FORMEN DES WIDERSTANDS - Stadtgespräche Rostock
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tion. Sie sind Stimmen, Gesichter, Hände und Füße der Kirche.<br />
Sie brauchen hauptamtliche Pflege und Begleitung.<br />
Der wenig würdigende Umgang mit Ehrenamtlichen und<br />
zwangsläufig also den Bedürftigen selbst schmerzt mich noch<br />
immer.<br />
Zu diesem Schmerz und Ärger gesellte sich Entrüstung, als ich<br />
erfuhr, dass die Pommersche Kirche keine Männer und Frauen<br />
zum Pfarramt zulässt, die sich zu Ihrer Homosexualität bekennen.<br />
In der Mecklenburgischen Landeskirche ist die sexuelle<br />
Orientierung von Pastoren kein Einstellungskriterium. Als<br />
Rollstuhlfahrerin gehöre ich selbst zu einer Minderheit. Und<br />
so wuchs in mir die Erkenntnis, dass ich keiner Kirche angehören<br />
kann, die Minderheiten diskriminiert.<br />
Ich habe die Kirche eigentlich nie als einen Verein betrachtet,<br />
aus dem ich einfach austrete, wenn mir die Satzung nicht passt.<br />
Viel mehr ist die Evangelische Kirche für mich der kleinste gemeinsame<br />
Nenner einer Vielzahl christlicher Strömungen. Im<br />
Sommer 2006 ließ ich mich nach Mecklenburg umgemeinden.<br />
Ich wollte nicht die Kirche verlassen, sondern die Landeskirche.<br />
So schrieb ich dem Pommerschen Bischof und erklärte<br />
ihm meine Gründe. Ich erhielt eine freundlich bedauernde<br />
Antwort, zwischen deren Zeilen ich auch Erleichterung las, einen<br />
Widerspruchsgeist weniger am Landeskirchlichen Hals zu<br />
haben.<br />
Von unserem Greifswalder Garten aus schauen wir durch den<br />
Zaun in den Garten des Konsistoriums. Über den Zaun hinweg<br />
sehen wir das Verwaltungsgebäude der Pommerschen Kirchenleitung,<br />
hinter dessen Fenstern Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit<br />
schaltet und waltet, berät, sich beraten lässt und seine<br />
Entscheidungen trifft. Die Käfer aus unserem Garten landen<br />
im selben Vogelmagen wie die von nebenan, die Würmer scheren<br />
sich nicht um Grundstücksgrenzen und bevölkern das Erdreich<br />
von hier nach dort und von kreuz nach quer. Von dem<br />
Gift, das der Konsistoriumsgärtner jedes Jahr an die Rasenkante<br />
spritzt, sterben die Pflanzen auf meiner Seit des Zauns ebenso.<br />
Der Bischof und ich werden vom Regen aus derselben Wolke<br />
nass, wir glauben wahrscheinlich an den selben Gott, aber<br />
wir gehören nicht der selben Landeskirche an. Das ist ein gutes<br />
Gefühl. Und ein wehmütiges dazu. Ich habe widersprochen,<br />
ich habe mich positioniert und entschieden, nicht dazugehören<br />
zu wollen. Ein wenig bedaure ich manchmal, dass ich zwar<br />
widersprochen habe, aber gegangen bin. Seit einer Weile gehen<br />
mein Mann und ich gern in einer kleinen Greifswalder Gemeinde<br />
zum Gottesdienst. Durch meine Umgemeindung kann<br />
ich dort aber nicht an den Wahlen zum Gemeinekirchenrat<br />
teilnehmen und könnte auch nicht kandidieren.<br />
Zu widersprechen hat immer damit zu tun, wach zu sein, Dinge<br />
zu hinterfragen und sie anders zu machen, als erwartet wird.<br />
Es bedeutet, der Erwartung etwas entgegen zu setzen. Zu widersprechen<br />
hat mit Entscheidungen zu tun. Eine Entscheidung<br />
für etwas ist immer auch eine Entscheidung gegen etwas.<br />
Und so macht zu widersprechen frei - aber auch einsam. Widerspruchsgeister<br />
tun gut daran, eine Portion Trotz zu besitzen,<br />
aber auch Gelassenheit. Sonst wird aus dem Widersprechen<br />
schnell ein Wadenbeißen.<br />
Meine Gelassenheit lässt mich voll Vorfreude auf die Vereinigung<br />
der Mecklenburgischen, Pommerschen und Nordelbischen<br />
Landeskirche in ein paar Jahren schauen. Dann werden<br />
sich in Punkto Homosexualität und Pfarramt hoffentlich die<br />
beiden westlicheren Landeskirchen mit ihrem moderaten Umgang<br />
durchsetzen. Das gebe der Geist, der weht, wo er will -<br />
mitunter der Erwartung entgegen. ¬