Die Plastik der Ägypter - New York University
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54 RELIEFSTIL<br />
diese abstrakte Schönheit <strong>der</strong> Figur, die wie bei einem guten Ornament auf <strong>der</strong><br />
passiven Grundfläche noch ein Bild ausspart. Doch bleibt allein den <strong>Ägypter</strong>n<br />
das Verdienst, daß ihre Figuren dabei nicht das Organische, die naturgemäße<br />
Proportion, einbüßten.<br />
Durch die ganze ägyptische Kunst stellte dieser jungfräuliche Typ das Bild<br />
<strong>der</strong> Frau dar. Er entspricht dem Schönheitstyp, den die Dichtung uns überliefert.<br />
In einem Märchen des Papyrus Westcar (erhalten in einer späteren Nie<strong>der</strong>schrift<br />
aus dem 17. Jahrhun<strong>der</strong>t v. Chr.) wird berichtet, auf welche Weise einst König<br />
Snofru sich zerstreute. Sein „oberster Vorleser und Buchschreiber" sagte zu<br />
ihm: „Deine Majestät begebe sich doch zum See des Palastes und besetze dir<br />
ein Boot mit allen schönen Mädchen deines Palastes. Das Herz deiner Majestät<br />
wird sich erheitern, wenn du siehst, wie sie heraufru<strong>der</strong>n und herunter. Wenn<br />
du die schönen Sümpfe deines Sees siehst und wenn du seine schönen Fel<strong>der</strong><br />
und Ufer siehst, so wird dein Herz sich erheitern. Ich aber will <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong><br />
Fahrt sein (?). Lasse mir 20 Ru<strong>der</strong> aus Ebenholz bringen, die mit Gold aus-<br />
gelegt sind und <strong>der</strong>en Griffe aus Sekebholz sind, das mit Silbergold ausgelegt<br />
ist. Lasse mir 20 Frauen bringen, von denen mit dem schönsten Körper, mit<br />
Brüsten und Locken und die noch nicht geboren haben, und lasse mir weiter<br />
20 Netze bringen und gib diese Netze diesen Frauen über (?) ihre Klei<strong>der</strong><br />
(nach an<strong>der</strong>er Übertragung: als ihre Klei<strong>der</strong>). Da ru<strong>der</strong>ten sie nun herauf und<br />
herunter, und das Herz seiner Majestät ward froh, als er sie ru<strong>der</strong>n sah." (Erman<br />
und Krebs, Aus dem Papyrus <strong>der</strong> Kgl. Museen.)<br />
In einem ägyptischen Liebeslied eines Turiner Papyrus (Erman, Ägypten,<br />
S. 272) verschmilzt das Bild <strong>der</strong> Geliebten mit dem des wilden Feigenbaumes:<br />
„<strong>Die</strong> kleine Sykomore,<br />
die sie gepflanzt hat mit ihrer Hand,<br />
die schickt sich an zu sprechen,<br />
und ihre Worte sind wie Honigseim.<br />
Sie ist reizend, ihr Laub ist schön,<br />
grünen<strong>der</strong> als <strong>der</strong> Papyrus.<br />
Sie ist beladen mit Früchten,<br />
röter als Rubin.<br />
Ihre Blätter, <strong>der</strong>en Farbe gleicht dem Glas,<br />
ihr Stamm hat eine Farbe wie Opal . . .,<br />
ihr Schatten kühlt. —<br />
Sie sendet ihren Brief durch ein kleines Mädchen . . .