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Das eine Geheimnis - Missionszentrale der Franziskaner

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2<br />

schaftlichen Beziehungen zu an<strong>der</strong>en<br />

Menschengruppen und zu den Geschöpfen<br />

<strong>der</strong> Natur, die er als s<strong>eine</strong> Geschwister<br />

bezeichnet. Diese Lebenseinstellung<br />

ist die Voraussetzung für s<strong>eine</strong> Entwicklung<br />

hin zum interreligiösen Dialog. Daher<br />

möchte ich zunächst die dialogische<br />

Existenz von Franziskus ganz allgemein<br />

darlegen, um danach s<strong>eine</strong> Dialogbeziehung<br />

zu den Moslems als Paradigma für<br />

den weitergefassten interreligiösen Dialog<br />

zu prüfen.<br />

Welche Persönlichkeitsmerkmale bestimmen<br />

sein dialogisches Verhalten zum<br />

An<strong>der</strong>en? Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit<br />

zu erheben, möchte ich zwei<br />

<strong>der</strong> wichtigsten Prinzipien s<strong>eine</strong>r Lebenseinstellung<br />

benennen: Entäußerung und<br />

Respekt vor dem An<strong>der</strong>en.<br />

2.1. Entäußerung<br />

Weil es für den Glaubenden k<strong>eine</strong>n<br />

Zufall gibt, kann man sagen, dass Gott<br />

selbst das Herz des Franziskus aus den bestehenden<br />

Sicherheiten löst, um es so zu<br />

formen, dass es sich <strong>eine</strong>r zutiefst dialogischen<br />

Haltung öffnen kann. Es ist <strong>der</strong><br />

Prozess <strong>eine</strong>r ständig sich vertiefenden<br />

Entäußerung o<strong>der</strong> Entblößung, bis er s<strong>eine</strong><br />

ganze Sicherheit in Gott verankert.<br />

Dazu gehören drei Schritte:<br />

a) Der Verzicht darauf, ein Adeliger<br />

zu werden, Güter zu besitzen und<br />

gesund zu sein.<br />

Die Nie<strong>der</strong>lage im Krieg gegen Perugia<br />

im Jahre 1202, die Gefängnishaft in<br />

<strong>der</strong> Festung dieser Stadt, die Malariaerkrankung,<br />

die ihn seitdem physisch immer<br />

mehr schwächt und ihm nur <strong>eine</strong> geringe<br />

Lebenserwartung verheißt – dieser<br />

erste schwere Zusammenbruch ist m<strong>eine</strong>s<br />

Erachtens entscheidend für die existentielle<br />

Kehrtwende von Franziskus. Die körperliche<br />

Gebrechlichkeit zwingt ihn dazu,<br />

das Leben zu überdenken und ihm<br />

<strong>eine</strong> an<strong>der</strong>e Richtung zu geben; langsam<br />

wächst in ihm die Überzeugung, dass<br />

sein damaliges Lebensziel we<strong>der</strong> wahre<br />

Hoffnung noch überzeugende Sicherheit<br />

bietet. Er entledigt sich <strong>der</strong> materiellen<br />

Güter durch <strong>eine</strong> immer stärkere Hinwendung<br />

zu den Armen, so dass <strong>der</strong> Vater<br />

ihm <strong>eine</strong>n Prozess macht, weil er die Güter<br />

<strong>der</strong> Familie verschleu<strong>der</strong>e. Er entledigt<br />

sich auch s<strong>eine</strong>s Bestrebens zum Adel zu<br />

gehören, das er seit den frühen Lebensjahren<br />

in sich genährt hatte. Er entledigt<br />

sich sogar des Rechtes, überhaupt etwas<br />

zu besitzen, und akzeptiert, als „Enteigneter“<br />

zu leben.<br />

b) Der Verzicht auf Macht und Selbstgenügsamkeit.<br />

Hinter <strong>der</strong> Position des Adeligen und<br />

bedeutenden Kaufmanns – gestützt auf<br />

den Besitz von Gütern – verbirgt sich <strong>der</strong><br />

Wunsch, das Ego immer mehr zu vergrößern.<br />

Die Versuchung <strong>der</strong> Macht ist<br />

stets verschlagen und spitzfindig, weil sie<br />

sich in tausend verschiedenen Gestalten<br />

maskieren kann. Sie kann sich ebenso als<br />

Kampf um’s Überleben tarnen wie als<br />

Streben nach persönlicher Heiligung (Pelagianischer<br />

Selbsterlösungsglaube). Die<br />

Evangelisten haben nicht einmal Jesus<br />

von Nazareth davon dispensiert, dieser<br />

Versuchung, die zum Menschsein gehört,<br />

zu wi<strong>der</strong>stehen. Jean-Marc Charron4 analysiert<br />

den Bekehrungsprozess des Franziskus<br />

und kommt zu dem Schluss, dass<br />

Franziskus die Versuchung <strong>der</strong> Macht erst<br />

besiegt habe, als er zwei Jahre vor s<strong>eine</strong>m<br />

Tod die Stigmatisierungserfahrung auf<br />

dem Monte La Verna macht. S<strong>eine</strong> ganze<br />

Lebensgeschichte ist daher ein ständiger<br />

Kampf mit dieser Versuchung. Nur das<br />

tiefe Vertrauen in die Abhängigkeit von<br />

Gott Vater kann ihn von s<strong>eine</strong>m Streben<br />

nach Macht befreien (denn je<strong>der</strong> Mensch<br />

braucht Sicherheit und das Gefühl von<br />

Stärke). Es ist sehr schwierig, um nicht zu<br />

sagen unmöglich, sich ohne den Glauben<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen

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