1 Zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft: Zur Mehrdeutigkeit des ...
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Vorstellung der <strong>Gemeinschaft</strong> bestimmen Herkunft <strong>und</strong> Einbindung zum<br />
größten Teil die Person: Das Kind bleibt Kind seiner Familie, weil es ihr<br />
zugehört. Die familiäre, verwandtschaftliche <strong>und</strong> später auch sozialräumliche<br />
Einbindung eines jungen Menschen ist so etwas wie Schicksal, man kann sie<br />
nicht abstreifen, selbst wenn man sie physisch verlässt.<br />
Dagegen die Vorstellung der Moderne: Die Welt ist veränderbar. Ich bin<br />
veränderbar. Im Prinzip ist alles veränderbar. Nichts muss so bleiben wie es ist,<br />
sondern sollte zu dem gemacht werden, wie es sein soll, im Lichte unsrer<br />
Erkenntnis, mit der Energie unserer Aspirationen <strong>und</strong> der Kraft unserer<br />
Leistung. In Marx <strong>und</strong> Engels kommunistischen Manifest heißt es: "Alle festen<br />
eingerosteten Verhältnisse, alle altehrwürdigen Anschauungen werden<br />
aufgelöst, alle neu gebildeten veralten, ehe sie verknöchern können. Alles<br />
Ständische <strong>und</strong> Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, <strong>und</strong> die<br />
Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen<br />
Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen" (zit. nach Kleve 2011). Im<br />
ähnlichen Duktus definiert Kant 1784 Aufklärung als "Befreiung <strong>des</strong> Menschen<br />
aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Habe Mut, dich deines eigenen<br />
Verstan<strong>des</strong> zu bedienen!" <strong>und</strong> dein Leben <strong>und</strong> die <strong>Gesellschaft</strong><br />
dementsprechend zu verändern. Die Vorstellung der Moderne ist also die der<br />
Verantwortung für Entwicklung <strong>und</strong> Fortschritt. Stillstand ist Misserfolg<br />
Veränderung hingegen Erfolg. Sozialpädagogische Wirksamkeit wird mit einer<br />
Veränderung der Klienten gleichgesetzt. Moderne Hilfe ist Veränderung. So<br />
heißt es in §1 SGB VIII: "Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung<br />
seiner Entwicklung ...", notfalls durch einen neuen Start in einer neuen<br />
Umgebung. Das Schicksal eines Kin<strong>des</strong> muss zu <strong>des</strong>sen Wohl verändert<br />
werden: Nichts ist unmöglich! Geht nicht, gibt’s nicht! Yes we can!<br />
Hans Thiersch weist darauf hin, dass die Maxime der zielbezogenen<br />
Veränderung in eigentümlicher Spannung zu unserem Alltagshandeln stehe,<br />
das eher abwartend ist: "Kommt Zeit kommt Rat!", eher entdramatisierend: "Das<br />
wird schon wieder!", "Das wächst sich aus!", eher sich arrangierend mit den<br />
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