Das eine Geheimnis - Missionszentrale der Franziskaner
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1<br />
etwas, das „gesagt“ wurde, son<strong>der</strong>n um<br />
etwas, das „gesagt und getan wurde“.<br />
Zum an<strong>der</strong>n kann man feststellen,<br />
dass „im Angebot von religiösen Dienstleistungen“<br />
auch Einzelmenschen <strong>eine</strong><br />
Rolle spielen, die in verschiedenen Lebensumständen<br />
als Mittler aufgesucht<br />
werden: bei Krankheit, Missgeschick,<br />
Unfall, Schicksalsschlägen, Beratungen<br />
in Liebesangelegenheiten und beim Tod<br />
von Menschen, aber auch im Falle von Investitions-<br />
und Unternehmertätigkeiten,<br />
bei Verlobungen und Hochzeiten. Solche<br />
Menschen legen die Hände auf, verrichten<br />
Gebete, heilen, vollziehen Riten o<strong>der</strong><br />
lassen sie vollziehen, geben Ratschläge<br />
und sagen die Zukunft voraus. Oftmals<br />
sind solche Menschen sogar mit irgend<strong>eine</strong>r<br />
religiösen Institution verbunden, wie<br />
z. B. ein „pai-de-santo“ (Anm. d. Red.:<br />
höchste religiöse Autorität im afro-brasilianischen<br />
Kult), <strong>der</strong> dazu anhält, Riten zu<br />
vollziehen, ein Pastor, <strong>der</strong> ein wirksames<br />
Gebet lehrt, ein Pater, <strong>der</strong> die Hände<br />
auflegt, o<strong>der</strong> <strong>eine</strong> Nonne, die Tees „verschreibt“.<br />
Auch wenn diese Personen <strong>eine</strong>r Institution<br />
angehören, so vollziehen sie die<br />
Handlungen doch häufig am Rande <strong>der</strong><br />
Institution. Im Rahmen dieses Angebots<br />
von religiösen Dienstleistungen ließe sich<br />
noch vieles mehr sagen. Doch sollen diese<br />
beiden Hinweise genügen, um auf das<br />
Anliegen aufmerksam zu machen.<br />
In den hier geschil<strong>der</strong>ten Arten des<br />
Austauschs werden vor allem zwei Faktoren<br />
sichtbar, die weiter oben bereits<br />
als unabdingbar für den interreligiösen<br />
Dialog in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />
genannt wurden: die Logik <strong>der</strong> Identifikation<br />
und die Logik des Bemühens um<br />
ein gemeinsames Ziel. Menschen, die<br />
durch die religiösen Dienstleistungen<br />
Erfahrungen machen, suchen nach ihnen,<br />
weil sie gemeinsame Ziele erreichen<br />
wollen; sie suchen nach diesen Ange-<br />
boten, weil sie sich in irgend<strong>eine</strong>r Weise<br />
mit ihnen identifizieren. Dieses Bemühen<br />
und diese Identifikation wirken<br />
zusammen, so dass dort wirklich ein interreligiöser<br />
Dialog in <strong>der</strong> Perspektive<br />
<strong>der</strong> Religiosität stattfindet.<br />
6. These: Der interreligiöse Dialog<br />
in <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Religiosität<br />
hat – da er sich um die institutionelle<br />
Struktur nicht kümmert<br />
- mehr den Charakter <strong>eine</strong>s Ereignisses,<br />
<strong>eine</strong>s Erlebnisses, <strong>eine</strong>s Momentes,<br />
als den <strong>eine</strong>s Bemühens<br />
um „Verantwortung“ bzw. um den<br />
„Aufbau von Strukturen“.<br />
Im Kontext <strong>eine</strong>r Religiosität, die auf<br />
<strong>der</strong> religiösen Erfahrung beruht, ist <strong>der</strong> interreligiöse<br />
Dialog, das heißt die Identifikation<br />
und <strong>der</strong> Austausch mit <strong>eine</strong>r an<strong>der</strong>en<br />
religiösen Erfahrung, charakterisiert<br />
durch das, was ihn auch hervorbringt,<br />
durch s<strong>eine</strong> erfahrungsbestimmte, erlebnisorientierte<br />
und momentane Gestalt.<br />
Da er sich auf dieser Ebene – zumindest<br />
anfangs – gar nicht um die institutionelle<br />
religiöse Struktur kümmert, verfügt er<br />
auch nicht über <strong>der</strong>en Schwerfälligkeit.<br />
Der Volksmund sagt: „Wer weiß, handelt.<br />
Wer nicht weiß, bildet <strong>eine</strong>n Arbeitskreis!“<br />
Den wahren Kern dieser scherzhaften<br />
Bemerkung kann man auf unser<br />
Thema übertragen. Die Institutionen,<br />
besorgt darum, den interreligiösen Dialog<br />
in Gang zu bringen, aber nicht genau<br />
wissend, wie man das machen könnte,<br />
berufen Kommissionen und ernennen<br />
Verantwortliche für dieses Anliegen. Diese<br />
wie<strong>der</strong>um veranstalten Treffen und<br />
Foren, bilden Studiengruppen und bilaterale<br />
Kommissionen mit dem jeweiligen<br />
Gegenüber an<strong>der</strong>er Institutionen, also<br />
mit den zu diesem Zweck von an<strong>der</strong>en Institutionen<br />
eingesetzten Kommissionen.<br />
In <strong>eine</strong>r solchen Umgebung betreibt man<br />
mehr Studien über den Dialog als den Di-<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen