UNTOLD FAMILY STORIES - Friedensschule Münster
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10<br />
heute herrschenden Konflikt. Dass es nicht gelingt, diesen nach Jahrzehnten endlich zu<br />
beenden, war und ist für meinen Vater ebenso unverständlich wie desillusionierend.<br />
Es hat Situationen gegeben, in denen die Gruppe meines Vaters von älteren Menschen<br />
teilweise auf Deutsch angesprochen wurde. Meinem Vater ist besonders in Erinnerung,<br />
dass ein älterer Mann erst nach einem längeren Gespräch beiläufig die Ärmel seines<br />
Hemdes aufkrempelte und auf der Unterseite seines rechten Armes eine tätowierte<br />
Nummer sichtbar wurde. Dies konfrontierte die Deutschen damit, dass der Mann Gefangener<br />
in einem Konzentrationslager gewesen war. Die Tatsache des Ansprechens und<br />
die Freundlichkeit und Offenheit des Mannes haben meinen Vater und die anderen sehr<br />
beschämt und anschließend zu langen Auseinandersetzungen geführt.<br />
Ein ähnliches Gefühl erlebte die Gruppe meines Vaters in der Holocaust-Gedenkstätte<br />
Yad Vashem. Während sich auf der Hinreise alle noch fröhlich unterhalten hatten, erstarben<br />
schon in der Gedenkstätte alle Worte.<br />
Das lag daran, dass sämtliche mit diesem unsäglichen Leid verbundenen und diesen<br />
zugeordneten Dokumenten auf Deutsch verfasst waren. Für meinen Vater war dies die<br />
körperliche Konfrontation mit der Tatsache, dass das Volk, zu dem er gehört, die furchtbarsten<br />
Verbrechen begangen hatte. Diese Erfahrung hat sich tief bei meinem Vater<br />
eingeprägt und bestimmt bis heute seinen Umgang mit dem Thema. Die letzten zwei<br />
Tage waren einem Besuch am Strand in Tel Aviv gewidmet. Da die Reise im November<br />
stattfand, war es erstaunlich, dort Badetemperaturen vorzufinden. Nach der spartanischen<br />
Unterkunft im Kibbuz und den Nächten im Schlafsack in der Wüste während der<br />
Exkursion waren ein komfortables Bett, ein sauberes WC und eine warme Dusche ein<br />
echter Luxus.<br />
Zusammenfassend meint mein Vater, sein Aufenthalt in Israel sei ein echtes Abenteuer<br />
gewesen und eine prägende und bleibende Erfahrung. Ein derartiger Besuch ermöglicht<br />
es, auf den Spuren der Bibel zu wandeln, deutsche Geschichte zu begreifen, ein wunderschönes<br />
Land zu entdecken und einem aktuellen Konflikt näher zu kommen, der keine<br />
weiteren Opfer duldet und endlich gelöst werden muss.<br />
Asaf Von Rumänien über Italien nach Israel<br />
Rishon LeZion<br />
<strong>Münster</strong><br />
Mein Großvater Michael und meine Großmutter Esther väterlicherseits stammen aus<br />
sehr großen Familien. Beide verloren den Großteil ihrer Familien durch den Holocaust.<br />
Danach lebten sie in Timioara (Rumänien) und lernten sich dort kennen. Sie heirateten<br />
und zwei Jahre später wurde mein Onkel geboren, und sechs Jahre später (1951) mein<br />
Vater.<br />
1958 beschlossen sie, nach Israel zu gehen. Sie wollten dort hinziehen, weil auch ihre<br />
Familien dort hingingen. Sie reisten über Wien nach Neapel und dann per Schiff nach<br />
Haifa. Von dort kamen sie nach Rishon LeZion und ließen sich dort nieder. Mein Vater<br />
verbrachte hier seine Kindheit und lernte dann später meine Mutter kennen.<br />
Mein Großvater eröffnete eine Schneiderei für Herrenanzüge und meine Großmutter<br />
arbeitete als Krankenschwester in einem Krankenhaus. Mein Großvater starb 1975 an<br />
einem Herzinfarkt. Meine Großmutter heiratete erneut, einen Mann namens Ephraim. Sie<br />
starb 1989 an einem Herzinfarkt.<br />
Mein Großvater Shimon und meine Großmutter Betty mütterlicherseits wurden in Suceava<br />
(Rumänien) geboren. Sie waren mit ihren Familien von den Nazis nach Transnistrien,<br />
heute Ukraine, in ein Arbeits- und Konzentrationslager gebracht worden, wo sie Hunger,<br />
schlechter Hygiene und Krankheiten ausgesetzt waren. 1944 wurden sie befreit und<br />
kehrten in ihre Heimatstadt zurück. Shimons Bruder und Bettys Schwester heirateten<br />
und so lernten meine Großeltern sich kennen. Sie heirateten 1946. Ein Jahr später wurde<br />
mein Onkel geboren und fünf Jahre später (1952) meine Mutter. Im Jahr 1965 beschlossen<br />
sie, nach Israel auszuwandern.<br />
Sie reisten über Wien nach Neapel und von dort per Schiff nach Haifa. Sie ließen sich<br />
in Rishon LeZion nieder. Beide arbeiteten in ihren verschiedenen Berufen sehr hart, um