

es k<strong>eine</strong> Konvergenz. Die Herkunftslogik<br />

hält durch die jeweilige Eigendynamik<br />

<strong>der</strong> Institution und ihrer Interessen<br />

an den Unterschieden fest.<br />

5. These: <strong>Das</strong> „Angebot von religiösen<br />

Dienstleistungen“, das allgemein<br />

ein Angebot ist, um Erfahrungen<br />

zu machen, ist heutzutage<br />

zum privilegierten Ort für den interreligiösen<br />

Dialog in <strong>der</strong> Perspektive<br />

<strong>der</strong> Religiosität geworden.<br />

Mehrfach wurde hier bereits von Religiosität<br />

als von etwas gesprochen, das<br />

das Erleben des persönlichen Glaubens,<br />

die religiöse Erfahrung zur Grundlage<br />

hat. Ebenso davon, dass <strong>der</strong> interreligiöse<br />

Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

sich dann in <strong>der</strong> Konvergenz ereignet, in<br />

<strong>der</strong> Identifikation mit an<strong>der</strong>en religiösen<br />

Erfahrungen. Ich habe auch bereits darauf<br />

hingewiesen, dass diese Identifikation<br />

ein entscheiden<strong>der</strong> Faktor für den<br />

Dialogprozess in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

ist. Nun möchte ich auf einige<br />

Spuren aufmerksam machen, durch die<br />

man das Beschriebene in unserer Realität<br />

beobachten kann.<br />

Ich habe auch auf den Unterschied<br />

zwischen den Logiken <strong>der</strong> beiden Dialogformen<br />

– des Dialogs auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Religiosität<br />

bzw. auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> religiösen<br />

Institution – hingewiesen, dass nämlich<br />

<strong>der</strong> Dialog seitens <strong>der</strong> religiösen Institution<br />

leicht Gefahr läuft, zu religiöser Diplomatie<br />

zu werden. Folglich wäre das<br />

Milieu <strong>der</strong> Institution nicht so sehr <strong>der</strong><br />

privilegierte Ort, um den interreligiösen<br />

Dialog unter dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> Religiosität<br />

zu praktizieren. Dieser vollzieht<br />

sich eher in an<strong>der</strong>er Umgebung als in <strong>der</strong><br />

religiösen Institution selbst.<br />

M<strong>eine</strong>r Ansicht nach geschieht dieser<br />

Dialog heutzutage häufig durch das,<br />

was ich – vorsichtig formuliert – das „Angebot<br />

<strong>eine</strong>r religiösen Dienstleistung“<br />

nennen würde. Dabei kann man sehr<br />

unterschiedliche Phänomene beobachten.<br />

Zum <strong>eine</strong>n gibt es die Angebote<br />

von Begegnungen, Seminaren, Workshops,<br />

Kursen etc. religiösen Charakters;<br />

Kurse für religiöse Tänze, Meditationserfahrungen,<br />

Entspannungsmethoden,<br />

ritualisierte Anwendungen von Gesundheitstherapien.<br />

Die tatsächliche Flut von<br />

Angeboten in dieser Hinsicht lässt darauf<br />

schließen, dass hier wirklich <strong>eine</strong> große<br />

Nachfrage vorliegt. Nicht immer präsentieren<br />

sich diese Aktivitäten als ausdrücklich<br />

religiös, son<strong>der</strong>n z. T. auch als<br />

solche, die die Weisheit irgend<strong>eine</strong>r religiösen<br />

Tradition wie<strong>der</strong> aufleben lassen<br />

wollen. Sie schöpfen in <strong>der</strong> Tat aus den<br />

religiösen Erfahrungen von Traditionen,<br />

die vor Jahrhun<strong>der</strong>ten entstanden sind<br />

und seitdem weitergegeben und erlernt<br />

wurden. Ebendeshalb verfügen sie über<br />

<strong>eine</strong>n hohen Grad an Effektivität (in dem<br />

Sinne: „es funktioniert“!), was dieser Art<br />

von Angeboten mit ihren erlebnis- und<br />

erfahrungsorientierten Ansätzen gemeinsam<br />

zu sein scheint. Es geht nicht nur um<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Foto: KNA<br />

Berkenbrock – Interreligiöser Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

1


1<br />

etwas, das „gesagt“ wurde, son<strong>der</strong>n um<br />

etwas, das „gesagt und getan wurde“.<br />

Zum an<strong>der</strong>n kann man feststellen,<br />

dass „im Angebot von religiösen Dienstleistungen“<br />

auch Einzelmenschen <strong>eine</strong><br />

Rolle spielen, die in verschiedenen Lebensumständen<br />

als Mittler aufgesucht<br />

werden: bei Krankheit, Missgeschick,<br />

Unfall, Schicksalsschlägen, Beratungen<br />

in Liebesangelegenheiten und beim Tod<br />

von Menschen, aber auch im Falle von Investitions-<br />

und Unternehmertätigkeiten,<br />

bei Verlobungen und Hochzeiten. Solche<br />

Menschen legen die Hände auf, verrichten<br />

Gebete, heilen, vollziehen Riten o<strong>der</strong><br />

lassen sie vollziehen, geben Ratschläge<br />

und sagen die Zukunft voraus. Oftmals<br />

sind solche Menschen sogar mit irgend<strong>eine</strong>r<br />

religiösen Institution verbunden, wie<br />

z. B. ein „pai-de-santo“ (Anm. d. Red.:<br />

höchste religiöse Autorität im afro-brasilianischen<br />

Kult), <strong>der</strong> dazu anhält, Riten zu<br />

vollziehen, ein Pastor, <strong>der</strong> ein wirksames<br />

Gebet lehrt, ein Pater, <strong>der</strong> die Hände<br />

auflegt, o<strong>der</strong> <strong>eine</strong> Nonne, die Tees „verschreibt“.<br />

Auch wenn diese Personen <strong>eine</strong>r Institution<br />

angehören, so vollziehen sie die<br />

Handlungen doch häufig am Rande <strong>der</strong><br />

Institution. Im Rahmen dieses Angebots<br />

von religiösen Dienstleistungen ließe sich<br />

noch vieles mehr sagen. Doch sollen diese<br />

beiden Hinweise genügen, um auf das<br />

Anliegen aufmerksam zu machen.<br />

In den hier geschil<strong>der</strong>ten Arten des<br />

Austauschs werden vor allem zwei Faktoren<br />

sichtbar, die weiter oben bereits<br />

als unabdingbar für den interreligiösen<br />

Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

genannt wurden: die Logik <strong>der</strong> Identifikation<br />

und die Logik des Bemühens um<br />

ein gemeinsames Ziel. Menschen, die<br />

durch die religiösen Dienstleistungen<br />

Erfahrungen machen, suchen nach ihnen,<br />

weil sie gemeinsame Ziele erreichen<br />

wollen; sie suchen nach diesen Ange-<br />

boten, weil sie sich in irgend<strong>eine</strong>r Weise<br />

mit ihnen identifizieren. Dieses Bemühen<br />

und diese Identifikation wirken<br />

zusammen, so dass dort wirklich ein interreligiöser<br />

Dialog in <strong>der</strong> Perspektive<br />

<strong>der</strong> Religiosität stattfindet.<br />

6. These: Der interreligiöse Dialog<br />

in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

hat – da er sich um die institutionelle<br />

Struktur nicht kümmert<br />

- mehr den Charakter <strong>eine</strong>s Ereignisses,<br />

<strong>eine</strong>s Erlebnisses, <strong>eine</strong>s Momentes,<br />

als den <strong>eine</strong>s Bemühens<br />

um „Verantwortung“ bzw. um den<br />

„Aufbau von Strukturen“.<br />

Im Kontext <strong>eine</strong>r Religiosität, die auf<br />

<strong>der</strong> religiösen Erfahrung beruht, ist <strong>der</strong> interreligiöse<br />

Dialog, das heißt die Identifikation<br />

und <strong>der</strong> Austausch mit <strong>eine</strong>r an<strong>der</strong>en<br />

religiösen Erfahrung, charakterisiert<br />

durch das, was ihn auch hervorbringt,<br />

durch s<strong>eine</strong> erfahrungsbestimmte, erlebnisorientierte<br />

und momentane Gestalt.<br />

Da er sich auf dieser Ebene – zumindest<br />

anfangs – gar nicht um die institutionelle<br />

religiöse Struktur kümmert, verfügt er<br />

auch nicht über <strong>der</strong>en Schwerfälligkeit.<br />

Der Volksmund sagt: „Wer weiß, handelt.<br />

Wer nicht weiß, bildet <strong>eine</strong>n Arbeitskreis!“<br />

Den wahren Kern dieser scherzhaften<br />

Bemerkung kann man auf unser<br />

Thema übertragen. Die Institutionen,<br />

besorgt darum, den interreligiösen Dialog<br />

in Gang zu bringen, aber nicht genau<br />

wissend, wie man das machen könnte,<br />

berufen Kommissionen und ernennen<br />

Verantwortliche für dieses Anliegen. Diese<br />

wie<strong>der</strong>um veranstalten Treffen und<br />

Foren, bilden Studiengruppen und bilaterale<br />

Kommissionen mit dem jeweiligen<br />

Gegenüber an<strong>der</strong>er Institutionen, also<br />

mit den zu diesem Zweck von an<strong>der</strong>en Institutionen<br />

eingesetzten Kommissionen.<br />

In <strong>eine</strong>r solchen Umgebung betreibt man<br />

mehr Studien über den Dialog als den Di-<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


alog selbst. <strong>Das</strong> ist so, weil die Mitglie<strong>der</strong><br />

solcher Kommissionen auf ihren Schultern<br />

die Verantwortung tragen, ihre jeweilige<br />

Institution zu repräsentieren und<br />

klarzustellen, was Identität, Doktrin und<br />

Ansicht eben dieser Institution ausmachen.<br />

Gleichzeitig halten sie es für notwendig,<br />

Strukturen zu schaffen, die ihre<br />

Intention stützen; Statuten werden verfasst,<br />

Zeitpläne erstellt, Verantwortlichkeiten<br />

hierarchisch bestimmt und vieles<br />

an<strong>der</strong>e mehr. Um all das aufrecht zu erhalten,<br />

muss ebenfalls viel Zeit und Kraft<br />

aufgewendet werden.<br />

Beim interreligiösen Dialog, <strong>der</strong> sich<br />

auf Grund von Religiosität ereignet, kümmert<br />

man sich um diese Seite überhaupt<br />

nicht. Die am Dialog Beteiligten nehmen<br />

als Privatmenschen an <strong>der</strong> Dynamik teil.<br />

Es gibt k<strong>eine</strong> „Verantwortlichkeit vor jemandem<br />

o<strong>der</strong> vor etwas“. Es geht ganz<br />

einfach um Erleben und Erfahrung. Aber<br />

haben solches Erleben und solche Erfahrung<br />

k<strong>eine</strong> Konsequenzen? Auch wenn<br />

dies <strong>der</strong> Fall wäre, ist es in diesem Moment<br />

nicht von vorrangigem Interesse.<br />

7. These: Es wäre illusorisch<br />

zu glauben, <strong>der</strong> interreligiöse Dialog<br />

auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Religiosität<br />

sei stets ein Weg zu Verständigung<br />

und Einheit. Sowohl in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

als auch in <strong>der</strong> Gegenwart<br />

ist <strong>der</strong> interreligiöse Dialog in <strong>der</strong><br />

Perspektive <strong>der</strong> Religiosität immer<br />

wie<strong>der</strong> auch ein Mittel <strong>der</strong> Nicht-<br />

Identifikation. Er wird oft sogar als<br />

religiöser Fanatismus bzw. Fundamentalismus<br />

gesehen.<br />

Da ich den Dialog in <strong>der</strong> Perspektive<br />

<strong>der</strong> Religiosität recht positiv dargestellt<br />

habe, könnte <strong>der</strong> Eindruck entstehen,<br />

dass ich <strong>eine</strong>rseits ausschließlich diesen<br />

Weg für den Dialog als wertvoll erachte,<br />

und dass ich an<strong>der</strong>erseits diese Form des<br />

Dialogs als „die“ Lösung bei <strong>der</strong> Suche<br />

Berkenbrock – Interreligiöser Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

nach Verständigung und Einheit ansehe.<br />

Falls dies <strong>der</strong> Eindruck beim Lesen <strong>der</strong><br />

oben stehenden Reflexionen gewesen<br />

sein sollte, möchte ich klarstellen, dass<br />

die zweifellos positiven Aussagen über<br />

den interreligiösen Dialog in <strong>der</strong> Perspektive<br />

<strong>der</strong> Religiosität auf m<strong>eine</strong>r Überzeugung<br />

gründen, dass diese Dialogpraxis<br />

in <strong>der</strong> Vergangenheit bereits reichlich erprobt<br />

worden ist und fruchtbar war.<br />

Dennoch habe ich k<strong>eine</strong>swegs die<br />

Vorstellung, <strong>der</strong> Austausch auf <strong>der</strong> Basis<br />

<strong>der</strong> Religiosität sei stets ein Mittel <strong>der</strong><br />

Verständigung und <strong>der</strong> Herstellung von<br />

Einheit gewesen. In <strong>der</strong> Geschichte des<br />

interreligiösen Dialogs auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong><br />

Religiosität kann man verfolgen, dass<br />

<strong>der</strong> Austausch nicht in jedem Falle positiv<br />

war. Auch wenn die Identifikation für<br />

den Dialog in dieser Perspektive vielfach<br />

die Folge ist, so ist auch die Nicht-Identifikation<br />

<strong>eine</strong> mögliche Realität. Der Dialog<br />

muss nicht zwingend als Mittel <strong>der</strong><br />

Verständigung gedeutet werden. Er kann<br />

auch dem Missverständnis und <strong>der</strong> Distanzierung<br />

Vorschub leisten. Gerade<br />

weil <strong>der</strong> Dialog in dieser Perspektive <strong>eine</strong><br />

gute Dosis von Empfindungen und Emotionen<br />

einbezieht, kann das Missverstehen<br />

zu Fanatismen und schmerzhaften<br />

Trennungen führen, wofür es auch Beispiele<br />

gibt. An<strong>der</strong>s gesagt: so wie sich ein<br />

Prozess <strong>der</strong> Identifikation, <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s<br />

attraktiv ist, ereignen kann, so ist auch<br />

<strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Nicht-Identifikation <strong>der</strong><br />

beson<strong>der</strong>s abweisend sein kann, <strong>eine</strong><br />

Realität. <strong>Das</strong> Phänomen <strong>der</strong> Nicht-Identifikation<br />

kann vielfach beson<strong>der</strong>s dort<br />

erfahren werden, wo jemand <strong>eine</strong> wesentlich<br />

an<strong>der</strong>e religiöse Erfahrung als früher<br />

macht und auf <strong>der</strong> Basis dieser neuen<br />

Erfahrung zu <strong>eine</strong>r an<strong>der</strong>en Einsicht über<br />

s<strong>eine</strong> religiöse Einstellung im Glauben<br />

gelangt. In solchen Fällen sind scharfe Distanzierungen<br />

von früheren Erfahrungen<br />

nicht selten. Die neue Erfahrung vor Augen,<br />

setzt man alles daran zu beweisen,<br />

1


1<br />

dass man sich nicht länger mit <strong>der</strong> vorhergehenden<br />

Erfahrung identifiziert. Der<br />

Aufbau <strong>eine</strong>r religiösen Identifikation auf<br />

Grund <strong>eine</strong>r neuen religiösen Erfahrung<br />

wäre sicher ein interessanter Gegenstand<br />

<strong>der</strong> Beobachtung, überschreitet aber den<br />

Rahmen m<strong>eine</strong>r Reflexion.<br />

8. These: Der interreligiöse Dialog<br />

in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

hat größere Chancen praktiziert<br />

zu werden, weil er sich nicht<br />

auf die unauflösbare Spannung religiöser<br />

„Zugehörigkeit“ einlassen<br />

muss. Die Institution hat das Problem<br />

(die Unsicherheit) <strong>der</strong> Zugehörigkeit,<br />

was den Dialog lähmt.<br />

Die religiöse Institution – namentlich<br />

in <strong>der</strong> christlich-kirchlichen Tradition<br />

– kümmert sich sehr intensiv um die „religiöse“<br />

Zugehörigkeit ihrer Mitglie<strong>der</strong>.<br />

Religiöse Gläubigkeit wird mehr im Sinne<br />

<strong>der</strong> Bindung an die Institution verstanden<br />

denn als persönlich empfundene Anhänglichkeit<br />

an das Heilige. Aus <strong>der</strong> Sicht<br />

<strong>der</strong> Institution ist <strong>der</strong> Glaube etwas, an<br />

das die Gläubigen glauben müssen. Für<br />

die Glaubenden dagegen ist <strong>der</strong> Glaube<br />

das, woran sie glauben, während die Institution<br />

zu diesem intimen, persönlichen<br />

Breich k<strong>eine</strong>n Zugang hat. Beide Bereiche<br />

müssen nicht im Wi<strong>der</strong>spruch zueinan<strong>der</strong><br />

stehen. Zum großen Teil stimmen sie<br />

sogar überein. Ja, und auf Grund dieser<br />

Übereinstimmung schafft die religiöse Institution<br />

Bindungen/Empfindungen von<br />

„Zugehörigkeit“ in ihrer Beziehung zu<br />

den Gläubigen. Diese wie<strong>der</strong>um schaffen<br />

auch in den Gläubigen die Verbindung<br />

zur Institution. So weit ist das nicht neu.<br />

Sobald jedoch im interreligiösen Dialog,<br />

in dem es um den Kontakt zu an<strong>der</strong>en<br />

religiösen Deutungen geht, irgendein<br />

Austausch im Bereich religiöser Erfahrung<br />

stattfindet, entsteht für die Institution das<br />

Problem (bzw. die Unsicherheit) <strong>der</strong> re-<br />

ligiösen Zugehörigkeit. Wenn Gläubige,<br />

die <strong>eine</strong>r religiösen Institution verbunden<br />

sind, an religiösen Erfahrungen <strong>eine</strong>r an<strong>der</strong>en<br />

Tradition teilnehmen – unabhängig<br />

davon, auf welcher Ebene diese Teilnahme<br />

stattfindet – , empfindet die religiöse<br />

Institution, aus <strong>der</strong> sie kommen, diesen<br />

Akt als <strong>eine</strong> Art „Treulosigkeit“. Dieses<br />

Empfinden stammt genau aus dem Verständnis<br />

von „Zugehörigkeit“, das die Institution<br />

gegenüber „ihren“ Gläubigen<br />

hegt. Die Institution fürchtet, dass die<br />

Gläubigen sich <strong>eine</strong>r an<strong>der</strong>en Institution<br />

zuwenden könnten. Genauer formuliert:<br />

die Institution fürchtet die Konversion.<br />

Als ob die Institution die Möglichkeit habe,<br />

in diesen Intimbereich des Glaubens<br />

eindringen zu können. Diese Furcht wirkt<br />

sich lähmend auf den Dialog aus.<br />

In <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

stellt sich dieses Problem nicht. Auf <strong>der</strong><br />

Basis erfahrungsorientierter Identifikation<br />

ereignet sich <strong>der</strong> Austausch o<strong>der</strong> er<br />

ereignet sich nicht. Hier ist <strong>der</strong> persönliche<br />

Bereich involviert und nicht <strong>der</strong><br />

institutionelle. Und nach den Kategorien<br />

persönlichen Glaubens sind wir alle<br />

Pilger auf demselben Weg.<br />

9. These: Die meisten Religionen<br />

bilden sich, indem sie bereits vorhandene<br />

Religiositäten zusammenführen,<br />

einan<strong>der</strong> annähern und in<br />

Dialog miteinan<strong>der</strong> bringen. Die<br />

religiöse Erfahrung ist <strong>der</strong> Nährboden,<br />

aus dem stets Religion hervorgeht.<br />

Diese Aussage trifft nicht nur<br />

für die Vergangenheit zu, son<strong>der</strong>n<br />

beschreibt <strong>eine</strong> permanente historische<br />

Struktur.<br />

Viele Religionen bewahren liebevoll<br />

die Erinnerung und den Kontext ihres Ursprungs.<br />

Für viele haben diese Erinnerung<br />

und <strong>der</strong> Kontext des Ursprungs sogar institutionsbildenden<br />

und legitimierenden<br />

Charakter. Im geschichtlichen Verlauf<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


<strong>der</strong> Religion mit all ihren möglichen und<br />

denkbaren Entfaltungen werden Gründungsmomente,Grün<strong>der</strong>persönlichkeiten<br />

o<strong>der</strong> Gründungsereignisse als institutionsstiftende<br />

Autorität anerkannt.<br />

Historische Entwicklungen werden häufig<br />

mit Rückgriff auf diese Ursprünge legitimiert.<br />

Ausgehend von dieser Feststellung<br />

lässt sich erkennen, dass ein großer<br />

Teil <strong>der</strong> religiösen Institutionen in ihren<br />

Ursprung <strong>eine</strong> gewisse Aura „ursprünglicher<br />

Reinheit“ projiziert. Man schafft<br />

den „Mythos“ <strong>eine</strong>s „r<strong>eine</strong>n“ Moments<br />

bzw. <strong>eine</strong>s Referenzmoments, <strong>der</strong> noch<br />

nicht von irgend<strong>eine</strong>r an<strong>der</strong>en Quelle<br />

„kontaminiert“ ist. Im Vergleich mit <strong>der</strong><br />

„ursprünglichen Reinheit“ werden die historischen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen, die die Religionen<br />

zweifellos durchlaufen, nicht selten<br />

als „Degeneration“ betrachtet.<br />

Mit etwas Abstand und Neutralität<br />

betrachtet, gibt es k<strong>eine</strong> einzige Religion,<br />

die an ihrem Ursprung irgend<strong>eine</strong>n „r<strong>eine</strong>n“,<br />

noch nicht „kontaminierten“ Moment<br />

gehabt hätte. Die religiösen Traditionen<br />

umfassen und ver<strong>eine</strong>n in sich<br />

viele „Religiositäten“ unterschiedlichen<br />

Ursprungs und bilden sich zum großen<br />

Teil auf <strong>der</strong> Basis von Verknüpfungen und<br />

Annäherungen heraus. Daher kann man<br />

sagen, dass die religiösen Traditionen teilweise<br />

in sich selbst bereits Resultate von<br />

interreligiösen Dialogen in <strong>der</strong> Perspektive<br />

<strong>der</strong> Religiosität sind.<br />

Auch diese Aussage bezieht sich k<strong>eine</strong>swegs<br />

nur auf die Vergangenheit. Der<br />

Dialog auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Religiosität, also<br />

auf <strong>der</strong> Basis religiöser Erfahrung, ist<br />

m<strong>eine</strong>s Erachtens <strong>eine</strong> permanente Struktur<br />

in <strong>der</strong> Religionsgeschichte und k<strong>eine</strong><br />

historische Ausnahme. Geschichte meint<br />

hierauchdiepersönlicheGeschichtejedes<br />

Menschen. Daher kann man sagen, dass<br />

Religion immer aus dem Nährboden religiöser<br />

Erfahrung entsteht. Und von daher<br />

ergibt sich die Folgerung, dass Religion<br />

Berkenbrock – Interreligiöser Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

immer in <strong>der</strong> Geschichte entsteht. Religiosität<br />

ist integrieren<strong>der</strong> Bestandteil <strong>der</strong><br />

menschlichen Geschichtlichkeit.<br />

10. These: Der interreligiöse Dialog<br />

in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />

(<strong>der</strong> religiösen Erfahrung)<br />

ist <strong>eine</strong>r <strong>der</strong> Hauptfaktoren für die<br />

Evolution und Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Religion.<br />

Häresie ist die Chance von etwas<br />

Neuem.<br />

Um diese letzte These noch deutlicher<br />

zu formulieren: Der Dialog auf <strong>der</strong><br />

Basis <strong>der</strong> Identifikation mit <strong>der</strong> religiösen<br />

Erfahrung ist <strong>eine</strong>r <strong>der</strong> wichtigsten Faktoren<br />

<strong>der</strong> Evolution und Verän<strong>der</strong>ung<br />

von Religion in <strong>der</strong> Geschichte. Deutlicher<br />

formuliert: Der Dialog auf <strong>der</strong> Basis<br />

<strong>der</strong> Religiosität ist ein wichtiger Mechanismus<br />

dafür, dass Religion historisch<br />

konkret wird. Unabhängig von <strong>eine</strong>r religiösen<br />

Institution bleibt Religion immer<br />

gebunden an ein religiöses „Wesen“.<br />

Und dieses religiöse Wesen ist konkret, es<br />

„macht sich“, es „konstruiert sich“ auf historische<br />

Weise. Es ist nie ein für alle mal<br />

fertig. Da es sich hier um <strong>eine</strong> Struktur<br />

des Menschseins handelt, ist dieses „Sich-<br />

Machen“, „Sich-Konstruieren“ immer ein<br />

„Sich-Neu-Machen“, ein „Sich-Rekonstruieren“.<br />

Deshalb kann man – cum grano<br />

salis – behaupten, dass die Häresie die<br />

Chance des Neuen in sich birgt.<br />

Übersetzung aus dem bras. Portugiesisch:<br />

Norbert Arntz / Maria Schwabe<br />

19


20<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Franziskus und <strong>der</strong> Interreligiöse Dialog<br />

Einführung<br />

Ist es nicht anachronistisch, über<br />

Ökumenismus und interreligiösen Dialog<br />

bei Franz von Assisi zu sprechen? Man<br />

könnte es m<strong>eine</strong>n, denn im 13. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

existieren diese Fragestellungen we<strong>der</strong><br />

im Denken noch in den Büchern <strong>der</strong><br />

Geistesschaffenden. Auch wenn scheinbar<br />

Franziskus nie etwas <strong>der</strong>artiges erwähnt<br />

hat, kann sein Leben unter dieser<br />

Thematik betrachtet werden.<br />

Gegen Ende des konstantinischen<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts beginnt die Kirche, sich als<br />

privilegierterOrganismus<strong>der</strong>Gesellschaft<br />

zu verhalten. Sie versteht sich als Stellvertreterin<br />

Christi auf Erden, als Vermittlerin<br />

des besten – wenn nicht sogar einzigen<br />

– Weges zum Heil. Als Bündnispartnerin<br />

<strong>der</strong> ökonomischen, kulturellen und religiösen<br />

Macht will sie, dass alle Völker ihren<br />

Glauben übernehmen. Wer diesem Glaubensverständnis<br />

nicht zustimmt, wird<br />

misstrauisch betrachtet o<strong>der</strong> gar dämonisiert<br />

und folglich bekämpft, auch mit Mitteln<br />

<strong>der</strong> Gewalt. Und da ist es Franziskus,<br />

<strong>der</strong> – frei von jedem Machtstreben und<br />

in <strong>der</strong> gelebten Überzeugung von <strong>der</strong><br />

Gleichrangigkeit aller Menschen und Geschöpfe<br />

– <strong>eine</strong> an<strong>der</strong>e Art <strong>der</strong> Beziehung<br />

zu den „Ungläubigen“ entdeckt. Ihm gelingt<br />

es, zum ersten Mal in <strong>der</strong> Geschichte<br />

<strong>eine</strong> Methode zu entwickeln, sich den<br />

Anhängern an<strong>der</strong>er Glaubensweisen auf<br />

dialogische Weise zu nähert. Er war wirklich<br />

ein Prophet.<br />

Ich will das Thema „Franziskus, die<br />

ökumenische Bewegung und <strong>der</strong> Interreligiöse<br />

Dialog“ in drei Abschnitten ent-<br />

Crocoli – Franziskus und <strong>der</strong> Interreligiöse Dialog<br />

Aldir Crocoli ofmcap,<br />

Prof. für Spiritualität am Theol-<br />

ogischen Institut <strong>der</strong> Kapuziner in<br />

Porto Alegre /Brasilien<br />

wickeln. Zunächst werden wir kurz den<br />

ideologischen und kulturell-religiösen<br />

Kontext s<strong>eine</strong>r Zeit betrachten, um die<br />

Bedeutung des Beitrags von Franziskus<br />

zu diesem Thema zu verstehen. Dabei<br />

sollten wir Folgendes bedenken: wenn<br />

Franziskus das, was er im 13. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

tat, heute tun würde, gäbe es überhaupt<br />

k<strong>eine</strong>n Grund, dies beson<strong>der</strong>s zu erwähnen,<br />

weil wir in <strong>eine</strong>r Zeit leben, die dem<br />

interreligiösen Dialog gegenüber viel aufgeschlossener<br />

ist.<br />

Im nächsten Abschnitt sollen einige<br />

Aspekte <strong>der</strong> dialogischen Lebensweise<br />

von Franziskus hervorgehoben werden.<br />

Man wird erkennen, dass er bei <strong>der</strong> Begegnung<br />

mit den Sarazenen ganz natürlich<br />

das fortsetzt, was er mit allen Menschen<br />

und allen Geschöpfen zu leben<br />

versuchte.<br />

Schließlich wird im letzten Abschnitt<br />

von dem die Rede sein, was als „<strong>eine</strong> Methodologie<br />

des interreligiösen Dialogs“<br />

Ihm gelingt es, zum ersten Mal<br />

in <strong>der</strong> Geschichte <strong>eine</strong> Methode<br />

zu entwickeln, sich den Anhängern<br />

an<strong>der</strong>er Glaubensweisen auf<br />

dialogische Weise zu nähert.<br />

bezeichnet werden kann. Diese beruht<br />

vor allem auf dem 16. Kapitel <strong>der</strong> nichtbullierten<br />

Regel, <strong>eine</strong>m richtungsweisenden<br />

Text für s<strong>eine</strong> Mitbrü<strong>der</strong>, <strong>der</strong> dem<br />

Ordensleben wirklich <strong>eine</strong> neue Orientierung<br />

gab. Ich hoffe, dass <strong>der</strong> Leser/die<br />

Leserin durch diese ersten Überlegungen<br />

21


22<br />

s<strong>eine</strong>/ihre Erkenntnisse erweitern und<br />

neue Dimensionen in den Beziehungen<br />

zu unseren Geschwistern mit an<strong>der</strong>en<br />

Glaubensweisen entdecken kann.<br />

1. Der historische Kontext<br />

Wie je<strong>der</strong> Mensch lebt auch Franziskus<br />

in enger Anbindung an s<strong>eine</strong>n historisch-gesellschaftlichen<br />

Kontext. S<strong>eine</strong><br />

wahre Größe wird uns bewusst, wenn wir<br />

uns klar machen, wie unabhängig er war<br />

in s<strong>eine</strong>m Handeln und Denken, mit dem<br />

er oft in direktem Gegensatz zu dem allgemein<br />

Üblichen in s<strong>eine</strong>r Zeit stand. Einige<br />

kurze Hinweise auf den historischen<br />

Kontext zu Lebzeiten von Franz von Assisi<br />

werden s<strong>eine</strong>n prophetischen Gestus<br />

im Hinblick auf den interreligiösen Dialog<br />

unterstreichen.<br />

... wie unabhängig Franziskus<br />

war in s<strong>eine</strong>m Handeln und Denken,<br />

mit dem er oft in direktem<br />

Gegensatz zu dem allgemein<br />

Üblichen in s<strong>eine</strong>r Zeit stand.<br />

Im Jahrhun<strong>der</strong>t von Franz und Klara<br />

steht die Christenheit im Zenith ihrer<br />

Macht. Während des Pontifikats von<br />

Papst Innozenz III. (1198-1216) kann die<br />

Kirche – trotz <strong>der</strong> Spannungen mit dem<br />

deutschen Kaiser – ihre politische und<br />

wirtschaftliche Macht im Okzident enorm<br />

entfalten. Sie versteht sich als Gegengewicht<br />

zur Macht <strong>der</strong> Mauren, die<br />

den Mittleren Orient beherrschen und<br />

ihre Macht nach Europa – im Osten sowohl<br />

wie im Westen auf <strong>der</strong> Iberischen<br />

Halbinsel – ausdehnen, ebenso im Norden<br />

Afrikas, in Zentralasien, in <strong>eine</strong>m<br />

großen Teil Indiens bis nach China. Beson<strong>der</strong>s<br />

erinnerungswürdig ist hier, dass<br />

die Araber das philosophische Erbe des<br />

Aristoteles aufbewahren, insbeson<strong>der</strong>e<br />

durch die Weisen Avicenna und Averroës.<br />

Thomas von Aquin macht den Aristotelismus<br />

zur Grundlage s<strong>eine</strong>r Philosophie<br />

und Theologie, und die Scholastik wird<br />

schließlich für mehr als 500 Jahre von ihm<br />

bestimmt. Handel und Diplomatie spielen<br />

<strong>eine</strong> große Rolle. Der Dinar, die arabische<br />

Münze, hat <strong>eine</strong>n dem heutigen<br />

Dollar vergleichbaren Status (Caspar,<br />

1995, S. 224). <strong>Das</strong> lässt erkennen welche<br />

Bedeutung die Handelstätigkeit mit<br />

den Europäern hatte. Die Araber waren<br />

den Christen in Mathematik, Astronomie,<br />

Medizin und Chemie weit überlegen. K<strong>eine</strong><br />

europäische Stadt hätte sich mit den<br />

kulturellen Zentren des Islam vergleichen<br />

können.<br />

Diese Überlegenheit <strong>der</strong> Araber, die<br />

eifrig über ihren Glauben an Mohammed<br />

wachen, übt <strong>eine</strong>n entscheidenden Einfluss<br />

auf die Beziehungen zu den Christen<br />

in Westeuropa aus. Diese fühlen sich von<br />

<strong>eine</strong>r fremden Großmacht bedroht. Die<br />

Kirche geht dazu über, den Islam hinsichtlich<br />

s<strong>eine</strong>r religiösen Dimension systematisch<br />

zu bekämpfen. Eindeutig sind auch<br />

an<strong>der</strong>e Interessen mit im Spiel. Es wird<br />

<strong>eine</strong> Verleumdungskampagne gegen den<br />

Glauben an den Koran und den Propheten<br />

Mohammed entfesselt, absurde Geschichten<br />

über Mohammed werden verbreitet.<br />

Man bezeichnet ihn als Betrüger,<br />

als neuen Arius, als die Bestie <strong>der</strong> Apokalypse,<br />

als Anti-Christ, als menschgewordenen<br />

Teufel (Caspar 1995, S. 227). Es<br />

ist <strong>eine</strong> Zeit gegenseitiger Vorurteile und<br />

Antipathien (Vadakkekara, 2003, S. 256).<br />

„<strong>Das</strong> gesamte Denken <strong>der</strong> Christen war<br />

nicht vom Verteidigungskrieg, son<strong>der</strong>n<br />

von <strong>eine</strong>m totalen Vernichtungskrieg<br />

gegen die Moslems beherrscht“ (Rossi,<br />

2001, S. 42).<br />

Die Organisation <strong>der</strong> „Kreuzzüge“ ist<br />

<strong>der</strong> beste Beweis für diese Art des Denkens.<br />

Zum ersten Mal werden sie von<br />

Papst Urban II. am 27. 11. 1095 proklamiert.<br />

Allein die Tatsache, dass man diese<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Kriege als „Kreuzzüge“ bezeichnet, lässt<br />

erkennen, dass man sie christlich mystifiziert<br />

begründen will. Ansch<strong>eine</strong>nd verfolgen<br />

die Kreuzzüge nur das Ziel, die<br />

heiligen Stätten, die mit den wichtigsten<br />

Ereignissen des Lebens Jesu verbunden<br />

sind, zu befreien. Die Kirche verspricht<br />

den Teilnehmern Nachlass aller Sünden<br />

und aller Sündenstrafen (Dozzi, 1989, S.<br />

72). Für den mittelalterlichen Christenmenschen<br />

ist dies ein verlocken<strong>der</strong> Preis,<br />

denn er fühlt sich stets von <strong>der</strong> Drohung,<br />

in <strong>der</strong> Hölle zu verbrennen, umgetrieben.<br />

Im Jahr nach <strong>der</strong> Proklamation durch Urban<br />

II. wird <strong>der</strong> erste Kreuzzug organisiert.<br />

Im April 1097 wird Jerusalem zum<br />

ersten Mal eingenommen. Mehr als 150<br />

Jahre wird Europa von diesen bewaffneten<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen beherrscht;<br />

hun<strong>der</strong>t Tausende Menschen sind darin<br />

verwickelt, enorme Summen Geldes<br />

werden verschwendet. Franziskus von<br />

Assisi kennt das ganze Klima aus eigener<br />

Erfahrung, weil er für etwa drei bis 4 Monate<br />

am fünften Kreuzzug im Jahr 1219<br />

teilnimmt, allerdings mit völlig an<strong>der</strong>er<br />

Zielsetzung.<br />

Der Beitrag von Franziskus wird deutlicher<br />

erkennbar, wenn man bedenkt,<br />

dass das feindselige Klima <strong>der</strong> Kirche sich<br />

gegen alles richtet, was sich außerhalb<br />

ihres geographischen und politischen<br />

Herrschaftsbereichs befindet und von<br />

ihr als böse angesehen wird. Die kriegerische<br />

Einstellung <strong>der</strong> mittelalterlichen<br />

Christenheit verteufelt alles, was nicht zu<br />

ihr gehört, insbeson<strong>der</strong>e aber die Gegner<br />

<strong>der</strong> Kirche (Franco, 1986, S. 160). Damit<br />

rechtfertigt man die tödliche Verfolgung<br />

von Häretikern 1 . Der heilige Dominikus,<br />

Grün<strong>der</strong> des Predigerordens und Zeitgenosse<br />

von Franziskus, verwendet die Predigt,<br />

um die häretischen Albigenser zu<br />

bekämpfen und zu besiegen, das heisst,<br />

sie davon zu überzeugen, dass sie im Irrtum<br />

leben. S<strong>eine</strong> Methode ist die disputatio,<br />

<strong>der</strong> theologische Disput mit dem<br />

Crocoli – Franziskus und <strong>der</strong> Interreligiöse Dialog<br />

Ziel, den Gegner mit Hilfe <strong>der</strong> kirchlichen<br />

Lehre zu besiegen. Franziskus handelt<br />

völlig an<strong>der</strong>s, indem er jede Art von Debatte<br />

verbietet.<br />

<strong>Das</strong> IV. Laterankonzil im November<br />

1215, an dem Franziskus zusammen<br />

mit mehr als 800 Prioren sicherlich teilgenommen<br />

hat, verfolgte drei Ziele: das<br />

Ordensleben in <strong>der</strong> Kirche zu reorganisieren,<br />

die Häresien zu bekämpfen und zu<br />

<strong>eine</strong>m neuen Kreuzzug aufzurufen. Alle<br />

Prioren und die teilnehmenden 412 Bischöfe<br />

sollten nach <strong>der</strong> Rückkehr in ihre<br />

Städte und Klöster <strong>eine</strong> Kampagne beginnen,<br />

um für den „Heiligen Krieg“ zur<br />

Befreiung <strong>der</strong> von den Moslems geschändeten<br />

und entweihten Orte Finanzmittel<br />

zu sammeln und Kämpfer zu rekrutieren.<br />

Außer den materiellen Belohnungen<br />

durch Kriegsbeute wurden spirituelle Belohnungen<br />

von höchstem Wert versprochen.<br />

Es gibt allerdings k<strong>eine</strong> einzige<br />

Notiz darüber, dass Franziskus auch nur<br />

<strong>eine</strong>n Finger gerührt hätte, um diese Initiative<br />

zu unterstützen. Zwar hat er sich<br />

nicht öffentlich dagegen gewandt und er<br />

hat nicht als Militärkaplan 2 an diesem Unternehmen<br />

teilgenommen, son<strong>der</strong>n mit<br />

dem Ziel, die Christen vom Krieg abzuhalten<br />

und zum Friedensabkommen 3 mit<br />

dem Sultan zu finden.<br />

Diese kurzen Hinweise halte ich für<br />

ausreichend, um in groben Zügen das<br />

Umfeld anzudeuten, in dem Franziskus<br />

s<strong>eine</strong>n Beitrag zum „interreligiösen Dialog“<br />

geleistet hat. In den folgenden Ausführungen<br />

wird die Beziehung von Franziskus<br />

zu den Moslems als beispielhaft für<br />

s<strong>eine</strong>n Beitrag zum interreligiösen Dialog<br />

überhaupt herausgearbeitet.<br />

2. Franziskus –<br />

ein dialogischer Mensch<br />

Die dialogische Beziehung, die Franziskus<br />

zu Sarazenen hat, gehört in das<br />

breite Gefüge s<strong>eine</strong>r brü<strong>der</strong>lich-gesell-<br />

23


2<br />

schaftlichen Beziehungen zu an<strong>der</strong>en<br />

Menschengruppen und zu den Geschöpfen<br />

<strong>der</strong> Natur, die er als s<strong>eine</strong> Geschwister<br />

bezeichnet. Diese Lebenseinstellung<br />

ist die Voraussetzung für s<strong>eine</strong> Entwicklung<br />

hin zum interreligiösen Dialog. Daher<br />

möchte ich zunächst die dialogische<br />

Existenz von Franziskus ganz allgemein<br />

darlegen, um danach s<strong>eine</strong> Dialogbeziehung<br />

zu den Moslems als Paradigma für<br />

den weitergefassten interreligiösen Dialog<br />

zu prüfen.<br />

Welche Persönlichkeitsmerkmale bestimmen<br />

sein dialogisches Verhalten zum<br />

An<strong>der</strong>en? Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit<br />

zu erheben, möchte ich zwei<br />

<strong>der</strong> wichtigsten Prinzipien s<strong>eine</strong>r Lebenseinstellung<br />

benennen: Entäußerung und<br />

Respekt vor dem An<strong>der</strong>en.<br />

2.1. Entäußerung<br />

Weil es für den Glaubenden k<strong>eine</strong>n<br />

Zufall gibt, kann man sagen, dass Gott<br />

selbst das Herz des Franziskus aus den bestehenden<br />

Sicherheiten löst, um es so zu<br />

formen, dass es sich <strong>eine</strong>r zutiefst dialogischen<br />

Haltung öffnen kann. Es ist <strong>der</strong><br />

Prozess <strong>eine</strong>r ständig sich vertiefenden<br />

Entäußerung o<strong>der</strong> Entblößung, bis er s<strong>eine</strong><br />

ganze Sicherheit in Gott verankert.<br />

Dazu gehören drei Schritte:<br />

a) Der Verzicht darauf, ein Adeliger<br />

zu werden, Güter zu besitzen und<br />

gesund zu sein.<br />

Die Nie<strong>der</strong>lage im Krieg gegen Perugia<br />

im Jahre 1202, die Gefängnishaft in<br />

<strong>der</strong> Festung dieser Stadt, die Malariaerkrankung,<br />

die ihn seitdem physisch immer<br />

mehr schwächt und ihm nur <strong>eine</strong> geringe<br />

Lebenserwartung verheißt – dieser<br />

erste schwere Zusammenbruch ist m<strong>eine</strong>s<br />

Erachtens entscheidend für die existentielle<br />

Kehrtwende von Franziskus. Die körperliche<br />

Gebrechlichkeit zwingt ihn dazu,<br />

das Leben zu überdenken und ihm<br />

<strong>eine</strong> an<strong>der</strong>e Richtung zu geben; langsam<br />

wächst in ihm die Überzeugung, dass<br />

sein damaliges Lebensziel we<strong>der</strong> wahre<br />

Hoffnung noch überzeugende Sicherheit<br />

bietet. Er entledigt sich <strong>der</strong> materiellen<br />

Güter durch <strong>eine</strong> immer stärkere Hinwendung<br />

zu den Armen, so dass <strong>der</strong> Vater<br />

ihm <strong>eine</strong>n Prozess macht, weil er die Güter<br />

<strong>der</strong> Familie verschleu<strong>der</strong>e. Er entledigt<br />

sich auch s<strong>eine</strong>s Bestrebens zum Adel zu<br />

gehören, das er seit den frühen Lebensjahren<br />

in sich genährt hatte. Er entledigt<br />

sich sogar des Rechtes, überhaupt etwas<br />

zu besitzen, und akzeptiert, als „Enteigneter“<br />

zu leben.<br />

b) Der Verzicht auf Macht und Selbstgenügsamkeit.<br />

Hinter <strong>der</strong> Position des Adeligen und<br />

bedeutenden Kaufmanns – gestützt auf<br />

den Besitz von Gütern – verbirgt sich <strong>der</strong><br />

Wunsch, das Ego immer mehr zu vergrößern.<br />

Die Versuchung <strong>der</strong> Macht ist<br />

stets verschlagen und spitzfindig, weil sie<br />

sich in tausend verschiedenen Gestalten<br />

maskieren kann. Sie kann sich ebenso als<br />

Kampf um’s Überleben tarnen wie als<br />

Streben nach persönlicher Heiligung (Pelagianischer<br />

Selbsterlösungsglaube). Die<br />

Evangelisten haben nicht einmal Jesus<br />

von Nazareth davon dispensiert, dieser<br />

Versuchung, die zum Menschsein gehört,<br />

zu wi<strong>der</strong>stehen. Jean-Marc Charron4 analysiert<br />

den Bekehrungsprozess des Franziskus<br />

und kommt zu dem Schluss, dass<br />

Franziskus die Versuchung <strong>der</strong> Macht erst<br />

besiegt habe, als er zwei Jahre vor s<strong>eine</strong>m<br />

Tod die Stigmatisierungserfahrung auf<br />

dem Monte La Verna macht. S<strong>eine</strong> ganze<br />

Lebensgeschichte ist daher ein ständiger<br />

Kampf mit dieser Versuchung. Nur das<br />

tiefe Vertrauen in die Abhängigkeit von<br />

Gott Vater kann ihn von s<strong>eine</strong>m Streben<br />

nach Macht befreien (denn je<strong>der</strong> Mensch<br />

braucht Sicherheit und das Gefühl von<br />

Stärke). Es ist sehr schwierig, um nicht zu<br />

sagen unmöglich, sich ohne den Glauben<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Foto: KNA<br />

an Gott menschlicher und materieller Sicherheiten<br />

zu entledigen, ohne sich auf<br />

<strong>eine</strong> an<strong>der</strong>e Wirklichkeit stützen zu können,<br />

die selbst wenn sie unsichtbar bleibt,<br />

wahre Sicherheit verleiht. In diesem Sinne<br />

stellen die Evangelisten Jesus Christus dar<br />

als den, <strong>der</strong> sich ausschließlich auf das Projekt<br />

des Vaters stützt und in dessen Dienst<br />

Crocoli – Franziskus und <strong>der</strong> Interreligiöse Dialog<br />

steht. „Er legte s<strong>eine</strong>n Willen in den Willen<br />

des Vaters“ wird Franziskus in s<strong>eine</strong>m<br />

Brief an die Gläubigen schreiben (BrfGl<br />

II,10). Franziskus ist höchst intensiv bemüht,<br />

jedes auftauchende Machtstreben<br />

sofort zu bekämpfen: er möchte, dass alle<br />

„Min<strong>der</strong>brü<strong>der</strong>“ genannt werden, dass<br />

man sich gegenseitig Gehorsam erweise<br />

2


2<br />

(horizontal), dass alle in <strong>der</strong> Haltung leben,<br />

einan<strong>der</strong> die Füße zu waschen, dass<br />

<strong>der</strong> Obere sich verhalte wie <strong>der</strong> Unterste,<br />

dass jede Form von Privilegien vermieden<br />

werde etc.<br />

Der Text, <strong>der</strong> als „Die wahre und<br />

vollkommene Freude“ bekannt ist 5 , zielt<br />

darauf, alle Formen <strong>der</strong> Macht zu bekämpfen.<br />

Im ersten Teil beschreibt er das<br />

Bemühen, Selbstbestätigung zu suchen<br />

durch wissenschaftliche Macht (Magister)<br />

o<strong>der</strong> durch politische und wirtschaftliche<br />

Macht (Könige) und sogar durch<br />

religiöse bzw. heilige Macht (Bischöfe,<br />

Prälaten und Wun<strong>der</strong>macht....). Die unheilvolle<br />

Seite <strong>der</strong> Macht verhin<strong>der</strong>t es,<br />

den Geringen und Gebrechlichen, <strong>der</strong><br />

nachts hungrig und frierend an die Pforte<br />

kommt, zu erkennen, und macht blind<br />

für die Werte, die sich unter s<strong>eine</strong>n Lumpen<br />

und unter den moralischen Vorurteilen<br />

verbergen. Die neue Sicherheit und<br />

Macht des Franziskus stammen jetzt aus<br />

dem Evangelium, <strong>der</strong> „höchsten Norm<br />

für das Leben“, und von dem, <strong>der</strong> es gelebt<br />

hat, Jesus Christus (Off. XV,7).<br />

c) Der Verzicht auf die Sicherheit<br />

emotional-familiärer Beziehungen.<br />

In <strong>der</strong> Lebensgeschichte des Franziskus<br />

ist dies <strong>der</strong> dritte Schritt. Sein erster<br />

Biograph, Thomas von Celano, deutet<br />

den Prozess <strong>der</strong> Entäußerung vor dem<br />

Bischof fast ausschließlich als Prozess <strong>der</strong><br />

Entäußerung von materiellen Gütern. Davon<br />

ist Franziskus jedoch längst befreit.<br />

Heute weisen einige Gelehrte darauf hin,<br />

dass zu den Motiven für den Prozess gegen<br />

Franziskus auch gehören: die Entehrung,<br />

die er <strong>der</strong> Familie wegen s<strong>eine</strong>r Entscheidung<br />

zufügt, als ein Armer zu leben,<br />

<strong>der</strong> Bruch mit den gesellschaftlichen Konventionen,<br />

die den Besuch von Leprosen<br />

untersagen, die demonstrative Verweigerung<br />

des Gehorsams gegenüber den<br />

Anordnungen des Vaters etc. Darüber<br />

hinaus gibt es auch noch <strong>eine</strong>n an<strong>der</strong>en<br />

Aspekt: den Ausschluss aus <strong>der</strong> Familie.<br />

In diesem Moment erlebt Franziskus die<br />

dritte Enteignung, den Verzicht auf die<br />

Sicherheit familiärer Beziehungen. Franziskus<br />

offenbart diese Einstellung, wenn<br />

er sagt: „Von jetzt an kann ich nur noch<br />

sagen ‚Vater unser im Himmel’ und nicht<br />

mehr ‚Vater Pietro Bernardone’“. Er hat<br />

k<strong>eine</strong>n irdischen Vater mehr. Er gehört<br />

nicht mehr zu s<strong>eine</strong>r Familie. Er lässt die<br />

Weltanschauung, die er in s<strong>eine</strong>r Familie<br />

angenommen und die beinahe heilige<br />

Bedeutung hatte, hinter sich. Dadurch<br />

s<strong>eine</strong>r Blutsfamilie beraubt, freut er sich,<br />

dass er bereits zu <strong>eine</strong>r an<strong>der</strong>en Familie<br />

gehört 6 – die Familie <strong>der</strong> Leprosen enthüllt<br />

ihm <strong>eine</strong> neue, viel schönere und<br />

tiefreichen<strong>der</strong>e Sicht menschlicher Beziehungen.<br />

7 Wer sich einmal mit klarer Einsicht<br />

an Jesus Christus und sein Evangelium<br />

gehängt hat, kann in <strong>der</strong> Tat auf Güter<br />

verzichten, auf das private Leben und auf<br />

die emotionalen Bindungen an die Familie<br />

8 . <strong>Das</strong> Evangelium bestätigt, dass<br />

die neue Familie nicht mehr durch Blutsbande,<br />

son<strong>der</strong>n von jenen gebildet wird,<br />

die den Willen des Vaters tun (Mk 3,33).<br />

Dieser dritte Verzicht ist <strong>der</strong> schwierigste,<br />

weil er den Menschen ansch<strong>eine</strong>nd ohne<br />

menschliche Unterstützung zurücklässt.<br />

Diese Formen des Verzichts, die das „enteignete<br />

Leben“ ausmachen, bilden die<br />

existentielle Voraussetzung dafür, dass<br />

Franziskus dahin findet, sich „mitten unter<br />

den an<strong>der</strong>en“ als ein Bru<strong>der</strong> unter Geschwistern<br />

zu fühlen, weil er jemand ist,<br />

<strong>der</strong> „sich und s<strong>eine</strong>n Leib dem Herrn Jesus<br />

Christus übergeben hat“ (vgl. NbReg<br />

16,10). Der aktive Aneignungstrieb ist<br />

stets daran interessiert, Menschen und Sachen<br />

zu verobjektivieren. <strong>Das</strong> zieht mit Sicherheit<br />

asymmetrische Beziehungen <strong>der</strong><br />

Macht und <strong>der</strong> Überlegenheit in Bezug<br />

auf die an<strong>der</strong>en nach sich. Unter solchen<br />

Umständen haben Geschwisterlichkeit<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


und Dialog nur geringe bzw. überhaupt<br />

k<strong>eine</strong> Chancen, sich zu realisieren. Diese<br />

erste Etappe bereitet den Boden; als <strong>eine</strong><br />

Etappe <strong>der</strong> Aszese und Reinigung ist sie<br />

die Bedingung dafür, den Aufstieg zu höheren<br />

Stufen beginnen zu können.<br />

2.2. Respekt vor dem An<strong>der</strong>en<br />

Sobald ein Mensch zu totaler Entäußerung<br />

bereit ist, entsteht das für geschwisterliche,<br />

symmetrische, gleichrangige<br />

Beziehungen geeignete Klima, das<br />

den Dialog möglich macht. Auch wenn<br />

Franziskus diese Problematik niemals<br />

ausdrücklich thematisiert, bietet er doch<br />

hilfreiche Orientierungen für den Dialog<br />

bzw. für den interreligiösen Dialog. Diese<br />

Orientierungen stammen aus s<strong>eine</strong>n persönlichen<br />

Erfahrungen und aus den Reflexionen<br />

<strong>eine</strong>r Gruppe von Brü<strong>der</strong>n aus<br />

den ersten Jahren <strong>der</strong> Bewegung. Man<br />

findet sie in <strong>der</strong> Lebensregel, die in den<br />

Kapiteln von Pfingsten und von Sankt Michael<br />

gemeinschaftlich erarbeitet wurde.<br />

Einige dieser Orientierungen werden im<br />

Folgenden genannt:<br />

a) „Milde, friedfertig, bescheiden<br />

und demütig sein“ (Bullierte Regel/<br />

BR 3,12).<br />

Es geht um das Verhalten, wie Schafe<br />

unter den Wölfen zu leben, das uns vom<br />

Evangelium nahegelegt wird. Ein Min<strong>der</strong>bru<strong>der</strong><br />

soll k<strong>eine</strong> an<strong>der</strong>e Haltung annehmen<br />

als die <strong>eine</strong>s „Min<strong>der</strong>wertigen“,<br />

<strong>eine</strong>s Kl<strong>eine</strong>n, selbst wenn er unter den<br />

„Großen“ verweilt. Er soll sich nicht selbst<br />

entwerten, wie man es uns in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

empfohlen hat. Im Gegenteil: Er<br />

soll fröhlich und dankbar sein für das, was<br />

<strong>der</strong> Herr in ihm wirkt, und ihn preisen für<br />

alles, was er in an<strong>der</strong>en Menschen bewirkt,<br />

denn alles Gute kommt von ihm<br />

her (vgl. Nichtbullierte Regel, 17,17-19).<br />

Der Min<strong>der</strong>bru<strong>der</strong> lebt aus <strong>der</strong> Freude<br />

über das Universum von Güte, das sich<br />

Crocoli – Franziskus und <strong>der</strong> Interreligiöse Dialog<br />

vor s<strong>eine</strong>n Augen enthüllt. Die Großartigkeit<br />

<strong>der</strong> Wun<strong>der</strong>taten lässt ihn die reale Dimension<br />

s<strong>eine</strong>r Kleinheit erfahren. Die in<br />

allen Geschöpfen erfahrbare Güte macht<br />

es ihm unmöglich, auch nur die kleinste<br />

Manifestation des Lebens herabzusetzen,<br />

gering zu schätzen o<strong>der</strong> voreilig zu beurteilen.<br />

Er soll die Unschuld in allen Beziehungen<br />

leben. <strong>Das</strong> will sagen, er handelt<br />

auf <strong>eine</strong> Weise, die alles, was sein will,<br />

unbeschädigt lässt. Er soll sich „inmitten“<br />

<strong>der</strong> An<strong>der</strong>en mit ihren einzigartigen Gaben<br />

und Werten fühlen, im Angesicht <strong>der</strong><br />

Verschiedenheiten, die ebenfalls einzigartig<br />

und unwie<strong>der</strong>holbar sind.<br />

b) „Nicht richten, son<strong>der</strong>n<br />

Schweigen bewahren“ (vgl.<br />

Nichtbullierte Regel 12,2) 9 .<br />

<strong>Das</strong> Schweigen sollte vielleicht nicht<br />

verstanden werden als bloße Nichtverbalisierung<br />

<strong>eine</strong>s Urteils, son<strong>der</strong>n als die<br />

Bereitschaft selbst, auf jedes Richten zu<br />

verzichten. Urteilen offenbart stets <strong>eine</strong><br />

Haltung <strong>der</strong> Überlegenheit. Selbst wenn<br />

das Urteil nicht verbal geäußert wird, so<br />

kann die innere Bereitschaft dazu schon<br />

das Verhalten prägen. Praktisch geht es<br />

stets darum, den An<strong>der</strong>en herabzusetzen<br />

und das eigene Selbst zu bestätigen. Damit<br />

entsteht <strong>eine</strong> ungleiche Beziehung,<br />

die den wahren Dialog unmöglich macht.<br />

Dieser bedarf des Klimas <strong>eine</strong>r Beziehung<br />

von Gleichrangigen.<br />

Dieses „Nicht verurteilen, son<strong>der</strong>n<br />

Schweigen bewahren“ kann auch verstanden<br />

werden als die Bereitschaft, den<br />

An<strong>der</strong>en so anzunehmen, wie er ist. Jemanden<br />

beurteilen bedeutet stets, ihn<br />

vom eigenen Standpunkt aus und mit den<br />

eigenen Kriterien zu bewerten. Mit an<strong>der</strong>en<br />

Worten: es bedeutet, den An<strong>der</strong>en<br />

herabzusetzen und ihn auf das Maß dessen<br />

zu reduzieren, <strong>der</strong> das Urteil spricht.<br />

Zum Beispiel kann die Empfehlung, „zu<br />

essen, was es bei ihnen gibt“, wenn man<br />

2


2<br />

im Hause von an<strong>der</strong>en ist (Nichtbullierte<br />

Regel 14,2-3), in diesem Licht verstanden<br />

werden. Denn das Essen zurückzuweisen,<br />

in dem sich Kultur und ökonomische Lebensbedingungen<br />

des Gastgebenden<br />

ausdrücken, kann heißen, den An<strong>der</strong>en<br />

abzulehnen und die eigene Überlegenheit<br />

zu bestätigen.<br />

c) „We<strong>der</strong> Zank noch Streit beginnen“<br />

(Nichtbullierte Regel 16,6) 10 .<br />

Hier geht es darum, <strong>der</strong> Versuchung<br />

zu wi<strong>der</strong>stehen, den An<strong>der</strong>en mit <strong>der</strong> Rationalität<br />

zu bezwingen, ihn durch Argumentation<br />

zu besiegen. Franziskus desavouiert<br />

dieses Vorgehen, obwohl diese<br />

Praxis überall bekannt war und gepflegt<br />

wurde, vor allem in Religionsangelegenheiten.<br />

Ein solches Verhalten steht im Wi<strong>der</strong>spruch<br />

zur Dialogbereitschaft, denn<br />

statt die (kl<strong>eine</strong>n) positiven Aspekte des<br />

An<strong>der</strong>en wertzuschätzen, sucht es genau<br />

dessen Begrenztheit auszumachen<br />

– wenn nicht sogar s<strong>eine</strong> Argumente<br />

absichtlich zu verzerren – mit dem Ziel,<br />

ihn in Wi<strong>der</strong>sprüche zu verwickeln, bis er<br />

schließlich besiegt ist. Ein Unterlegener<br />

aber wird sich nicht als wirklicher Bru<strong>der</strong><br />

empfinden.<br />

d) „Um Gottes willen je<strong>der</strong> menschlichen<br />

Kreatur untertan sein“<br />

(Nichtbullierte Regel 16,6) 11 .<br />

Hier handelt es sich um die Haltung<br />

<strong>der</strong> kenosis (<strong>der</strong> Erniedrigung), die Franziskus<br />

in Inkarnation, Leben, Passion und<br />

Tod Jesu Christi entdeckt, im urchristlichen<br />

christologischen Hymnus aus dem<br />

Philipperbrief (Phil 2,6-11) wun<strong>der</strong>bar<br />

zusammengefasst. Diese Haltung steht<br />

im diametralen Gegensatz zur Haltung<br />

<strong>der</strong> Unterdrückermacht. Die Haltung,<br />

sich selbst untertan zu machen statt den<br />

An<strong>der</strong>en durch Unterdrückung zu nötigen,<br />

bringt den An<strong>der</strong>en dazu, sich wichtig,<br />

wertgeschätzt, geliebt, zutiefst ange-<br />

nommen und beglaubigt zu fühlen, statt<br />

sich als Knecht vorzukommen. In dieser<br />

Praxis findet sich <strong>eine</strong> Haltung, die es gestattet,<br />

zwar nicht den Ursprung, aber<br />

zumindest die Gewalt unterdrückerischer<br />

Macht zu beseitigen und sie in <strong>eine</strong>n zuvorkommenden<br />

Dienst am Leben des<br />

An<strong>der</strong>en zu verwandeln. Sie ist die Regel<br />

„Einer wasche des an<strong>der</strong>en Füße“ (Nichtbullierte<br />

Regel 6,4). Vielleicht haben nur<br />

wenige historische Persönlichkeiten sich<br />

so eifrig um die Haltung des Dienens bemüht<br />

wie Franziskus, insbeson<strong>der</strong>e wenn<br />

wir die Texte vor 1223 bedenken und jene<br />

mehr persönlichen Charakters.<br />

Diese kurzen Feststellungen weisen<br />

darauf hin, dass sich interreligiöser<br />

Dialog dort ereignet, wo angemessene<br />

menschliche Bedingungen existieren 12 .<br />

Der gute Wille zum interreligiösen Dialog<br />

reicht nicht aus. Verlangt ist vielmehr ein<br />

entsprechend bereitetes menschliches<br />

Terrain bzw. Klima. Franziskus kann den<br />

prophetischen Dialog nur leben, weil es<br />

in ihm diese menschliche Voraussetzung<br />

gibt, an <strong>der</strong> er selbst mühevoll und mit<br />

Hilfe <strong>der</strong> göttlichen Gnade gearbeitet hat.<br />

Deshalb ist <strong>der</strong> prophetische Dialog, wie<br />

er sich im Sonnengesang gegenüber allen<br />

Geschöpfen manifestiert, ebenso bedeutsam<br />

wie <strong>der</strong> prophetische interreligiöse<br />

Dialog des Franziskus mit den Sarazenen.<br />

Darin sind alle nicht mehr und nicht weniger<br />

Geschwister, als ob es zwischen allen<br />

Wesen des gesamten Universums <strong>eine</strong><br />

einzige Art von Blutsverwandtschaft gäbe.<br />

Solche „radikale“ Geschwisterlichkeit<br />

ist die Grundlage jeglichen Dialogs, auch<br />

des interreligiösen.<br />

Ich glaube, dass wir nach diesen<br />

kurzen Vorüberlegungen zum dritten Teil<br />

übergehen können, in dem wir uns dem<br />

eigentlichen Thema unserer Reflexion<br />

zuwenden, nicht so sehr um herauszufinden,<br />

was Franziskus dafür tat, den interreligiösen<br />

Dialog zustande zu bringen,<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


son<strong>der</strong>n mehr um inspiriert von s<strong>eine</strong>m<br />

Gestus heute in dieser Art missionarischer<br />

Verpflichtung voranzukommen, die sich<br />

als <strong>eine</strong>s <strong>der</strong> Zeichen Gottes für unsere<br />

Zeit darstellt.<br />

3. Franziskus und<br />

<strong>der</strong> interreligiöse Dialog<br />

Ich werde mich bei den folgenden<br />

Überlegungen nicht damit aufhalten,<br />

theologisch zu präzisieren, was interreligiöser<br />

Dialog ist und was nicht. Für unseren<br />

Zweck gehen wir aus vom allgem<strong>eine</strong>n<br />

Verständnis dieser Thematik und<br />

werden die Praxis des Franziskus nach<br />

den bekanntesten Kriterien analysieren.<br />

Im gesellschaftlichen Kontext des<br />

13. Jahrhun<strong>der</strong>ts hätte eigentlich ein religiöser<br />

Dialog beson<strong>der</strong>s und ausdrücklich<br />

mit den Anhängern des Propheten<br />

Mohammed nahe gelegen, mit jener Religion,<br />

die an Bedeutung mit dem Christentum<br />

rivalisierte. An<strong>der</strong>e Religionen<br />

verfügten nicht über ausreichende Freiheiten,<br />

um sich vernehmlich zu machen,<br />

selbst wenn sie in Europa und in den Län<strong>der</strong>n,<br />

die mit den europäischen Bevölkerungen<br />

in Verbindung standen, bekannt<br />

und präsent waren. Weil häretische Bewegungen<br />

wie die Albigenser und Waldenser<br />

in Frankreich, die Katharer, die überall<br />

in Italien und Europa lebten und sogar<br />

in Spoleto nahe bei Assisi <strong>eine</strong>n Bischofssitz<br />

hatten, in <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit waren, zogen<br />

sie die Aufmerksamkeit <strong>der</strong> Historiker<br />

nicht auf sich. Zumindest geben sie uns<br />

k<strong>eine</strong> Kenntnis davon, ob Franziskus mit<br />

diesen Gruppen möglicherweise in Kontakt<br />

stand. Man könnte fragen: Warum<br />

hat Franziskus das, was er mit den Sarazenen<br />

praktizierte, die so weit von s<strong>eine</strong>m<br />

Heimatland entfernt lebten, nicht<br />

auch zum Beispiel mit den Katharern gepflegt?<br />

Es scheint, dass hier noch ernsthaftere<br />

Studien nötig sind. Dennoch wird<br />

immer wie<strong>der</strong> gesagt, dass Franziskus die-<br />

Crocoli – Franziskus und <strong>der</strong> Interreligiöse Dialog<br />

se Bewegungen niemals direkt angriff. Er<br />

hat sie nie als Häretiker verurteilt, aber er<br />

machte stets s<strong>eine</strong> (unterschiedliche) Position<br />

als Katholik gegenüber den Positionen<br />

an<strong>der</strong>er Glaubensrichtungen klar.<br />

<strong>Das</strong> kann man im Testament erkennen,<br />

wenn er über das Leben in Heiligkeit <strong>der</strong><br />

Priester spricht. Im Verständnis <strong>der</strong> Katharer<br />

war das Leben in Heiligkeit <strong>eine</strong> Bedingung<br />

„sine qua non“ für die Gültigkeit<br />

<strong>der</strong> Sakramente. Franziskus dagegen<br />

zieht es vor, alle Priester zu respektieren<br />

und zu verehren, selbst wenn sie Sün<strong>der</strong><br />

sind. 13<br />

Sicher bedarf es auch noch genauerer<br />

Untersuchungen darüber, wie Franziskus<br />

den interreligiösen Dialog mit den<br />

kirchlichen Bewegungen gelebt hat, die<br />

– meist als häretisch verurteilt – ebenfalls<br />

christliche Armut und „apostolisches Leben“<br />

(Wan<strong>der</strong>schaft und Predigt) miteinan<strong>der</strong><br />

verbanden, wie die Katharer, die<br />

Waldenser und noch an<strong>der</strong>e wie die Humiliaten.<br />

Vielleicht gab es k<strong>eine</strong> Form des religiösen<br />

Dialogs mit ihnen, weil die franziskanische<br />

Bewegung <strong>eine</strong>n „modus vivendi“<br />

pflegte mit jenen, die ihrer Bewegung näher<br />

waren als <strong>der</strong> institutionellen Kirche?<br />

Im Jahre 1209, als Franziskus bereits Brü<strong>der</strong><br />

um sich versammelt hatte, bemühte<br />

sich bei s<strong>eine</strong>r ersten Reise nach Rom in<br />

<strong>der</strong> Tat <strong>der</strong> Kardinal Johannes von Sankt<br />

PaulmitallerMacht,ihnzuüberzeugen,in<br />

<strong>eine</strong>n bereits existierenden Orden einzutreten.<br />

Aber „Franziskus wi<strong>der</strong>setzte sich,<br />

so gut er konnte“ (1 Cel 33,2), mit dem<br />

Ziel, in <strong>eine</strong>r „forma vitae“ zu bleiben, die<br />

große (äußere) Ähnlichkeit mit den religiösen<br />

Volksbewegungen hatte, obwohl<br />

sie durch die Kirche verurteilt worden waren.<br />

Könnte man dies bereits als Teil <strong>eine</strong>s<br />

„interreligiösen Dialoges“ ansehen? <strong>Das</strong><br />

müsste man noch genauer untersuchen.<br />

In jedem Fall aber kann man behaupten,<br />

dass sein Verhalten hier dem entspricht,<br />

29


30<br />

was er später im Verhältnis zu den Moslems<br />

zeigt. Wir überlassen diese Analyse<br />

weiteren Studien und betrachten jetzt<br />

genauer die Beziehung des Franziskus zur<br />

islamischen Religion als Sinnbild für den<br />

Interreligiösen Dialog. Wir werden das in<br />

zwei Schritten tun. Zuerst werden wir uns<br />

die Geschichte <strong>der</strong> Begegnungen bzw.<br />

<strong>der</strong> Bemühungen um Begegnungen mit<br />

den Sarazenen und <strong>der</strong>en Ergebnisse vor<br />

Augen halten. Dann schauen wir genauer<br />

auf die Methodologie für ein friedvolles<br />

Zusammenleben und den interreligiösen<br />

Dialog im Kapitel 16 <strong>der</strong> Nichtbullierten<br />

Regel, dem bedeutsamsten Text <strong>der</strong> franziskanischen<br />

Bewegung, weil er kollektiv<br />

während mehr als <strong>eine</strong>s Lebensjahrzehnts<br />

verfasst wurde.<br />

3.1. Franziskus begegnet den<br />

Anhängern des Mohammed<br />

Drei Bemühungen des Franziskus<br />

um die Annäherung an die Mohammedaner<br />

sind überall anerkannt. Die erste<br />

ereignet sich höchstwahrscheinlich im<br />

Jahre 1212 14 . Zu diesem Zeitpunkt wurde<br />

ganz Europa mobilisiert, das Heilige<br />

Land durch <strong>eine</strong> religiös-militärische Bewegung<br />

zu befreien. Die einfachen Leute<br />

hofften beson<strong>der</strong>s auf die spirituelle Belohnung.<br />

Deshalb wurde das Unternehmen<br />

als „Kin<strong>der</strong>kreuzzug“, o<strong>der</strong> besser<br />

gesagt als „Kreuzzug <strong>der</strong> Armen“ bezeichnet.<br />

Daran waren we<strong>der</strong> Adelige<br />

noch Könige beteiligt. Viele bestiegen<br />

im Hafen von Venedig das Schiff, an<strong>der</strong>e<br />

wollten es im Hafen von Brindisi tun 15 .<br />

Franziskus gehörte zu diesen Armen. Er<br />

schiffte sich in Venedig ein, um Richtung<br />

Syrien zu fahren, und zwar nicht mit <strong>der</strong><br />

Absicht, spirituellen (vollkommenen Ablass)<br />

o<strong>der</strong> materiellen Nutzen (Beute) davon<br />

zu haben, son<strong>der</strong>n mit dem Wunsch,<br />

zum Frieden beizutragen und die Bekehrung<br />

<strong>der</strong> Muslime zu erreichen (Spoto,<br />

2002, S. 186) 16 . Thomas von Celano erwähnt<br />

nicht, dass es das Ziel war, den<br />

Frieden anzustreben, vielleicht weil er auf<br />

Anordnung des Papstes, dem obersten<br />

Kommandeur <strong>der</strong> Kreuzzüge, das Leben<br />

des Franziskus beschreibt und weil es sein<br />

Anliegen war, die Heiligkeit des Franziskus<br />

nachzuweisen. Er betrachtet kaum<br />

den Wunsch des Franziskus, die Sarazenen<br />

zu bekehren und als Märtyrer zu sterben<br />

(1 Cel 55,1-3). <strong>Das</strong> Schiff, das Franziskus<br />

in Venedig bestiegen hatte, wurde<br />

wenig später gegen die Inseln Slawoniens<br />

(des heutigen Kroatien) geschleu<strong>der</strong>t, so<br />

dass die Fortsetzung <strong>der</strong> Reise unmöglich<br />

wurde. Einige Wochen später gelang es<br />

Franziskus, nach Italien zurückzukehren.<br />

Weil er jedoch <strong>eine</strong>n starken Willen<br />

hat, unternimmt Franziskus im darauffolgenden<br />

Jahr <strong>eine</strong>n neuen Versuch. Er<br />

verlässt Assisi in <strong>der</strong> Absicht, zu Fuß über<br />

Spanien nach Marokko zu gelangen. So<br />

will er das Risiko <strong>eine</strong>s neuen Schiffbruchs<br />

umgehen. Von Assisi aus folgt er <strong>der</strong> traditionellen<br />

Route durch Florenz, Pisa,<br />

Lyon, übersteigt die Pyrenäen und gelangt<br />

nach Santiago de Compostela. S<strong>eine</strong><br />

physische Schwäche (er schleppt den<br />

Malaria-Virus mit sich, das periodisch auftretende<br />

Fieber, die häufigen Fieber-Krisen)<br />

zwingt ihn dazu, lange – vermutlich<br />

mehrere Monate – in Compostela zu verweilen.<br />

Belegt ist, dass er drei Tage lang<br />

nicht sprechen und nicht verstehen kann,<br />

was man ihm sagt; offenbar <strong>eine</strong> Art Delirium<br />

als Folge des Malaria-Fiebers und<br />

<strong>eine</strong>s kl<strong>eine</strong>n Infarktes 17 . Angesichts des<br />

Zustandes entscheiden er und Bernhard<br />

von Quintavalle, die Reise aufzugeben<br />

und nach Assisi zurückzukehren.<br />

1219 sieht Franziskus erneut <strong>eine</strong><br />

Gelegenheit, sein Bemühen um die Begegnung<br />

mit den Muslimen wie<strong>der</strong> aufzunehmen.<br />

Der fünfte Kreuzzug beginnt,<br />

<strong>der</strong> offiziell von Papst Innozenz III. beim<br />

IV. Laterankonzil im November 1215 ausgerufen<br />

worden war. Vier Jahre später also<br />

ist Franziskus wie<strong>der</strong> auf <strong>eine</strong>m Kreuzfah-<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


erschiff Richtung Ägypten, nach Damiette.<br />

Er befindet sich unter mehr als hun<strong>der</strong>ttausend<br />

christlichen Kämpfern mit<br />

12 Gefährten auf <strong>der</strong> Reise, unter ihnen<br />

Bru<strong>der</strong> Iluminatus, dem es gelang, einige<br />

Laute <strong>der</strong> ägyptischen Sprache „aufzuschnappen“<br />

(Spoto, 2002, S. 231).<br />

<strong>Das</strong>s Franziskus sich unter den Soldaten<br />

aufhielt, sahen die Kommandanten<br />

des Kreuzzugs gar nicht gerne. Nach Meinung<br />

des Bischofs von Akkon, Jakob von<br />

Vitry, beunruhige Franziskus o<strong>der</strong> „störe“<br />

gar. Ein an<strong>der</strong>er Fachmann für mittelalterliche<br />

Geschichte sagt, dass er „Verblüffung<br />

hervorrief und wie ein unpassendes<br />

Zeichen wirkte“. (Manselli, 1997, S. 205).<br />

Man kann sich leicht die Wirkung <strong>eine</strong>s Pazifisten<br />

auf dem Schlachtfeld vorstellen.<br />

Der Kardinal Pelagius Galvani, beauftragter<br />

Gesandter des Papstes für das christliche<br />

Heer, hatte verschiedene Friedensangebote<br />

des Sultans zurückgewiesen.<br />

Julio Bassetti-Sani berichtet, dass <strong>der</strong> Kardinal<br />

gerne den Satz wie<strong>der</strong>holte: „Der Islam<br />

entstand durch das Schwert, verbreitete<br />

sich durch das Schwert, jetzt soll er<br />

ausgemerzt werden durch das Schwert“<br />

(1993, S. 696). Franziskus wurde dieser<br />

Haltung gegenüber von tiefer Traurigkeit<br />

ergriffen und bot sich an, persönlich<br />

mit dem Sultan zu sprechen. Nachdem<br />

Kardinal Pelagius mehrfach das Angebot<br />

abgelehnt hatte, erlaubte er Franziskus<br />

Franziskus war davon überzeugt,<br />

dass man am besten mit<br />

gewaltlosen Mitteln den Frieden<br />

erreiche.<br />

schließlich, diese – wie er das Unternehmen<br />

nannte –„selbstmör<strong>der</strong>ische Mission“<br />

in die Tat umzusetzen. Denn im christlichen<br />

Heer ging die Bemerkung um, dass<br />

„<strong>der</strong> Soldat, <strong>der</strong> dem Sultan das Haupt<br />

<strong>eine</strong>s Christen überbringe, hoch belohnt<br />

Crocoli – Franziskus und <strong>der</strong> Interreligiöse Dialog<br />

würde“ (LM 9,7,4). Franziskus s<strong>eine</strong>rseits<br />

war davon überzeugt, dass man am besten<br />

mit gewaltlosen Mitteln den Frieden<br />

erreiche. Mögen die Vorkommnisse<br />

auf Seiten <strong>der</strong> Sarazenen vielleicht sogar<br />

erfunden sein – so ist jedenfalls gewiss,<br />

dass Franziskus und Bru<strong>der</strong> Illuminatus einige<br />

Zeit bei den Muslimen gelebt und<br />

den besten Eindruck hinterlassen haben,<br />

wie arabische Dokumente bestätigen. 18<br />

Sie erkannten, dass die Muslime auch <strong>eine</strong>n<br />

tiefen Glauben an den einzigen Gott<br />

haben. Der Sultan Malik al-Kamil war offenbar<br />

tief beeindruckt von Bru<strong>der</strong> Franz<br />

und Bru<strong>der</strong> Illuminatus. Er wollte ihnen<br />

kostbare Geschenke überreichen, was sie<br />

jedoch höflich ablehnten. Aber sie akzeptierten<br />

<strong>eine</strong>n Schutzbrief, <strong>der</strong> ihnen gestattete,<br />

das Lager zu durchqueren, und<br />

sogar, wenn sie gewollt hätten, nach Jerusalem<br />

zu gehen.<br />

Am besten hilft uns das von Franziskus<br />

selbst verfasste Zeugnis, s<strong>eine</strong> dialogische<br />

Haltung zu den Muslimen – zu s<strong>eine</strong>n „ungläubigen<br />

Brü<strong>der</strong>n“, wie er sie auch nannte<br />

– zu verstehen. Nach s<strong>eine</strong>r Rückkehr<br />

aus Ägypten schrieb er <strong>eine</strong>n „Brief an die<br />

Lenker <strong>der</strong> Völker“. Für unser Thema ist<br />

<strong>der</strong> Brief aus zwei Gründen von Interesse:<br />

a) Er ermahnt alle Amtsträger <strong>der</strong><br />

Welt, materiellen Interessen nicht den<br />

Vorrang vor den Werten des Evangeliums<br />

zu geben; denn wenn die weltlichen Interessen<br />

Vorrang gewinnen o<strong>der</strong> übertrieben<br />

werden, führen sie früher o<strong>der</strong><br />

später zu Gewalt und Krieg, weil sie<br />

sich <strong>der</strong> Ungerechtigkeit und Unterdrückung<br />

bedienen, um ihre Ziele zu erreichen.<br />

S<strong>eine</strong> Kriegserfahrung in <strong>der</strong> Jugend<br />

und alles das, was sie nach sich zog,<br />

bestätigte diese Logik des Franziskus.<br />

b) Er bittet darum, dass dem Volk an<br />

allen Abenden ein Zeichen gegeben werde,<br />

das an das Gebet erinnern solle. <strong>Das</strong><br />

31


32<br />

ist <strong>der</strong> erste Impuls zur Entwicklung des<br />

Angelus-Gebetes geworden mit den Glockenzeichen<br />

um 6, 12 und 18 Uhr. Bereits<br />

25 Jahre nach dem Tode des Franziskus<br />

soll praktisch in <strong>der</strong> Christenheit von ganz<br />

Westeuropa diese Praxis mohammedanischer<br />

Frömmigkeit eingeführt worden<br />

sein. Wichtig ist es, Ursprung und Motive<br />

s<strong>eine</strong>r Initiative zu begreifen: Als er sich<br />

bei den Muslimen aufhielt, bemerkte er,<br />

dass das Volk fünfmal am Tag, wenn die<br />

Muezzins die Minarette bestiegen und die<br />

Trompete bliesen, sofort s<strong>eine</strong> Aktivitäten<br />

unterbrach, sich gegen Mekka wandte<br />

und zu Allah betete. Dieser Gestus beeindruckte<br />

Franziskus so tief, dass er ihn<br />

auch bei den Christen einführen wollte.<br />

Merkwürdigerweise konsultiert er bezüglich<br />

dieser Initiative die kirchlichen Autoritäten<br />

nicht und, obwohl er sich stets als<br />

klein und Knecht aller bezeichnet, zögert<br />

er hier nicht, allen Lenkern <strong>der</strong> Welt <strong>eine</strong><br />

Art „Befehl“ zu erteilen, sogar mit harten<br />

und drohenden Worten. 19 Dieser Brauch<br />

des Islam erschien ihm so schön und gut,<br />

dass er nicht zögerte, ihn <strong>der</strong> Christenheit<br />

zu empfehlen, ja sogar vorzuschreiben,<br />

könnte man sagen, nicht im Sinne <strong>eine</strong>s<br />

autoritären Drucks von außen, wohl aber<br />

im Sinne <strong>eine</strong>r tiefen, klaren und starken<br />

Überzeugung, die er nicht für sich allein<br />

behalten konnte.<br />

Im September 1219 kehrte er nach<br />

Italien zurück. Am 16. Januar 1220 erfuhr<br />

er vom Martyrium s<strong>eine</strong>r fünf Brü<strong>der</strong><br />

(Bernhard und s<strong>eine</strong>r vier Gefährten). Als<br />

man ihm berichtete, wie sie sich gegenüber<br />

den Muslimen verhalten hatten und<br />

wie sie zu Tode gekommen waren, hätte<br />

er ausgerufen: „Jetzt kann ich sagen, dass<br />

ich wirklich fünf Brü<strong>der</strong> habe“. Dennoch<br />

hat er, im Rückgriff auf s<strong>eine</strong> persönliche<br />

Erfahrung und ohne das Verhalten s<strong>eine</strong>r<br />

Brü<strong>der</strong> zu missbilligen, die in gutem<br />

Glauben und entsprechend <strong>der</strong> vorherrschenden<br />

Mentalität gehandelt hatten,<br />

<strong>eine</strong> friedliche Methode zur Evangelisie-<br />

rung <strong>der</strong> Sarazenen aufgeschrieben, ein<br />

bisdahingänzlichunerhörtesundwirklich<br />

prophetisches Vorgehen. Diese Methode<br />

finden wir in jenem Text, den wir heute<br />

als das 16. Kapitel <strong>der</strong> Nichtbullierten<br />

Regel bezeichnen. Er soll jetzt als Methodologie<br />

für Evangelisierung und interreligiösen<br />

Dialog analysiert werden. Der<br />

Text reflektiert auf unzweideutige Weise<br />

<strong>eine</strong> zutiefst dialogische Haltung gegenüber<br />

dem „An<strong>der</strong>en“, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>s ist. In<br />

diesem spezifischen Fall handelt es sich<br />

sogar um den völlig An<strong>der</strong>en und „Verteufelten“,<br />

an dem sich nur schwerlich<br />

Positives o<strong>der</strong> gar bewun<strong>der</strong>ungswürdige<br />

Werte entdecken lassen, auf Grund<br />

<strong>der</strong>er sich die Chance böte, <strong>eine</strong>n interreligiösen<br />

Dialog zu beginnen, <strong>der</strong> <strong>eine</strong>n<br />

gegenseitigen Lernprozess einschließt.<br />

3.2. Franziskus im Dialog<br />

mit den „Ungläubigen“<br />

Die verschiedenen Erfahrungen mit<br />

Kriegen, die Erlebnisse auf den Schlachtfel<strong>der</strong>n,<br />

all das existentielle Gepäck, das<br />

Franziskus in s<strong>eine</strong>r geschwisterlichen<br />

Beziehung zu allen Menschen, zu den<br />

Tieren und zu den übrigen Geschöpfen<br />

zusammengetragen hatte, ermöglichte<br />

... im Wi<strong>der</strong>spruch zum<br />

Empfinden <strong>der</strong> gesamten<br />

damaligen Christenheit <strong>eine</strong><br />

wirklich dialogische Haltung<br />

auch den Sarazenen gegenüber ...<br />

es ihm, im Wi<strong>der</strong>spruch zum Empfinden<br />

<strong>der</strong> gesamten damaligen Christenheit <strong>eine</strong><br />

wirklich dialogische Haltung auch den<br />

Sarazenen gegenüber einzunehmen. Diese<br />

Haltung ist gleichsam <strong>eine</strong> Methodologie<br />

für den interreligiösen Dialog, die<br />

erkennbar wird, wenn man die verschiedenen<br />

Schritte für den Dialog in den in-<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


terreligiösen Beziehungen analysiert, die<br />

sich aus dem 16. Kapitel <strong>der</strong> Nichtbullierten<br />

Regel ergeben 20 .<br />

a) <strong>Das</strong> Wissen um die enormen<br />

Schwierigkeiten für den Beginn<br />

des Dialogs<br />

Der Text beginnt mit <strong>der</strong> Erinnerung<br />

an Worte des Evangeliums: „Seht, ich<br />

sende euch wie Schafe mitten unter die<br />

Wölfe“. Seid daher „klug wie die Schlangen<br />

und einfältig wie die Tauben“ (Mt<br />

10,16). Dieser biblische Abschnitt, <strong>der</strong><br />

die Reflexion über das Verhältnis <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong><br />

zu „unseren ungläubigen Brü<strong>der</strong>n“<br />

einleitet, scheint folgende Absicht zu haben:<br />

<strong>Das</strong> Bewusstsein dafür zu schärfen,<br />

dass es sich um <strong>eine</strong> schwierige und riskante<br />

Aufgabe handelt. Der einleitende<br />

Satz macht den Missionar mit dem Kontext<br />

<strong>der</strong> schwierigen Bedingungen dieses<br />

Verhältnisses vertraut, als ob es sich um<br />

<strong>eine</strong> Analyse <strong>der</strong> aktuellen Lage handele.<br />

Der folgende Text macht es unmöglich<br />

zu denken, die Problematik sei auf die<br />

Bosheit <strong>der</strong> An<strong>der</strong>en zurückzuführen, als<br />

seien sie gefährlich „wie die Wölfe“, <strong>eine</strong><br />

Vorstellung, die <strong>der</strong> erste biblische Satz<br />

nahe legen könnte. Die Aufgabe wird in<br />

Wahrheit hart und schwierig wegen <strong>der</strong><br />

kriegerischen Atmosphäre, die sich durch<br />

die Sünde bei<strong>der</strong> Seiten ergeben hat.<br />

Die Konsequenzen sind nicht zu übersehen:<br />

Der Heilige Krieg ist im Gang; beide<br />

Seiten sind daher füreinan<strong>der</strong> Feinde.<br />

Wer sich unter diesen Umständen daran<br />

macht, wirklich aufzubrechen, ist gewiss<br />

vom Geist Gottes getrieben. Er darf<br />

folglich nicht daran gehin<strong>der</strong>t werden,<br />

sobald er genügend Gründe dafür hat.<br />

An<strong>der</strong>erseits soll das biblische Zitat auch<br />

begründen, warum es notwendig ist, sich<br />

des eigenen Lebens zu enteignen. Wer<br />

sich uneingeschränkt dem Herrn überlässt,<br />

nichts mehr hat, um es für sich zu<br />

behalten o<strong>der</strong> zu verteidigen, wird radikal<br />

offen für den An<strong>der</strong>en, sogar für den,<br />

Crocoli – Franziskus und <strong>der</strong> Interreligiöse Dialog<br />

<strong>der</strong> ganz an<strong>der</strong>s ist. Daher gehört es für<br />

Franziskus dazu, dass <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> sich<br />

auf das Abenteuer dieser Mission einlässt,<br />

auch die Möglichkeit des Martyriums<br />

nicht ausschließt. Der Schluss, fast<br />

die Hälfte des Textes (VV 10-21), spricht<br />

von Verfolgung, Misshandlung, Verleumdung<br />

und Martyrium:<br />

10 Und alle Brü<strong>der</strong>, wo auch immer sie<br />

sind, sollen sich zu Herzen nehmen, dass<br />

sie sich dem Herrn Jesus Christus übergeben<br />

und ihm ihre Leiber überlassen haben.<br />

11 Und um s<strong>eine</strong>r Liebe willen müssen<br />

sie sich den sichtbaren wie den unsichtbaren<br />

Feinden aussetzen; denn <strong>der</strong> Herr<br />

sagt: „Wer sein Leben um m<strong>eine</strong>twillen<br />

verliert, wird es retten“ (vgl. Lk 9,24) „zum<br />

ewigen Leben“ (Mt 25,46).<br />

12 „Selig, die Verfolgung leiden um<br />

<strong>der</strong> Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das<br />

Himmelreich“ (Mt 5,10).<br />

13 „Wenn sie mich verfolgt haben, werden<br />

sie auch euch verfolgen“ (Joh 15,20).<br />

14 Wenn sie „euch in <strong>eine</strong>r Stadt<br />

verfolgen, flieht in <strong>eine</strong> an<strong>der</strong>e“ (vgl. Mt<br />

10,23).<br />

15 „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen<br />

hassen (Lk 6,22) und euch schmähen<br />

und verfolgen (vgl. Mt 5,11) und euch<br />

ausstoßen und verhöhnen und euren<br />

Namen als böse verwerfen (Lk 6,22) und<br />

wenn sie euch alles Schlechte fälschlich<br />

nachsagen um m<strong>eine</strong>twillen (Mt 5,11).<br />

16 Freut euch an jenem Tage und frohlocket<br />

(Lk 6,23), denn reich ist euer Lohn im<br />

Himmel“ (vgl. Mt 5,12).<br />

17 Und ich sage „euch, m<strong>eine</strong>n<br />

Freunden: Lasst euch von diesen nicht erschrecken<br />

18 und fürchtet jene nicht, die den<br />

Leib töten“ (Mt 10,28) „und darüber hinaus<br />

nichts haben, was sie tun könnten“<br />

(Lk 12,4).<br />

33


3<br />

19 „Seht zu, dass ihr nicht in Verwirrung<br />

geratet“ (Mt 24,6).<br />

20 Denn in eurer Geduld werdet ihr eure<br />

Seelen besitzen (Lk 21,19).<br />

21 Und „wer ausharrt bis ans Ende, <strong>der</strong><br />

wird gerettet werden“ (Mt 10,22; 24,13).<br />

Neben <strong>der</strong> völligen Selbstlosigkeit<br />

empfiehlt <strong>der</strong> Text die Klugheit <strong>der</strong><br />

Schlangen und die Einfalt <strong>der</strong> Tauben.<br />

Klugheit und Einfachheit erleichtern die<br />

Annäherung. Die erste Tugend, die Klugheit,<br />

verbunden mit Mut, macht aufmerksam<br />

auf die Vorsicht, die in <strong>eine</strong>m<br />

konfliktiven Ambiente geboten ist, auf<br />

die notwendige Zurückhaltung, etwas zu<br />

beurteilen, zu kritisieren o<strong>der</strong> zu missbilligen.<br />

Die zweite Tugend, die Einfachheit,<br />

appelliert an Transparenz, Ehrlichkeit, Liebe<br />

zur Wahrheit, Integrität <strong>der</strong> Lebensführung<br />

etc. Dieses menschliche Fundament<br />

ist unverzichtbar, wenn man offen,<br />

wohlwollend und respektvoll dem an<strong>der</strong>en<br />

begegnen will; dies ist das fruchtbare<br />

Terrain, auf dem <strong>der</strong> Dialog gedeihen<br />

kann. <strong>Das</strong> scheint die Bedeutung <strong>der</strong> hier<br />

zitierten biblischen Texte zu sein.<br />

b) „Von den Brü<strong>der</strong>n, die unter die<br />

Sarazenen und an<strong>der</strong>e Ungläubige<br />

gehen wollen“<br />

3 Daher soll je<strong>der</strong> Bru<strong>der</strong>, <strong>der</strong> [auf<br />

göttliche Eingebung hin] unter die Sarazenen<br />

und an<strong>der</strong>e Ungläubige gehen will, mit<br />

<strong>der</strong> Erlaubnis s<strong>eine</strong>s Ministers und Dieners<br />

gehen [...]<br />

5 Die Brü<strong>der</strong> aber, die hinausziehen,<br />

können in zweifacher Weise unter ihnen<br />

geistlich wandeln (Nichtbullierte Regel 16,<br />

3.5).<br />

Interessant ist, dass dieser erste mittelalterliche<br />

Text, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Evangelisierung<br />

„<strong>der</strong> Ungläubigen“ und vom<br />

interreligiösen Dialog handelt, in <strong>eine</strong>r<br />

Ordensregel enthalten ist und <strong>eine</strong> Spra-<br />

che verwendet, die wir als sehr fortschrittlich<br />

bezeichnen könnten. Er spricht davon<br />

„unter die Sarazenen zu gehen“.<br />

Wenn er stattdessen davon gesprochen<br />

hätte, „zu den Sarazenen zu gehen“, wäre<br />

die geistige und physische Distanz zu<br />

den Adressaten klar gewesen. Die Christenheit<br />

damals war kulturell nicht nur<br />

auf diese Distanz eingestellt, die sich in<br />

Unkenntnis und Gleichgültigkeit hätte<br />

nie<strong>der</strong>schlagen können, son<strong>der</strong>n organisierte<br />

sich dafür, „gegen die Sarazenen<br />

vorzugehen“. Die Kreuzzüge sind <strong>der</strong> beste<br />

Beweis für diese Einstellung. Franziskus<br />

spricht beson<strong>der</strong>s weitsichtig davon:<br />

„unter die Sarazenen (zu) gehen“. Hier<br />

scheint er das <strong>Geheimnis</strong> <strong>der</strong> Inkarnation<br />

anklingen zu lassen: „Er hat unter uns<br />

gewohnt“, er nahm unsere menschliche<br />

Gebrechlichkeit auf sich (2 Fi 4), wie Vadakkekara<br />

(2003, S. 260) vorschlägt, wenn<br />

er sich auf die Ausdrucksweise von Franziskus<br />

bezieht. Eine solche Einstellung<br />

setzt den Verzicht auf jede Form von<br />

Macht und Überlegenheit voraus. Später<br />

spricht Franziskus sogar von <strong>der</strong> Notwendigkeit,<br />

allen untertan zu sein. Ein Dialog<br />

hat zur Bedingung, dass zwei Menschen<br />

sich gleichrangig begegnen, dass sie sich<br />

mindestens gleichen Rang zuerkennen<br />

und dass sie voneinan<strong>der</strong> lernen können.<br />

„Mission darf we<strong>der</strong> offen noch versteckt<br />

erobern wollen. Sie darf auch nichts erzwingen<br />

wollen, nicht einmal maskiert<br />

durch die intellektuelle Überlegenheit<br />

des Missionars. Sie verwirklicht sich nur<br />

durch den Dialog.“ (Comblin, 2005, S.<br />

20-21)<br />

Ich halte es für wichtig, auf das Adverb<br />

„geistlich“ aufmerksam zu machen,<br />

das in diesem Satz das Verb „wandeln“<br />

qualifizieren soll. Eine Untersuchung<br />

des Bru<strong>der</strong>s Optato van Asseldonk über<br />

dieses Thema weist nach, dass „geistlich<br />

wandeln“ meint: „dem Geist Gottes“<br />

bzw. dem heiligen Geist entsprechend<br />

zu leben. 21 Franziskus beruft sich auf die<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Autorität des Heiligen Geistes, wenn er<br />

geschwisterliches Verhalten und gleichrangiges<br />

Zusammenleben mit jenen<br />

vorschlägt, die <strong>der</strong> allgem<strong>eine</strong> Zeitgeist<br />

– von dem auch Menschen <strong>der</strong> Kirche infiziert<br />

werden können – ganz unten ansiedelt,<br />

weil er sie „verteufelt“. Hier trifft <strong>der</strong><br />

Poverello die klare Option, dem „Heiligen<br />

Geist als Generalminister“ (2 Cel 193,4)<br />

o<strong>der</strong> dem Geist des Evangeliums mehr<br />

zu gehorchen als je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en menschlichen<br />

Institution, denn das Evangelium<br />

ist die höchste Norm, <strong>der</strong> alle Institutionen<br />

gehorchen müssen. Der Heilige<br />

Geist Gottes, <strong>der</strong> in vielen Ausdrucksformen<br />

und Bil<strong>der</strong>n als Wasser, Feuer,<br />

Wind und Taube erscheint, ist <strong>der</strong> Garant<br />

für Verschiedenheit und Pluralität.<br />

c) Wichtiger als theologische Debatten<br />

und Streitigkeiten ist die<br />

Bereitschaft, allen untertan zu sein<br />

6 Eine Art besteht darin, dass sie we<strong>der</strong><br />

Zank noch Streit beginnen, son<strong>der</strong>n „um<br />

Gottes willen je<strong>der</strong> menschlichen Kreatur“<br />

(1 Petr 2,13) untertan sind und bekennen,<br />

dass sie Christen sind.<br />

Nachdem die Voraussetzungen für<br />

den Dialog geklärt sind, sagt Franziskus<br />

mit wenigen Worten das für ein fruchtbares<br />

Zusammenleben Wesentliche: statt<br />

zu streiten o<strong>der</strong> zu disputieren, statt eigene<br />

Positionen einzunehmen und unablässig<br />

zu behaupten, sollen die Brü<strong>der</strong> je<strong>der</strong><br />

menschlichen Kreatur untertan sein, ohne<br />

auf das Bekenntnis des eigenen Glaubens<br />

zu verzichten, „bekennen, dass sie<br />

Christen sind“. Franziskus scheint sich <strong>der</strong><br />

in Mode befindlichen Methode im Umgang<br />

mit Häretikern und „Ungläubigen“<br />

bewusst zu sein: sie durch Argumentation<br />

schlagen, ihnen den Teppich ihrer Sicherheit<br />

unter den Füßen wegziehen, sie vor<br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit demaskieren, sie zur<br />

Anerkennung ihres Irrtums zwingen und<br />

zum Schweigen bringen. Die Gewalt <strong>der</strong><br />

Crocoli – Franziskus und <strong>der</strong> Interreligiöse Dialog<br />

Argumentation,dieMachtdesGedankengangs<br />

sollte den An<strong>der</strong>en davon überzeugen,<br />

dass er sich im Irrtum befindet. Positionen<br />

und Thesen des An<strong>der</strong>en wurden<br />

nur zu dem Zweck studiert und verbreitet,<br />

um sie zunichte zu machen. Wenn<br />

diese Strategien nicht reichten, griff man<br />

zur Gewalt des Schwertes, wie es mit den<br />

Albigensern in Frankreich geschah, o<strong>der</strong><br />

wie es zu diesem Zeitpunkt mit den Sarazenen<br />

geschah o<strong>der</strong> danach Jahrhun<strong>der</strong>te<br />

lang mit den Häretikern, als man<br />

sie auf den Scheiterhaufen verbrannte.<br />

„Wesentlich war es, dieser Art und Weise<br />

und dieser Zeit durch das Zeugnis <strong>eine</strong>s<br />

tugendhaften und heiligmäßigen Lebens<br />

zu begegnen, <strong>eine</strong>s Lebens in Demut,<br />

Armut, Geduld und wahrhaftiger Liebe,<br />

damit zu <strong>eine</strong>m Zeitpunkt, den nur Gott<br />

kennt, die Herzen und das Denken <strong>der</strong><br />

Muslime geöffnet würden“ (Basetti-Sani,<br />

1993, S. 694)<br />

Bekannt ist, dass die franziskanische<br />

Bewegung schon sehr bald diese kostbare<br />

Empfehlung des Franziskus preisgab.<br />

Vadakkekara (2003, S. 266) gibt zu,<br />

„dass die Übereinstimmung zwischen<br />

päpstlicher Politik und minoritischer Auffassung<br />

immer weniger Raum ließ, die an<strong>der</strong>sartige,<br />

alternative Missionsmethode<br />

des Franziskus zu praktizieren. Die Brü<strong>der</strong><br />

machten sich immer mehr zu Sprechern<br />

<strong>der</strong> offiziellen Kirchenpolitik, auch bezüglich<br />

des Islam“. Diese Kirchenpolitik wurde<br />

von <strong>der</strong> Machtspitze aus bestimmt.<br />

Daraus ergab sich zwangsläufig, dass das<br />

franziskanische Anliegen des friedlichen<br />

Zusammenlebens und des gegenseitigen<br />

„Untertanseins“ immer weniger beachtet<br />

wurde.<br />

Die zutiefst dialogische Haltung in<br />

<strong>der</strong> Methode des Franziskus besteht darin,<br />

die Brü<strong>der</strong>, die unter den Sarazenen<br />

und an<strong>der</strong>en „Ungläubigen“ leben<br />

wollen, zu bitten, genau das Gegenteil<br />

von dem zu tun, was man üblicherwei-<br />

3


3<br />

se dachte: auf die Behauptung <strong>der</strong> eigenen<br />

theologischen Thesen zu verzichten<br />

und zu akzeptieren, dass <strong>der</strong> An<strong>der</strong>e im<br />

Frieden s<strong>eine</strong> Glaubensüberzeugung leben<br />

kann. Mehr noch: „Um Gottes willen<br />

Eindrucksvoll ist, wie häufig <strong>der</strong><br />

Heilige <strong>der</strong> institutionalisierten<br />

Kirche den Gehorsam<br />

verweigert, um noch tiefer dem<br />

Geist Jesu Christi gehorsam<br />

sein zu können<br />

je<strong>der</strong> menschlichen Kreatur untertan“ zu<br />

sein. Hier steht Franziskus wie<strong>der</strong> einmal<br />

in offenem Wi<strong>der</strong>spruch zum allgem<strong>eine</strong>n<br />

Denken <strong>der</strong> Kirche. <strong>Das</strong> IV. Laterankonzil<br />

hatte den Kanon <strong>der</strong> vorherigen Konzilien<br />

wie<strong>der</strong> aufgegriffen, <strong>der</strong> den Christen<br />

verbot, sich <strong>eine</strong>r nichtchristlichen Autorität<br />

zu unterstellen, ob sie nun jüdisch<br />

o<strong>der</strong> moslemisch sei. (Basetti-Sani, 1994,<br />

S. 694-95). Eindrucksvoll ist, wie häufig<br />

<strong>der</strong> Heilige <strong>der</strong> institutionalisierten Kirche<br />

den Gehorsam verweigert, um noch tiefer<br />

dem Geist Jesu Christi gehorsam sein<br />

zu können, <strong>der</strong> das Herz <strong>der</strong> Kirche selbst<br />

ist. Deshalb zögert er auch nicht, sich den<br />

Heiden zu unterstellen und damit präzisen<br />

Anweisungen zuwi<strong>der</strong>zuhandeln. Für<br />

Franziskus hat die Verän<strong>der</strong>ungskraft des<br />

Evangeliums Vorrang vor je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Norm. Die Logik <strong>der</strong> Liebe gebietet es,<br />

klein zu werden, herabzusteigen und<br />

da zu sein, um dem An<strong>der</strong>en zu dienen,<br />

denn dies ist die Logik des Liebesgebotes.<br />

<strong>Das</strong> hat er von Jesus Christus gelernt, <strong>der</strong><br />

– obwohl reich – arm geworden ist, sich<br />

entäußerte, wie ein Sklave wurde und am<br />

Kreuz starb, aber deshalb auch über alle<br />

Namen erhoben wurde (Phil 2, 5-11). Diese<br />

göttliche Transdeszendenz, (diese im<br />

Abstieg erkennbare Transzendenz, Anm.<br />

d. Übers), bringt am besten Solidarität,<br />

Liebe, Respekt, Freundschaft, Ehrerbie-<br />

tung, Wertschätzung und Zuwendung<br />

zum Ausdruck.<br />

d) Sobald die Bedingungen dafür da<br />

sind, verkündigt das Wort Gottes<br />

7 Die an<strong>der</strong>e Art ist die, dass sie, wenn<br />

sie sehen, dass es dem Herrn gefällt, das<br />

Wort Gottes verkünden: sie sollen glauben<br />

an den allmächtigen Gott, den Vater<br />

und den Sohn und den Heiligen Geist, den<br />

Schöpfer aller Dinge, an den Sohn, den Erlöser<br />

und Retter, und sie sollen sich taufen<br />

lassen und Christen werden; denn „wenn<br />

jemand nicht wie<strong>der</strong>geboren wird aus dem<br />

Wasser und dem Heiligen Geiste, kann er<br />

nicht in das Reich Gottes eingehen“ (vgl.<br />

Joh 3,4).<br />

Drei Aspekte aus diesem Vers <strong>der</strong><br />

nichtbullierten Regel sollen bedacht werden.<br />

Zuerst <strong>der</strong> Ausdruck „wenn sie sehen,<br />

dass es dem Herrn gefällt“. Wie<br />

sollte man ihn verstehen? Wenn Gott das<br />

Heil aller will, ist es dann nicht auch sein<br />

Wunsch und Wille, dass alle sofort vom<br />

wahren Weg zum Heil erfahren, weil es ja<br />

„außerhalb <strong>der</strong> Kirche kein Heil gibt“? 22<br />

Franziskus scheint diese offizielle Sicht<br />

nicht zu übernehmen. Er glaubt, dass<br />

Gott niemals jemanden mit Gewalt zu<br />

etwas verpflichtet. Vielmehr bietet er<br />

Chancen an: „Wenn du willst...“ sagt Jesus<br />

häufig. Wenn Jesus auf solche Weise<br />

verfährt, warum sollte sich die Kirche an<strong>der</strong>s<br />

verhalten? Warum hat Jesus den Tod<br />

am Kreuz und damit scheinbar das totale<br />

Fiasko s<strong>eine</strong>r Sendung vorgezogen, statt<br />

als Erlösermessias herrschaftlich aufzutreten?<br />

Wenn also Gott nichts anordnet,<br />

dann tut er es, weil er an<strong>der</strong>e Alternativen<br />

<strong>der</strong> Erlösung wählt. Die Weisheit Gottes<br />

ist unerforschlich. Auf diese Weisheit soll<br />

auch <strong>der</strong> Missionar vertrauen. Aber wenn<br />

das Warten Jahrhun<strong>der</strong>te dauert! Dann<br />

hängt das von unserer mangelnden Übereinstimmung<br />

mit den Werten des Evangeliums<br />

ab. Deshalb ist es für Franziskus<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


wichtiger auch „unter den Ungläubigen“<br />

Buße zu tun, als Proselyten zu machen, so<br />

wie wir auch unter denen, die Jesus Christus<br />

bekennen, ein Leben <strong>der</strong> Buße führen<br />

sollen. Die Fehler und Sünden, die an<strong>der</strong>e<br />

möglicherweise haben können, sind<br />

eher Motiv, die eigenen Sünden besser zu<br />

erkennen und zu überwinden. 23<br />

Der zweite Aspekt besteht in <strong>der</strong> Verkündigung<br />

„des Wortes Gottes“ 24 . Es<br />

geht also nicht darum, Kirche o<strong>der</strong> Tradition<br />

zu präsentieren. Vielmehr soll das<br />

Wort Gottes vorgestellt werden, o<strong>der</strong> mit<br />

an<strong>der</strong>en Worten, <strong>der</strong> Prozess, durch den<br />

sich Gott in <strong>der</strong> Geschichte offenbart. <strong>Das</strong><br />

lässt sich auch verstehen als „Rückkehr<br />

zu den Quellen“. Dieser Aspekt stellt den<br />

Gesprächspartner eher vor Gott als vor<br />

die Tradition <strong>der</strong> Kirche. <strong>Das</strong> erleichtert<br />

den Dialog sehr, insofern kulturelle Seiten<br />

<strong>der</strong> Kirche, die sie im Laufe ihres Weges<br />

durch die Geschichte aufgenommen hat,<br />

als sekundär bezeichnet werden; das geschah<br />

auch beim ersten Konzil in Jerusalem<br />

(Apg 15).<br />

Schließlich <strong>der</strong> dritte Aspekt: „Sie sollen<br />

glauben an den allmächtigen Gott,<br />

den Vater und den Sohn und den Heiligen<br />

Geist“. Der Glaube an den dreifaltig<strong>eine</strong>n<br />

Gott gehört zum Kernbestand unseres<br />

Glaubens. Franziskus hat selbst den<br />

Glauben <strong>der</strong> Muslime an den höchsten<br />

Gott konkret erfahren. In diesem Punkt<br />

gab es Übereinstimmung im Glauben.<br />

Aber mit s<strong>eine</strong>m Scharfsinn führt Franziskus<br />

<strong>eine</strong>n delikaten Punkt des Gottesverständnisses<br />

an, die heiligste Dreifaltigkeit,<br />

für uns ein zentrales <strong>Geheimnis</strong> des Glaubens.<br />

Dieses Dogma bedarf <strong>eine</strong>r angemessenen<br />

Grundlage, damit die Muslime<br />

esakzeptierenkönnen,weilesfürsieetwas<br />

völlig Neues darstellt. In <strong>der</strong> Islamischen<br />

Religion ist ein menschgewordener und<br />

gekreuzigter Gott nicht vorstellbar. Für<br />

sie kann ein erhabener, absoluter Gott<br />

nicht leiden, wie die Christen es von Je-<br />

Crocoli – Franziskus und <strong>der</strong> Interreligiöse Dialog<br />

sus Christus glauben. In ihrem Verständnis<br />

ist die göttliche Transzendenz unvereinbar<br />

mit <strong>der</strong> Gebrechlichkeit, die Jesus<br />

Christus aufweist. 25<br />

Luis Massignon meint, dass Franziskus<br />

an dieser Stelle s<strong>eine</strong>n „muselmanischen<br />

Freunden“ helfen könne, diese<br />

Wahrheit anzunehmen. Die Wunden<br />

Christi, die er an s<strong>eine</strong>m Körper trug,<br />

könnten <strong>eine</strong> sichtbare Demonstration<br />

dieser Realität für die Sarazenen sein. Die<br />

Christuserscheinung von La Verna wäre<br />

demnach auch <strong>eine</strong> Antwort an die Muslime<br />

und nicht nur <strong>eine</strong> Antwort auf die<br />

Sehnsucht des Franziskus, <strong>der</strong> Gott um<br />

die Gnade gebeten hatte, dieselbe Liebe<br />

und denselben Schmerz wie Jesus Chri-<br />

Die Fehler und Sünden, die an<strong>der</strong>e<br />

möglicherweise haben können, sind eher<br />

Motiv, die eigenen Sünden besser zu<br />

erkennen und zu überwinden.<br />

stus empfinden zu können. Selten beachten<br />

wir die Christuserscheinung, weil wir<br />

auch kaum ein Wun<strong>der</strong> von Franziskus<br />

zu sehen bekommen. In dieser Episode<br />

von la Verna offenbart sich Jesus Christus,<br />

<strong>der</strong> Sohn Gottes, die zweite Person <strong>der</strong><br />

Trinität und Offenbarung Gottes, als Gekreuzigter<br />

mitten unter den Leidenden,<br />

auch um zu sagen, dass Gott solidarisch<br />

mit dem menschlichen Leiden mitleidet<br />

und uns von diesem Leiden befreien will.<br />

Weil Franziskus verstand, dass die „ungläubigen<br />

Brü<strong>der</strong>“ Schwierigkeiten hätten,<br />

diese fundamentale Wahrheit des<br />

christlichen Glaubens zu begreifen, sollte<br />

dieses <strong>Geheimnis</strong> erst dann verkündet<br />

werden, wenn die Bedingungen dafür da<br />

sind. Diesen Zeitpunkt nicht zu respektieren,<br />

würde dazu führen, den Dialogprozess<br />

zu belasten und zu erschweren, statt<br />

ihn zu för<strong>der</strong>n.<br />

3


3<br />

e) Die Früchte des Dialogs<br />

Nach Luis Massignon hat Franziskus<br />

nach s<strong>eine</strong>r Erfahrung von Damiette stets<br />

für „die muselmanischen Brü<strong>der</strong>“ gebetet.<br />

Er empfand großen Schmerz darüber,<br />

wie man sie behandelte und welche<br />

vorgefertigten Urteile man über sie fällte.<br />

Sein „Denken war auf den Orient ausgerichtet“<br />

(Basetti-Sani, 1993, S. 698).<br />

Er wusste, „dass er selbst <strong>eine</strong>m zutiefst<br />

frommen und friedfertigen Menschen<br />

(Malik al-Kamil) begegnet war, <strong>der</strong> auch<br />

an den einzigen Gott glaubte“ (Spoto,<br />

2002, S. 239), und <strong>eine</strong>m Volk, das s<strong>eine</strong>n<br />

Glauben wahrhaftig leben wollte. Er fühlte<br />

sich als erster in <strong>der</strong> Geschichte dazu<br />

gedrängt, <strong>eine</strong> Methode <strong>der</strong> Begegnung<br />

und des Dialogs mit den Muslimen zu entwickeln<br />

(NbR 16). S<strong>eine</strong> Methode wird<br />

sicherlich unpassend als Evangelisierung<br />

<strong>der</strong> Muslime bezeichnet, da er viel mehr<br />

an <strong>eine</strong>m friedlichen und harmonischen<br />

Zusammenleben interessiert war bei aller<br />

Respektierung ihrer kulturellen und religiösen<br />

Unterschiede, als sie im engeren<br />

Sinne zu bekehren, auch wenn dieses<br />

S<strong>eine</strong> Methode wird sicherlich<br />

unzutreffend als Evangelisierung<br />

<strong>der</strong> Muslime bezeichnet.<br />

Ziel k<strong>eine</strong>swegs fehlte. Dies bedenkend<br />

begreift man die Tragweite des Textes,<br />

<strong>der</strong> die Lebensregel enthält. Gleichzeitig<br />

gestattet es, angemessen s<strong>eine</strong> Initiative<br />

zu würdigen, durch die er die Lenker <strong>der</strong><br />

Völker – durch ein Schreiben – bittet, dem<br />

Volk ein Zeichen zu geben, das es an das<br />

Beten erinnert. Er freute sich an <strong>der</strong> muslimischen<br />

Sitte, von den Trompeten <strong>der</strong><br />

Muezzins zusammengerufen zu werden,<br />

innezuhalten, sich in Richtung Mekka<br />

nie<strong>der</strong>zuwerfen und zu Gott Allah zu beten.<br />

Franziskus stellt unter Beweis, dass er<br />

von jenen etwas gelernt hat, die üblicher-<br />

weise verteufelt wurden. Diesen Wert <strong>der</strong><br />

„Ungläubigen“ hat Franziskus in <strong>eine</strong>m<br />

Gestus des echten interreligiösen Dialogs<br />

unter den Christen eingeführt, jedoch<br />

ohne s<strong>eine</strong> Herkunft zu deklarieren.<br />

Schluss<br />

Zwei kurze Bemerkungen möchte<br />

ich zum Schluss anfügen.<br />

a) Erstens wurde im Verlauf unserer<br />

Reflexion deutlich, dass wir mit dem Thema<br />

Ökumenismus und interreligiöser Dialog<br />

noch ganz am Anfang stehen. Es erweist<br />

sich in diesem Zusammenhang als<br />

dringend notwendig, die Beziehung des<br />

Franziskus zu den religiösen Armutsbewegungen<br />

zu erforschen, von denen er mehr<br />

gelernt zu haben scheint als von den an<strong>der</strong>en<br />

zeitgenössischen Ordensgemeinschaften.<br />

Insofern die meisten Armutsbewegungen<br />

von <strong>der</strong> Kirche verurteilt<br />

o<strong>der</strong> zumindest misstrauisch betrachtet<br />

wurden, sollte es da mit ihnen überhaupt<br />

k<strong>eine</strong> Art interreligiösen Dialogs gegeben<br />

haben? Und dass er niemals die Katharer<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e sogenannte „häretische“<br />

Gruppen angegriffen hat, bedeutet das<br />

nicht <strong>eine</strong> Fähigkeit zu geschwisterlicher<br />

„ökumenischer“ Beziehung, selbst wenn<br />

er sich nicht darüber im klaren war, wie<br />

wir das heute sein können? Worin besteht<br />

<strong>der</strong> große Unterschied zwischen dem,<br />

was er damals tat und dem, was wir heute<br />

am Beginn des dritten Jahrtausends im<br />

„ökumenischen Kreuzzug“ tun, <strong>der</strong> uns<br />

auf den Weg zu <strong>eine</strong>m religiösen Pluralismus<br />

zu bringen scheint, wie unter an<strong>der</strong>en<br />

José Maria Vigil o<strong>der</strong> Raimon Panikkar<br />

m<strong>eine</strong>n? Ihrer Überzeugung nach<br />

können wir alle Religionen als – autonome<br />

– Wege <strong>der</strong> Erlösung verstehen. Vor<br />

kaum <strong>eine</strong>m Jahrhun<strong>der</strong>t erst haben die<br />

christlichen Kirchen diesen Prozess <strong>der</strong><br />

Öffnung und des Dialogs begonnen, ohne<br />

zu leugnen, dass es hier und da in <strong>der</strong><br />

Vergangenheit bereits schöne Zeugnisse<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


dieser Annäherung gegeben hat. Franziskus<br />

scheint <strong>eine</strong> dieser Gestalten zu sein.<br />

b) Zweitens sind sowohl <strong>der</strong> Ökumenismus<br />

wie <strong>der</strong> interreligiöse Dialog in<br />

<strong>der</strong> Praxis Früchte <strong>eine</strong>r neuen Spiritualität,<br />

selbst wenn wir das niemals wörtlich<br />

so gesagt haben. Man kann nur an <strong>eine</strong><br />

geschwisterliche, herzliche Beziehung in<br />

gegenseitigem Lernprozess und wechselseitiger<br />

Wertschätzung glauben, wenn<br />

man vom Geist Gottes erfüllt ist, <strong>der</strong> sich<br />

in <strong>der</strong> Schöpfung mit all ihrer notwendigen<br />

Verschiedenheit und mit ihrer biologischen<br />

Vielfalt ablesen lässt. Damit<br />

ein Mensch losgelöst von sich selbst leben<br />

kann, ohne sich den an<strong>der</strong>en aufzudrängen,<br />

und ihre an<strong>der</strong>sartigen und ihm<br />

fremdem Werte bewun<strong>der</strong>n kann, bedarf<br />

er <strong>eine</strong>r grundlegenden Bekehrung und<br />

Lebensän<strong>der</strong>ung, in <strong>der</strong> Gott und sein<br />

Anliegen die Lebensrichtung bestimmen.<br />

Existentiell ist es unmöglich, sich von<br />

allem zu lösen, auch nicht vom eigenen<br />

Leben, wenn man s<strong>eine</strong> Mitte nicht in <strong>der</strong><br />

Sicherheit findet, die Gott ist. Es geht also<br />

nicht darum, religiöse Praktiken transparent<br />

zu leben, wohl aber einzutauchen<br />

in die Dynamik Gottes, <strong>der</strong> die Liebe ist<br />

und nicht auf die Person sieht. Dafür ist<br />

wesentlich, was auch Edward von Sinner<br />

(2005, S. 18) in <strong>der</strong> gleichen Perspektive<br />

wie Franz von Assisi sagt, <strong>eine</strong> fundamentale<br />

Offenheit zu besitzen und zu pflegen,<br />

die im Geiste Gottes selbst begründet<br />

ist. Wir sind davon überzeugt, dass <strong>eine</strong><br />

Spiritualität, die wahrhaft dem Evangelium<br />

entspricht, zugleich auch <strong>eine</strong> ökumenische<br />

und dialogische Spiritualität<br />

ist. <strong>Das</strong>selbe gilt für die <strong>Franziskaner</strong>: Eine<br />

wahrhaft franziskanische Spiritualität<br />

wird stets auch <strong>eine</strong> ökumenische Spiritualität<br />

sein, die für den Dialog mit an<strong>der</strong>en<br />

Religionen offen ist.<br />

Übersetzung aus dem bras. Portugiesisch:<br />

Norbert Arntz / Maria Schwabe<br />

Crocoli – Franziskus und <strong>der</strong> Interreligiöse Dialog<br />

Literaturhinweise:<br />

BASETTI-SANI, G. Sarracenos. In:<br />

MOVIMENTO FRANCESCANO ASSISI.<br />

Dicionário Franciscano. Petrópolis: Cefepal-Vozes,<br />

1993, S. 691-700.<br />

BERKENBROCK, V. A atitude Franciscana<br />

no Diálogo Inte-Religioso. In: MO-<br />

REIRA, A. da S. (org). Herança Franciscana.<br />

Petrópolis: Vozes, 1996, S. 308-338.<br />

CASPAR, R. Para una visión cristiana<br />

del Islam. Santan<strong>der</strong>: Ed. Sal Terrae,<br />

1995.<br />

COMBLIN, José. Quais os desafios<br />

dos temas teológicos atuais? São Paulo:<br />

Paulus, 2005.<br />

DOZZI, D. Il Vangelo nella Regola<br />

non Bollata di Francesco d’Assisi. Roma:<br />

IstitutoStorico dei Cappuccini, 1989.<br />

FRANCO Jr, H. A Idade Média, nascimento<br />

do Ocidente. São Paulo: E. Brasiliense,<br />

1986.<br />

ROSSI, P. Francescani e Islam. I primi<br />

cinque martiri. Anghiari, 2001.<br />

SPOTO, D. Francisco de Assis, o santo<br />

relutante. Rio de Janeiro: Ed. Objetiva,<br />

2002.<br />

Von SINNER, R.E. Diálogo Inter-Religioso:<br />

Dos “cristãos anônimos” às teologias<br />

das religiões. Coleção: Ca<strong>der</strong>nos de<br />

Teologia Pública. São Leopoldo: Unisinos,<br />

Ano II, no 9, 2005.<br />

VADAKKEKARA, B. Lo spirito di minorità<br />

nella vita missionária francescana.<br />

Dalla RnB XVI (1221) alle Costituizioni<br />

Cappuccine XII (1638). In: ISTITUTO<br />

FRANCESCANO DI SPIRITUALITÀ. Minori<br />

et subditi omnibus. Roma: Co-ed. Col.<br />

San Lorenzo da Brindisi e Laurentianum,<br />

2003, p. 255-272.<br />

39


0<br />

Endnoten<br />

1. <strong>Das</strong> Kapitel „Denkstrukturen“ im Werk von Hilario<br />

Franco Junior, S. 149-169, ist hier beson<strong>der</strong>s aufschlussreich.<br />

2. Im Jahre 2005 hat ein dem Vatikan verbundener Journalist<br />

– Vittorio Messori – zum ersten Mal in <strong>der</strong> Geschichte<br />

die Information verbreitet, Franziskus sei als<br />

„Militärkaplan“ am Kreuzzug beteiligt gewesen. <strong>Das</strong><br />

scheint jedoch je<strong>der</strong> sicheren historischen Begründung<br />

zu entbehren, denn er war nicht einmal Priester, um<br />

<strong>eine</strong> solche Funktion ausüben zu können.<br />

3. In <strong>der</strong> Vergangenheit erwähnte man häufig, dass<br />

Franziskus am Kreuzzug teilgenommen habe, um das<br />

Martyrium zu erlangen. In letzter Zeit revidieren die<br />

Historiker diese Position, weil sie den Inhalt des Kapitels<br />

16 <strong>der</strong> nichtbullierten Regel und das Verhalten des<br />

Franziskus beim Kreuzzug präsent haben.<br />

4. Charron, Jean-Marc. De Narcise à Jésus. La quete de<br />

l’identité chez François d’Assise. Montreal : E. Paulines,<br />

1992<br />

5. vgl. Die Schriften des heiligen Franziskus von Assisi.<br />

Franziskanische Quellenschriften, Bd 1. Hrsg. Lothar<br />

Hardick OFM und Engelbert Grau OFM. Coelde-Verlag,<br />

Werl 1991, S. 150 (Anm. des Übersetzers: Alle<br />

Zitate aus den Schriften des heiligen Franz werden<br />

mit den entsprechenden Stellenangaben nach diesem<br />

Text zitiert.)<br />

6. Im Testament bekennt er diese Erfahrung, wenn er<br />

sagt: „.... da [...] wurde mir das, was mir bitter vorkam,<br />

in Süßigkeit <strong>der</strong> Seele und des Leibes verwandelt.“<br />

(Test 3; Schriften S. 142)<br />

7. Diese Logik scheint auch die For<strong>der</strong>ungen für die<br />

Nachfolge Jesu im ersten Kapitel <strong>der</strong> nichtbullierten<br />

Regel zu bestimmen: Es beginnt mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<br />

nach Verzicht auf materielle Güter, dann <strong>der</strong> Verzicht<br />

auf das selbständige leben und schließlich <strong>der</strong> Verzicht<br />

auf familiäre Bindungen. Aber nach diesen drei<br />

Etappen öffnet sich ein Horizont größerer Fülle – das<br />

Hun<strong>der</strong>tfache des Evangeliums.<br />

8. Vgl. BOFF Leonardo, Zärtlichkeit und Kraft. Franz von<br />

Assisi mit den Augen <strong>der</strong> Armen gesehen, Düsseldorf,<br />

1998<br />

9. In zwei Abschnitten <strong>der</strong> Nichtbullierten Regel (NbR<br />

9,12 und 11,10) und in zwei weiteren <strong>der</strong> Bullierten<br />

Regel (BR 2,18 und 3,11), außerdem in den Ermahnungen<br />

(26,2) verlangt Franziskus von den Brü<strong>der</strong>n<br />

ausdrücklich, an<strong>der</strong>e nicht zu richten. Aus diesen fünfmaligen<br />

Wie<strong>der</strong>holungen kann man schließen, dass es<br />

sich nicht um <strong>eine</strong>n zufälligen Gedanken handelt. Im<br />

Gegenteil: die Insistenz und <strong>der</strong>en Bedeutung in den<br />

legislativen Texten macht in <strong>der</strong> Tat die Haltung, über<br />

an<strong>der</strong>e nicht zu richten, zu <strong>eine</strong>m charakteristischen<br />

Element des Min<strong>der</strong>bru<strong>der</strong>-Seins.<br />

10. Auch in <strong>der</strong> Nichtbullierten Regel 11,1; Bullierte Regel<br />

3,11<br />

11. Im Text „Gruß an die Tugenden“ (14-18, Schriften<br />

S. 75) drückt sich Franziskus noch radikaler mit diesen<br />

Worten aus: „Der heilige Gehorsam macht alles<br />

leibliche und fleischliche Verlangen zuschanden und<br />

hält s<strong>eine</strong>n Leib abgetötet, damit er dem Geist gehorche<br />

und s<strong>eine</strong>m Bru<strong>der</strong> gehorche; und <strong>der</strong> Mensch ist<br />

untergeben und untertan allen Menschen, die in <strong>der</strong><br />

Welt sind, und nicht nur allein den Menschen, son<strong>der</strong>n<br />

auch allen wilden und ungezähmten Tieren, damit sie<br />

mit ihm tun können, was nur immer sie wollen, soweit<br />

es ihnen von oben herab, vom Herrn gegeben ist.“<br />

12. Vgl. Berkenbrock 1996, S. 324<br />

13. “Danach gab und gibt mir <strong>der</strong> Herr <strong>eine</strong>n so großen<br />

Glauben zu den Priestern, die nach <strong>der</strong> Vorschrift <strong>der</strong><br />

Römischen Kirche leben, wegen ihrer Weihe, dass ich,<br />

wenn sie mich verfolgen würden, bei ihnen Zuflucht<br />

suchen will. Und wenn ich so große Weisheit hätte,<br />

wie Salomon sie gehabt hat, und fände armselige<br />

Priester dieser Welt – in den Pfarreien, wo sie weilen,<br />

will ich nicht gegen ihren Willen predigen. Und diese<br />

und alle an<strong>der</strong>en will ich fürchten, lieben und ehren<br />

wie m<strong>eine</strong> Herren. Und ich will in ihnen die Sünde<br />

nicht sehen, weil ich den Sohn Gottes in ihnen erblicke<br />

und sie m<strong>eine</strong> Herren sind. Und deswegen tue ich das,<br />

weil ich leiblicherweise von ihm, dem höchsten Sohn<br />

Gottes, in dieser Welt nichts sehe als s<strong>eine</strong>n heiligsten<br />

Leib und sein heiligstes Blut, das sie selbst empfangen<br />

und sie allein den an<strong>der</strong>en darreichen. Und diese heiligsten<br />

<strong>Geheimnis</strong>se will ich über alles hochgeachtet,<br />

verehrt und an kostbaren Stellen aufbewahrt wissen.“<br />

(Test 6-11; Schriften S. 142/143)<br />

14. Einige Autoren datieren dieses Ereignis im Jahr 1213.<br />

Aber man muss bedenken, dass Thomas von Celano<br />

selbst schrieb „Im sechsten Jahr nach s<strong>eine</strong>r Bekehrung“<br />

(1 Cel 55,2), und wissen, dass Bekehrung<br />

und Entkleidung vor dem Bischof, die im Jahr 1206<br />

geschieht, für Celano ein und dasselbe sind. Darüber<br />

hinaus findet auch „<strong>der</strong> Kreuzzug <strong>der</strong> Armen“ im Jahr<br />

1212 statt. Deshalb ziehen wir diese Datierung <strong>der</strong><br />

von 1213 ebenso vor wie <strong>der</strong> von 1211, die in <strong>der</strong><br />

brasilianischen Edition <strong>der</strong> Neuen Quellenschriften<br />

vorgeschlagen wird.<br />

15. Tatsächlich hat <strong>der</strong> Bischof <strong>der</strong> Stadt, als er sah, dass<br />

Kin<strong>der</strong> aus nördlichen Län<strong>der</strong>n kommend in den Krieg<br />

ziehen wollten, sie zurückgeschickt, denn viele von<br />

ihnen waren bereits auf dem Weg hierher gestorben.<br />

Sie waren von <strong>der</strong> spirituellen Belohnung und vom<br />

Wunsch nach kostbaren Beutestücken angezogen<br />

worden. Alle, die darauf bestanden, in den Krieg zu<br />

ziehen, starben o<strong>der</strong> wurden als Sklaven verkauft.<br />

16. Nach Spoto (2002, S. 184-186) verbindet kein zeitgenössischer<br />

Chronist diese Initiative des Franziskus mit<br />

dem Kreuzzug <strong>der</strong> Armen, „um ihn nicht mit <strong>eine</strong>m<br />

so fruchtlosen Unternehmen zusammenzubringen“.<br />

Dennoch ist es unmöglich, dass Franziskus von dieser<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Bewegung nichts gewusst hätte; denn die Karawanen<br />

zogen über die italienischen Straßen zu den Häfen<br />

von Venedig und Brindisi. Er würde sich also dieser Bewegung<br />

<strong>der</strong> Armen angeschlossen haben im Glauben,<br />

dass die Armen mehr aus <strong>der</strong> Kraft des Evangeliums<br />

leben als von den Waffen. Auch noch interessant ist<br />

die Tatsache, dass die Mehrheit <strong>der</strong> Historiker diesen<br />

Kreuzzug wegen s<strong>eine</strong>s Fiaskos nicht in die offizielle<br />

Kreuzzugsliste aufnimmt. Er wird zwischen dem 4.<br />

und 5. Kreuzzug platziert.<br />

17. Spoto (2002, S, 208) gründet die Hypothese <strong>eine</strong>s<br />

Infarktes auf dem Symptom des Sprachverlustes für<br />

drei Tage. Aber auch die Krise durch ein mögliches<br />

Magengeschwür wird nicht ausgeschlossen, ebenfalls<br />

<strong>eine</strong> Folge <strong>der</strong> Malaria, die alle inneren Organe des<br />

Menschen angreift.<br />

18. Julio Basetti-Sani (1993, S. 696-698) berichtet, dass<br />

Franziskus begleitet von 12 Brü<strong>der</strong>n am 24. Juni 1219<br />

in Ancona das Schiff bestieg und in den letzten Tagen<br />

des Monats in Damiette ankam. Den ganzen Monat<br />

Juli verbrachte er im christlichen Heer. Ende des Monats<br />

bzw. Anfang August erhielt er zusammen mit<br />

Bru<strong>der</strong> Illuminatus die Erlaubnis des Kardinals und<br />

riskierte es, das Niemandsland zwischen den beiden<br />

Heeren zu durchqueren, um mit dem Sultan zu sprechen.<br />

Über die Zwischenfälle, die sie bis zur Ankunft<br />

beim Chef des feindlichen Heeres zu erleiden hatten,<br />

berichten zeitgenössische Quellen (1 Cel 57; LM Kapitel<br />

9 und an<strong>der</strong>e mehr). Wie oft er sich mit dem Sultan<br />

getroffen hat, ist schwer zu sagen. Die Indizien<br />

in <strong>der</strong> arabischen Literatur über die Begegnung des<br />

Franziskus mit dem Sultan werden von Fahr al-Din<br />

Muhammad Ben Ibrahim Farisi berichtet. Franziskus<br />

soll gemeinsam mit mehr als 6000 christlichen Soldaten<br />

zwischen dem 14. und 19. September 1219 die<br />

Rückreise nach Italien begonnen haben.<br />

19. „Daher bitte ich euch in Ehrfurcht, so gut ich kann,<br />

ihr möchtet doch nicht wegen <strong>der</strong> Sorgen und dem<br />

geschäftigen Treiben dieser Welt, die ihr habt, den<br />

Herrn <strong>der</strong> Vergessenheit anheimfallen lassen und von<br />

s<strong>eine</strong>n Geboten abweichen; denn alle jene, die ihn <strong>der</strong><br />

Vergessenheit anheimfallen lassen und von s<strong>eine</strong>n Geboten<br />

abweichen, sind verflucht und werden von ihm<br />

<strong>der</strong> Vergessenheit überantwortet werden. Und wenn<br />

<strong>der</strong> Tag des Todes kommt, wird ihnen alles, was sie<br />

zu haben glaubten, weggenommen werden. Und je<br />

weiser und mächtiger sie in dieser Welt gewesen sind,<br />

desto größere Qualen werden sie in <strong>der</strong> Hölle erdulden.“<br />

(BrLenk 3-5; Schriften S. 33)<br />

20. Vgl. Schriften S. 121<br />

21. Dieser Ausdruck erscheint auch in NbR 2,4; 4,2;<br />

5,4.5.11; 7,15 und in BR 10,5<br />

22. Diese Position finden wir z.B. in <strong>der</strong> Bulle „Cantate<br />

Domino“ des Konzils von Florenz (1442) „[Die Kirche]<br />

glaubt fest, bekennt und verkündet, dass „niemand,<br />

<strong>der</strong> sich außerhalb <strong>der</strong> katholischen Kirche befindet,<br />

nicht nur k<strong>eine</strong> Heiden“, son<strong>der</strong>n auch k<strong>eine</strong> Juden<br />

o<strong>der</strong> Häretiker und Schismatiker, des ewigen Lebens<br />

Crocoli – Franziskus und <strong>der</strong> Interreligiöse Dialog<br />

teilhaft werden können, son<strong>der</strong>n dass sie in das ewige<br />

Feuer wan<strong>der</strong>n werden, „das dem Teufel und s<strong>eine</strong>n<br />

Engeln bereitet ist“ [Mt 25,41], wenn sie sich nicht<br />

vor dem Lebensende ihr angeschlossen haben[...] Und<br />

niemand kann, wenn er auch noch so viele Almosen<br />

gibt und für den Namen Christi sein Blut vergießt,<br />

gerettet werden, wenn er nicht im Schoß und in <strong>der</strong><br />

Einheit <strong>der</strong> katholischen Kirche bleibt“.<br />

23. Hier kann man an die Feuerprobe erinnern, die laut<br />

Bonaventura Franziskus dem Sultan unterbreitet:<br />

„Versprichst du mir für dich und dein Volk, du werdest<br />

den Glauben an Christus annehmen, wenn ich unversehrt<br />

durchs Feuer gehe, dann will ich allein hineingehen.<br />

Werde ich verbrannt, dann rechne dies m<strong>eine</strong>n<br />

Sünden an; beschützt mich aber Gottes Macht, dann<br />

erkennt, dass Christus, Gottes Kraft und Weisheit,<br />

wahrhaft Gott und Herr, <strong>der</strong> Erlöser aller Menschen<br />

ist“ (LM 9,8,12-13). Hinter dieser mittelalterlichen<br />

Redeweise verbirgt sich die Einsicht, dass die Sünde<br />

das größte Hin<strong>der</strong>nis für die Bekehrung <strong>der</strong> „Ungläubigen“<br />

darstellt.<br />

24. Ohne die Verse 8 und 9 detailliert analysieren zu<br />

wollen, sch<strong>eine</strong>n sie auf die Bedeutung des vorangehenden<br />

Verses zu verweisen, dessen Inhalt die Verkündigung<br />

<strong>der</strong> Trinität ist. Diese Worte stammen aus<br />

<strong>der</strong> persönlichen Erfahrung dessen, <strong>der</strong> verstanden<br />

hat, wie groß die Schwierigkeiten für die Sarazenen<br />

sind, das katholische Verständnis des dreifaltigen und<br />

menschgewordenen Gottes zu akzeptieren. Trotzdem<br />

besteht Franziskus darauf, nicht eher davon zu reden,<br />

bis es die Bedingungen erlauben, um nicht den Vorwurf<br />

des Evangeliums hören zu müssen: 8 Dieses und<br />

an<strong>der</strong>es, was dem Herrn wohlgefällig ist, können<br />

sie ihnen und an<strong>der</strong>en sagen, denn <strong>der</strong> Herr sagt<br />

im Evangelium: „Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> mich vor den Menschen<br />

bekennen wird, den werde auch ich vor m<strong>eine</strong>m<br />

Vater bekennen, <strong>der</strong> im Himmel ist“ (Mt 19,32).<br />

9 Und: „Wer sich m<strong>eine</strong>r und m<strong>eine</strong>r Worte<br />

schämt, dessen wird sich auch <strong>der</strong> Menschensohn<br />

schämen, wenn er in s<strong>eine</strong>r und des Vaters und <strong>der</strong><br />

Engel Herrlichkeit kommen wird“ (vgl. (Lk 9,26).<br />

25. In dieser Perspektive kann die Christuserscheinung<br />

vom Monte La Verna (ein Engel mit sechs Flügeln,<br />

<strong>der</strong> die Wunden des Gekreuzigten trägt) nach Luis<br />

Massignon, <strong>der</strong> dieses Problem gründlich erforschte,<br />

verstanden werden als <strong>eine</strong> Antwort durch Franziskus<br />

an die Muselmanen, dass es dem höchsten Gott sehr<br />

wohl möglich ist, in Menschengestalt zu ersch<strong>eine</strong>n,<br />

wie es sich mit <strong>der</strong> zweiten Person <strong>der</strong> Trinität ereignete,<br />

dem Wort, in Jesus von Nazareth. (vgl. Basetti-<br />

Sani, 1993, S. 699)<br />

1


2<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen<br />

Foto: KNA


Bekenntnis im Dialog<br />

Zur Ortsbestimmung des interreligiösen<br />

Dialogs im heutigen interkulturellen Kontext<br />

0. Einführung<br />

Es war ein reicher Mann, <strong>der</strong> kleidete<br />

sich in Purpur und f<strong>eine</strong>s L<strong>eine</strong>ngewand<br />

und hielt alle Tage glänzende Gottesdienste<br />

und bewegende Predigten über<br />

das Reich Gottes und s<strong>eine</strong> Gerechtigkeit.<br />

Vor s<strong>eine</strong>r Tür lag ein armer Heide namens<br />

Lazarus, mit Geschwüren ganz bedeckt.<br />

Tagein, tagaus zerbrach sich <strong>der</strong> Reiche<br />

den Kopf über die Heilsmöglichkeiten<br />

von Nicht-Christen wie Lazarus. Denn diese<br />

wollten sich nicht taufen lassen. Der<br />

reiche Mann bemühte sich mit allen Mitteln,<br />

dem Lazarus die bedingungslose<br />

Liebe und die alles umfassende Fürsorge<br />

und Vorsehung des himmlischen Vaters<br />

beizubringen. Aber <strong>der</strong> arme Lazarus kapierte<br />

dies nicht und saß still und schweigend<br />

da. Und während die Hunde kamen<br />

und an s<strong>eine</strong>n Geschwüren leckten, dachte<br />

er über die Vergänglichkeit des Leides<br />

und des Lebens nach.<br />

Da starb <strong>der</strong> Arme und wurde von<br />

den Engeln in den Schoß Abrahams getragen.<br />

Doch auch <strong>der</strong> Reiche starb und<br />

ward begraben. Als er s<strong>eine</strong> Augen erhob,<br />

sah er entgeistert in <strong>der</strong> Ferne Abraham<br />

und in dessen Schoß den Lazarus. Da rief<br />

er: „Vater Abraham! Wie hast du nur den<br />

Lazarus hereingeschmuggelt?“ Abraham<br />

jedoch erwi<strong>der</strong>te: „Kind, Du erinnerst<br />

Dich, was Du über die bedingungslose<br />

Liebe unseres himmlischen Vaters gepredigt<br />

hast? Bedenke, Dir ist es in D<strong>eine</strong>m<br />

Leben gut ergangen, dem Lazarus hinge-<br />

D‘Sa – Bekenntnis im Dialog<br />

Francis X. D’Sa S.J.,<br />

Prof. für Missionstheologie an<br />

<strong>der</strong> Universität Würzburg<br />

gen schlecht. Jetzt wird er hier getröstet.<br />

Du aber wirst nicht gepeinigt, denn Gott<br />

ist größer als unser jüdisch-christliches<br />

Herz!“<br />

Ist es nicht verwun<strong>der</strong>lich, dass trotz<br />

des Näherrückens <strong>der</strong> Kulturen wir nach<br />

wie vor immer nur von <strong>der</strong> Perspektive<br />

unserer eigenen Kultur her alles betrachten?<br />

Ist es nicht noch verwun<strong>der</strong>licher,<br />

dass wir uns in <strong>eine</strong>r Zeit <strong>der</strong> Begegnung<br />

bzw. Konfrontation <strong>der</strong> Kulturen dieser<br />

Tatsache nicht einmal bewusst sind, und<br />

dass wir deshalb aneinan<strong>der</strong> vorbei reden?<br />

Zwar lernen wir die Sprachen, die<br />

Geschichte, die Wirtschaftsentwicklung<br />

und die Politik an<strong>der</strong>er Kulturen. Noch<br />

mehr: Wir lernen auch die Religionen an<strong>der</strong>er<br />

Menschen kennen – und dennoch,<br />

wenn es um Wichtiges geht, nämlich<br />

um Werte und Visionen frem<strong>der</strong> Menschen<br />

und Kulturen, verstehen wir herzlich<br />

wenig. Nicht nur verstehen wir sie<br />

nicht, meistens verstehen wir sie falsch.<br />

<strong>Das</strong>s auch die an<strong>der</strong>en Kulturen im selben<br />

Boot sitzen und dass auch sie uns falsch<br />

verstehen, ist kein großer Trost.<br />

Kulturen benehmen sich, als ob sie<br />

wasserdicht wären. Sie bilden sich routinemäßig<br />

ein, dass ihr Wahrheits- und<br />

Wirklichkeits-Verständnis das Wahrheitsund<br />

Wirklichkeits-Verständnis aller Kulturen<br />

ist. Wir formulieren dies nicht thematisch.<br />

Tatsache aber ist, dass wir so<br />

tun, als ob unsere Kultur, unsere Werte,<br />

3


und unser Verständnis von Gott, Welt und<br />

Mensch universal sind o<strong>der</strong> sein sollten.<br />

Tatsache aber ist, dass wir so tun,<br />

als ob unsere Kultur, unsere<br />

Werte, und unser Verständnis von<br />

Gott, Welt und Mensch universal<br />

sind o<strong>der</strong> sein sollten.<br />

M<strong>eine</strong> Thesen sind folgende: Mission<br />

verstehe ich als <strong>eine</strong> Bewegung von Innen<br />

nach Außen, die nicht menschlichem<br />

Willen, son<strong>der</strong>n <strong>eine</strong>m Wi<strong>der</strong>fahrnis des<br />

Wahren o<strong>der</strong> Schönen o<strong>der</strong> Guten o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Liebe entspringt und daher auf <strong>eine</strong><br />

Begegnung mit <strong>eine</strong>m „Du“ aus ist.<br />

Diese Begegnung ist <strong>der</strong> Anfang des Dialogs.<br />

Nur im Dialog kann durch <strong>eine</strong>n<br />

Austausch das Wahre usw. zur Geltung<br />

kommen und so nach Ganzheit streben.<br />

Mission und Dialog gehören als wesentliche<br />

Komponenten zum Prozess <strong>der</strong> Person-Werdung.<br />

1. Mission: <strong>Das</strong> Wahrheitsverständnis<br />

und sein<br />

universaler Anspruch<br />

Mission hat mit dem eigenen Verständnis<br />

<strong>der</strong> Wahrheit und s<strong>eine</strong>m universalen<br />

Anspruch zu tun, und Dialog ist<br />

<strong>eine</strong>rseits <strong>der</strong> Weg zur Vermittlung dieses<br />

Wahrheits-Anspruchs, und an<strong>der</strong>erseits<br />

<strong>der</strong> Weg zur Aneignung des Wahrheits-<br />

Verständnisses des Dialog-Partners. Der<br />

Grundsatz von Mission und Dialog lautet:<br />

Die an<strong>der</strong>en verstehen, wie sie sich<br />

verstehen, damit sie uns verstehen, wie<br />

wir uns verstehen. Man beachte, dass es<br />

sich hier um ein interkulturelles Verständnis<br />

handelt. Dazu folgendes Beispiel:<br />

Ein amerikanischer Missionar bemühte<br />

sich jahrelang s<strong>eine</strong>n afrikanischen<br />

Schützlingen beizubringen, sie sollten<br />

sich Klei<strong>der</strong> anziehen aber natürlich<br />

wie zu erwarten war, ohne Erfolg.<br />

Endlich sagte <strong>der</strong> Missionar entrüstet:<br />

„Seht ihr nicht, dass ihr nackt seid?“<br />

Nach <strong>eine</strong>m langen Schweigen antwortete<br />

<strong>der</strong> Häuptling: „Aber auch ihr<br />

Gesicht ist nackt!“<br />

Worauf <strong>der</strong> Missionar meinte: „<strong>Das</strong> ist<br />

aber nur mein Gesicht!“<br />

Darauf erwi<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Häuptling: „Wir<br />

sind Gesicht überall!“<br />

In allen Kulturen ist ein Wirklichkeitsund<br />

Wahrheits-Verständnis zu finden, das<br />

<strong>der</strong> Kultur zu Eigen und in den Menschen<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Kultur am Werk ist. Dazu<br />

kommt <strong>eine</strong> stillschweigende aber unberechtigte<br />

Annahme hinzu, dass eben<br />

dieses Verständnis universal ist und in<br />

allen Kulturen Gültigkeit hat und haben<br />

muss. Konkret ausgedrückt: <strong>Das</strong> eigene<br />

Wirklichkeits- und Wahrheits-Verständnis<br />

hat, so die Annahme, nicht nur <strong>eine</strong>n universalen<br />

Anspruch, son<strong>der</strong>n auch universale<br />

Gültigkeit.<br />

Es gilt nun in diesem Teil m<strong>eine</strong>r Überlegungen,<br />

den Weizen <strong>der</strong> Wahrheit des<br />

universalen Anspruchs von <strong>der</strong> Spreu <strong>der</strong><br />

Unwahrheit <strong>der</strong> universalen Gültigkeit zu<br />

trennen. Es geht darum, die Diktatur des<br />

Relativismus von <strong>der</strong> Dynamik <strong>der</strong> Relativität<br />

o<strong>der</strong> Relationalität zu son<strong>der</strong>n.<br />

1.1 Die Eigenart <strong>der</strong> Kulturen<br />

Die Eigenart <strong>der</strong> Kulturen besteht darin,<br />

dass ihnen <strong>eine</strong> beson<strong>der</strong>e Perspektive<br />

zu Eigen ist. Diese Perspektive zeigt<br />

sich auf Schritt und Tritt und drückt sich<br />

in <strong>eine</strong>r einzigartigen Kosmovision aus.<br />

Dadurch wird nicht nur die Welt an<strong>der</strong>s<br />

erlebt und <strong>der</strong> Mensch an<strong>der</strong>s verstanden,<br />

son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Zugang zum Sinn<br />

des Lebens ist wesentlich ein an<strong>der</strong>er. <strong>Das</strong><br />

Ganze drückt sich verschiedentlich aus:<br />

In <strong>der</strong> Verschiedenheit des Wahrheits-,<br />

Gottes-, Welt-, und Menschen-Verständnisses.<br />

Heil und Unheil im Christentum<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Foto: KNA<br />

bedeuten nicht dasselbe wie im Hinduismus<br />

o<strong>der</strong> im Buddhismus; so auch das<br />

Welt- und Menschen-Verständnis. Kein<br />

Wun<strong>der</strong>, dass jede Religion fest an ihre<br />

eigene Offenbarung glaubt und sie auf<br />

ihre Weise auslegt und ausdrückt.<br />

<strong>Das</strong> ist <strong>eine</strong> Tatsache, die am Anfang<br />

je<strong>der</strong> Theologie von Mission und Dialog<br />

stehen sollte. Dies würde dann von vornherein<br />

den Weg zur Mission und zum Dialog<br />

eröffnen. Darüber hinaus würde dies<br />

auch Mission fruchtbar machen. <strong>Das</strong> ist<br />

<strong>eine</strong> Sicht, die uns erst das Näherrücken<br />

<strong>der</strong> Kulturen und Religionen eingebracht<br />

hat.<br />

Selbst Konzils-Aussagen wie „Die katholische<br />

Kirche lehnt nichts von alledem<br />

ab, was in diesen Religionen wahr und<br />

heilig ist“ zeigen guten Willen und Offenheit,<br />

die an<strong>der</strong>erseits ungenügendes<br />

Gespür für die Tatsache zeigen, dass das,<br />

was uns wahr und heilig ist, unterschiedlich<br />

von den an<strong>der</strong>e Religionen und Kulturen<br />

betrachtet und beurteilt wird. Für<br />

die gläubigen Hindus ist nicht nur die<br />

Kuh heilig, son<strong>der</strong>n auch die Bäche, Berge<br />

und Bäume sind es, auf die Heiligkeit<br />

<strong>der</strong> Tierwelt und <strong>der</strong> kosmischen Wesen<br />

D‘Sa – Bekenntnis im Dialog<br />

sei an dieser Stelle nicht näher eingegangen.<br />

Solche Konzilsaussagen, so großzügig<br />

wie sie auch auf dem Hintergrund <strong>der</strong><br />

Wirkungs-Geschichte <strong>der</strong> eigenen Heilsüberzeugung<br />

ersch<strong>eine</strong>n mögen, sind in<br />

<strong>der</strong> Tat einseitig und dialogunfähig.<br />

Die an<strong>der</strong>en verstehen, wie sie sich<br />

verstehen, damit sie uns verstehen,<br />

wie wir uns verstehen.<br />

Heißt das also, dass wir unsere Heilsund<br />

Wahrheits-Überzeugung aufgeben<br />

sollten? Ganz und gar nicht! K<strong>eine</strong> Tradition<br />

darf das. <strong>Das</strong> wäre kein Dienst auf<br />

dem Weg <strong>der</strong> Mission, noch weniger auf<br />

dem des Dialogs. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite<br />

hat jede Tradition die Aufgabe, ja die Mission,<br />

ihre Heilsüberzeugung so auszudrücken,<br />

dass sie dialogfähig und dialogför<strong>der</strong>nd<br />

wirkt.<br />

Vorerst aber <strong>eine</strong> Vorbemerkung:<br />

Zum jetzigen Zeitpunkt, wo das Dialog-Unterfangen<br />

kaum noch begonnen<br />

hat und sich sozusagen nicht einmal in<br />

den Kin<strong>der</strong>schuhen befindet, ist es nicht<br />

möglich, dass wir <strong>eine</strong> theologische Spra-


che entwickeln, die alle Heilstraditionen<br />

in Betracht zieht. Unsere Religionsgeschichte<br />

ist zu sehr von Verschlossenheit<br />

und Ver-Inselung geprägt. Wir können zu<br />

diesem Zeitpunkt <strong>der</strong> Menschheits-Geschichte<br />

nicht gleichzeitig mit mehreren<br />

Traditionen Dialog führen.<br />

1.2 Die Wahrheit und ihr<br />

universaler Anspruch<br />

Wenn wir also unsere Heilsüberzeugung<br />

ausdrücken wollen, haben wir die<br />

Aufgabe, sie in <strong>eine</strong>r Sprache auszudrücken,<br />

die fähig ist, <strong>der</strong> religiösen Tradition<br />

Verständnis zu vermitteln, mit <strong>der</strong><br />

wir Dialog halten. Es ist gleichsam <strong>eine</strong><br />

missionarische Aufgabe aller Dialog-Partner,<br />

dass sie ihre Verkündigungs-Sprache<br />

dialogisch entwickeln, damit sie sich gegenseitig<br />

verstehen. Dadurch wird <strong>der</strong><br />

universale Anspruch <strong>der</strong> Offenbarungs-<br />

Wahrheit anerkannt. Denn Wahrheit hat<br />

immer und überall <strong>eine</strong>n universalen Anspruch.<br />

Es kann we<strong>der</strong> <strong>eine</strong> private Wahrheit<br />

noch <strong>eine</strong> Wahrheit für <strong>eine</strong> auserwählte<br />

Gruppe geben. Den grundsätzlich<br />

universalen Anspruch <strong>der</strong> Wahrheit zu<br />

begrenzen, hieße, <strong>der</strong> Diktatur des Relativismus<br />

zu verfallen. Wahrheit ist immer<br />

absolut, und nur das Absolute ist voll und<br />

ganz und unbedingt wahr.<br />

AberdamitsindunsereÜberlegungen<br />

über Wahrheit nicht zu Ende. Denn Wahrheit<br />

ist <strong>eine</strong> Sache und <strong>der</strong> Ausdruck <strong>der</strong><br />

Wahrheit <strong>eine</strong> an<strong>der</strong>e. Die erste gehört zur<br />

Seinsebene, die zweite zur Sprachebene.<br />

Obwohl sie nicht identisch sind, hängen<br />

sie aufs Engste miteinan<strong>der</strong> zusammen.<br />

Ohne den sprachlichen Ausdruck haben<br />

wir k<strong>eine</strong>n Zugang zur Wahrheit. Jede<br />

Erfahrung <strong>der</strong> Wahrheit wird nur durch<br />

die Sprache vermittelt. Einerseits ist das<br />

Göttliche <strong>Geheimnis</strong> von raum-zeitlichen<br />

und kulturellen Bedingungen frei. An<strong>der</strong>erseits<br />

ist die sprachliche Vermittlung<br />

geschichtlich, das heißt, raum-zeitlich<br />

und kulturell bedingt. Die Sprache ist<br />

immer schon ein kulturelles Phänomen.<br />

Der Anspruch <strong>eine</strong>s Wahrheits-Ausdrucks<br />

ist raum-zeitlich und kulturell bedingt. Er<br />

kann unmöglich universale Geltung haben,<br />

da er geschichtlichen Bedingungen<br />

ausgesetzt ist.<br />

Dies aber ist nicht nur negativ zu<br />

betrachten. Die geschichtlichen Bedingungen<br />

haben <strong>eine</strong> gewisse Bedeutung,<br />

Denn Wahrheit ist <strong>eine</strong><br />

Sache und <strong>der</strong> Ausdruck <strong>der</strong><br />

Wahrheit <strong>eine</strong> an<strong>der</strong>e.<br />

die <strong>eine</strong> bestimmte Bedeutsamkeit hervorruft.<br />

Bedeutung und Bedeutsamkeit<br />

zusammen verleihen <strong>der</strong> Glaubenswelt<br />

<strong>eine</strong>r Kultur ein einzigartiges Kolorit, das<br />

die Eigenart <strong>der</strong> Kultur darstellt und das<br />

aber den Außenstehenden entgeht. Meistens<br />

ist die Eigenart <strong>eine</strong>r Kultur nicht<br />

leicht feststellbar. Selbst im Austausch<br />

<strong>der</strong> Kulturen, wo man sich <strong>eine</strong>r gemeinsamen<br />

Sprache bedient, trügt <strong>der</strong> Schein,<br />

denn hinter <strong>der</strong> phonetisch selben Sprache<br />

steht jeweils ein an<strong>der</strong>es Bedeutungs-<br />

Universum. <strong>Das</strong>selbe Wort “Kuh“ eröffnet<br />

verschiedene Welten für den Christen<br />

und den Hindu. So verhält es sich auch<br />

mit Ausdrücken wie ‚Gott’ o<strong>der</strong> ‚Welt’<br />

o<strong>der</strong> ‚Mensch.<br />

Sinn und Bedeutsamkeit <strong>eine</strong>r Kultur<br />

sind zuhause nur in <strong>der</strong> jeweiligen Kultur-Welt.<br />

Sie können nicht ohne weiteres<br />

extrapoliert werden. So können Sinn und<br />

Bedeutsamkeit <strong>der</strong> Inkarnation nicht in<br />

<strong>der</strong> Glaubens-Welt <strong>der</strong> Hindus und Sinn<br />

und Bedeutsamkeit des Avatara (d.h. des<br />

Herabstiegs des Höchsten <strong>Geheimnis</strong>ses<br />

in die Welt) nicht in <strong>der</strong> Glaubens-Welt <strong>der</strong><br />

Christen gefunden werden. Sie beziehen<br />

sich zuerst und vor allem auf ihre jeweilige<br />

Kultur-Welt. Diese Relation zwischen<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Sinn bzw. Bedeutsamkeit und Kultur-Welt<br />

stellt die Dynamik <strong>der</strong> Relativität dar. Die<br />

Beziehung stimmt nur in Bezug auf ihre<br />

Kultur-Welt. Denn diese Kultur-Welt<br />

ist <strong>der</strong> Ort, <strong>der</strong> die Wi<strong>der</strong>spiegelung des<br />

Absoluten empfängt. Solche Empfängnis<br />

aber findet stets in <strong>eine</strong>m geschichtlich<br />

bedingten Empfänger statt. Die Relation<br />

zwischen dem Absoluten (-Sen<strong>der</strong>) und<br />

dem geschichtlich bedingten Empfänger<br />

mittels <strong>der</strong> jeweiligen Kultur-Welt macht<br />

die Dynamik <strong>der</strong> Relativität aus. Einerseits<br />

setzt diese Dynamik voraus, dass die<br />

Wahrheit immer absolut ist; an<strong>der</strong>erseits<br />

wird sie [die Dynamik] durch die Tatsache<br />

nicht beeinträchtigt, dass ihre Rezeption<br />

relativ ist.<br />

1.3 Die Inter-Relativität<br />

<strong>der</strong> Glaubens-Welten<br />

M<strong>eine</strong>n wir es ernst mit <strong>der</strong> Absolutheit<br />

<strong>der</strong> Wahrheit und <strong>der</strong> Relativität<br />

ihres Sprach-Ausdrucks, dann können wir<br />

nicht umhin, die Beziehungen zwischen<br />

den Glaubens-Welten näher festzustellen.<br />

Sie können nicht <strong>eine</strong>rseits verschiedene<br />

Wi<strong>der</strong>spiegelungen <strong>der</strong> <strong>eine</strong>n absoluten<br />

Wahrheit sein und an<strong>der</strong>erseits k<strong>eine</strong> Beziehung<br />

zueinan<strong>der</strong> haben. Es muss <strong>eine</strong><br />

Beziehung zwischen den diversen Glaubens-Welten<br />

bestehen. Diese ist die Beziehung<br />

des gemeinsamen Ursprungs.<br />

Vielleicht hat <strong>der</strong> heilige Ambrosius etwas<br />

von dieser Wahrheit gespürt als er<br />

behauptete: Quidquid verum a quocumque<br />

dicatur a Spiritu Sancto. Eine Wahr-<br />

Eine Wahrheit, egal wer sie<br />

ausspricht, entspringt dem<br />

Heiligen Geist.<br />

heit, egal wer sie ausspricht, entspringt<br />

dem Heiligen Geist. Auch Augustinus und<br />

Thomas von Aquin übernehmen vom heiligen<br />

Ambrosius dieses Prinzip.<br />

D‘Sa – Bekenntnis im Dialog<br />

Die Annahme des gemeinsamen Ursprungs<br />

<strong>der</strong> Wahrheit[en] <strong>der</strong> Religionen<br />

wird dadurch bestätigt, dass k<strong>eine</strong> Religion<br />

Grund hat, sich für besser o<strong>der</strong> höher<br />

als die an<strong>der</strong>en zu halten. Alle behaupten<br />

– auf ihre Weise – ihre Beson<strong>der</strong>heit und<br />

Einmaligkeit. Jede ist <strong>der</strong> Überzeugung,<br />

dass ihr Heils-Weg richtig ist. In <strong>der</strong> Tat<br />

aber hat k<strong>eine</strong> Religion <strong>eine</strong>n höheren<br />

o<strong>der</strong> besseren Anspruch, <strong>der</strong> imstande<br />

wäre, die Ansprüche <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Religionen<br />

zu wi<strong>der</strong>legen o<strong>der</strong> sie nicht ernst<br />

zu nehmen.<br />

Unter diesen Umständen hat die Suche<br />

nach <strong>der</strong> Interrelation zwischen den<br />

Glaubens-Welten über den Weg von<br />

Mission und Dialog zu gehen: Mission<br />

als Bekenntnis des Wahrheits-Wi<strong>der</strong>fahrnisses<br />

<strong>der</strong> eigenen Tradition; und Dialog<br />

als Austausch und Verständigung über<br />

solche Bekenntnisse. Denn Bekenntnis<br />

ohne Dialog bleibt einseitig und steril,<br />

und Dialog ohne Bekenntnis wird formal<br />

und belanglos. Ein Bekenntnis für sich allein<br />

genommen kann nicht zur Geltung<br />

kommen. Nur im Zusammenspiel <strong>der</strong><br />

Bekenntnisse können ihre verschiedenen<br />

Töne – ähnlich den einzelnen Orchesterstimmen<br />

– in Harmonie gebracht werden.<br />

Denn <strong>eine</strong> Welt des Bekenntnisses wird<br />

ohne dialogische Beziehung zu an<strong>der</strong>en<br />

Bekenntnis-Welten einseitig und gefährlich,<br />

weil sie Missverständnisse hervorrufen<br />

wird. Mission als Bekenntnis vom<br />

Wi<strong>der</strong>fahrnis <strong>der</strong> Wahrheit gehört zum<br />

Wesensgut <strong>eine</strong>r Tradition. Eine Tradition,<br />

die sich ihrer Mission nicht bewusst<br />

ist o<strong>der</strong> sie vernachlässigt, wird im Laufe<br />

<strong>der</strong> Zeit dogmatisch und nimmt ideologische<br />

Züge an. Die fundamentalistische<br />

und defensive Haltung, die sich unter den<br />

Religionsgemeinschaften zurzeit wie ein<br />

Waldbrand verbreitet, bestätigt dies. Mit<br />

Mission ist nicht die aggressive „Missionierung“<br />

gemeint, möglichst viele Menschen<br />

in die eigene Tradition hereinzulocken.<br />

Vielmehr meint Mission Bekenntnis


und Zeugnis bezüglich des Wahrheits-<br />

Wi<strong>der</strong>fahrnisses.<br />

Allerdings sind Bekenntnis und ZeugnisprimärLebenshaltungen;nursekundär<br />

sind sie Sprach-Ereignisse. <strong>Das</strong> heißt, Bekenntnis<br />

und Zeugnis wie auch das Wahrheits-Wi<strong>der</strong>fahrnis,<br />

dem sie entspringen,<br />

gestalten das Leben, in dem sie sich im<br />

Leben ausdrücken und es umgestalten.<br />

<strong>Das</strong> Leben gestalten heißt zunächst und<br />

vor allem Einsatz für Gerechtigkeit, Gemeinwohl<br />

und Frieden. Wo das fehlt,<br />

bleiben Bekenntnis und Zeugnis lediglich<br />

Wort-Hülsen, welchen die das Leben<br />

gestaltende Dynamik fehlt. <strong>Das</strong> scheint<br />

jedoch <strong>der</strong> gegenwärtige Zustand <strong>der</strong> religiösen<br />

Traditionen zu sein.<br />

Wo Bekenntnis und Zeugnis als<br />

Lebenshaltungen am Werk sind,<br />

da hat <strong>der</strong> Dialog <strong>der</strong> Religionen<br />

<strong>eine</strong> wirkliche Chance.<br />

Wo Bekenntnis und Zeugnis als Lebenshaltungen<br />

am Werk sind, da hat<br />

<strong>der</strong> Dialog <strong>der</strong> Religionen <strong>eine</strong> wirkliche<br />

Chance. Kirchenleitung, Politiker und sogar<br />

das einfache Volk sind alle besorgt,<br />

dass heute die Religionen dabei sind, wie<strong>der</strong><br />

Grund für Zwistigkeiten, Unfrieden<br />

und Konfrontation zu liefern. Selbstkritischen<br />

Ansichten, die zugeben, dass unsere<br />

Religionen mehr Schale mit wenig<br />

Nuss, mehr Haut mit wenig Fleisch, mehr<br />

Doktrin und weniger Bekenntnis, mehr<br />

Routine und weniger Leben sind, begegnet<br />

man lei<strong>der</strong> Gottes selten. In solchem<br />

Kontext hat das Dialog-Unterfangen k<strong>eine</strong><br />

Aussicht auf Erfolg. Mit an<strong>der</strong>en Worten:<br />

Dialog hat mit Leben, mit <strong>eine</strong>r Lebenshaltung<br />

zu tun und nicht mit <strong>eine</strong>m<br />

Aushängeschild.<br />

2. Mission und Dialog: Der<br />

Weg zur Person-Werdung<br />

Man ist geneigt, die Aufgabe des Dialogs<br />

den Experten zu überlassen, in <strong>der</strong><br />

irrigen Meinung, sie allein seien es, die<br />

dafür zuständig wären und ihn bewerkstelligen<br />

könnten. <strong>Das</strong> setzt ein falsches<br />

Verständnis vom Dialog voraus. Mission<br />

und Dialog gehören wesentlich zum Prozess<br />

<strong>der</strong> Person-Werdung. Die Grundbewegung<br />

von Mission ist primär ein “Aussich-heraus-Bewegen.“<br />

Ihre Richtung ist<br />

nach Außen, d.h. zentrifugal. An<strong>der</strong>erseits<br />

ist das Merkmal des Dialogs die Begegnung,<br />

das vorläufige Ziel von Mission.<br />

Der Schritt nach Außen ermöglicht<br />

<strong>eine</strong> Begegnung und diese Begegnung<br />

ermöglicht die Entdeckung <strong>eine</strong>s „Du“,<br />

was s<strong>eine</strong>rseits zur Entdeckung des eigenen<br />

„Ich“ führt. Personsein ist das Wi<strong>der</strong>fahrnis<br />

von „Wir“ auf <strong>der</strong> Grun<strong>der</strong>fahrung<br />

von „Ich“ und „Du“. <strong>Das</strong> gilt auch<br />

für die Begegnung mit Religionen und<br />

Kulturen.<br />

Eine <strong>der</strong> sowohl wichtigsten wie auch<br />

dringendsten Aufgaben für unsere Kulturen<br />

heute ist <strong>der</strong> Prozess <strong>der</strong> Person-<br />

Werdung. Aber unser Denken, Ausdenken<br />

und Vorausdenken geht über den<br />

Insel-Horizont von „Individuumsein“<br />

nicht hinaus. Dabei ist Individuumsein<br />

nur <strong>der</strong> Anfang des Prozesses <strong>der</strong> Person-<br />

Werdung. <strong>Das</strong> Menschen-Verständnis unseres<br />

Zeitalters betrachtet den Menschen<br />

eher als Punkt, weniger als Person, die als<br />

Knoten im Netzwerk <strong>der</strong> Beziehungen<br />

steht, und die aus Beziehungen besteht.<br />

Denn das Beziehungsnetzwerk besteht<br />

aus Beziehungen zu Welt, Mensch und<br />

dem großen <strong>Geheimnis</strong>. <strong>Das</strong> Merkmal<br />

dieses Prozesses ist <strong>eine</strong> tiefere Offenheit<br />

auf die drei Invarianten <strong>der</strong> kosmischen,<br />

menschlichen und Tiefen-Dimensionen<br />

<strong>der</strong> Wirklichkeit. Somit bedeutet <strong>eine</strong><br />

Verkürzung dieser Beziehungen <strong>eine</strong> Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Person. Konzentration auf<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Foto: KNA<br />

die materiellen o<strong>der</strong> menschlichen Bedingungen<br />

allein führt zu <strong>eine</strong>r solchen<br />

Engführung.<br />

Aber trotz Rückschlägen in dieser<br />

Hinsicht zeichnet sich unser Zeitalter<br />

auch durch positive Entwicklungen<br />

im Bereich <strong>der</strong> Beziehungen aus. Diese<br />

Entwicklungen sind ablesbar z. B. an Bewegungen<br />

bezüglich Menschenrechte,<br />

Frauenrechte, Flüchtlingssorge, Kin<strong>der</strong>-<br />

Arbeit und Kin<strong>der</strong>-Soldaten, Entmilitarisierung,<br />

Friedensinitiativen, den verschiedenen<br />

Arten des Umweltschutzes<br />

usw., usw. <strong>Das</strong> sind positive Zeichen. Person-Werdung<br />

ist nun k<strong>eine</strong> private nur<br />

den einzelnen Menschen betreffende<br />

Angelegenheit. Eher ist sie <strong>eine</strong> politische<br />

und gesellschaftliche Angelegenheit, die<br />

nach <strong>der</strong> ganzheitlichen Entwicklung von<br />

Menschsein-in-<strong>der</strong>-Welt bestrebt ist. Sie<br />

ist deshalb <strong>eine</strong> strukturelle Begebenheit.<br />

Dementsprechend hat Personsein strukturelle<br />

Voraussetzungen und Folgen. In<br />

diesem Kontext schlage ich vor, dass zur<br />

Dynamik des Prozesses von Person-Werdung<br />

Mission und Dialog, wie ich sie verstehe,<br />

wesentlich dazu gehören. Zum<br />

Grundgerüst m<strong>eine</strong>s Arguments gehört<br />

D‘Sa – Bekenntnis im Dialog<br />

das Menschsein-in-<strong>der</strong>-Welt, dessen Beschaffenheit<br />

dreidimensional ist. Die<br />

ganzheitliche Entwicklung vom Menschsein-in-<strong>der</strong>-Welt<br />

über das Individuum zur<br />

Person hin bedarf <strong>der</strong> doppelten Dynamik<br />

von Mission und Dialog.<br />

Vor etwa fünfzehn Jahren hat <strong>der</strong><br />

Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog<br />

zusammen mit <strong>der</strong> Kongregation für<br />

die Evangelisierung <strong>der</strong> Völker <strong>eine</strong>n äußerst<br />

hilfreichen Vorschlag unterbreitet.<br />

<strong>Das</strong> Dokument Dialog und Verkündigung<br />

spricht von vier Ebenen des Dialogs: Dialog<br />

des Lebens, Dialog des gemeinsamen<br />

Engagements, Dialog <strong>der</strong> Experten und<br />

Dialog des spirituellen Austausches. Der<br />

Dialog des Lebens und <strong>der</strong> Dialog des gemeinsamen<br />

Engagements sind grundlegend,<br />

weil sie erstens gegenseitiges Vertrauen<br />

schaffen und weil sie zweitens auf<br />

diese Weise zur Bildung <strong>eine</strong>r politisch<br />

engagierten Gemeinschaft beitragen,<br />

die sich für Gerechtigkeit und <strong>eine</strong> neue<br />

Weltordnung einsetzt. Ohne Vertrauen<br />

und das Engagement für gemeinsame<br />

Anliegen werden die beiden an<strong>der</strong>en Dialog-Ebenen<br />

wenig Frucht bringen.<br />

9


0<br />

Dialog beginnt mit und im Leben.<br />

<strong>Das</strong> Leben ist <strong>der</strong> Garten, wo Vertrauen<br />

und Aufgeschlossenheit gedeihen o<strong>der</strong><br />

aber Misstrauen und Verstocktheit wuchern.<br />

Die jeweiligen Samen werden<br />

durch die Alltagshandlungen gesät. Vorurteile<br />

sind überall im Alltag am Werk.<br />

Dialog beginnt mit und im Leben.<br />

<strong>Das</strong> Leben ist <strong>der</strong> Garten,<br />

wo Vertrauen und Aufgeschlossenheit<br />

gedeihen o<strong>der</strong> aber Misstrauen und<br />

Verstocktheit wuchern.<br />

Nur Vertrauen kann diesen entgegenwirken.<br />

Wo Vertrauen fehlt, nehmen die Vorurteile<br />

zu. Wo Vertrauen wächst, wächst<br />

auch die Offenheit. Daraus entsteht <strong>eine</strong><br />

Gemeinschaft, in <strong>der</strong> gemeinsame Anliegen<br />

lokalisiert werden und gemeinsames<br />

Engagement möglich wird.<br />

<strong>Das</strong> ist die eigentliche Grundlage für<br />

den wichtigen Dialog des spirituellen Austausches.<br />

Dabei kann dann <strong>der</strong> Dialog <strong>der</strong><br />

Experten große Dienste leisten, indem er<br />

Missverständnisse beseitigt und richtiges<br />

Verständnis för<strong>der</strong>t. In allen vier Arten<br />

von Dialog spielt die Missions-Dynamik,<br />

nämlich die Grund-Bewegung nach Außen,<br />

<strong>eine</strong> wesentliche Rolle. Der Grund<br />

für die Benennung „Missions-Dynamik“<br />

besteht darin, dass die Bewegung nach<br />

Außen <strong>eine</strong> Sendung ist, die aus dem<br />

zentrifugalen Drang ihres Wahrheits-Wi<strong>der</strong>fahrnisses<br />

entsteht. Im Dialog des Lebens<br />

leistet jede Gemeinschaft, getrieben<br />

von <strong>eine</strong>m inneren Drang, ihren Beitrag<br />

zur Erweckung von Vertrauen. Vertrauen-Erwecken<br />

ist nicht möglich ohne die<br />

Grund-Bewegung nach Außen. Teilnehmen<br />

am Dialog des Lebens, heißt aus sich<br />

herausgehen. <strong>Das</strong> ist eben die Missions-<br />

Dynamik.<br />

Ähnlich verhält es sich mit dem Dialog<br />

des gemeinsamen Engagements, wo<br />

die Gemeinschaften sich zusammentun,<br />

um gemeinsame Probleme wie Ungerechtigkeit,<br />

Gewalt und Krieg zu lösen.<br />

Denn gemeinsamer Einsatz impliziert immer<br />

<strong>eine</strong> zentrifugale Bewegung, ein aus<br />

sich Herausgehen.<br />

Die dritte Dialog-Ebene, nämlich <strong>der</strong><br />

Dialog <strong>der</strong> Experten bedarf <strong>der</strong> Missions-<br />

Dynamik. Denn die Aufgabe <strong>der</strong> Klärung<br />

und Beseitigung von Missverständnissen<br />

entspringt ebenfalls dem Wahrheits-<br />

Drang.<br />

Die Missions-Dynamik ist am Eindeutigsten<br />

beim Dialog des spirituellen Austausches.<br />

Diese Ebene des Dialogs stellt<br />

den Höhepunkt von Mission und Dialog<br />

dar. Hier legen die Teilnehmer thematisch<br />

Zeugnis von ihrer Erfahrung <strong>der</strong> Wahrheit<br />

ab. <strong>Das</strong> ist Zweck und Ziel <strong>der</strong> Missions-<br />

Dynamik. Sie ermöglicht den Teilnehmern<br />

und Teilnehmerinnen, gegenseitig<br />

<strong>eine</strong>n Blick auf und vielleicht sogar <strong>eine</strong>n<br />

Eintritt in die spirituelle Welt des Dialog-<br />

Partners zu gewinnen. Erst hier wird die<br />

Beschaffenheit des Unterfangens von<br />

Mission und Dialog ganz deutlich, denn<br />

im gegenseitigen Austausch ereignet sich<br />

das, was man communicatio in sacris (Teilnahme<br />

am Heiligen) nennen könnte. Ein<br />

authentischer Austausch stellt <strong>eine</strong> echte<br />

Begegnung dar, in <strong>der</strong> <strong>eine</strong> Brise von <strong>der</strong><br />

„Wir“ Erfahrung, wo „Ich“ und „Du“ sich<br />

in <strong>der</strong> Tiefe begegnen, möglich wird.<br />

Ein junger Mann fährt im Bus mit<br />

<strong>eine</strong>m kl<strong>eine</strong>n Kind auf den Armen.<br />

<strong>Das</strong> Kind schreit und weint und ist<br />

gar nicht zu beruhigen. Der Mann<br />

aber scheint an<strong>der</strong>swo im Gedanken<br />

zu sein und kümmert sich überhaupt<br />

nicht um das Kind. Schließlich reißt<br />

den Mitfahrenden die Geduld und sie<br />

konfrontieren ihm, „Warum kümmern<br />

Sie sich nicht um das Kind?“<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Wie vom Schlaf erweckt, kommt <strong>der</strong><br />

Mann zu sich und entschuldigt sich.<br />

Ganz leise spricht er:<br />

„Verzeihen Sie, ich komme gerade<br />

vom Spital, wo m<strong>eine</strong> Frau soeben gestorben<br />

ist. Ich fahre nach Hause, um<br />

Geld zu holen. Ich muss die Spitalrechnungen<br />

begleichen.“<br />

In dem Moment des persönlichen<br />

Zeugnisses än<strong>der</strong>t sich die Stimmung<br />

im Bus. Einige Passagiere kümmern<br />

sich um das Kind; an<strong>der</strong>e trösten den<br />

jungen Vater.<br />

In solcher Begegnung geschieht etwas,<br />

das über menschliche Planung und<br />

Berechnung hinausgeht. Dieser Faktor ist<br />

es, <strong>der</strong> wie bei <strong>eine</strong>m Spiel die Dynamik<br />

desAustauschesleitetundbegleitet.Communicatio<br />

in sacris besagt, dass, wenn wir<br />

uns im Dialog dem Sacrum, dem großen<br />

<strong>Geheimnis</strong> des Lebens übergeben, dann<br />

dieses <strong>Geheimnis</strong> die Führung bei <strong>der</strong><br />

Kommunikation übernimmt. In diesem<br />

Fall leitet und begleitet uns sein Geist.<br />

Eben das geschieht auf den Ebenen, auf<br />

denen gemeinsame Anliegen und Visionen<br />

verfolgt werden. Denn trotz unserer<br />

verschiedenen Visionen verbindet<br />

uns etwas, das über unsere Kräfte hinausgeht.<br />

So setzen zum Beispiel übergreifende<br />

Bewegungen für „Gerechtigkeit und<br />

Frieden“ o<strong>der</strong> die „Ökologie“ bzw. „Ökosophie“<br />

<strong>eine</strong> vereinigende Vision voraus,<br />

die befähigt, verschiedene und vor allem<br />

an<strong>der</strong>s denkende Gruppen zusammenzubringen.<br />

3. Relevanz dieser<br />

Überlegungen<br />

Man kann sich des Eindrucks nicht<br />

erwehren, dass die Entwicklung in unserer<br />

Zeit dem Prozess <strong>der</strong> Person-Werdung<br />

in mancher Hinsicht nicht gerade<br />

för<strong>der</strong>lich ist. Die zunehmende Instrumentalisierung<br />

von allen und allem, die<br />

D‘Sa – Bekenntnis im Dialog<br />

mit verheerenden Folgen einhergehende<br />

Ver-Inselung des Menschen und die weit<br />

verbreitete Erfahrung <strong>der</strong> Sinnlosigkeit –<br />

das alles sind Faktoren, die sich auf den<br />

Prozess <strong>der</strong> Person-Werdung katastrophal<br />

auswirken. In allen drei Instanzen<br />

fehlt es an Offenheit – Offenheit in Bezug<br />

auf Welt, auf Mensch und auf das große<br />

<strong>Geheimnis</strong>. Weil die Welt nur einäugig<br />

betrachtet und die darin wirkende Tiefen-<br />

Dimension vernachlässigt wird, vollzieht<br />

sich ohne weiteres ihre Instrumentalisierung.<br />

So verhält es sich auch mit dem<br />

Menschen; er wird lediglich als Einzel-<br />

Wesen verstanden, und nicht als <strong>eine</strong> im<br />

Netzwerk <strong>der</strong> Beziehungen stehende Person.<br />

Und was das große <strong>Geheimnis</strong> angeht:<br />

Es wird entwe<strong>der</strong> ignoriert o<strong>der</strong> mit<br />

<strong>der</strong> Sinnsuche und Sinnerfüllung nicht in<br />

Verbindung gebracht.<br />

An dieser Stelle setze ich unsere Diskussion<br />

über die Dynamik von Missionund-Dialog<br />

fort. Die erste Phase, die ich<br />

als die Dynamik <strong>der</strong> Mission bezeichnet<br />

habe, treibt uns aus uns heraus. <strong>Das</strong> ist<br />

kein blin<strong>der</strong> Trieb, <strong>der</strong> uns nach Außen<br />

drängt, weil hinter diesem Treiben ein<br />

Wi<strong>der</strong>fahrnis steht – ein Wi<strong>der</strong>fahrnis von<br />

<strong>der</strong> Wahrheit o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schönheit o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Güte und <strong>der</strong> Liebe. Sie alle entstehen aus<br />

dem inneren Feuer. Es ist dieses Wi<strong>der</strong>fahrnis,<br />

das uns aus uns herausreißt und<br />

zur Begegnung treibt. <strong>Das</strong> Wahre, das<br />

Schöne, die Güte und die Liebe sind in<br />

<strong>der</strong> Tat die anspornenden Kräfte. Die Dynamik<br />

nach Außen entspringt sozusagen<br />

<strong>eine</strong>m “Sen<strong>der</strong>”, sei es Wahrheit, Schönheit,<br />

Güte o<strong>der</strong> Liebe. Deswegen nenne<br />

ich sie “Missions“-Dynamik. Diese Dynamik<br />

hat <strong>eine</strong> Mission. Solche Mission<br />

kann nicht umhin, sich auf ein “Du” zu<br />

beziehen und deshalb drängt sie zu Begegnung<br />

und Dialog. Nur in <strong>der</strong> Begegnung<br />

und im Dialog kommen Wahrheit,<br />

Schönheit, Güte o<strong>der</strong> Liebe zur Geltung,<br />

indem sie beginnen, die Einseitigkeit ihrer<br />

Formulierungen zu verlieren. Wahrheit<br />

1


2<br />

drängt zur Bestätigung hin, Schönheit<br />

zur Anerkennung, Güte zu Bekenntnis<br />

und Liebe zur Erwi<strong>der</strong>ung. All das ist Teil<br />

<strong>der</strong> Person-Werdung. Sie bedarf <strong>der</strong> Begegnung,<br />

bei <strong>der</strong> im dialogischen Austausch<br />

Bereicherung und Berichtigung<br />

möglich sind.<br />

Wirkungsgeschichtlich sind Mission<br />

und Dialog Teil des theologischen Gebrauchs<br />

gewesen. <strong>Das</strong> ist gut so, aber beileibe<br />

nicht genug. Ihre Tragweite schließt<br />

den ganzen Bereich von Person und Person-Werdung,<br />

die heute gefährdet sind,<br />

mit ein. Die Welt ist kein Ding und noch<br />

weniger ein Sammelsurium von Dingen.<br />

Der Mensch ist k<strong>eine</strong> Insel, son<strong>der</strong>n <strong>eine</strong><br />

Person, die wie ein Knotenpunkt im Netzwerk<br />

<strong>der</strong> Beziehungen steht. Und das<br />

Große <strong>Geheimnis</strong>, Ursprung und Erfüllung<br />

unseres Sinn-Horizonts, übersteigt<br />

jedwede menschliche Vorstellung. Letztlich<br />

entspringt die Dynamik von Mission<br />

und Dialog diesem <strong>Geheimnis</strong>, in dem<br />

wir immer schon leben und uns bewegen.<br />

Dieses <strong>Geheimnis</strong> ist es, das uns sendet<br />

– zu den Menschen und zur Welt.<br />

<strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> offenbart sich immer,<br />

überall, unaufhörlich und vor allem<br />

verschiedentlich. <strong>Das</strong> ist <strong>der</strong> Lebensort<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Offenbarungen. Nur<br />

aus diesem <strong>Geheimnis</strong> leben alle Religionen<br />

und Kulturen. Dieses <strong>Geheimnis</strong> ist<br />

über alle Namen hinaus und kein Name<br />

kann das ganze <strong>Geheimnis</strong> ausschöpfen<br />

und es zum Ausdruck bringen. Jedoch<br />

sind Offenbarungen k<strong>eine</strong> Teil-Offenbarung,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>eine</strong> Offenbarung des<br />

ganzen <strong>Geheimnis</strong>ses. Totum sed non<br />

totaliter. Ganz aber nicht gänzlich.<br />

Dieses <strong>Geheimnis</strong>, das uns Christen<br />

in Jesus geoffenbart wurde, nennen und<br />

bekennen wir als den Christos. Raimon<br />

Panikkar hat diesen Christos, <strong>der</strong> uns in<br />

Jesus geoffenbart wurde, den kosmotheandrischen<br />

Christus genannt, weil Er das<br />

Real-Symbol von Gott, Mensch und Welt<br />

ist. Er ist <strong>der</strong> Zugang zum Kosmos, Theos<br />

und Aner (Welt, Gott und Mensch). Den<br />

an<strong>der</strong>en aber ist dieses <strong>Geheimnis</strong> an<strong>der</strong>s<br />

geoffenbart worden und daher haben sie<br />

an<strong>der</strong>e Namen für dieses <strong>Geheimnis</strong>.<br />

Dieser kosmotheandrische Christus<br />

ist es, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Ursprung von Mission und<br />

<strong>der</strong> Inhalt von Dialog ist. Er allein ist <strong>der</strong><br />

Urheber von Mission und das Ziel und Erfüllung<br />

von Dialog.<br />

4. Mission und Dialog:<br />

Ein Gleichnis<br />

Es war einmal ein reicher Mann, <strong>der</strong><br />

sich in Purpur und L<strong>eine</strong>n kleidete und<br />

jeden Tag glänzende Gelage hielt.<br />

Aber er war nicht glücklich. Er machte<br />

sich Gedanken über die Herkunft und<br />

Herstellung von Purpur und L<strong>eine</strong>n,<br />

weil er hörte, dass dahinter sehr viel<br />

Gewinnsucht steckte. Beson<strong>der</strong>s wegen<br />

s<strong>eine</strong>r Gelage, die s<strong>eine</strong>m Stand<br />

entsprachen, machte er sich Vorwürfe,<br />

weil er wusste, dass das, was<br />

er am Tische ausbreitete, die Frucht<br />

von Ausbeutung, Unterernährung<br />

und Verzweifelung war. Aber er fand<br />

k<strong>eine</strong> Antwort auf diese Probleme.<br />

Vor s<strong>eine</strong>r Tür saß ein Armer namens<br />

Lazarus. Regelmäßig bekam er vom<br />

reichen Mann etwas zum Essen, und<br />

war damit zufrieden. Er litt we<strong>der</strong> unter<br />

Leistungsdrang noch unter <strong>eine</strong>m<br />

Min<strong>der</strong>wertigkeitskomplex. Angeblich<br />

störte ihn nichts, am wenigsten <strong>der</strong><br />

Reiche in Purpur und L<strong>eine</strong>n.<br />

Eines Tages fragte sich <strong>der</strong> Reiche.<br />

„Der Lazarus ist arm und er scheint<br />

doch glücklich und zufrieden zu sein.<br />

Ich werde ihn nach <strong>der</strong> Ursache s<strong>eine</strong>s<br />

Glücks fragen.“<br />

So ging er zu Lazarus hinunter und<br />

setzte sich zu ihm und fragte ihn nach<br />

dem <strong>Geheimnis</strong> s<strong>eine</strong>r Zufriedenheit.<br />

Lazarus antwortete ihm: „Ich habe<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Foto: KNA<br />

nichts, worüber ich mir den Kopf zerbrechen<br />

müsste und außerdem bekomme<br />

ich von dir, was ich zum Leben<br />

brauche. M<strong>eine</strong> Zeit verbringe ich damit,<br />

über die Vergänglichkeit von Leid<br />

und Leben zu meditieren.“<br />

„Schön und gut“, sagte <strong>der</strong> reiche<br />

Mann, „aber macht es Dir wohl nichts<br />

aus, dass das, was Du isst, eigentlich<br />

das Ergebnis von Unterdrückung<br />

und Hunger zahlloser Menschen ist?<br />

Macht es Dir nichts aus, dass, gerade<br />

weil wir uns das leisten können,<br />

Millionen von Menschen verhungern<br />

müssen? Bilden nicht Ungerechtigkeit<br />

und künstlich erzeugte Bedürfnisse<br />

das Fundament und das Dach unseres<br />

Systems? Bist Du nicht verzweifelt darüber,<br />

wenn Du siehst, dass wir mit<br />

unserem Konsumdenken die Umwelt<br />

zerstören?“<br />

Darauf hatte auch <strong>der</strong> arme Lazarus<br />

k<strong>eine</strong> Antwort. Aber auf einmal<br />

D‘Sa – Bekenntnis im Dialog<br />

erwachte er wie aus <strong>eine</strong>m langen<br />

Schlaf. Diese Fragen hatten Funken<br />

<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung in s<strong>eine</strong>m Herz entfacht.<br />

Er dachte an s<strong>eine</strong> verarmte<br />

Familie, s<strong>eine</strong> unterdrückten Freunde<br />

und an die vergewaltigte Umwelt.<br />

Er machte sich auf und suchte an<strong>der</strong>e,<br />

die sich für ähnliche Anliegen einsetzten.<br />

Der reiche Mann aber wurde nachdenklich.<br />

„Glück hängt nicht vom Geld<br />

ab“, sagte er leise, „und Gerechtigkeit<br />

bedarf mehr als Gedanken. Mein Leben<br />

ist hohl und leer. Ich müsste achtsamer<br />

leben und in die Tiefe gehen.<br />

Ich muss mich selber finden.“<br />

Und so machten sie sich beide auf den<br />

Weg. Erfüllt und getrieben vom gleichen<br />

Geist, je<strong>der</strong> auf s<strong>eine</strong> Weise, aber<br />

entfacht von <strong>eine</strong>r an<strong>der</strong>en Flamme<br />

<strong>der</strong>selben Mission.<br />

3


Bisher erschienene Titel zu den Themen …<br />

Befreiungstheologie<br />

Nr. 1, Leonardo Boff OFM,<br />

PUEBLAS HERAUSFORDERUNG AN DIE FRANZISKA-<br />

NER<br />

Nr. 5, Bernhardino Leers OFM (vergriffen),<br />

KIRCHLICHE BASISGEMEINDEN<br />

Nr. 6, L. Boff OFM/U. Zankanella (vergriffen),<br />

KIRCHLICHE BASISGEMEINDEN IM DIALOG<br />

Nr. 14, Honorio Rito OFM,<br />

THEOLOGIE DER BEFREIUNG - Eine kritische Wertung<br />

aus franziskanischer Sicht<br />

Nr. 27, Alosio Lorschei<strong>der</strong>, Paulo Evaristo Arns, Leonardo<br />

und Clodovis Boff,<br />

BEFREIUNG UND THEOLOGIE – Beiträge zur aktuellen<br />

Diskussion<br />

Nr. 30, Kardinal Paulo Evaristo Arns,<br />

VOLK GOTTES VON SAO PAULO – Auf dem Weg zu<br />

s<strong>eine</strong>r Befreiung<br />

Nr. 31, Dom Valfredo Tepe, Clodovis und Leonardo<br />

Boff,<br />

ROM UND DIE BEFREIUNGSTHEOLOGIE – Schritte zur<br />

Verständigung<br />

Nr. 43,* ENDE EINER HOFFNUNG –<br />

Dokumentation des Konfliktes um das CLAR-Projekt<br />

„Wort und Leben“<br />

Nr. 57,* ARBEITERPASTORAL –<br />

Gottes befreiende Botschaft<br />

Nr. 62,* ANNÄHERUNG AN DIE ANDEREN –<br />

Befreiungstheologische Sommerschule<br />

Nr. 71,* QUO VADIS, KIRCHE IN AMERIKA? –<br />

Römische Bischofssynode - Hoffnungen und Enttäuschungen<br />

Nr. 82,* HOFFNUNGSTRÄGER BASISGEMEINDEN –<br />

<strong>Das</strong> 10. Treffen <strong>der</strong> brasilianischen Basisgemeinden im<br />

Juli 2000<br />

Nr. 89,* WENN LEBEN, GLAUBEN UND DENKEN EINS<br />

SIND ... –<br />

Befreiungstheologie aktuell<br />

Bewahrung <strong>der</strong> Schöpfung<br />

Nr. 3, Englischsprachige Konferenz <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong>,<br />

FRANZISKUS UND DER NEUE MATERIALISMUS –<br />

Eine franziskanische Antwort auf die Umweltkrise<br />

Nr. 26, Jan Groot Wassink,<br />

FRANZISKANISCHE BRUDERSCHAFT IN NATUR UND<br />

GESELLSCHAFT – Ausweg aus den Irrwegen <strong>eine</strong>r wissenschaftlich-technischen<br />

Kultur<br />

Nr. 38,* UMKEHR ZUM LEBEN –<br />

Franziskanische Positionen zur atomaren Bedrohung<br />

Nr. 46,* UNSERE MUTTER ERDE –<br />

Lebensraum für alle<br />

Nr. 50,* INDIO-FRANZISKANISCHE UTOPIEN –<br />

Zur Strategie des Überlebens<br />

Nr. 65,* MUTTER ERDE - NEUE ERDE –<br />

Reflexionen und Texte aus Lateinamerika<br />

Nr. 70,* WENN LEBEN VERFÜGBAR WIRD –<br />

Überbevölkerung, Geburtenkontrolle und an<strong>der</strong>e<br />

Fragen<br />

Evangelisierung<br />

Nr. 8, Claudio Schnei<strong>der</strong> OFM, Brasilien,<br />

FRANZISKANISCHE GEMEINSCHAFTEN: EIN DIENST<br />

AN DER KIRCHE<br />

Nr. 11, Hermann Schalück OFM,<br />

SENSIBILITÄT UND SOLIDARITÄT – Impulse zur franziskanischen<br />

Evangelisation<br />

Nr. 19, Ordensrat OFM,<br />

DAS EVANGELIUM FORDERT UNS HERAUS – Überlegungen<br />

zur Evangelisierung in Bahia 1983<br />

Nr. 21,* DAS LEBEN TEILEN –<br />

Franziskanischer Dialog in Asien<br />

Nr. 24, Anselm Moons OFM,<br />

EVANGELISIERUNG ALS LERNPROZESS – Auswertung<br />

und Dokumentation<br />

Nr. 29, Kilian Holland OFM,<br />

AFRIKAS DILEMMA – Betteln o<strong>der</strong> das eigene Brot<br />

backen<br />

Nr. 33, Andreas Müller (Hrsg.),<br />

EVANGELISIERUNG FÜR EINE NEUE MENSCHHEIT<br />

UND EINE NEUE GESELLSCHAFT – Internationaler Missionsrat<br />

<strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong>, Nairobi 1987<br />

Nr. 37,* WORT UND LEBEN –<br />

500 Jahre Evangelisierung Lateinamerikas,Umkehr und<br />

Neubesinnung<br />

Nr. 39,* DAS WORT BERUFT DAS GOTTESVOLK –<br />

Erste Etappe des Projektes „Wort und Leben“ <strong>der</strong> lateinamerikanischen<br />

Ordensleute<br />

Nr. 42,* 1992 KEIN GRUND ZUM FEIERN –<br />

Die Kirche und die Eroberung <strong>eine</strong>s Kontinents<br />

Nr. 44,* DEIN WORT IST LEBEN –<br />

Bibelmeditationen Iateinamerikanischer Ordensleute<br />

Nr. 45,* 500 JAHRE INDIOWIDERSTAND –<br />

500 Jahre Evangelisierung in Lateinamerika<br />

Nr. 47,* DEIN WORT IST LEBEN / 2 –<br />

Bibelmeditationen lateinamerikanischer Ordensleute<br />

Nr. 48,* 500 - 1492 – 1992<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Nr. 49,* 1492 – 1992,<br />

500 JAHRE - Gold und Gott<br />

Nr. 51, P. Enrique Rosner, <strong>Missionszentrale</strong> <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />

(Hrsg.),<br />

NACH 500 JAHREN - NEUENTDECKUNG AMERIKAS<br />

– Zeugnisse vom Indio-Wi<strong>der</strong>stand<br />

Nr. 52,* DEIN WORT IST LEBEN /3 –<br />

Bibelmeditationen lateinamerikanischer Ordensleute<br />

Nr. 53,* DEIN WORT IST LEBEN /3 (2. Teil) –<br />

Bibelmeditationen lateinamerikanischer Ordensleute<br />

Nr. 54,* DEIN WORT IST LEBEN /3 (3. Teil) –<br />

Bibelmeditationen Iateinamerikanischer Ordensleute<br />

Nr. 55,* SANTO DOMINGO 1992 –<br />

IV. Generalversammlung <strong>der</strong> Lateinamerikanischen<br />

Bischofskonferenz, Werden – Verlauf - Wertung<br />

Nr. 64,* FRANZISKANISCHE SPIRITUALITÄT UND<br />

EVANGELISATION -<br />

Dokumente <strong>der</strong> XIV. UCLAF<br />

Nr. 79,* 500 JAHRE BRASILIEN -<br />

Für die „Entdeckten <strong>eine</strong> schlimme Entdeckung“<br />

Nr. 83,* AUF DEM WEG ZU EINER INDISCHEN KIRCHE<br />

Facetten <strong>eine</strong>r Studienreise<br />

Nr. 92,* PFINGSTEN STATT BABEL -<br />

Zur Mystik und Spiritualität im Weltsozialforum<br />

Nr. 94,* „LÖSE DIE FESSELN VON DEINEM HALS“ (Jes<br />

52,2) –<br />

<strong>Das</strong> Exodus-Motiv als Leitfaden für <strong>eine</strong> Bibelwerkstatt<br />

Nr. 96,* OSCAR ARNULFO ROMERO – ZUM 25. JAH-<br />

RESTAG SEINER ERMORDUNG.<br />

„Anti-imperiale“ Spiritualität<br />

Nr. 97,* IHR KÖNNT NICHT GOTT DIENEN UND<br />

DEM KAPITAL –<br />

Lateinamerikanische Bibelwerkstatt<br />

Franz und Klara von Assisi<br />

Nr. 17, Anton Rotzetter OFMCap,<br />

IMPULSE FÜR EINE FRIEDENSSTRATEGIE BEI FRANZ<br />

VON ASSISI<br />

Nr. 22,* FRANZ VON ASSISI IM KONTEXT DER KUL-<br />

TUREN<br />

Nr. 56,* 800 JAHRE KLARA –<br />

Die weibliche Wurzel <strong>der</strong> franziskanischen Familie<br />

Nr. 87,* FRANZISKUS DER SCHARNIERMENSCH<br />

<strong>Franziskaner</strong>orden<br />

Nr. 7, Vinzenz Bohne OFM,<br />

FRANZISKANISCHE JUGEND, Brasilien<br />

Nr. 23,* DIE ZEICHEN DER ZEIT –<br />

Standortbestimmung für <strong>eine</strong>n Orden<br />

Nr. 25,* STREIFLICHTER –<br />

<strong>Franziskaner</strong> auf neuen Wegen<br />

Bisher erschienene Titel<br />

Nr. 63,* FRANZISKANER IM OSTEN – Verantwortung<br />

für <strong>eine</strong> neue Wirklichkeit<br />

Frieden<br />

Nr. 41,* AKTIVE GEWALTFREIHEIT –<br />

Eine franziskanische Initiative<br />

Nr. 61,* BURUNDI -<br />

Paradies im Untergang?<br />

Nr. 68,* SPIRITUALITÄT DER GEWALTFREIHEIT –<br />

Eine Grundpflicht des franziskanischen Charismas<br />

Nr. 69,* AUSWEG AUS DEM TRAUMA –<br />

Bosnien und Kroatien zwischen Machtpolitik und<br />

Glaubenskampf<br />

Nr. 85,* FÜR FRIEDEN UND DIALOG DER RELIGIONEN<br />

<strong>Das</strong> Engagement <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> in Mindanao /<br />

Philippinen<br />

Nr. 90,* GEWALTFREI MIT FRANZISKUS -<br />

gewaltfrei durch Franziskus<br />

Nr. 98,* EUROPA FRANZISKANISCHE BEWEGEN<br />

Gerechtigkeit<br />

Nr. 18,* ZWISCHEN ANSPRUCH UND WIRKLICHKEIT<br />

– Franziskanische Menschen stellen sich <strong>der</strong> Armut<br />

Nr. 32,* DEN HUNGERNDEN DAS LAND –<br />

Die Kirche Brasiliens im Konflikt um die Landreform<br />

Nr. 35,* INTERNATIONALE VERSCHULDUNGSKRISE<br />

Nr. 40,* BERGPREDIGT ODER SACHZWÄNGE – T<br />

heologische Anfragen an die Eigengesetzlichkeit <strong>der</strong><br />

Ökonomie<br />

Nr. 66,* NEOLIBERALISMUS –<br />

<strong>Das</strong> neue Kreuz des Südens<br />

Nr. 67,* MENSCHENRECHTE –<br />

Unsere Anwaltfunktion für die Entrechteten<br />

Nr. 74,* EIN „GNADENJAHR“ 2000 –<br />

Initiativen und Kampagnen für <strong>eine</strong>n Schuldenerlaß<br />

zur Jahrtausendwende<br />

Nr. 75,* WOHNUNG, NAHRUNG, BILDUNG –<br />

... wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte<br />

schützen!<br />

Nr. 80,* DAS ERLASSJAHR 2000 DARF NICHT STERBEN<br />

Plädoyer aus dem Süden<br />

Nr. 81,* COLLOQUIUM 2000 –<br />

Glaubensgemeinschaften und soziale Bewegungen im<br />

Streit mit <strong>der</strong> Globalisierung<br />

Nr. 84,* VERSCHWUNDEN IN ARGENTINIEN –<br />

Neue Wege gegen Straflosigkeit und Vergessen<br />

Nr. 86,* „PORTO ALEGRE“ IN AFRIKA –<br />

Alternativen zur neoliberalen Globalisierung im Südlichen<br />

Afrika<br />

Nr. 88,* VISION UND WIDERSTAND IM GLOBALISIE-<br />

RUNGSPROZESS<br />

Nr. 91,* BÜNDNIS GEGEN HUNGER –


Nr. 93,* GRUNDLEGENDE RECHTE INDIGENER VÖL-<br />

KER STÄRKEN: BEITRITT ZUR ILO-KONVENTION 169!<br />

– Materialien zur Kampagne in Deutschland<br />

Nr. 95,* VERTRIEBEN IM EIGENEN LAND –<br />

„Demokratische Sicherheit“ in Kolumbien<br />

Interreligiöser Dialog<br />

Nr. 20,* MIT ANDEREN AUGEN SEHEN –<br />

Erfahrungen und Impulse zum Religionsdialog<br />

Nr. 60, P. Enrique Rosner, <strong>Missionszentrale</strong> <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />

(Hrsg.),<br />

DER TRAUM VON EINER INDIANISCHEN KIRCHE<br />

– Versuch <strong>eine</strong>r lnkulturation<br />

Nr. 73,* DIALOG DER RELIGIONEN –<br />

Wege zur Wahrheit<br />

Nr. 76,* INTERRELIGIÖSE BASISGEMEINDEN IM IN-<br />

DISCHEN KONTEXT<br />

Nr. 85,* FÜR FRIEDEN UND DIALOG DER RELIGIONEN<br />

<strong>Das</strong> Engagement <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong> in Mindanao /<br />

Philippinen<br />

Nr. 99,* DAS EINE GEHEIMNIS UND DIE VIELEN<br />

RELIGIONEN<br />

Nr. 100,* ZUM DIALOG BERUFEN - Jubiläumsausgabe<br />

zum franziskanischen Auftrag in unserer Zeit<br />

Mission<br />

Nr. 4, KOMM HERÜBER UND HILF UNS –<br />

Franziskanische Predigten zur Dialogmission<br />

Nr. 2, Andreas Müller OFM,<br />

10 JAHRE MISSIONSZENTRALE DER FRANZISKANER<br />

Nr. 9, Killian Holland OFM,<br />

MIT DEN MASSAI UNTERWEGS<br />

Nr. 10, Anselm Moons OFM,<br />

FRANZISKANISCHE SENDUNG HEUTE – Skizzen zum<br />

gewandelten Missionsverständnis<br />

Nr. 13, Peter Amendt OFM,<br />

DEM EVANGELIUM HEUTE BEGEGNEN – Notizen vom<br />

Missionskongreß in Mainz/Juni 1981<br />

Nr. 15,* DEN AUFBRUCH WAGEN –<br />

Die missionarische Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>Franziskaner</strong><br />

heute<br />

Nr. 16,* SCHWESTERN OHNE KLOSTERMAUERN –<br />

<strong>Franziskaner</strong>innen inmitten <strong>der</strong> Armen<br />

Nr. 28, Karl Möhring OFM,<br />

MISSIONSLAND DEUTSCH-LAND – Erfahrungen und<br />

Reflexionen <strong>eine</strong>s <strong>Franziskaner</strong>s aus dem Arbeitermilieu<br />

Nr. 34,* DIE ARMEN HABEN MICH BEKEHRT –<br />

Porträt des Erzbischofs von Fortaleza Kardinal Aloisio<br />

Lorschei<strong>der</strong><br />

Nr. 58,* DER FRANZISKANISCHE MISSIONSAUFTRAG<br />

IN EINER VERÄNDERTEN WELT –<br />

Erinnerung und Erneuerung<br />

Nr. 59,* DIE SUCHE NACH GANZHEIT –<br />

Die feminine Dimension des franziskanisch-missionarischen<br />

Charismas<br />

Ökumene<br />

Nr. 36,* FRANZISKANER IN SKANDINAVIEN –<br />

Öffnung zur Ökumene<br />

Nr. 72,* DIE NEUEN HEILSBRINGER –<br />

Ein Beitrag zur Sektenproblematik<br />

Alle mit *) gekennzeichneten Ausgaben: <strong>Missionszentrale</strong><br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen


Bisher erschienene Titel


Schluss Punkt<br />

Eine Wahrheit,<br />

egal wer<br />

sie ausspricht,<br />

entspringt<br />

dem Heiligen Geist.“<br />

Ambrosius von Mailand

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