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Das eine Geheimnis - Missionszentrale der Franziskaner

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im Hause von an<strong>der</strong>en ist (Nichtbullierte<br />

Regel 14,2-3), in diesem Licht verstanden<br />

werden. Denn das Essen zurückzuweisen,<br />

in dem sich Kultur und ökonomische Lebensbedingungen<br />

des Gastgebenden<br />

ausdrücken, kann heißen, den An<strong>der</strong>en<br />

abzulehnen und die eigene Überlegenheit<br />

zu bestätigen.<br />

c) „We<strong>der</strong> Zank noch Streit beginnen“<br />

(Nichtbullierte Regel 16,6) 10 .<br />

Hier geht es darum, <strong>der</strong> Versuchung<br />

zu wi<strong>der</strong>stehen, den An<strong>der</strong>en mit <strong>der</strong> Rationalität<br />

zu bezwingen, ihn durch Argumentation<br />

zu besiegen. Franziskus desavouiert<br />

dieses Vorgehen, obwohl diese<br />

Praxis überall bekannt war und gepflegt<br />

wurde, vor allem in Religionsangelegenheiten.<br />

Ein solches Verhalten steht im Wi<strong>der</strong>spruch<br />

zur Dialogbereitschaft, denn<br />

statt die (kl<strong>eine</strong>n) positiven Aspekte des<br />

An<strong>der</strong>en wertzuschätzen, sucht es genau<br />

dessen Begrenztheit auszumachen<br />

– wenn nicht sogar s<strong>eine</strong> Argumente<br />

absichtlich zu verzerren – mit dem Ziel,<br />

ihn in Wi<strong>der</strong>sprüche zu verwickeln, bis er<br />

schließlich besiegt ist. Ein Unterlegener<br />

aber wird sich nicht als wirklicher Bru<strong>der</strong><br />

empfinden.<br />

d) „Um Gottes willen je<strong>der</strong> menschlichen<br />

Kreatur untertan sein“<br />

(Nichtbullierte Regel 16,6) 11 .<br />

Hier handelt es sich um die Haltung<br />

<strong>der</strong> kenosis (<strong>der</strong> Erniedrigung), die Franziskus<br />

in Inkarnation, Leben, Passion und<br />

Tod Jesu Christi entdeckt, im urchristlichen<br />

christologischen Hymnus aus dem<br />

Philipperbrief (Phil 2,6-11) wun<strong>der</strong>bar<br />

zusammengefasst. Diese Haltung steht<br />

im diametralen Gegensatz zur Haltung<br />

<strong>der</strong> Unterdrückermacht. Die Haltung,<br />

sich selbst untertan zu machen statt den<br />

An<strong>der</strong>en durch Unterdrückung zu nötigen,<br />

bringt den An<strong>der</strong>en dazu, sich wichtig,<br />

wertgeschätzt, geliebt, zutiefst ange-<br />

nommen und beglaubigt zu fühlen, statt<br />

sich als Knecht vorzukommen. In dieser<br />

Praxis findet sich <strong>eine</strong> Haltung, die es gestattet,<br />

zwar nicht den Ursprung, aber<br />

zumindest die Gewalt unterdrückerischer<br />

Macht zu beseitigen und sie in <strong>eine</strong>n zuvorkommenden<br />

Dienst am Leben des<br />

An<strong>der</strong>en zu verwandeln. Sie ist die Regel<br />

„Einer wasche des an<strong>der</strong>en Füße“ (Nichtbullierte<br />

Regel 6,4). Vielleicht haben nur<br />

wenige historische Persönlichkeiten sich<br />

so eifrig um die Haltung des Dienens bemüht<br />

wie Franziskus, insbeson<strong>der</strong>e wenn<br />

wir die Texte vor 1223 bedenken und jene<br />

mehr persönlichen Charakters.<br />

Diese kurzen Feststellungen weisen<br />

darauf hin, dass sich interreligiöser<br />

Dialog dort ereignet, wo angemessene<br />

menschliche Bedingungen existieren 12 .<br />

Der gute Wille zum interreligiösen Dialog<br />

reicht nicht aus. Verlangt ist vielmehr ein<br />

entsprechend bereitetes menschliches<br />

Terrain bzw. Klima. Franziskus kann den<br />

prophetischen Dialog nur leben, weil es<br />

in ihm diese menschliche Voraussetzung<br />

gibt, an <strong>der</strong> er selbst mühevoll und mit<br />

Hilfe <strong>der</strong> göttlichen Gnade gearbeitet hat.<br />

Deshalb ist <strong>der</strong> prophetische Dialog, wie<br />

er sich im Sonnengesang gegenüber allen<br />

Geschöpfen manifestiert, ebenso bedeutsam<br />

wie <strong>der</strong> prophetische interreligiöse<br />

Dialog des Franziskus mit den Sarazenen.<br />

Darin sind alle nicht mehr und nicht weniger<br />

Geschwister, als ob es zwischen allen<br />

Wesen des gesamten Universums <strong>eine</strong><br />

einzige Art von Blutsverwandtschaft gäbe.<br />

Solche „radikale“ Geschwisterlichkeit<br />

ist die Grundlage jeglichen Dialogs, auch<br />

des interreligiösen.<br />

Ich glaube, dass wir nach diesen<br />

kurzen Vorüberlegungen zum dritten Teil<br />

übergehen können, in dem wir uns dem<br />

eigentlichen Thema unserer Reflexion<br />

zuwenden, nicht so sehr um herauszufinden,<br />

was Franziskus dafür tat, den interreligiösen<br />

Dialog zustande zu bringen,<br />

Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen

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