Das eine Geheimnis - Missionszentrale der Franziskaner
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<strong>der</strong> Religion mit all ihren möglichen und<br />
denkbaren Entfaltungen werden Gründungsmomente,Grün<strong>der</strong>persönlichkeiten<br />
o<strong>der</strong> Gründungsereignisse als institutionsstiftende<br />
Autorität anerkannt.<br />
Historische Entwicklungen werden häufig<br />
mit Rückgriff auf diese Ursprünge legitimiert.<br />
Ausgehend von dieser Feststellung<br />
lässt sich erkennen, dass ein großer<br />
Teil <strong>der</strong> religiösen Institutionen in ihren<br />
Ursprung <strong>eine</strong> gewisse Aura „ursprünglicher<br />
Reinheit“ projiziert. Man schafft<br />
den „Mythos“ <strong>eine</strong>s „r<strong>eine</strong>n“ Moments<br />
bzw. <strong>eine</strong>s Referenzmoments, <strong>der</strong> noch<br />
nicht von irgend<strong>eine</strong>r an<strong>der</strong>en Quelle<br />
„kontaminiert“ ist. Im Vergleich mit <strong>der</strong><br />
„ursprünglichen Reinheit“ werden die historischen<br />
Verän<strong>der</strong>ungen, die die Religionen<br />
zweifellos durchlaufen, nicht selten<br />
als „Degeneration“ betrachtet.<br />
Mit etwas Abstand und Neutralität<br />
betrachtet, gibt es k<strong>eine</strong> einzige Religion,<br />
die an ihrem Ursprung irgend<strong>eine</strong>n „r<strong>eine</strong>n“,<br />
noch nicht „kontaminierten“ Moment<br />
gehabt hätte. Die religiösen Traditionen<br />
umfassen und ver<strong>eine</strong>n in sich<br />
viele „Religiositäten“ unterschiedlichen<br />
Ursprungs und bilden sich zum großen<br />
Teil auf <strong>der</strong> Basis von Verknüpfungen und<br />
Annäherungen heraus. Daher kann man<br />
sagen, dass die religiösen Traditionen teilweise<br />
in sich selbst bereits Resultate von<br />
interreligiösen Dialogen in <strong>der</strong> Perspektive<br />
<strong>der</strong> Religiosität sind.<br />
Auch diese Aussage bezieht sich k<strong>eine</strong>swegs<br />
nur auf die Vergangenheit. Der<br />
Dialog auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Religiosität, also<br />
auf <strong>der</strong> Basis religiöser Erfahrung, ist<br />
m<strong>eine</strong>s Erachtens <strong>eine</strong> permanente Struktur<br />
in <strong>der</strong> Religionsgeschichte und k<strong>eine</strong><br />
historische Ausnahme. Geschichte meint<br />
hierauchdiepersönlicheGeschichtejedes<br />
Menschen. Daher kann man sagen, dass<br />
Religion immer aus dem Nährboden religiöser<br />
Erfahrung entsteht. Und von daher<br />
ergibt sich die Folgerung, dass Religion<br />
Berkenbrock – Interreligiöser Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />
immer in <strong>der</strong> Geschichte entsteht. Religiosität<br />
ist integrieren<strong>der</strong> Bestandteil <strong>der</strong><br />
menschlichen Geschichtlichkeit.<br />
10. These: Der interreligiöse Dialog<br />
in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />
(<strong>der</strong> religiösen Erfahrung)<br />
ist <strong>eine</strong>r <strong>der</strong> Hauptfaktoren für die<br />
Evolution und Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Religion.<br />
Häresie ist die Chance von etwas<br />
Neuem.<br />
Um diese letzte These noch deutlicher<br />
zu formulieren: Der Dialog auf <strong>der</strong><br />
Basis <strong>der</strong> Identifikation mit <strong>der</strong> religiösen<br />
Erfahrung ist <strong>eine</strong>r <strong>der</strong> wichtigsten Faktoren<br />
<strong>der</strong> Evolution und Verän<strong>der</strong>ung<br />
von Religion in <strong>der</strong> Geschichte. Deutlicher<br />
formuliert: Der Dialog auf <strong>der</strong> Basis<br />
<strong>der</strong> Religiosität ist ein wichtiger Mechanismus<br />
dafür, dass Religion historisch<br />
konkret wird. Unabhängig von <strong>eine</strong>r religiösen<br />
Institution bleibt Religion immer<br />
gebunden an ein religiöses „Wesen“.<br />
Und dieses religiöse Wesen ist konkret, es<br />
„macht sich“, es „konstruiert sich“ auf historische<br />
Weise. Es ist nie ein für alle mal<br />
fertig. Da es sich hier um <strong>eine</strong> Struktur<br />
des Menschseins handelt, ist dieses „Sich-<br />
Machen“, „Sich-Konstruieren“ immer ein<br />
„Sich-Neu-Machen“, ein „Sich-Rekonstruieren“.<br />
Deshalb kann man – cum grano<br />
salis – behaupten, dass die Häresie die<br />
Chance des Neuen in sich birgt.<br />
Übersetzung aus dem bras. Portugiesisch:<br />
Norbert Arntz / Maria Schwabe<br />
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