FORMEN DES WIDERSTANDS - Stadtgespräche Rostock
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00.5 __ //// TITELTHEMA<br />
„Nach deutschem Recht<br />
wäre kaum eine niedrige-<br />
re Bestrafung zu erreichen<br />
gewesen“<br />
REINHARD KIRPES IST FACHANWALT FÜR STRAFRECHT UND ZUGELASSEN AM INTERNATIONALEN STRAFGERICHTSHOF<br />
(ITCA) IN DEN HAAG. KONTAKT ÜBER DIE REDAKTION<br />
Als im November 2009 die Nachricht veröffentlicht wurde, dass die beiden als Gipfelgegner zum NATO-Gipfel<br />
gereisten <strong>Rostock</strong>er zu einer Haftstrafe von 4 Jahren verurteilt wurden, sorgte dies bei Vielen für große<br />
Bestürzung. Die Presseberichterstattung zum Thema ließ viele Fragen offen, so dass es auch jetzt, ein halbes<br />
Jahr später, schwer ist, sich ein umfassendes Bild von den Ereignissen in Strasbourg, den Vorgängen<br />
die zur Verurteilung führten sowie den politischen Hintergründen zu machen. Die <strong>Stadtgespräche</strong> haben<br />
RA Reinhard Kirpes aus Offenburg darum gebeten, seine Sicht auf die Dinge darzulegen – er ist einer der<br />
beiden Verteidiger der Verurteilten.<br />
Am 3. und 4, April 2009 fand, grenzüberschreitend, in Kehl<br />
und Strasbourg ein NATO-Gipfeltreffen statt, welches schon<br />
seit Monaten allseits akribisch vorbereitet worden war. Nach<br />
einigen politischen Diskussionen wurde den Gegnern dieses<br />
Gipfels gestattet, am Rande von Strasbourg ein Camp zu beziehen,<br />
welches in den Tagen des Gipfeltreffens Schauplatz einiger<br />
Auseinandersetzungen gewesen ist.<br />
Ich selbst war am Mittwoch, dem 1. April, und am Freitag,<br />
dem 3. April 2009, vor Ort. Die Einsatzkräfte, das heißt entgegen<br />
den offiziellen Verlautbarungen Deutsche und Franzosen<br />
gemeinsam, sowohl was Personen als auch Gerät anging, waren<br />
massiv präsent und griffen bei dem geringsten Anlass hart<br />
durch. So genannte Vermummte waren in der Minderzahl, haben<br />
gleichwohl die politische Diskussion im Gefolge der Auseinandersetzungen<br />
rund um die Europabrücke in<br />
Kehl/Strasbourg vor allem in den französischen Medien beherrscht.<br />
Das Phänomen der in Deutschland so bezeichneten<br />
black blocks war bis dato in Frankreich nicht bekannt.<br />
Am Samstag, dem 4. April 2009, war ich in Strasbourg vor Ort.<br />
Ich hatte dort übernachtet, weil mir als Einheimischem klar<br />
war, dass sich abzeichnende Demonstrationen und Auseinandersetzungen<br />
sehr schnell auf den Bereich der Europabrücke<br />
konzentrieren wurden, welche dann auch früh gesperrt worden<br />
ist. Auf deutscher Seite waren mehrere Tausend Polizeibeamte<br />
im Einsatz, Straßen wurden gesperrt, Kontrollstellen eingerichtet,<br />
Grenzübergänge überwacht: Auf kaltem Wege wurde das<br />
Demonstrationsrecht schlicht außer Kraft gesetzt. Ich hielt<br />
und halte alle Beteuerungen der politisch Beteiligen, man werde<br />
das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit achten, für reine,<br />
gar zynische Lippenbekenntnisse: Das - nicht erklärte – Ziel<br />
war, Demonstrationen durch das Schaffen von Fakten zu verhindern.<br />
Diese Rechnung ist auf deutscher Seite auch aufgegangen.<br />
Auf französischer Seite zogen ab 10.00 Uhr am Samstagmorgen<br />
einige Demonstrationszüge, aus verschiedenen Richtungen<br />
kommend, zum vorgesehenen Kundgebungsplatz unweit der