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1 Zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft: Zur Mehrdeutigkeit des ...

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Ferdinand Tönnies, ein dt. <strong>Gesellschaft</strong>swissenschaftler der ersten St<strong>und</strong>e, hat<br />

1887 ein Buch mit dem Titel "<strong>Gemeinschaft</strong> <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong>" geschrieben<br />

(2005) <strong>und</strong> stellt darin die Frage, warum Menschen sich um andere Menschen<br />

kümmern <strong>und</strong> warum Menschen mit anderen Menschen kooperieren. Diese<br />

Fragen sind nach Tönnies auf zwei sehr unterschiedliche Arten beantwortbar.<br />

Einmal nimmt Tönnies an, dass Menschen anderen Menschen helfen, wenn sie<br />

sich als Teil einer "<strong>Gemeinschaft</strong>" empfinden, deren Gesamtwohlergehen für<br />

sie einen sehr hohen Wert hat. In die <strong>Gemeinschaft</strong> empfindet sich der Mensch<br />

eingewoben. Er sieht sich als Teil eines sozialen Kreises, den er nach Kräften<br />

schützen <strong>und</strong> nähren will, <strong>und</strong> von dem er sich gleichzeitig unterstützt <strong>und</strong><br />

getragen fühlt. Solche <strong>Gemeinschaft</strong>sbeziehungen kann man sich nicht<br />

aussuchen kann, sondern ist mit denen zusammen, mit denen man seit dem<br />

Zufall der Geburt verwachsen ist. <strong>Gemeinschaft</strong>sbeziehungen lassen sich auch<br />

nur begrenztem Maße austauschen: Schwester bleibt Schwester, Fre<strong>und</strong>e kann<br />

man nicht wie Hemden wechseln <strong>und</strong> schließlich sind <strong>Gemeinschaft</strong>sbeziehungen<br />

ausufernd. Man ist für alles zuständig: Wenn der Wagen <strong>des</strong><br />

besten Fre<strong>und</strong>es nicht anspringt, besteht die Erwartung auf Aushilfe <strong>und</strong> auch<br />

wenn er ein Problem mit seiner Partnerin bleibt man zuständig. In<br />

<strong>Gemeinschaft</strong>sbeziehungen herrscht eine Allzuständigkeit, die wir uns als<br />

Fachkräfte überhaupt nicht vorstellen können. Typisch für<br />

<strong>Gemeinschaft</strong>sbeziehungen sind Eltern-Kind-Beziehungen. Hier ist<br />

"<strong>Gemeinschaft</strong>" so stark, dass sogar der Begriff "Beziehung" unpassend wirkt:<br />

Eltern haben mit ihren Kindern keine "Beziehung", sie gehören ihnen<br />

gewissermaßen. Andere Beispiele sind: Lebensgemeinschaften,<br />

Ehegemeinschaften, Geschwisterbeziehungen, Busenfre<strong>und</strong>schaften, aber in<br />

schwächerer Form auch Nachbarschaften <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>eskreise, oder in Tönnies<br />

Worten <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>des</strong> Blutes (Verwandtschaft), <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>des</strong> Ortes<br />

(Nachbarschaft) <strong>und</strong> <strong>Gemeinschaft</strong> <strong>des</strong> Geistes (Fre<strong>und</strong>schaft) (Tönnies 2005,<br />

S. 16 f)<br />

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