sonder-soli 2 (Page 1) - DGB-Jugend
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FORTSETZUNG VON SEITE 10<br />
liche Auftrag, die Weiterbildung von <strong>Jugend</strong>funktionären, konnte<br />
jedoch nicht mehr in vollem Umfang geleistet werden, da die Teilnehmerzahlen<br />
stetig sanken. Im Jahresbericht 1985 wurde dieser<br />
Mangel deutlich formuliert: „(...) macht sich in der zentralen <strong>Jugend</strong>bildungsstätte<br />
der Mangel an aktiven <strong>Jugend</strong>gruppen im Betrieb<br />
und am Ort und damit einhergehend ein Mangel an <strong>Jugend</strong>funktionären<br />
bemerkbar.“ Weiter heißt es: „(...) Die Zahl der TeilnehmerInnen,<br />
die zwar Gewerkschaftsmitglieder sind, aber nicht<br />
aus funktionierenden Strukturen zu uns kommen, nimmt beständig<br />
zu. Die meisten kommen, um ein individuelles Bildungsbedürfnis zu<br />
erfüllen.“ Um überleben zu können, mussten diese Probleme bewältigt<br />
werden. Eine Reaktion war das Angebot an Bildungsurlaubsseminaren,<br />
wodurch sich Themen und TeilnehmerInnen wandelten.<br />
Die MitarbeiterInnen des Hauses hatten nun mit <strong>Jugend</strong>lichen zu<br />
tun, die nicht gewerkschaftlich arbeiteten. Für sie stand, neben der<br />
Bildung, der Urlaub im Vordergrund ihrer Motivation.<br />
Mitte der achtziger Jahre beschrieb das Oberurseler Team die<br />
Veränderungen in einem Aufsatz und resümierte: „(...) Nach der Seminarkritik<br />
bleibt weiterhin diffus, was in dieser Woche gelernt worden<br />
ist. Ein direkter Lernerfolg ist nicht auszumachen. (...) Für die<br />
Bildungsseminare trifft die Voraussetzung der gewerkschaftlichen<br />
Bildungsarbeit, fast ausschließlich auf eine betriebliche und<br />
gewerkschaftliche Praxis bezogen zu sein, nicht zu. (...) Diese<br />
Seminare haben im Leben der <strong>Jugend</strong>lichen einen völlig<br />
anderen Charakter. Sie sind ein aus dem Alltag herausgehobenes<br />
Ereignis, mit fast so hohen Erwartungen an das Erlebnis<br />
belegt wie der Jahresurlaub.“ Im Jahresbericht 1988 kommen<br />
die Oberurseler zu der Schlussfolgerung: „(...) dass wir<br />
diese mehr individualistisch geprägte Seminarerwartung<br />
nicht denunzieren sollten, <strong>sonder</strong>n in unser Verständnis<br />
gewerkschaftlicher Bildungsarbeit integrieren müssen. Überdies<br />
zeigen unsere Erfahrungen, dass diese Teilnehmer, die<br />
oft nicht organisiert sind, nach einer Orientierungszeit aus<br />
eigener Überzeugung einer Gewerkschaft beitreten; nicht<br />
selten kommen sie dann als gewerkschaftlich engagierte Kollegen<br />
zu weiteren Seminaren.“<br />
Die politischen Umbrüche Anfang der neunziger Jahre<br />
verursachten ein neue Krise, die die Inhalte der bisherigen<br />
Bildungsarbeit in Frage stellten. Horst-Dieter Zahn, bis 1994<br />
Schulleiter in Oberursel, warf die Frage auf: „Reicht es also<br />
noch aus, den Widerspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital<br />
als den Grundwiderspruch zu orten, der die Gesellschaft<br />
prägt?“ Weiter resümierte Zahn, es gebe nicht mehr die<br />
„Gewissheit der Systemalternative“ und der Marxismus sei<br />
„nicht mehr Leitwissenschaft.“ Die Schlussfolgerungen, die<br />
aus dieser Erkenntnis gezogen wurden, prägten die Seminarangebote<br />
in der Folgezeit. Die neu formulierten Ziele laute-<br />
„ ... Wir meinen, dass über diese Gesellschaft nicht nur nicht genug,<br />
<strong>sonder</strong>n einfach viel zu wenig ausgesagt wird, wenn sie als Klassengesellschaft<br />
charakterisiert werden soll. ... Wir meinen, dass die Realität<br />
und das Bewusstsein, die man vor Jahren mit dem Begriff Klassengesellschaft<br />
meinte, heute in jeder Hinsicht sich so gewandelt haben,<br />
dass der Begriff in dieser Weise nichts mehr taugt. Strukturen<br />
sozialer Ungleichheit haben sich selber gewandelt; sie verlaufen nicht<br />
mehr entlang des Widerspruchs von Kapital und Arbeit.“<br />
„ ... Ist es für ein Haus der Gewerkschaftsjugend abstrus, abwegig, ein<br />
ten: Identität stärken, Analyse- und Kritikfähigkeit<br />
entwickeln, strategische<br />
Fantasie fördern!<br />
Neben den Problemen, die <strong>Jugend</strong>bildungsarbeit<br />
neu zu konstituieren, stehen<br />
seit den neunziger Jahren Finanzierungsfragen<br />
im Vordergrund. Die Instandhaltung<br />
und Erneuerung des denkmalgeschützten<br />
Gebäudes ist finanziell<br />
aufwendig. In den vergangenen Jahren<br />
wurde immer deutlicher, dass die Entscheidung,<br />
die notwendigen Investitionen<br />
zu leisten, nicht allein auf politischer<br />
Ebene getroffen werden kann. ■<br />
Quelle: „40 Jahre sind kein Alter“, Zum<br />
Jubiläum des Hauses der Gewerkschaftsjugend,<br />
Oberursel/Taunus, Juli 1994<br />
Das Haus der Gewerkschaftsjugend im Internet:<br />
www.hdgj.de<br />
„...Es ist Aufgabe des historischen<br />
Seminar zum Thema „Singles“ zu ma-<br />
Materialismus, zu zeigen, wie alles<br />
chen? Hat das überhaupt noch was mit<br />
kommen muss – und wenn es nicht<br />
kommt, zu zeigen, warum es nicht Arbeit zu tun? Natürlich nicht. Oder? Es<br />
kommen konnte....“<br />
hat mit Fragen der Kultur zu tun – Lebensstil,<br />
Kulturindustrie usw. – die nicht<br />
einen Randbereich ausmachen ... , <strong>sonder</strong>n von zentraler Bedeutung sind.“<br />
„ ... Die alten Gewissheiten haben ausgedient, die eherne Geschlossenheit<br />
gehört der Vergangenheit an.“<br />
Aus: Horst-Dieter Zahn, „Neue Ziele, neue Wege in der Bildungsarbeit“, Oberursel Juni 1994<br />
Foto: Jörg Lange