Jus gentium methodo scientifica pertractatum / by Christian Wolff ...
Jus gentium methodo scientifica pertractatum / by Christian Wolff ...
Jus gentium methodo scientifica pertractatum / by Christian Wolff ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Einleitung xxxvii<br />
grüsseren Hálfte des I8ten Jahrhunderts beherrscht haben. Mag also<br />
auch sein System im Einzelnen auf uns manchmal einen nüchternen,<br />
trockenen Eindruck machen, und mag man ihm vielleicht auch nicht<br />
ganz ohne Grund seine Vorliebe für rein verstandesmássigen Aufbau,<br />
seinen Mangel an historischem Sinn und an Gefühl für die Eigenart<br />
des Volkstums vorgeworfen haben — die Tatsache seines grossen Einflusses<br />
auf die damalige Zeit bleibt trotzdem bestehen und nicht<br />
minder dasjenige Moment, das für seine heutige Bedeutung das allein<br />
durchschlagende ist : die weitere Tatsache námlich, dass er uns Grundsátze<br />
überliefert hat, die wir heute noch zu den unsrigen machen und<br />
die manchen modernen Staatstheoretikern als Muster dienen kbnnten.<br />
Für seine eigene Zeit aber ist seine Bedeutung zweifellos noch<br />
eine wesentlich grüssere als für die unsere gewesen. Manches, was uns<br />
bei <strong>Wolff</strong> heute wertlos oder pedantisch erscheinen mag, war es für<br />
die damalige Zeit eben keineswegs. Dafür spricht, wie Zeller ebenfalls<br />
mit Recht betont, schon der Umstand, dass <strong>Wolff</strong> bei den ersten<br />
Mánnern seines Jahrhunderts einen solch ausserordentlichen Erfolg<br />
hatte.<br />
Ein Philosoph, den Friedrich II von Preussen seinen grossen Lehrer genannt, dessen<br />
Schriften er fortwáhrend hochgeschátzt hat, ein solcher Philosoph muss doch wohl seiner<br />
Zeit etwas neues und wertvolles geboten haben.<br />
Für die Beurteilung, die <strong>Wolff</strong> unter seinen Zeitgenossen erfuhr,<br />
sei hier z. B. von Ompteda angeführt. i Er schreibt :<br />
Wem sind wohl die ungemeinen Verdienste unbekannt, die dieser grosse Weltweise<br />
sich um alle Theile der philosophischen Wissenschaften erworben hat, und wie hátte<br />
hiebey ein so edler Theil derselben, als das natürliche Válkerrecht ist, seiner Aufmerksamkeit<br />
und nützlichen verbessernden Bearbeitung entgehen künnen ? Er fand für gut<br />
(schreibt Sulzer) sowohl die Moral als das Natur- und Vólkerrecht zusammen in ein<br />
System zu vereinigen, und diese drey Theile der Weltweisheit hat er mit einer Gründlichkeit<br />
und Ausführlichkeit abgehandelt, die man vor ihm nicht gesehen hatte' . . . Genug,<br />
dass <strong>Wolff</strong> immer eine der vorzüglichsten Stellen unter den Lehrern des natürlichen Válkerrechts<br />
einnimmt und gleichsam als der zweite Grotius anzusehen ist. Grotius erhob<br />
dasselbe zuerst zu der Würde einer Wissenschaft; Wall' gab dieser zuerst eine vollstándige<br />
Ordnung, und brachte sie in ein System.<br />
Charakteristisch für das Ansehen, das <strong>Wolff</strong> damals genoss, ist<br />
auch, was sein Schüler Pütter in seiner Selbstbiographie 2 über einen<br />
Rechtshandel, in dem er als Góttinger Professor die Verteidigung zu<br />
führen hatte, schreibt :<br />
Einige Stellen, die ich aus Wolfs Schriften eingerückt hatte, . . . machten bey den<br />
damaligen Richtern, denen der Name Wolf von seinem erst vor wenig Jahren verlassenen<br />
Marburgischen Aufenthalte her noch in frischem Andenken und grosser Achtung war,<br />
mehr Eindruck, als eine noch so grosse Anzahl Criminalisten vielleicht kaum bewirkt<br />
haben würde.<br />
Litteratur des gesammten sowohl natürlichen als positiven V ülkerrechts<br />
FREYHERR VON OMPTEDA,<br />
(Regensburg, 1785), S. 320 und 328.<br />
2 JOHANN STEPHAN PÜTTER, Selbstbiographie, Bd. I (Góttingen, 1798), S. 96.