RdT 1/2010 - Bund gegen Missbrauch der Tiere
RdT 1/2010 - Bund gegen Missbrauch der Tiere
RdT 1/2010 - Bund gegen Missbrauch der Tiere
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VERSPIELTE CHANCE FÜR DEN TIERSCHUTZ<br />
NEUREGELUNG DER EU- TIERVERSUCHSRICHTLINIE<br />
Vielleicht gab es anfangs tatsächlich die Chance auf eine Wende<br />
im europäischen Tierversuchsrecht. Zumindest war da ein Hoffnungsschimmer,<br />
als die Europäische Union verkündete, die veraltete<br />
Tierversuchslinie (EU-Richtlinie 86/609/EWG) von 1986 zu<br />
überarbeiten, um endlich EU-weit einheitliche und verbindliche<br />
Standards bei <strong>der</strong> Durchführung von Tierversuchen festzuschreiben.<br />
Und tatsächlich, <strong>der</strong> im November 2008 vorgelegte Kommissionsentwurf<br />
enthielt wichtige Regelungen, um Tierversuche effektiv<br />
zu reduzieren.<br />
So sollten Tierversuche im Genehmigungsverfahren<br />
vorab verpflichtend<br />
auf ethische Notwendigkeit und Unerlässlichkeit<br />
überprüft und bewertet werden.<br />
Ebenso sollte das 3R- Prinzip, dessen<br />
Ziel es ist, die Verwendung von<br />
<strong>Tiere</strong>n zu vermeiden, zu reduzieren o<strong>der</strong><br />
zu verbessern, strikt angewandt sowie<br />
Alternativverfahren gestärkt werden.<br />
Kein Fortschritt in den Köpfen<br />
Doch sehr schnell wurden die Hoffnungen<br />
von <strong>der</strong> Realität ein-, besser überholt.<br />
Beim Tauziehen zwischen Kommission,<br />
Parlament und EU-Ministerrat<br />
wurden die wesentlichen Elemente des<br />
ursprünglichen Entwurfs trotz intensivster<br />
Bemühungen <strong>der</strong> Tierschutzverbände<br />
gestrichen o<strong>der</strong> massiv abgeschwächt<br />
- <strong>der</strong> Tierschutz blieb auf <strong>der</strong><br />
Strecke. Die einseitige Einflussnahme<br />
<strong>der</strong> Tierversuchslobby von Forschung<br />
und Pharmaindustrie hatte sich durchgesetzt:<br />
Ethische Bewertung von Tierversuchen?<br />
- praktisch gecancelt, <strong>der</strong><br />
Einsatz tierversuchsfreier Methoden? -<br />
nicht mehr vorgeschrieben, eine Obergrenze<br />
für Leiden und Schmerzen? -<br />
nicht mehr vorgesehen.<br />
Klägliche Rolle Deutschlands<br />
Die <strong>Bund</strong>esregierung spielte in dem<br />
Trauerspiel wahrlich eine unrühmliche<br />
Rolle. Denn ausgerechnet Deutschland<br />
hat hinter den Kulissen die Verschlechterungen<br />
mitgetragen. Zwar ist Tierschutz<br />
seit 2002 Staatsziel, zwar verpflichtet<br />
<strong>der</strong> Koalitionsvertrag die<br />
<strong>Bund</strong>esregierung, sich auf EU-Ebene<br />
und in Deutschland für besseren Tierschutz<br />
einzusetzen. Aber Papier ist be-<br />
kanntlich geduldig - vor allem im<br />
Tierschutz. Als die grüne <strong>Bund</strong>estagsfraktion<br />
am 24. März im<br />
<strong>Bund</strong>estag einen letzten Versuch startete<br />
und Nachbesserungen einfor<strong>der</strong>te,<br />
lehnte dies die schwarz-gelbe Koalition<br />
ebenfalls ab. Der bmt protestierte gemeinsam<br />
mit an<strong>der</strong>en Tierschutzorganisationen<br />
vor dem <strong>Bund</strong>estag <strong>gegen</strong><br />
dieses Vorgehen.<br />
Rückschritt statt Fortschritt<br />
Beson<strong>der</strong>s gravierende Folgen hat ein<br />
zentraler Punkt <strong>der</strong> vorgesehenen Neuregelung.<br />
Wenn die Richtlinie erst einmal<br />
verabschiedet ist, soll kein EU-Mitgliedsstaat<br />
mehr strengere<br />
Maßgaben erlassen dürfen. Dies macht<br />
es einzelnen Län<strong>der</strong>n quasi unmöglich,<br />
eine Vorreiterrolle im Tierschutz zu<br />
übernehmen. Im Klartext: Die Weiterentwicklung<br />
des Tierschutzes wird<br />
durch die Deckelung auf dem status<br />
quo <strong>der</strong> bestehenden Regelungen geblockt.<br />
Auch dem deutschen Parlament<br />
sind damit auf lange Zeit die Hände<br />
gebunden und das Subsidiaritätsprinzip<br />
wird unterlaufen. Ein absolutes Novum,<br />
denn bisher galt für EU-Richtlinien:<br />
Die EU setzt Mindeststandards<br />
fest, die nationale Umsetzung kann<br />
darüber hinausgehen. Die geplante<br />
Bestimmung ist für uns inakzeptabel -<br />
und überdies wi<strong>der</strong>sprüchlich. Denn<br />
während tierschutzfreundlichere Regelungen<br />
verboten sind, erlaubt <strong>der</strong> Kompromisstext<br />
durchaus ein Abweichen<br />
"nach unten" zu Lasten <strong>der</strong> <strong>Tiere</strong> und<br />
des Tierschutzes. So sollen die Mitgliedstaaten<br />
die Anwendung einzelner<br />
Alternativmethoden verbieten können;<br />
T IERSCHUTZPOLITIK<br />
Foto: www.aerzte-<strong>gegen</strong>-tierversuche.de<br />
die Pflege- und Unterbringungsstandards<br />
dürfen unterschritten, Genehmigungsverfahren<br />
vereinfacht werden.<br />
DAS MACHEN WIR NICHT MIT!<br />
Der bmt wendet sich an den Petitionsausschuss<br />
Der bmt hat deshalb beim Petitionsausschuss<br />
des europäischen Parlaments eine<br />
Petition eingereicht. Wir for<strong>der</strong>n das<br />
europäische Parlament auf, in <strong>der</strong> Endfassung<br />
<strong>der</strong> Richtlinie eindeutig klarzustellen,<br />
dass Mitgliedstaaten auch in Zukunft<br />
zur Aufnahme tierfreundlicherer<br />
Regelungen in ihr nationales Tierschutzgesetz<br />
berechtigt bleiben, dass<br />
die behördliche Prüfung jedes Projektes<br />
auf seine ethische Vertretbarkeit verbindlich<br />
vorgeschrieben wird und dass<br />
im Sinne des 3R-Prinzips alternativen<br />
Methoden Vorrang gegeben werden.<br />
Hinterm Horizont geht's weiter….<br />
Der Termin für die Behandlung unserer<br />
Petition ist noch offen. Unabhängig davon<br />
befindet sich die Überarbeitung<br />
<strong>der</strong> EU-Tierversuchsrichtlinie nun in <strong>der</strong><br />
Endphase. Vermutlich im Juli <strong>2010</strong><br />
stimmt <strong>der</strong> Agrarausschuss ab, im September<br />
<strong>2010</strong> folgt voraussichtlich die<br />
abschließende Abstimmung im Plenum.<br />
Danach muss die neue Tierversuchsrichtlinie<br />
von den Mitgliedsstaaten<br />
in nationales Recht umgesetzt werden.<br />
Trotz alledem: Wir werden jedenfalls<br />
bis dahin weiter alle rechtlichen Möglichkeiten<br />
ausschöpfen, diesen Richtlinienentwurf<br />
zu verhin<strong>der</strong>n.<br />
Text: Elvira Schiöberg<br />
Das Recht <strong>der</strong> <strong>Tiere</strong> 2/<strong>2010</strong><br />
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