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34 Kultur<br />
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folgten die Studenten, die sich auf den<br />
stufenförmig ansteigenden Rängen des<br />
anatomischen Theaters drängten, seinen<br />
Ausführungen. Dieser neuartige Lehrsaal,<br />
der auf das Drängen von Girolamo Fabricio<br />
gebaut worden war, hatte seine besondere<br />
Gestalt, damit die Studenten<br />
nicht nur hören, sondern auch sehen<br />
konnten. Nicht bloß Studenten, sondern<br />
auch gestandene Ärzte, besonders die<br />
Chirurgen der Stadt und des Landes, aber<br />
auch wissbegierige Adlige und angesehene<br />
Bürger standen bald auf den oval<br />
um den zentralen Sektionstisch verlaufenden,<br />
ansteigenden Zuschauerplätzen.<br />
Fabricio interessierte sich für alle Gebilde<br />
des menschlichen Körpers, die er bei seinen<br />
Sektionen fand und ergründete nicht<br />
nur ihr Aussehen, sondern auch ihre<br />
Funktion.<br />
Ein altes Rätsel der biologischen Forschung<br />
beschäftigte ihn in besonderem<br />
Maße: Wie entstand aus einem Lebewesen<br />
ein neues Lebewesen? Wie pflanzten<br />
sich Tiere und auch der Mensch fort? Er<br />
unternahm systematische Untersuchungen<br />
an bebrüteten Hühnereiern, erforschte<br />
das Heranwachsen des Hühnerembryos<br />
in allen Phasen und veröffentlichte<br />
die Ergebnisse in seinem Buch De<br />
formatu foetu . Fabricio gilt heute noch<br />
als der Begründer der Embryologie.<br />
Eine anatomische Entdeckung des Fabrizius<br />
steht in einer wichtigen Beziehung zum System<br />
des menschlichen Blutkreislaufes: Er<br />
beschrieb ausführlich im Jahr 1603 in seinem<br />
Werk De venarum osteolis die Venenklappen<br />
in den Venen der Beine. Diese<br />
zipfelartigen, in die Lichtung hinein ragenden<br />
Gebilde der Innenwand der Venen, die<br />
etwa fünfzig Jahre zuvor bereits der Anatom<br />
Charles Estienne erwähnt hatte, dienen dazu,<br />
wie wir heute wissen, den venösen<br />
Blutstrom von der Peripherie in Richtung<br />
Herz stabil zu halten und einen Rückfluss in<br />
die Beine zu verhüten. Fabrizius selbst deutete<br />
die von ihm entdeckten Venenklappen<br />
allerdings falsch als Vorrichtung zur Verlangsamung<br />
des Blutstromes, was er für die<br />
Resorption von Nährstoffen aus dem Blut<br />
für notwendig hielt.<br />
Auf den Rängen des Theatrum anatomicum<br />
in Padua stand auch ein junger Student aus<br />
Britannien, der gebannt alles aufnahm, was<br />
der große Fabrizius unten im Oval über die<br />
Blutgefäße und die von ihm entdeckten<br />
Venenklappen dozierte: William Harvey, der<br />
zum Entdecker eines der wichtigsten Systeme<br />
des Körpers werden sollte.<br />
Der Blutkreislauf, Claudius Galenus und<br />
William Harvey<br />
Dass es im Körper das Blut gibt und dass<br />
diese rote Flüssigkeit sich im Organismus<br />
auf irgend eine Art und Weise bewegt,<br />
herumfließt und lebenswichtig ist, wusste<br />
man seit Urzeiten. Wenn es dem Jäger der<br />
Vorzeit gelungen war, ein Tier mit seiner<br />
primitiven Waffe tödlich zu verletzen, so<br />
konnte er beobachten, dass das rote Blut in<br />
Strömen aus der Wunde floss, manchmal<br />
sogar pulsierend herausspritzte und das<br />
Leben aus dem erlegten Tier entwich.<br />
Der griechisch-römische Arzt und Schriftsteller<br />
Claudius Galenus, der von 129 bis 199<br />
n.Chr. lebte und einer der Hauptverfechter<br />
der Viersäftelehre war, lehrte, dass die vier<br />
Lebensäfte Blut, Schleim, schwarze und<br />
gelbe Galle im richtigen Verhältnis zu ei-