FAQ Biotechnologie und Patente
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2.7 Sind Gene patentierbare Erfindungen oder blosse<br />
Entdeckungen?<br />
Unter einer Entdeckung versteht man das blosse Auffinden <strong>und</strong> Beschreiben von<br />
etwas bereits Existierendem. Eine Entdeckung beinhaltet eine (wissenschaftliche)<br />
Erkenntnis. Sie erweitert im Unterschied zur Erfindung nicht die technischen<br />
Möglichkeiten des Menschen, sondern nur sein Wissen.<br />
Eine Erfindung beinhaltet dagegen die praktische Anwendung einer Erkenntnis auf<br />
technischem Gebiet. Sie gibt Anweisungen, wie ein technisches Problem mit<br />
technischen Mitteln zu lösen ist. Für die Erfindung massgebend ist der technische<br />
Nutzeffekt.<br />
Beispiel:<br />
Die Erkenntnis der Eigenschaft der Röntgenstrahlen, Materie zu durchdringen <strong>und</strong><br />
deren Inneres sichtbar zu machen, ist eine Entdeckung. Erst deren Einsatz in der<br />
Medizin (Herstellung von Röntgenbildern) ist eine Erfindung.<br />
Erfindung <strong>und</strong> Entdeckung schliessen sich nicht gegenseitig aus. Vielmehr kann<br />
eine Entdeckung die Gr<strong>und</strong>lage für eine Erfindung bilden. Eine Erfindung ist mit<br />
anderen Worten auch die technische Anwendung der Erkenntnisse aus einer<br />
Entdeckung. Dementsprechend kann auch biologisches Material, das entdeckt wurde,<br />
eine Erfindung sein, wenn gesagt wird, wie es hergestellt werden kann <strong>und</strong> welchen<br />
technischen Effekt sich mit ihm erzielen lässt.<br />
Die Beschreibung der Struktur einer natürlich vorkommenden Gen-Sequenz ohne<br />
Angabe einer Funktion <strong>und</strong> eines gewerblich anwendbaren Zwecks beinhaltet nur eine<br />
Erkenntnis, die als Entdeckung nicht patentiert werden kann. Diese Erkenntnis<br />
bereichert zwar das menschliche Wissen, nicht aber die technischen Möglichkeiten.<br />
Eine patentierbare Erfindung liegt erst dann vor, wenn über die blosse Beschreibung<br />
der Gen-Sequenz hinaus dargelegt wird, wie man sie isolieren oder anders technisch<br />
herstellen kann, <strong>und</strong> wenn überdies aufgezeigt wird, wie sie im Anschluss gewerblich<br />
verwendet werden kann. Es muss also eine bestimmte technische Nutzung der Gen-<br />
Sequenz konkret beschrieben werden. Unter dieser Voraussetzung konnten bereits vor<br />
mehr als 20 Jahren die ersten <strong>Patente</strong> auf menschlichen Genen erteilt werden.<br />
Beispiel:<br />
Insulin ist das einzige Hormon, mit dem der Blutzuckergehalt auf den Normalwert<br />
eingestellt wird. Für einen Diabetiker müssten zur Deckung seines Jahresbedarfs an<br />
Insulin ca. 50 Bauchspeicheldrüsen von Schweinen aufgearbeitet werden. Der<br />
Weltbedarf an Insulin liesse sich auf diese Weise nicht mehr decken. Die Lösung<br />
brachte gentechnisch hergestelltes menschliches Insulin, für das 1984 ein Patent erteilt<br />
wurde. Die Erkenntnis allein, dass es ein Gen für Insulin gibt, erweitert zunächst nur das<br />
menschliche Wissen <strong>und</strong> nicht die technischen Möglichkeiten: Sie nützt keinem<br />
Zuckerkranken. Die praktische Anwendung dieser Erkenntnis, nämlich die Nutzung des<br />
Gens zur Herstellung von Insulin, macht aus der Entdeckung eine Erfindung.<br />
Ein Patent setzt selbstverständlich auch in diesem Fall voraus, dass die allgemeinen<br />
Voraussetzungen für die Patentierung (insbesondere Neuheit <strong>und</strong> erfinderische<br />
Tätigkeit) erfüllt sind. Da der Bereich der <strong>Biotechnologie</strong> raschen Veränderungen<br />
unterliegt, ist auch die Beurteilung der Voraussetzungen für die Patentierung stetig im<br />
Fluss. Galt die Sequenzierung einer Gensequenz vor Jahren noch als Innovation, so ist<br />
<strong>FAQ</strong> Publikationsdatum 22.08.2008 Seite 20 von 56