PErsPEktiVEn 1/2011 | hintErgrund gEsundhEit gEht durch dEn magEn kann man sich gesundessen? Ja, sagen die diät-Expertinnen vom srh gesundheitszentrum Bad wimpfen. Beim Ernährungstraining zeigen sie reha-Patienten, wie eine ausge wogene Ernährung krankheitsverläufe positiv beeinflussen kann. 18 srh Magazin ernÄhrungscoaching fÜr Patienten Hannelore Keith hatte großes Glück: Die Diabetikerin überlebte einen Herzinfarkt. Nach zwei Bypassoperationen wurde ihr klar: Übergewicht ist für sie weit mehr als nur ein Schönheitsfehler, es kann tödlich enden. Die Reha im <strong>SRH</strong> Gesundheitszentrum Bad Wimpfen soll ihr Start in ein neues Leben
sie haben spaß an gesunder Ernährung: die diätassistentinnen kornelia John, meike reinhardt und iris Baumann (v. l.). sein. Diabetes, die damit verbundenen Stoffwechselstörungen, ein hoher Blutdruck, schlechte Blutfettwerte und Gelenkbeschwerden – ein Teufelskreis, den Hannelore Keith endgültig durchbrechen will. 18 Kilo hatte sie schon vor dem Aufenthalt abgenommen, in den letzten drei Wochen purzelten weitere Pfunde. Wie sie ihr neues Gewicht später halten kann und welche Kostformen den Krankheitsverlauf der 65-Jährigen verbessern, erklären ihr die Diätassistentinnen an alltagsnahen Beispielen und beim gemeinsamen Kochen. Finnische und amerikanische Studien zeigen, dass Menschen, die mindestens fünf Prozent ihres Körpergewichts abnehmen, ihr Diabetesrisiko um mehr als die Hälfte senken. Hannelore Keith ist also auf dem richtigen Weg. Der Mix aus Ernährungs-, Bewegungs- und Entspannungstherapien tut ihr gut. An ihrem aufrechten, zügigen Gang, ihrer frischen Gesichtsfarbe und dem entspannten Lächeln erkennt man, wie viel Motivation sie aus ihrer zurückeroberten Vitalität schöpft. „Ich konnte hier meine Leistungsfähigkeit in nur drei Wochen um 25 Prozent erhöhen“, erzählt sie stolz. Unter Anleitung eines Trainers mobilisierte sie Schritt für Schritt ihre alten Kräfte. Beim Ergometertraining tritt sie jetzt mit 75 Watt in die Pedale. „Alles, was ich hier gelernt habe, kann ich leicht in meinen Alltag integrieren.“ Das ist ihr wichtig, denn zu Hause ist sie auf sich allein gestellt. Die 65-Jährige wird ihre alten Ernährungsgewohnheiten für immer ablegen müssen. Wie schwer sich viele mit dieser Einsicht tun, belegen die Ergebnisse der letzten Studie „Gesundheit in Deutschland“ des Robert Koch-Instituts. Danach sind 45 Prozent der Frauen und knapp 60 Prozent der Männer übergewichtig oder adipös. Übergewicht ist Risikofaktor Nummer eins für eine Herz- Kreislauf-Krankheit. 42 Prozent der Todesfälle in der Bundesrepublik im Jahr 2009 gehen darauf zurück. ausgezeichnete Qualität Nahezu die Hälfte der jährlich insgesamt 4.500 Patienten im <strong>SRH</strong> Gesundheitszentrum will die Ernährung dauerhaft umstellen. Diätassistentin Meike Reinhardt weiß, dass ein solcher Einschnitt immer mit Ängsten verbunden ist. „Essen hat ganz viel mit der Seele zu tun“, sagt sie. „Aber bei uns können die Patienten ihre Sorgen um die richtige Ernährung für ein paar Wochen abgeben.“ Jeder Gast kann sich anhand eines Sechs-Wochen-Plans ausführlich über sämtliche Mahlzeiten informieren, inklusive der Nährwerte und Zusatzstoffe. Diese Transparenz sowie die Qualität der Speisen und der Beratungsangebote ist für viele Pa tienten ausschlaggebend bei der Wahl ihrer Reha- Klinik. Zertifikate der Gütegemeinschaft Ernährungs-Kompetenz e. V. (GEK) bieten ihnen eine verlässliche Orientierungshilfe, denn die strengen Prüfungskriterien bürgen für Qualität und gehen über bestehende Gesetze und Normen hinaus. Das Angebot in Bad Wimpfen wurde mehrfach von der GEK mit dem RAL-Gütezeichen „Kompetenz richtig essen“ ausgezeichnet. Das Gesundheitszentrum erhielt Zertifikate mit den Spezifikationen „Speisenvielfalt & Diäten“, „Ernährungs-Coaching“ und „Workshop Kochen“. Für Beratungen hintErgrund | PErsPEktiVEn 1/2011 und Schulungsangebote in der hauseigenen Kochschule sind die Diätassistentinnen Iris Baumann, Meike Reinhardt und Kornelia John verantwortlich. Sie sind besonders stolz auf die Anerkennung ihrer Fachkompetenz. essen ohne reue Hannelore Keith trifft sich am Nachmittag mit der Diabetikergruppe in der Lehrküche. Dort wird Meike Reinhardt mit der neunköpfigen Mannschaft ein Vier-Gänge-Menü zubereiten. Gesund, fettarm, nährstoffreich. Einer der Teilnehmer, der genussfreudige Italiener Fioravante Juliano, blättert skeptisch im ausgeteilten Rezeptheft. Das Wort Fenchel scheint ihn zu irritieren. Schon bald wird in der Küche eifrig geschnibbelt und gerührt. Ohne eine Träne zu vergießen, bereitet Hannelore Keith eine duftende Zwiebelsuppe mit Croutons. In der riesigen Pfanne hinter ihr brutzelt das Hauptgericht: Putengeschnetzeltes in buntem Gemüse. Und im Ofen garen Pangasius-Fischröllchen. „Köstlich“, lautet das einstimmige Urteil nach dem Essen. Meike Reinhardt freut sich über den Erfolg. Das Staunen sei jedes Mal groß, wenn die Teilnehmer erfahren, das Geschnetzelte hatte gerade mal 300 und der Nachtisch gar nur 80 Kalorien, erzählt sie. Nach der Meinung von Kollegin Iris Baumann kennen die Patienten die Prinzipien einer gesunden Ernährungsweise. Die Herausforderung bestehe vielmehr darin, dieses Wissen im Alltag auch umzusetzen. „Daher unternehmen wir manchmal mit den Patienten einen gedanklichen Spaziergang durch den Supermarkt, um Alternativen zu bestimmten Produkten aufzuzeigen“, ergänzt Meike Reinhardt. Viele Zutaten könne man durch verträglichere, zuckerfreie oder fettärmere austauschen, ohne dass der Geschmack leide, erklärt die Fachfrau. Lightprodukte empfiehlt sie nicht. „Übergewichtige kaufen nur deswegen Lightprodukte, weil sie nach einer einfachen Lösung suchen“, weiß sie. „Sie denken nicht mehr nach, sondern greifen zu.“ Ernährungsexperten meinen, dass Aufdrucke auf Lebensmittelpackungen wie „null Prozent Fett“ oder „Diät“ unterschwellig mehr versprechen, als sie halten können. Die Ende September 2010 beschlossene „16. Verordnung zur Änderung der Diätverordnung“ sieht vor, dass Lebensmittel mit dem Aufdruck „Für Diabetiker geeignet“ ab 2012 nach und nach aus den Supermarktregalen verschwinden. Solche Produkte trieben zwar den Blutzucker weniger in die Höhe, enthielten dafür aber oft mehr Fett und Kalorien. Das ist nichts Neues für die Diätassistentinnen. Frisch, ohne Aromen und Zusatzstoffe müsse ein Essen sein. Schonend zubereitet, gesund und lecker. „Dann“, so Meike Reinhardt, „lassen sich durch die Zusammenstellung bestimmter Kostformen Krankheitsverläufe verbessern.“ Diese Tatsache fasziniert sie schon seit ihrer Ausbildung. „Letztlich zählt doch immer der eigene Wille, etwas zu verändern“, sagt sie. Und dass man selbst in nur drei Wochen Reha viel bewegen kann, dafür ist Hannelore Keith das beste Beispiel. MiriaM noLL srh Magazin 19