Teil 3 (0,8 MB) - Verpackungs-Rundschau
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VERPACKUNGSDRUCK<br />
Gesicht für Papier<br />
Maria Soell: Ein Veredeler positioniert sich<br />
Es ist der VR-Redaktion immer ein Vergnügen,<br />
direkt vor Ort mit den diversen<br />
Unternehmen unserer Branche zu sprechen.<br />
Ein ganz besonderes Vergnügen<br />
ist es aber dann, wenn ein junges Team<br />
den Mut und das Geschick hat, ein<br />
trudelndes Unternehmen zu übernehmen,<br />
klar einzuschätzen und erfolgreich<br />
auf Kurs zu bringen.<br />
Das geringste Hindernis war dabei<br />
wohl die räumliche Zuordnung,<br />
denn Marco Billeter und Kristin<br />
Lindauer haben nicht nur einen großen<br />
Schweizer Pharmakonzern verlassen, sondern<br />
sind auch für die Maria Soell aus<br />
Basel an den südlichen Fuß des Vogelsberges<br />
in Hessen gezogen. Hier blies der<br />
ehemaligen Papierfabrik Maria Soell lange<br />
ein kalter Wind entgegen, bis Marco Billeter<br />
als Geschäftsführer und seine Frau,<br />
Kristin Lindauer, Leiterin Export im Unternehmen,<br />
im Sommer 1998 das Unternehmen<br />
aus dem Konkurs übernahm.<br />
Da muß die Frage erlaubt sein, warum<br />
ein junges Paar sich eine solche Verantwortung<br />
an`s Bein bindet? Und Billeter<br />
analysiert ganz nüchtern: „Wegen des<br />
Geldes macht man so einen Schritt nicht,<br />
wir haben vorher das Doppelte verdient.<br />
Aber der Reiz, diese Aufgabe anzugehen,<br />
mit Produkten, mit denen wir uns identifizieren<br />
können, mit Ideen, wie dieses Unternehmen<br />
besser geführt werden kann,<br />
das war ausschlaggebend! Die Kundenstruktur<br />
war gesund, von den langjährigen<br />
Kunden waren nur wenige verlorengegangen.<br />
Wir hatten also eine gesunde Basis,<br />
der Betrieb funktionierte, nur brauchten<br />
die Mitarbeiter zum ersten Mal eine echte<br />
Führung!“<br />
Und schließlich gab es da noch den<br />
Brancheninsider, den Billeter um Rat fragen<br />
konnte: Schauen Sie sich nicht den<br />
größten und nicht den kleinsten Kunden<br />
an, fragen Sie den fünftgrößten Kunden,<br />
wo es bei der Maria Soell hakt!” Gesagt,<br />
getan und so kam es letztendlich zu einem<br />
„neuen Gesicht“ in Nidda-Eichelsdorf.<br />
Das Programm<br />
Das Unternehmen ist ein Papierveredeler,<br />
schon bei der Gründung 1922 wurden<br />
Bonboneinwickler, bedrucktes Wachspapier,<br />
hergestellt. Heute ist das MS-Team<br />
auf flexible Verpackungen und silikonbeschichtete<br />
Trennpapiere spezialisiert.<br />
Sprich, flexible Verbundmaterialien sowie<br />
Papiere mit Kunststoff-, Wachs- und Silikonbeschichtungen.<br />
90 Mitarbeiter erwirtschafteten<br />
so in 1998 ca. 30 Mio. DM Umsatz,<br />
davon sieht Billeter zwei Drittel im<br />
Bereich Flexpack und den Rest mit Silikonpapieren<br />
erzielt.<br />
Die Silikonpapiere haben größtenteils<br />
andere technische Einsatzgebiete, werden<br />
aber auch in der Verpackung zum Beispiel<br />
für Etiketten oder Klebebänder verwendet.<br />
Unsere flexiblen <strong>Verpackungs</strong>materialien<br />
leben sprichwörtlich von unserer Flexibilität<br />
und unserem hochwertigen Druck,<br />
sagt Billeter. Und weiter: Andere Veredeler<br />
brauchen mehr Laufmeter, um auf ihre<br />
Kosten zu kommen. Bei Maria Soell gehen<br />
die Auftragsgrößen von 10 000 Laufmeter<br />
über 500 000 bis zu einer Millionen Laufmeter,<br />
je nach Verbund und Veredelungsgrad.<br />
Der Maschinenpark umfaßt zwei Kaschiermaschinen,<br />
zwei Extruder, eine<br />
Silikonisierung mit einer Farbe inline,<br />
zwei Tiefdruckmaschinen (5- und 8-Farben)<br />
sowie diverse Rollenschneider. Die<br />
Produkte gehen zu über 50 Prozent in die<br />
Lebensmittelindustrie (Suppen, Gewürze,<br />
Süßwaren), 25 Prozent für Hygiene, Pharma,<br />
Haushalt und der Rest wird an Weiterverarbeiter<br />
geliefert.<br />
Erfahrungstransfer<br />
Kristin Lindauer und Marco Billeter kennen<br />
alle Prozesse, die in großen Unternehmen<br />
ablaufen aus ihrer Schweizer Zeit<br />
und wissen daher, wie der Kunde denkt<br />
und wie er arbeitet. K. Lindauer bringt es<br />
auf den Punkt: Service, Service, Service.<br />
Oder, sehr schnell ein Muster erstellen<br />
und schnell an den Kunden liefern. Nur<br />
mit Service könne man Kunden gewinnen,<br />
ein ordentliches Produkt mit einem guten<br />
Preis herstellen könnten viele, aber in der<br />
Service-Qualität und Flexibilität gibt es<br />
gewaltige Unterschiede.<br />
Als Beispiel nennt Lindauer einen renommierten<br />
Pharmazeuten, der gewonnen<br />
wurde, weil man an einem Tag ein<br />
Problem in Spanien lösen konnte. Oder<br />
zwei deutsche Lebensmittelproduzenten,<br />
die man mit Packstoffen auch für den<br />
Export beliefert. Man spricht eine gemeinsame<br />
Sprache, kennt sich mit Abläufen<br />
in Konzernen aus und verfügt dennoch<br />
über die Flexibilität und Überschaubarkeit<br />
eines Mittelständlers.<br />
Planung<br />
Attraktive Verpackungen<br />
regen die Kauflust an<br />
Fotos: MS<br />
Als mittelfristiges Ziel sieht es die Geschäftsführung<br />
an, die zehn bis zwanzig<br />
Prozent der Kunden verstärkt zu gewinnen,<br />
die wirklich individuelle neue Verbundlösungen<br />
haben wollen. Hier kommen<br />
sehr oft Auslandskunden mit spezifischen<br />
Vorstellungen. Langfristig will sich<br />
Maria Soell ein Image als innovativer Spezialist<br />
für flexible Lösungen aufbauen.<br />
Die Prozeßoptimierung (= Organisation,<br />
Qualitätssicherung, Marketing) gilt als<br />
abgeschlossen. Die strategische Ausrichtung<br />
ist ihrem Zeitplan voraus, aber endgültig<br />
wird man sich bis zum Sommer Zeit<br />
lassen. Bis dahin wird zum Beispiel erwogen,<br />
ob man sich auch im Flexodruck<br />
engagiert. Und in fünf Jahren? „Vielleicht<br />
eine Verdoppelung des Umsatzes“, so Billeter.<br />
Die gesamte Präsentation bei Maria<br />
Soell ist professionell und sehr engagiert.<br />
Um den Willen und die Denke des Unternehmers<br />
Marco Billeter zu verdeutlichen,<br />
abschließend ein kleines aber vielsagendes<br />
Beispiel aus den Anfängen im neuen<br />
Unternehmen: An seinem ersten Arbeitstag<br />
hatte sich der neue Chef selber zur<br />
Nachtschicht eingeteilt. Er wollte damit<br />
zeigen, daß er nicht nur sein Geld in die<br />
Firma gesteckt hat, sondern auch hier arbeiten<br />
will! Norbert Sauermann<br />
58 <strong>Verpackungs</strong>-<strong>Rundschau</strong> 5/1999