Das eine Geheimnis - Missionszentrale der Franziskaner
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(horizontal), dass alle in <strong>der</strong> Haltung leben,<br />
einan<strong>der</strong> die Füße zu waschen, dass<br />
<strong>der</strong> Obere sich verhalte wie <strong>der</strong> Unterste,<br />
dass jede Form von Privilegien vermieden<br />
werde etc.<br />
Der Text, <strong>der</strong> als „Die wahre und<br />
vollkommene Freude“ bekannt ist 5 , zielt<br />
darauf, alle Formen <strong>der</strong> Macht zu bekämpfen.<br />
Im ersten Teil beschreibt er das<br />
Bemühen, Selbstbestätigung zu suchen<br />
durch wissenschaftliche Macht (Magister)<br />
o<strong>der</strong> durch politische und wirtschaftliche<br />
Macht (Könige) und sogar durch<br />
religiöse bzw. heilige Macht (Bischöfe,<br />
Prälaten und Wun<strong>der</strong>macht....). Die unheilvolle<br />
Seite <strong>der</strong> Macht verhin<strong>der</strong>t es,<br />
den Geringen und Gebrechlichen, <strong>der</strong><br />
nachts hungrig und frierend an die Pforte<br />
kommt, zu erkennen, und macht blind<br />
für die Werte, die sich unter s<strong>eine</strong>n Lumpen<br />
und unter den moralischen Vorurteilen<br />
verbergen. Die neue Sicherheit und<br />
Macht des Franziskus stammen jetzt aus<br />
dem Evangelium, <strong>der</strong> „höchsten Norm<br />
für das Leben“, und von dem, <strong>der</strong> es gelebt<br />
hat, Jesus Christus (Off. XV,7).<br />
c) Der Verzicht auf die Sicherheit<br />
emotional-familiärer Beziehungen.<br />
In <strong>der</strong> Lebensgeschichte des Franziskus<br />
ist dies <strong>der</strong> dritte Schritt. Sein erster<br />
Biograph, Thomas von Celano, deutet<br />
den Prozess <strong>der</strong> Entäußerung vor dem<br />
Bischof fast ausschließlich als Prozess <strong>der</strong><br />
Entäußerung von materiellen Gütern. Davon<br />
ist Franziskus jedoch längst befreit.<br />
Heute weisen einige Gelehrte darauf hin,<br />
dass zu den Motiven für den Prozess gegen<br />
Franziskus auch gehören: die Entehrung,<br />
die er <strong>der</strong> Familie wegen s<strong>eine</strong>r Entscheidung<br />
zufügt, als ein Armer zu leben,<br />
<strong>der</strong> Bruch mit den gesellschaftlichen Konventionen,<br />
die den Besuch von Leprosen<br />
untersagen, die demonstrative Verweigerung<br />
des Gehorsams gegenüber den<br />
Anordnungen des Vaters etc. Darüber<br />
hinaus gibt es auch noch <strong>eine</strong>n an<strong>der</strong>en<br />
Aspekt: den Ausschluss aus <strong>der</strong> Familie.<br />
In diesem Moment erlebt Franziskus die<br />
dritte Enteignung, den Verzicht auf die<br />
Sicherheit familiärer Beziehungen. Franziskus<br />
offenbart diese Einstellung, wenn<br />
er sagt: „Von jetzt an kann ich nur noch<br />
sagen ‚Vater unser im Himmel’ und nicht<br />
mehr ‚Vater Pietro Bernardone’“. Er hat<br />
k<strong>eine</strong>n irdischen Vater mehr. Er gehört<br />
nicht mehr zu s<strong>eine</strong>r Familie. Er lässt die<br />
Weltanschauung, die er in s<strong>eine</strong>r Familie<br />
angenommen und die beinahe heilige<br />
Bedeutung hatte, hinter sich. Dadurch<br />
s<strong>eine</strong>r Blutsfamilie beraubt, freut er sich,<br />
dass er bereits zu <strong>eine</strong>r an<strong>der</strong>en Familie<br />
gehört 6 – die Familie <strong>der</strong> Leprosen enthüllt<br />
ihm <strong>eine</strong> neue, viel schönere und<br />
tiefreichen<strong>der</strong>e Sicht menschlicher Beziehungen.<br />
7 Wer sich einmal mit klarer Einsicht<br />
an Jesus Christus und sein Evangelium<br />
gehängt hat, kann in <strong>der</strong> Tat auf Güter<br />
verzichten, auf das private Leben und auf<br />
die emotionalen Bindungen an die Familie<br />
8 . <strong>Das</strong> Evangelium bestätigt, dass<br />
die neue Familie nicht mehr durch Blutsbande,<br />
son<strong>der</strong>n von jenen gebildet wird,<br />
die den Willen des Vaters tun (Mk 3,33).<br />
Dieser dritte Verzicht ist <strong>der</strong> schwierigste,<br />
weil er den Menschen ansch<strong>eine</strong>nd ohne<br />
menschliche Unterstützung zurücklässt.<br />
Diese Formen des Verzichts, die das „enteignete<br />
Leben“ ausmachen, bilden die<br />
existentielle Voraussetzung dafür, dass<br />
Franziskus dahin findet, sich „mitten unter<br />
den an<strong>der</strong>en“ als ein Bru<strong>der</strong> unter Geschwistern<br />
zu fühlen, weil er jemand ist,<br />
<strong>der</strong> „sich und s<strong>eine</strong>n Leib dem Herrn Jesus<br />
Christus übergeben hat“ (vgl. NbReg<br />
16,10). Der aktive Aneignungstrieb ist<br />
stets daran interessiert, Menschen und Sachen<br />
zu verobjektivieren. <strong>Das</strong> zieht mit Sicherheit<br />
asymmetrische Beziehungen <strong>der</strong><br />
Macht und <strong>der</strong> Überlegenheit in Bezug<br />
auf die an<strong>der</strong>en nach sich. Unter solchen<br />
Umständen haben Geschwisterlichkeit<br />
Grüne Schriftenreihe Nr. 99 – <strong>Das</strong> <strong>eine</strong> <strong>Geheimnis</strong> und die vielen Religionen