Die Plastik der Ägypter - New York University
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RELIEFSTIL 51<br />
griechische auf ihren Wänden sich selbst preisgegeben hätte. Der Trieb, ganze<br />
Mauern mit Bil<strong>der</strong>n zu überkleiden, zwang ohnedies zum flachen Relief, um die<br />
verwirrenden Schlagschatten herausgelöster Figuren zu vermeiden.<br />
<strong>Die</strong> Reliefkunst ist — wie die Rundplastik — Körpergestaltung. Ihre Körper<br />
haften aber an einer unverän<strong>der</strong>lichen Grundfläche, die <strong>der</strong> Entfaltung ihres<br />
Volumens entgegenwirkt. Relieffiguren sind demnach reduzierte Raumformen,<br />
die indessen nicht fragmentarisch, son<strong>der</strong>n — als Kunstgebilde — vollständig<br />
wirken müssen. Da die Relieffigur notwendig in ihrer räumlichen Existenz be-<br />
schränkt und an die Form <strong>der</strong> Wand gebunden ist, gilt es, entwe<strong>der</strong> über diese<br />
Hemmungen hinwegzutäuschen und in den Figuren den Anschein des Rund-<br />
plastischen, des Freibewegten zu wahren, wie im ausgebildeten griechischen<br />
Relief, o<strong>der</strong> — eben jene gefor<strong>der</strong>te räumliche Einbuße zum Stilmoment zu<br />
erheben. Das letztere taten die <strong>Ägypter</strong>. <strong>Die</strong>selben Künstler, die Statuen gleich<br />
übergroßen Steinwürfeln formten, die mit Vorliebe die menschliche Bildung<br />
auf die ungeheuren Dimensionen des Felsblockes übertrugen, erfanden mit <strong>der</strong><br />
gleichen produktiven Folgerichtigkeit das zarte, fast körperlose ägyptische<br />
Flachrelief. <strong>Die</strong> Anfänge des Stils liegen in <strong>der</strong> Vorzeit. <strong>Die</strong> Weihetafeln<br />
König Narmers, <strong>der</strong> — nach Ed. Meyer ein Vorgänger des Menes — um 3400<br />
v. Chr. Ägypten beherrschte, zeigen ihn im kleinen Maßstabe völlig ausgebildet.<br />
Und <strong>der</strong> herrliche Grabstein, Tafel 109, den sich Menes zweiter Nachfolger er-<br />
richtete,bezeugtfürdiesefrüheZeiteineKraft<strong>der</strong>künstlerischenFormbezeichnung<br />
und eine Sicherheit im Bildmäßigen, die nicht zu übertreffen waren. <strong>Die</strong> <strong>Ägypter</strong><br />
hatten allerdings schon eine unvergleichliche Schule des Flächenstils durchge-<br />
macht. Ihre Bil<strong>der</strong>schrift bestand bereits zur Zeit des Menes, <strong>der</strong> um 3315 die<br />
beiden älteren Reiche, Ober- und Unterägypten, endgültig zum Pharaonenstaat<br />
geeint hatte. In Ägypten war die Schrift mehr als eine nützliche Fertigkeit,<br />
sie war Bildkunst. Man kann ihre strenge Schönheit an den Wänden des Meten-<br />
grabes im Berliner Museum bewun<strong>der</strong>n. Da sind, dem Bildeindruck zuliebe,<br />
die sinngemäßen Abstände zwischen den Wörtern geopfert; Bild folgt auf Bild<br />
im gleichmäßigen Rhythmus <strong>der</strong> senkrechten Reihen.<br />
<strong>Die</strong> ägyptischen Künstler, durch keine Vorbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit beirrt,<br />
konnten sich unbefangen in erster Linie <strong>der</strong> sachlichen For<strong>der</strong>ung ihrer neuen<br />
Kunstaufgabe hingeben: Körper flächengemäß umzubilden und flächenhaft zu<br />
kombinieren. Ihr Stilbedürfnis führte sie dazu, streng zwischen <strong>der</strong> runden und<br />
<strong>der</strong> flachen Skulptur zu scheiden. <strong>Die</strong> ägyptische Relieffigur trägt stets die