Das eine Geheimnis - Missionszentrale der Franziskaner
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dass man sich nicht länger mit <strong>der</strong> vorhergehenden<br />
Erfahrung identifiziert. Der<br />
Aufbau <strong>eine</strong>r religiösen Identifikation auf<br />
Grund <strong>eine</strong>r neuen religiösen Erfahrung<br />
wäre sicher ein interessanter Gegenstand<br />
<strong>der</strong> Beobachtung, überschreitet aber den<br />
Rahmen m<strong>eine</strong>r Reflexion.<br />
8. These: Der interreligiöse Dialog<br />
in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />
hat größere Chancen praktiziert<br />
zu werden, weil er sich nicht<br />
auf die unauflösbare Spannung religiöser<br />
„Zugehörigkeit“ einlassen<br />
muss. Die Institution hat das Problem<br />
(die Unsicherheit) <strong>der</strong> Zugehörigkeit,<br />
was den Dialog lähmt.<br />
Die religiöse Institution – namentlich<br />
in <strong>der</strong> christlich-kirchlichen Tradition<br />
– kümmert sich sehr intensiv um die „religiöse“<br />
Zugehörigkeit ihrer Mitglie<strong>der</strong>.<br />
Religiöse Gläubigkeit wird mehr im Sinne<br />
<strong>der</strong> Bindung an die Institution verstanden<br />
denn als persönlich empfundene Anhänglichkeit<br />
an das Heilige. Aus <strong>der</strong> Sicht<br />
<strong>der</strong> Institution ist <strong>der</strong> Glaube etwas, an<br />
das die Gläubigen glauben müssen. Für<br />
die Glaubenden dagegen ist <strong>der</strong> Glaube<br />
das, woran sie glauben, während die Institution<br />
zu diesem intimen, persönlichen<br />
Breich k<strong>eine</strong>n Zugang hat. Beide Bereiche<br />
müssen nicht im Wi<strong>der</strong>spruch zueinan<strong>der</strong><br />
stehen. Zum großen Teil stimmen sie<br />
sogar überein. Ja, und auf Grund dieser<br />
Übereinstimmung schafft die religiöse Institution<br />
Bindungen/Empfindungen von<br />
„Zugehörigkeit“ in ihrer Beziehung zu<br />
den Gläubigen. Diese wie<strong>der</strong>um schaffen<br />
auch in den Gläubigen die Verbindung<br />
zur Institution. So weit ist das nicht neu.<br />
Sobald jedoch im interreligiösen Dialog,<br />
in dem es um den Kontakt zu an<strong>der</strong>en<br />
religiösen Deutungen geht, irgendein<br />
Austausch im Bereich religiöser Erfahrung<br />
stattfindet, entsteht für die Institution das<br />
Problem (bzw. die Unsicherheit) <strong>der</strong> re-<br />
ligiösen Zugehörigkeit. Wenn Gläubige,<br />
die <strong>eine</strong>r religiösen Institution verbunden<br />
sind, an religiösen Erfahrungen <strong>eine</strong>r an<strong>der</strong>en<br />
Tradition teilnehmen – unabhängig<br />
davon, auf welcher Ebene diese Teilnahme<br />
stattfindet – , empfindet die religiöse<br />
Institution, aus <strong>der</strong> sie kommen, diesen<br />
Akt als <strong>eine</strong> Art „Treulosigkeit“. Dieses<br />
Empfinden stammt genau aus dem Verständnis<br />
von „Zugehörigkeit“, das die Institution<br />
gegenüber „ihren“ Gläubigen<br />
hegt. Die Institution fürchtet, dass die<br />
Gläubigen sich <strong>eine</strong>r an<strong>der</strong>en Institution<br />
zuwenden könnten. Genauer formuliert:<br />
die Institution fürchtet die Konversion.<br />
Als ob die Institution die Möglichkeit habe,<br />
in diesen Intimbereich des Glaubens<br />
eindringen zu können. Diese Furcht wirkt<br />
sich lähmend auf den Dialog aus.<br />
In <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />
stellt sich dieses Problem nicht. Auf <strong>der</strong><br />
Basis erfahrungsorientierter Identifikation<br />
ereignet sich <strong>der</strong> Austausch o<strong>der</strong> er<br />
ereignet sich nicht. Hier ist <strong>der</strong> persönliche<br />
Bereich involviert und nicht <strong>der</strong><br />
institutionelle. Und nach den Kategorien<br />
persönlichen Glaubens sind wir alle<br />
Pilger auf demselben Weg.<br />
9. These: Die meisten Religionen<br />
bilden sich, indem sie bereits vorhandene<br />
Religiositäten zusammenführen,<br />
einan<strong>der</strong> annähern und in<br />
Dialog miteinan<strong>der</strong> bringen. Die<br />
religiöse Erfahrung ist <strong>der</strong> Nährboden,<br />
aus dem stets Religion hervorgeht.<br />
Diese Aussage trifft nicht nur<br />
für die Vergangenheit zu, son<strong>der</strong>n<br />
beschreibt <strong>eine</strong> permanente historische<br />
Struktur.<br />
Viele Religionen bewahren liebevoll<br />
die Erinnerung und den Kontext ihres Ursprungs.<br />
Für viele haben diese Erinnerung<br />
und <strong>der</strong> Kontext des Ursprungs sogar institutionsbildenden<br />
und legitimierenden<br />
Charakter. Im geschichtlichen Verlauf<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen