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1 Zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft: Zur Mehrdeutigkeit des ...

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lebensweltlichen Gepflogenheiten gebracht werden <strong>und</strong> der Jugendhilfe auch<br />

die Stärkung von <strong>Gemeinschaft</strong> als Aufgabe zugeschrieben werden.<br />

Familienrat als Brückenverfahren<br />

Tönnies hat seinen <strong>Gemeinschaft</strong>sbegriff als kritischen Gegenbegriff gegen<br />

eine naiv liberale Fortschrittseuphorie konstruiert. Er bezeichnet ein nicht<br />

zweckrationales Handeln, das aus Sicht der zweckrationalen gesellschaftlichen<br />

Subsysteme wie Wirtschaft, Recht, Verwaltung etc., zum Teil ein irrational<br />

wirken kann (Weber 295). Tönnies hatte seinerzeit den Zerfall von<br />

<strong>Gemeinschaft</strong> zugunsten von <strong>Gesellschaft</strong> im Blick. Diese These wird von Joas<br />

(1999, 43) als Besonderheit <strong>des</strong> europäischen Denkens bezeichnet. In der<br />

amerikanischen Theorie entdeckt Joas als dritte Phase, eine erneute<br />

Vergemeinschaftung, die reorganisation von gemeinschaftlichem Handeln, die<br />

allerdings offen sei für die Verbindung mit modernen gesellschaftlichen<br />

Institutionen. Auch habe bsw. die amerikanische "community" nicht wie die<br />

deutsche "<strong>Gemeinschaft</strong>" einen altmodischen, sondern einen ausgesprochen<br />

fortschrittliche Konnotation. Demokratie ist ohne community nicht denkbar (Joas<br />

1992, zit. nach Wurtzbacher 2003, 94). <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong> sind<br />

demnach keine Gegensätze, sondern lassen sich verbinden. Aber genauso<br />

wenig wie gefriergetrocknete Shrimps wieder zum Leben erwachen, wenn man<br />

Wasser drüber schüttet, werden das <strong>Gemeinschaft</strong>stugenden tun, die durch<br />

zuviel <strong>Gesellschaft</strong> beschädigt oder verdrängt wurden, behauptet Francis<br />

Fukuyama. Deswegen wird unter verschiedenen Namen wie Kommunitarismus<br />

(Etzioni 1995), dritter Weg (Giddens 1999), Bürgergesellschaft (Dettling 2002),<br />

Soziales Kapital (Putnam 2000) nachgedacht, wie staatliches Handeln wieder<br />

re-sozialisiert werden kann. In seiner Vision der "Big Society" beschreibt der<br />

britische Staatschef (Cameron 2010) wie der Big-Government-Staat sich durch<br />

ausgesprochen erfindungsreiche Politik <strong>und</strong> Verwaltungskunst neu erfinden<br />

muss, um Spielraum für die Big Society der Bürger <strong>und</strong> ihrer<br />

Zusammenschlüsse zu schaffen.<br />

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