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FORMEN DES WIDERSTANDS - Stadtgespräche Rostock

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nicht die Parteien, weder SPD, noch FDP oder Grüne, die die<br />

Blockade unterstützt haben.<br />

<strong>Stadtgespräche</strong>: Liegt es an dieser fehlenden Positionierung,<br />

dass es <strong>Rostock</strong> nicht gelingt, die Auffassung<br />

„Nazis wollen wir hier nicht haben“ glaubhaft<br />

nach außen zu vertreten?<br />

Steffen Vogt: Da würde mich tatsächlich interessieren, warum<br />

das proklamierte Gesichtzeigen nicht tatsächlich stattfindet.<br />

Ich weiß nicht, wo die Ängste liegen. Und es sind nicht nur die<br />

Parteien und Bürgerschaftsabgeordneten, die im Vorfeld dummes<br />

Zeug geredet haben, sondern auch Teile der Kirche, die<br />

ganz undankbare Öffentlichkeitsarbeit gemacht haben - auch<br />

ein Pastor oder eine Pastorin sollte wissen, wann es Zeit ist<br />

nichts zu sagen. Wenn eine Pastorin in der Ostseezeitung mit<br />

den Worten zitiert wird, man wolle sich nicht von irgendwelchen<br />

linken Gruppen vereinnahmen lassen, dann ist das einfach<br />

ganz großer Blödsinn. Für solchen Quatsch sollte sie sich<br />

bei den Akteuren entschuldigen. Ebenso wie für das Gerede<br />

von zunehmender Gewalt von Links UND Rechts. Das ist unredlich<br />

- es hat in <strong>Rostock</strong> bei Demonstrationen oder Blockaden<br />

gegen Nazis in den letzten zehn Jahren niemals an irgendeiner<br />

Stelle Gewalt gegeben. Die Leute sollten sich die Mühe<br />

machen, mit den Gruppen ins Gespräch zu kommen, statt solche<br />

Unwahrheiten zu streuen.<br />

<strong>Stadtgespräche</strong>: Ist es nicht so, dass solche Grenzziehungen<br />

eher dazu beitragen, eine klarere Außenwirkung<br />

der Stadt <strong>Rostock</strong> zu verhindern?<br />

Steffen Vogt: Die Akteure, die für diese Unklarheit gesorgt haben,<br />

müssen sich vergegenwärtigen, dass sie es mit einer Bevölkerung<br />

zu tun haben, die eine Stellungnahme erwartet. Oder<br />

der diese Stellungnahme gut tun würde. Und ich denke, dass<br />

die <strong>Rostock</strong>er Bevölkerung ein Recht darauf hat, dass ihre Abgeordneten<br />

sich positionieren - ebenso wie die Gemeindemitglieder<br />

der evangelischen Kirche von ihren Pastoren eine rechtschaffende<br />

Äußerung erwarten können. Wobei meine Kritik an<br />

der Kirche sich nur auf Einzelpersonen bezieht. Der Landessuperintendent<br />

hat sich sehr klar positioniert, die Blockade ebenso<br />

unterstützt wie Tilman Jeremias – dafür sind wir sehr dankbar,<br />

das war hilfreich.<br />

<strong>Stadtgespräche</strong>: Zu Deinem Vorwurf, auch an einige<br />

Parteien, sich mit unzureichenden Formen des Widerstandes<br />

zufriedenzugeben: Was sind, nach Deiner<br />

Auffassung, heutzutage sinnvolle Formen politischen<br />

Widerstands?<br />

Steffen Vogt: Die effektiven Möglichkeiten sich gegen Nazis zu<br />

engagieren sind ja sehr vielfältig. Und ich werde das Problem<br />

nicht durch Verhinderung eines Naziaufmarschs lösen – auch<br />

nicht durch Verhinderung von zehn Aufmärschen. Trotzdem<br />

ist das wichtig. Wenn wir antreten, um in dieser Stadt den Nazis<br />

die Stirn zu bieten, ist das billiger nicht zu haben. Ein Infostand<br />

verhindert keinen Naziaufmarsch. Und den zu verhindern<br />

war wichtig, weil es völlig inakzeptabel ist, den Nazis Lütten<br />

Klein als Zentrum des Nordwestens als Plattform für ihre<br />

verfassungsfeindliche Propaganda anzubieten. Und wenn ich<br />

nicht will, dass die Nazis durch Lütten Klein trommeln und<br />

posaunen, muss ich mich fragen, wie ich das verhindern kann.<br />

Ich halte die Blockade für die einzige wirkungsvolle Form - ein<br />

Fest an einem anderen Ort nicht. Und wenn der Ort dann<br />

noch so weit entfernt liegt wie die Marschroute des DGB, kann<br />

ich auch gegen die Verbreitung der Malaria am Nordpol demonstrieren.<br />

Wir haben zu dieser Frage eine klare Position. Wir sind ja tatsächlich<br />

in dem Dilemma, dass die ganz klar als verfassungsfeindlich<br />

eingestufte NPD die Verfassung bemühen möchte,<br />

um ihre Propaganda zu verbreiten. Dagegen gibt es, so lange<br />

die NPD nicht verboten ist, nur Zivilcourage und zivilen Ungehorsam.<br />

Wenn dann andere Mittel gegriffen haben, um das<br />

Problem des Rechtsextremismus einzudämmen, werden wir<br />

auch keine Blockade mehr brauchen.<br />

<strong>Stadtgespräche</strong>: Wie bewertest Du die Rolle der Polizei<br />

an diesem 1. Mai 2010?<br />

Steffen Vogt: Auf den 1. Mai bezogen sehe ich die Rolle der Polizei<br />

insgesamt nicht als problematisch. Es war dort keine provokative<br />

Polizeipräsenz, kein aggressives Auftreten, wie wir es<br />

in anderen Fällen schon hatten. Und die Mehrheit der Beamten<br />

vor Ort war gesprächsbereit, das war in Ordnung. Problematisch<br />

waren zwei Dinge am Rande: Die herbeigeredete Gefährdungslage,<br />

die ein Verbot der Kundgebung rechtfertigen<br />

sollte. Und die Nazidemo in Groß Klein, bei der es zu Übergriffen<br />

aus der Demo heraus kam, z. B. gegen Journalisten, die<br />

die Polizei nicht ausreichend geschützt hat. Hier hätten wir uns<br />

eine ähnliche Polizeipräsenz wie noch am Vorabend in Lichtenhagen<br />

gewünscht.<br />

Bei aller Kritik: Wir haben nicht nur für den 1. Mai und Lütten<br />

Klein etwas erreicht, sondern ein weiteres Beispiel für die<br />

Stadt geliefert, dass es machbar ist – dass mutige Dinge möglich<br />

und praktikabel sind. Wir erhoffen uns ein Aufwachen<br />

von Leuten in politischer Verantwortung. Und ein Aufwachen<br />

von Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt, die sich, trotz Sympathie<br />

mit dem Anliegen, vorsichtig verhalten haben. Der 1.<br />

Mai hat gezeigt: Eine Blockade ist nichts Schlimmes, sie funktioniert<br />

und hat nichts mit Gewalt zu tun. Es können sich auch<br />

viele Bürger daran beteiligen. Und je mehr Menschen sich an<br />

einer Massenblockade beteiligen, desto sicherer ist, dass sie kein<br />

Reinfall wird. Sondern eine klare politische Langzeitwirkung<br />

hat. Insofern erhoffe ich mir für die Zukunft so Einiges. ¬

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