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05 - Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen ...

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Arbeit eingesetzt wurden <strong>und</strong> viele von ihnen unter menschenunwürdigen Bedingungen lebten<br />

- von rassischer Diskriminierung, körperlicher Misshandlung, diskriminierend geringer<br />

oder gar keiner Entlohnung ganz abgesehen (vgl. Simon Reich, Corporate Social Responsibility<br />

and the Issue of Compensation, The Case of Ford and Nazi Germany, in: Business and<br />

Industry in Nazi Germany, Hrsg. Francis R. Nicosia <strong>und</strong> Jonathan Huener, N.Y., Oxford<br />

2004, S. 119 ff.; Jonathan Wiesen, West German Industry and the Challenge of the Nazi Past<br />

1945 - 1955, Chapel Hill <strong>und</strong> London 2001, S. 16, m. w. N.).<br />

Die mit Wissen der „Nachfrager“ von Zwangsarbeit <strong>und</strong> vor den Augen der Bevölkerung<br />

durchgeführten Massendeportationen von Zivilisten besetzter Länder <strong>und</strong> die Umstände des<br />

Zwangsarbeitereinsatzes stellten ebenso eine massive Verletzung der Haager Landkriegsordnung<br />

von 1907 dar <strong>und</strong> waren daher Bestandteil der Hauptanklagepunkte in den Nürnberger<br />

Prozessen (vgl. Mark Spoerer, Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, Stuttgart/München 2001,<br />

S. 233 u. passim).<br />

Der massenhafte Einsatz von Zwangsarbeitern insbesondere aus den östlichen besetzten Gebieten,<br />

die entsprechend dem rassistischen Ideologieverständnis des Nationalsozialismus als<br />

Arbeitssklaven ausgebeutet wurden, gehörte zu Stützpfeilern des NS-Regimes. Ihm den „Systembezug“<br />

abzusprechen, stellt eine grobe Verkennung der historischen Gegebenheiten dar.<br />

Die Mitverantwortung der Unternehmen, die Zwangsarbeiter beschäftigten, beginnt spätestens<br />

da, wo sie die vorhandenen Spielräume, ob <strong>und</strong> in welchem Umfang ihr Unternehmen Rüstungsproduktion<br />

betrieb, nicht nutzten <strong>und</strong> erst recht da, wo sie hier<strong>für</strong> Kriegsgefangene oder<br />

Zwangsarbeiter anforderten (vgl. Spoerer, a. a. O., S. 237 ff.). Da Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene<br />

<strong>und</strong> KZ-Häftlinge nur auf Anforderung zugeteilt wurden, ist bei einer steigenden<br />

Gewinnentwicklung unter Ausnutzung von Zwangsarbeit von einer zurechenbaren Mitverantwortung<br />

<strong>und</strong> damit einem zurechenbaren Verstoß gegen die Gr<strong>und</strong>sätze der Menschlichkeit<br />

oder Rechtsstaatlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 4 AusglLeistG auszugehen.<br />

Der Vorstand leitet die Geschäfte der AG. Alle Vorstandsmitglieder sind gemeinschaftlich zur<br />

Geschäftsführung <strong>und</strong> Vertretung der Gesellschaft befugt (§§ 76 ff. AktG).<br />

Einem Vorstandsmitglied ist deshalb das „Handeln“ des Unternehmens zuzurechnen <strong>und</strong> erfüllt<br />

dieses einen der in § 1 Abs. 4 AusglLeistG aufgeführten Tatbestandsalternativen, liegt<br />

damit auch in dessen Person ein Ausschlussgr<strong>und</strong> vor.<br />

Mit der Ablehnung der Zurechnung von Verantwortung <strong>für</strong> den Einsatz von Sklavenarbeiten<br />

liegt die 2. Kammer auf der Linie der Selbstrechtfertigungen der Unternehmergeneration der<br />

NS-Zeit nach dem Zusammenbruch des NS-Regime <strong>und</strong> den apologetischen Wirtschaftshistorikern<br />

der Nachkriegszeit (vgl. Volker Berghahn, Writing the History of Business, in: Business<br />

and Industry in Nazi Germany, a. a. O., S. 133).<br />

Zeitgenössische Unternehmenshistoriker sind jedoch zu der Auffassung gelangt, dass die Unternehmensführer<br />

der früheren 40er Jahre nicht nur besorgt versuchten, das Überleben ihrer<br />

Unternehmen zu sichern, sondern ebenso von der imperialistischen <strong>und</strong> rassistischen Ideologie<br />

des Nationalsozialismus erfasst wurden - einige vielleicht noch widerwillig, sehr viele<br />

mehr als bereitwillig. Sie gelten heute als warnende Beispiele des totalen Bankrotts, zu dem<br />

politische Verantwortungslosigkeit, moralischer Verfall <strong>und</strong> verbrecherisches Zusammenwirken<br />

(Collusion in Crime) unausweichlich führen müssen (ebd. S. 145).<br />

Der 2. Kammer ist im Übrigen mangelnde Sachverhaltsaufklärung vorzuwerfen, da nach ihrer<br />

Auffassung eine „Misshandlung von beschäftigen Gefangenen <strong>und</strong> Zwangsarbeitern“ immerhin<br />

„eine andere Beurteilung nahe legen“ könnte. Gesicherte historische Erkenntnis ist, dass<br />

die „Zwangsarbeit in Konzentrationslagern zum „Geschäft des Genozids“ gehörte (vgl. Michael<br />

Thad Allen: The Business of Genocide. The SS, Slavery and the Concentration Camps,<br />

in: Business and Industry in Nazi Germany, a. a. O., S. 99). Da es offenbar dokumentarische<br />

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