Das eine Geheimnis - Missionszentrale der Franziskaner
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Bekenntnis im Dialog<br />
Zur Ortsbestimmung des interreligiösen<br />
Dialogs im heutigen interkulturellen Kontext<br />
0. Einführung<br />
Es war ein reicher Mann, <strong>der</strong> kleidete<br />
sich in Purpur und f<strong>eine</strong>s L<strong>eine</strong>ngewand<br />
und hielt alle Tage glänzende Gottesdienste<br />
und bewegende Predigten über<br />
das Reich Gottes und s<strong>eine</strong> Gerechtigkeit.<br />
Vor s<strong>eine</strong>r Tür lag ein armer Heide namens<br />
Lazarus, mit Geschwüren ganz bedeckt.<br />
Tagein, tagaus zerbrach sich <strong>der</strong> Reiche<br />
den Kopf über die Heilsmöglichkeiten<br />
von Nicht-Christen wie Lazarus. Denn diese<br />
wollten sich nicht taufen lassen. Der<br />
reiche Mann bemühte sich mit allen Mitteln,<br />
dem Lazarus die bedingungslose<br />
Liebe und die alles umfassende Fürsorge<br />
und Vorsehung des himmlischen Vaters<br />
beizubringen. Aber <strong>der</strong> arme Lazarus kapierte<br />
dies nicht und saß still und schweigend<br />
da. Und während die Hunde kamen<br />
und an s<strong>eine</strong>n Geschwüren leckten, dachte<br />
er über die Vergänglichkeit des Leides<br />
und des Lebens nach.<br />
Da starb <strong>der</strong> Arme und wurde von<br />
den Engeln in den Schoß Abrahams getragen.<br />
Doch auch <strong>der</strong> Reiche starb und<br />
ward begraben. Als er s<strong>eine</strong> Augen erhob,<br />
sah er entgeistert in <strong>der</strong> Ferne Abraham<br />
und in dessen Schoß den Lazarus. Da rief<br />
er: „Vater Abraham! Wie hast du nur den<br />
Lazarus hereingeschmuggelt?“ Abraham<br />
jedoch erwi<strong>der</strong>te: „Kind, Du erinnerst<br />
Dich, was Du über die bedingungslose<br />
Liebe unseres himmlischen Vaters gepredigt<br />
hast? Bedenke, Dir ist es in D<strong>eine</strong>m<br />
Leben gut ergangen, dem Lazarus hinge-<br />
D‘Sa – Bekenntnis im Dialog<br />
Francis X. D’Sa S.J.,<br />
Prof. für Missionstheologie an<br />
<strong>der</strong> Universität Würzburg<br />
gen schlecht. Jetzt wird er hier getröstet.<br />
Du aber wirst nicht gepeinigt, denn Gott<br />
ist größer als unser jüdisch-christliches<br />
Herz!“<br />
Ist es nicht verwun<strong>der</strong>lich, dass trotz<br />
des Näherrückens <strong>der</strong> Kulturen wir nach<br />
wie vor immer nur von <strong>der</strong> Perspektive<br />
unserer eigenen Kultur her alles betrachten?<br />
Ist es nicht noch verwun<strong>der</strong>licher,<br />
dass wir uns in <strong>eine</strong>r Zeit <strong>der</strong> Begegnung<br />
bzw. Konfrontation <strong>der</strong> Kulturen dieser<br />
Tatsache nicht einmal bewusst sind, und<br />
dass wir deshalb aneinan<strong>der</strong> vorbei reden?<br />
Zwar lernen wir die Sprachen, die<br />
Geschichte, die Wirtschaftsentwicklung<br />
und die Politik an<strong>der</strong>er Kulturen. Noch<br />
mehr: Wir lernen auch die Religionen an<strong>der</strong>er<br />
Menschen kennen – und dennoch,<br />
wenn es um Wichtiges geht, nämlich<br />
um Werte und Visionen frem<strong>der</strong> Menschen<br />
und Kulturen, verstehen wir herzlich<br />
wenig. Nicht nur verstehen wir sie<br />
nicht, meistens verstehen wir sie falsch.<br />
<strong>Das</strong>s auch die an<strong>der</strong>en Kulturen im selben<br />
Boot sitzen und dass auch sie uns falsch<br />
verstehen, ist kein großer Trost.<br />
Kulturen benehmen sich, als ob sie<br />
wasserdicht wären. Sie bilden sich routinemäßig<br />
ein, dass ihr Wahrheits- und<br />
Wirklichkeits-Verständnis das Wahrheitsund<br />
Wirklichkeits-Verständnis aller Kulturen<br />
ist. Wir formulieren dies nicht thematisch.<br />
Tatsache aber ist, dass wir so<br />
tun, als ob unsere Kultur, unsere Werte,<br />
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