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FORMEN DES WIDERSTANDS - Stadtgespräche Rostock

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0.13 __ //// TITELTHEMA<br />

Zum Grundrecht auf<br />

Versammlungsfreiheit<br />

ELKE STEVEN, KOMITEE FÜR GRUNDRECHTE UND DEMOKRATIE<br />

Der Streit um das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist alt.<br />

Die Zweifel an der uneingeschränkten Geltung eines Grundrechts,<br />

dessen Inanspruchnahme fast zwangsläufig für Unruhe<br />

sorgt, kommen schon im Grundgesetz zum Ausdruck. Zwar<br />

haben „alle Deutschen“ „das Recht, sich ohne Anmeldung oder<br />

Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“ (Art. 8, 1<br />

GG), aber Absatz 2 lässt bereits Einschränkungen für „Versammlungen<br />

unter freiem Himmel“ zu. Eine solche Beschränkung<br />

beschloss das Parlament 1953 mit dem Versammlungsgesetz,<br />

das Demonstrationen als staatliches Sicherheitsrisiko vorstellt,<br />

die es zu kontrollieren und zu beschränken gilt. Allerdings<br />

beschränkt das Versammlungsgesetz das Grundrecht<br />

nicht mehr auf die Staatsangehörigen.<br />

Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG, verbunden<br />

mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5<br />

GG), garantiert den Bürgern und Bürgerinnen eine der wenigen<br />

Möglichkeiten, öffentlich Einfluss auf die politische Diskussion<br />

zu nehmen. Ansonsten blieben sie Stimmvieh für die<br />

Wahlen. Dieses Grundrecht soll vor allem die Andersdenkenden<br />

schützen, denn sie, nicht diejenigen die mit dem mainstream<br />

übereinstimmen, bedürfen diesen Schutzes. Ohne die<br />

manchmal aufmüpfig-selbstbewusste Inanspruchnahme des<br />

Grundrechts wäre es 1985 wohl kaum zu dem grundlegenden<br />

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gekommen,<br />

mit dem dieses das Grundrecht gegen all die politisch-polizeilichen<br />

Übergriffe zu schützen versuchte.<br />

Seitdem sollte jede Ordnungsbehörde wissen, dass dieses<br />

Grundrecht nicht einfach gegen andere Rechte, Bedürfnisse<br />

und Wünsche aufgerechnet werden kann. Für Auflagen oder<br />

gar Verbote gelten hohe Hürden. Gefährdungen der öffentlichen<br />

Sicherheit müssen konkret und präzise nachgewiesen werden,<br />

um Verbote auszusprechen. Allgemeine Störungen im alltäglichen<br />

Ablauf müssen hingenommen werden. Tatsächlich<br />

aber sind die Auseinandersetzung und die ordnungspolitischen<br />

Versuche, das Versammlungsrecht auszuhebeln, Alltag in der<br />

Bundesrepublik Deutschland geblieben.<br />

Mit dem Vorwurf der Gewalttätigkeit wird jeder Protest diskreditiert,<br />

der die Ordnung nur etwas stört, der die Finger in<br />

die Wunde menschenrechtswidriger, undemokratischer Politik<br />

legt. Die Gewalt der Bürger nähme zu, ist eine immer wiederkehrende<br />

Behauptung welche zur Forderung nach immer mehr<br />

Eingriffs- und Strafverfolgungsmöglichkeiten führt.<br />

Vom polizeilichen Umgang mit Demon strationen<br />

Oft können Demonstrationen sich nicht ungehindert äußern.<br />

Zugangskontrollen schrecken ab. Videoaufnahmen sind bei<br />

fehlenden Anhaltspunkten für eine erhebliche Gefährdung der<br />

öffentlichen Sicherheit und Ordnung rechtswidrig (Verwaltungsgericht<br />

Münster, August 2009). Werden Demonstrationen<br />

als geschlossene Kessel geführt, so wird den Demonstrierenden<br />

die Möglichkeit genommen, Öffentlichkeit zu erreichen.<br />

Die Grundrechte aushebelnden polizeilichen Maßnahmen betreffen<br />

die Teilnehmer um so eher, um so mehr sie provozieren,<br />

um so mehr sie Themen ansprechen, die grundlegende gesellschaftliche<br />

Fragen thematisieren. In den 1980er Jahren wurden

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