Die Plastik der Ägypter - New York University
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ARCHITEKTUR 15<br />
in Ägypten sind Ornament und Mythus. Im Mythus ruhen bereits die Elemente<br />
<strong>der</strong> Poesie, und die ersten planmäßig geordneten Figuren erscheinen auf Ton-<br />
vasen, <strong>der</strong> abstrakten Schönheit des Gefäßes dienend, die in ihren Linien<br />
wi<strong>der</strong>klingt. <strong>Die</strong> ägyptischen Künstler kamen vielleicht in den Reliefs, die ihre<br />
bildnerische Natur beson<strong>der</strong>s rein spiegeln, am frühesten zu Kunstleistungen.<br />
<strong>Die</strong> ersten Reliefs, von <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>schrift noch nicht streng geschieden, finden<br />
sich auf Grabsteinen, Siegestafeln und Vasen <strong>der</strong> ältesten Könige. Der Mittel<br />
und Grenzen dieser Kunst noch ungewiß, versuchte man verschiedene Arten<br />
<strong>der</strong> Reliefbildung und <strong>der</strong> Komposition. Man kann deutlich die Bemühungen<br />
verfolgen, die zu dem endgültigen Stil führten, <strong>der</strong> manche tüchtigen Züge —<br />
eine kräftigere Innenzeichnung und frischere Umrisse — <strong>der</strong> erstrebten Bild-<br />
einheit opferte. Unter <strong>der</strong> Regierung des Menes etwa ist dieser Stil gefestigt,<br />
dessen hohen Rang die auf Tafel 109 abgebildete Grabstele anzeigt. Erst in <strong>der</strong><br />
III. Dynastie war die Architektur so weit, um selbst <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> zu bedürfen:<br />
Man bezieht das Relief in den Baugedanken ein, dem es sich niemals wie<strong>der</strong><br />
entfremdete und <strong>der</strong> es zu seiner reichen Entfaltung bewegte.<br />
<strong>Die</strong> Architektur, die auch die an<strong>der</strong>en Bildkünste, Rundplastik und Malerei,<br />
sich verband, stimmte in Ägypten wie in Griechenland auf eine fast wun<strong>der</strong>-<br />
bare Art mit <strong>der</strong> Landschaft zusammen; beide ergänzen einan<strong>der</strong> zu einer Ge-<br />
samtheit. <strong>Die</strong> Architekten fanden sich vor die schwierige Aufgabe gestellt,<br />
ihre Bauwerke und Denkmäler gegen ferne, ausgebreitete Horizonte aufzu-<br />
richten. Hinter ihnen dehnen sich wellig ansteigende Sandhügel o<strong>der</strong> erhebt sich<br />
das Felsplateau. Tiefer unten die breite Furche des Stromes. Darüber hängt<br />
das reine Blau <strong>der</strong> Luft, ohne Farbenabstufung, ohne Wolkenschatten. Es ge-<br />
lang ihnen, in ihre Konzeptionen diese übermächtige Landschaft mit den großen<br />
ruhenden Formen, den starken geson<strong>der</strong>ten Farben und dem intensiven Licht,<br />
das die Gestalten we<strong>der</strong> verwischt noch überspannt, hineinzunehmen. Sie be-<br />
herrschten mit ihren Kunstvorstellungen diese Landschaft, die wie<strong>der</strong>um alle<br />
künstlerischen Formen gleichsam aufgelöst enthält. <strong>Die</strong>se Natur gab ihren<br />
Geschöpfen die Fähigkeit, groß zu sehen. Denn es bildet sich an den immer<br />
wie<strong>der</strong>kehrenden Formen einer Landschaft — zumal in Ägypten — ein fester<br />
Besitz an Formvorstellungen, ein bestimmtes Proportionsgefühl. Michelangelos<br />
Traum inmitten einer kleiner gestimmten Welt — <strong>der</strong> Felskoloß von Carrara —<br />
war in Ägypten verwirklicht. <strong>Die</strong> ägyptischen Bautypen dürften die dieser<br />
Landschaft angemessenen Formen erschöpft haben.