Jus gentium methodo scientifica pertractatum / by Christian Wolff ...
Jus gentium methodo scientifica pertractatum / by Christian Wolff ...
Jus gentium methodo scientifica pertractatum / by Christian Wolff ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Einleitung XXXV<br />
Auf einem Vertrag beruht auch das ' gemeine Wesen', der Staat.i<br />
Der Grund seiner Errichtung liegt darin, dass nur eine grüssere Gesellschaft<br />
sich die Bedürfnisse und Güter des Lebens in ausreichender<br />
Weise zu verschaffen und sich gegen Verletzungen zu schützen im<br />
Stande ist. Der Zweck des Gemeinwesens besteht also in der Fbrderung<br />
der gemeinen Wohlfahrt und diese besteht im Genuss des hinlánglichen<br />
Lebensunterhalts, der inneren Ruhe (d. i. Befreiung von der<br />
Furcht vor Unrecht) und der Erhaltung der Sicherheit. 2 Nach diesem<br />
Zweck richtet sich der Umfang der Staatsgewalt. Ihre Befugnis<br />
erstreckt sich nur auf diejenigen Handlungen der Staatsbürger, die<br />
auf die Erreichung des gemeinen Besten Bezug haben. Sie darf daher<br />
auch nur in dieser Hinsicht ihre natürliche Freiheit beschránken, in<br />
jeder andern dagegen soll sie dieselbe unangetastet lassen. 3 Im Verháltnis<br />
zu einander sind die Staaten so frei, wie die einzelnen Freien<br />
im Naturzustande. Kein Volk hat daher über ein anderes Volk Gewalt.<br />
Die letzte Quelle der Staatsgewalt findet <strong>Wolff</strong> in dem Einverstándnis<br />
sámtlicher Staatsbürger oder, sofern dies nicht zu erreichen ist, in<br />
dem Einverstándnis der Mehrzahl über die Staatseinrichtungen. Das<br />
Volk kann sich die hóchste Gewalt vorbehalten oder sie an die Regierung<br />
übertragen. 4 Nur diejenigen Gesetze sind Grundgesetze, die<br />
mit Zustimmung des Volkes gegeben sind, nicht solche die der absolute<br />
Herrscher erteilt hat.5<br />
Wir sehen also schon aus diesen wenigen Andeutungen, dass <strong>Wolff</strong><br />
sich bereits zu Grundsátzen bekennt, die einige Jahre spáter in Rousseau<br />
ihren Propheten erhielten und die wir noch heute als wegleitend<br />
für allen menschlichen Fortschritt betrachten. Auch für das Vülkerrecht<br />
müssen wir diesen Grundsátzen die grósste Bedeutung beimessen,<br />
denn die Grundsátze der Rechtsgleichheit, der Freiheit und<br />
der Volkssouveránitát sind auch für dieses von der allergffissten Bedeutung.<br />
Die Rechtsgleichheit ist das Grundprinzip des Vülkerrechts.<br />
Die Volkssouveránitát aber bildet die Grundlage der modernen Demokratie.<br />
Dass sie im übrigen auch für das VOlkerrecht nicht ohne<br />
Bedeutung ist, darauf habe ich erst kürzlich hinzuweisen Gelegenheit<br />
gehabt, indem ich betont habe, dass man im Anwachsen der demokratischen<br />
Kráfte in der Welt eine Garantie dafiár erblicken dürfe,<br />
dass das Recht in der Welt mehr und mehr zur Herrschaft gelangen<br />
werde.<br />
Das wahre Wkerrecht, das die Herrschaft des Rechts und nichts anderes erstrebt,<br />
ist seinem Wesen nach in der Tat demokratisch. Es geht von der Idee der Gleichberechtigung<br />
der Staaten aus, der kleinen wie der grossen, . . . es stellt das Recht über die<br />
Macht... .<br />
Ib., §§ 972 , 979 . 2 Ib., § 972; lus naturae, VIII, § 9.<br />
3 Instituciones, §§ 976, 98o; lus naturae, VIII, §§ 35, 47.<br />
4 histitutiones, §§ 978, 9S2.<br />
5 Vgl. Ib., § 984; lus naturae, VIII, § 82o.<br />
c2