PErsPEktiVEn 1/2011 | mEnschEn gEschEnktE augEn-BlickE seit seiner geburt sieht Johannes weidelt auf dem linken auge nichts. weil ein Blutgerinnsel die arterie seines rechten auges verstopfte, drohte er nun völlig zu erblinden. dem interdisziplinären team des srh wald-klinikums gera gelang es, das gerinnsel aufzulösen – und weidelt vor ständiger dunkelheit zu bewahren. Den 28. Februar 2009 wird Johannes Weidelt nie vergessen. An diesem Freitag stecken der frischgebackene Rentner und seine Frau Ute mitten in den Vorbereitungen für den Winterurlaub in Südtirol; am nächsten Morgen wollen sie aufbrechen. Gegen 15 Uhr bemerkt der Maschinenbauingenieur, dass mit ihm etwas nicht stimmt. „Meine Frau war gerade beim Einkaufen, und ich wollte noch einen Brief schreiben, als plötzlich alles vor meinem Auge verschwamm“, erzählt der heute 65-Jährige. „Ich sah wie durch einen immer dichter werdenden grauen Schleier, wusste nicht, was ich tun sollte, fühlte mich völlig hilflos.“ Sein Zustand verschlechtert sich rasant; schließlich erkennt Weidelt nur noch schemenhafte Konturen. Was er zu diesem Zeitpunkt nicht ahnt: Er leidet an einem Zentralarterienverschluss (ZAV), einer Art Schlaganfall im Auge (siehe Kasten). Nun zählt jede Minute. Als Ute Weidelt gegen 16 Uhr nach Hause kommt, findet sie ihren Mann wie betäubt in seinem Sessel sitzend. Sie reagiert schnell und bringt ihn ins nahe gelegene <strong>SRH</strong> Wald-Klinikum Gera. interdisziplinäre hilfe Auch dort verliert man keine Zeit: Johannes Weidelt wird sofort in die Augenklinik aufgenommen, und Chefarzt Dr. Jörg Seewald kann umgehend mit der augenärztlichen Untersuchung beginnen. „Mir war bald klar, dass Herr Weidelt an einem ZAV litt, glücklicherweise aber noch im Anfangsstadium“, erinnert sich der Arzt. „Viele Patienten erleiden einen solchen Arterienverschluss im Schlaf und bemerken erst am nächsten Morgen, dass sie auf einem Auge blind sind.“ Dann jedoch kommt meist jede Hilfe zu spät. Denn ist die Zentralarterie des Auges blockiert, werden die Netzhautzellen nicht länger mit Blut und Sauerstoff versorgt; sie beginnen abzusterben. Nach etwa 18 bis 24 Stunden sind sie unwiderruflich zerstört. Im Fall von Johannes Weidelt bleibt dem interdisziplinären Team aus Augenärzten, Neurologen, Internisten und Radiologen jedoch Zeit, den Patienten umfassend zu untersuchen. Per Ultraschall ermitteln die Neurologen beispielsweise die genaue Lage und Größe des Gerinnsels. „Diese Voruntersuchungen verschiedener Disziplinen sind wichtig. Damit können wir uns ein genaues Bild über den allgemeinen körperlichen Zustand des Patienten und die Ursachen für den ZAV machen, 10 srh Magazin Johannes weiDeLts augenLicht wurDe gerettet Vor- und Nachteile einer Therapie abwägen und so die individuell beste Lösung finden“, betont der Chefarzt, der mit seinem Team jedes Jahr etwa zehn bis zwölf Patienten mit ZAV behandelt. Die meisten von ihnen erhalten per Infusion spezielle Arzneimittel, die den Augendruck senken oder das Blut verdünnen und so den Thrombus auflösen sollen. Bei Johannes Weidelt jedoch entscheidet sich das Team nach eingehender Beratung für die örtliche Lysetherapie (siehe Kasten S. 12). „Herr Weidelt gehörte zu den eher seltenen Fällen, bei denen die Lyse überhaupt infrage kommt: Denn er war rechtzeitig bei uns und insgesamt körperlich fit“, erläutert Seewald. „Außerdem waren wir uns sicher, dass ihm die übliche Infusionstherapie aufgrund von Lage und Größe des Gerinnsels nicht helfen würde. Die Lyse war in diesem Moment die einzige Möglichkeit, sein gesundes Auge – und damit ja sein Augenlicht insgesamt – zu retten.“ Nachdem ihn Seewald über Vorund Nachteile der Therapie aufgeklärt hat, stimmt Weidelt dem Eingriff zu. „Ich musste nicht lange überlegen, denn ich habe mich im Wald-Klinikum gut aufgehoben und beraten gefühlt“, sagt er. > Ein schlaganfall im augE Die netzhaut des menschlichen auges wird über eine zentrale arterie mit blut und sauerstoff versorgt. bei einem Zentralarterienverschluss (ZaV) ist sie blockiert, etwa durch ein gerinnsel. Die blutzufuhr stoppt, und das betroffene auge erblindet plötzlich nahezu vollständig und schmerzfrei – ein in vielen fällen dauerhafter Zustand. ist nicht die Zentralarterie, sondern ein arterien- ast betroffen, ist die sehkraft teilweise eingeschränkt, es kommt zu gesichtsfeldausfällen. im Mittel liegt das alter der Patienten mit ZaV bei etwa 60 Jahren. risikofaktoren sind rauchen, Übergewicht, bluthochdruck und Diabetes. Männer sind doppelt so häufig von arteriellen Verschlüssen der netzhaut betrof- fen wie frauen.
wurde vor dem Erblinden bewahrt: heute sieht Johannes weidelt auf seinem rechten auge so gut wie vor dem zentralarterienverschluss. mEnschEn | PErsPEktiVEn 1/2011 srh Magazin 11