FORMEN DES WIDERSTANDS - Stadtgespräche Rostock
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0.19 __ //// TITELTHEMA<br />
Unterschriften für<br />
betagte Bäume<br />
JOHANNES SAALFELD IST MITGLIED <strong>DES</strong> KREISVORSTAN<strong>DES</strong> VON BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.<br />
In der Warnemünder Mühlenstraße stehen seit über 120 Jahren<br />
67 Kopflinden. Früher, als Warnemünde noch an der heutigen<br />
Richard-Wagner-Straße endete, führte die Allee von der Kirchenpforte<br />
nach Westen aus dem kleinen Fischerdorf Richtung<br />
Stoltera hinaus. Heute stehen die Linden mitten im Ortskern<br />
und unter ihrem Blätterdach unterschreiben nebeneinander<br />
90jährige Warnemünderinnen und 16jährige <strong>Rostock</strong>er Schüler<br />
das Bürgerbegehren für den Erhalt dieser alten, unbeweglichen<br />
Bäume. Seit 17. Mai sammeln die Bündnisgrünen und<br />
viele Bürger und Bürgerinnen in ihrer Freizeit Unterschriften,<br />
weil die Allee im Zuge anstehender Straßenbaumaßnahmen gefällt<br />
werden soll. Innerhalb der ersten zweieinhalb Wochen kamen<br />
so 4.000 vollständige Unterschriftensätze zusammen.<br />
Angeschoben haben das Bürgerbegehren die Bündnisgrünen<br />
Dr. Ursula Karlowski, Johann-Georg Jaeger und Dr. Harald<br />
Terpe. Denn nach vielen Gesprächen mit den Versorgungsträgern<br />
und Sachverständigen wurde deutlich, dass der Erhalt der<br />
Bäume technisch möglich ist und sich für die Stadt finanziell<br />
neutral gestalten würde. Jüngste Baumgutachten der Stadt gaben<br />
der Vitalität der Bäume sogar gute Noten. Und trotzdem<br />
sollen sie fallen. Grund dafür sind Bedenken aus der Stadtverwaltung,<br />
die Bäume würden den Baustress nicht überstehen.<br />
Hinzukommen ästhetische Aspekte, wonach neue Bäume ein<br />
geschlosseneres und einheitlicheres Bild abgeben würden. Diesen<br />
Bedenken und Ansichten folgten erst der Ortsbeirat und<br />
dann die Bürgerschaft. Warum wurde dennoch ein Bürgerbegehren<br />
gegen diese Entscheidungen demokratisch legitimierter<br />
Gremien auf den Weg gebracht? Die Kommunalverfassung<br />
sieht ein Bürgerbegehren als demokratisches Korrektivinstrument<br />
vor. Bürgerbegehren stellen die Möglichkeit dar, zu kon-<br />
kreten Sachfragen Meinungsbilder zwischen den Wahlen einzuholen<br />
und ihnen eine gewisse Verbindlichkeit zu verleihen.<br />
Da zum Zeitpunkt der Entscheidungen in Ortsbeirat und Bürgerschaft<br />
nicht alle Informationen auf dem Tisch lagen und<br />
viele Bürgerinnen und Bürger mit der Situation unzufrieden<br />
waren, hielten die Bündnisgrünen ein Bürgerbegehren für angemessen<br />
– ist es doch nicht nur Korrektivinstrument, sondern<br />
es vermittelt auch zwischen einem Teil der Bevölkerung und ihren<br />
Repräsentanten.<br />
Es geht bei dem Bürgerbegehren auch um etwas mehr als nur<br />
67 Kopflinden. Es geht um den prinzipiellen Umgang mit den<br />
<strong>Rostock</strong>er Straßenbäumen. Straßensanierungen werden seit<br />
langer Zeit unter Erhalt des „Straßenbegleitgrüns“ verwirklicht,<br />
andernfalls wären Bäume neben der Straße immer nur<br />
maximal 40 Jahre alt. Daran sollte unsere Generation nichts<br />
ändern. Darüber hinaus geht es aber auch um die Achtung vor<br />
dem Alter. Wir können nicht einfach alles aus dem Stadtbild<br />
herausschneiden und sägen, was alt und krumm ist. Genauso<br />
wie Menschen nicht immer makellos sind, ist es die Natur<br />
schon lange nicht. Natürlich wäre es pragmatischer, bei einer<br />
grundlegenden Sanierung auch gleich neue Bäume anzupflanzen.<br />
Aber nicht alles, was sich dem administrativen Rationalismus<br />
widersetzt, ist zugleich auch irrational. Wer sich über die<br />
sachlichen, fiskalischen und technischen Argumente für den<br />
Erhalt der Allee weiter informieren will, kann sich auf der<br />
Homepage des Bürgerbegehrens unter www.kopflinden.de einen<br />
Überblick verschaffen. ¬