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UNTOLD FAMILY STORIES - Friedensschule Münster

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Die Geburt meines Bruders<br />

Für mich hat die Familie eine große Bedeutung. Sie ist ein Teil meines Lebens, auf den<br />

ich in schlechten Zeiten immer zurückgreifen und auf Unterstützung hoffen kann. Doch<br />

auch in Zeiten der Freude weiß ich meine Familie sehr zu schätzen. Vor allem mit meinen<br />

Geschwistern kann ich viel Spaß haben. Meine Schwester und ich sind besonders wegen<br />

des geringen Altersunterschiedes meistens gleicher Meinung und verstehen uns gut.<br />

Zwischen meinem Bruder und mir liegen sieben Jahre Altersunterschied, doch erst durch<br />

seine Geburt wurde unsere Familie komplett und meine Vorstellungen von einer Familie<br />

erfüllt. Daher kann ich mich noch genau an diesen für mich sehr bedeutsamen Moment<br />

erinnern.<br />

Am 10. Juni 2000 war es endlich soweit, mein Bruder, den wir alle schon so lange erwartet<br />

hatten, erblickte endlich das Licht der Welt. Ich war damals sieben Jahre alt, meine<br />

Schwester Hannah fünf. Doch trotzdem kann ich mich noch genau an diesen besonderen<br />

Moment erinnern. Nachts, als meine Schwester und ich noch tief schliefen, weckte uns<br />

mein Vater Christoph plötzlich in heller Aufregung und sagte, es gehe nun los. Hannah<br />

und ich wussten sofort, worum es ging, denn auf diesen Moment hatten wir schon so<br />

lange gewartet. Mein Vater brachte Hannah und mich zusammen mit unserer schwangeren<br />

Mutter Cordula in unser Auto. Wir fuhren zu unserer Oma und unserem Opa, die<br />

mindestens genauso gespannt waren wie wir und sich unheimlich auf ein drittes Enkelkind<br />

freuten. Die beiden warteten bereits an der Haustür, damit meine Eltern möglichst<br />

schnell zum Krankenhaus fahren konnten. Hannah und ich gingen derweil bei unseren<br />

Großeltern schlafen. Um 5.15 Uhr wurde schließlich mein kleiner Bruder geboren. Die<br />

größte Überraschung für meine Eltern war es, nach zwei Töchtern nun einen Sohn<br />

bekommen zu haben, vor allem weil das Geschlecht des Kindes bis zur Geburt unbekannt<br />

war. Außerdem machte sich bei allen eine große Erleichterung breit, da mein Bruder<br />

schon zwei Wochen hatte auf sich warten lassen, umso größer war deshalb die Freude,<br />

dass auch die dritte Geburt ohne Komplikationen verlaufen war und sowohl mein Bruder<br />

als auch meine Mutter wohlauf waren. Die freudige Nachricht der Geburt erreichte uns<br />

jedoch erst am nächsten Morgen, als mein Vater mit einem Foto des Neugeborenen zu<br />

uns kam, während wir mit unseren Großeltern frühstückten. Mit dem Anblick des Fotos<br />

machte sich in mir eine große Freude breit, doch hauptsächlich war ich stolz, nochmals<br />

eine große Schwester sein zu dürfen. Ganz gegensätzlich zu meiner Reaktion verhielt<br />

sich allerdings meine Schwester. Anstatt sich wie alle anderen Familienmitglieder über<br />

die Geburt von Lennard zu freuen, vergoss sie Tränen, die keine Freude als Ursache hatten.<br />

Aus ihrer kindlichen Naivität heraus war sie nämlich davon überzeugt, dass meine<br />

Eltern unserem kleinen Bruder den Namen „Franz“ geben würden, der einzige Name, der<br />

für sie wegen ihrer Begeisterung für die Fernsehsendung „Sissi, die Prinzessin“ in Frage<br />

kam. Die Sendung, in der das Leben der österreichischen Prinzessin Sissi und ihres Gatten<br />

Franz als Zeichentrickfilm dargestellt worden war, sahen wir jeden Abend, bevor wir in<br />

unsere Betten gingen. Die Sendung hat uns einen Einblick in das Leben einer Prinzessin<br />

gegeben und brachte uns dazu, von einem solchen Leben zu träumen. In meiner Schwester<br />

kam so der Gedanke auf, zumindest den Namen „Franz“ aus ihrer Lieblingssendung in<br />

unser normales Leben zu übernehmen. Heute können wir zusammen über ihre Reaktion<br />

lachen und sind alle froh, dass mein Bruder Lennard nicht den Namen „Franz“ trägt.<br />

Meine Eltern jedoch hatten zunächst ganz andere Sorgen bezüglich unserer Reaktion auf<br />

unseren kleinen Bruder. Sie stellten sich Fragen, die für Eltern an erster Stelle stehen, wie<br />

z.B. „Werden sie ihn akzeptieren?“, „Werden sie vielleicht eifersüchtig sein?“, „Haben sie<br />

überhaupt Interesse an einem weiteren Geschwisterkind?“ Doch all ihre Befürchtungen<br />

waren schnell aus der Welt geschafft, denn was meinem Vater in guter Erinnerung geblieben<br />

ist, ist die Neugier, die wir schon zu Beginn aufwiesen, denn sobald wir das Foto<br />

meines Bruder erblickten, begannen wir unseren Vater mit Fragen nach dem Aussehen,<br />

der Größe und des Gewichtes (er wog fast 9 Pfund) zu löchern. Vor allem konnten wir es<br />

kaum erwarten, unsere Mutter und unseren kleinen Bruder im Krankenhaus zu besuchen,<br />

was wir in den nächsten Tagen dann auch machen konnten. Die zwei Wochen, die wir<br />

länger als ursprünglich vorhergesehen war, auf meinen Bruder gewartet hatten, haben<br />

sich also gelohnt und nach 11 Jahren ist er schließlich nicht mehr aus unserer Familie<br />

wegzudenken.<br />

Lisa<br />

<strong>Münster</strong><br />

Rishon LeZion<br />

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