art - Ensuite
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POPMUSIK<br />
verfrühtes frühlingserwachen<br />
mit cibelle (Bild:<br />
■ Normaleweiser beginnt der astronomische<br />
Frühling ja erst am 21. März – dieses Jahr macht<br />
der Kosmos für einmal eine Ausnahme. Das<br />
kleine Städtchen Bern wird am 18. März Zeuge<br />
von unerklärlichen Rhythmen, Melodien, die<br />
an zärtliches Satellitengefl üster erinnern, und<br />
sphärischen Tonfetzen, die einem erregten<br />
Zusammentreffen der Himmelsgestirne nahe<br />
kommen. Eine Stimme, elektrisierend, spannungsgeladen,<br />
das kosmische Einläuten des Lenz<br />
zelebrierend. Cibelle ist die diesjährige Botschafterin<br />
des Berner Frühlings. Und um nichts<br />
dem Zufall zu überlassen, nimmt sie neben einer<br />
erstklassigen Band Gerätschaften wie Loopgeräte,<br />
Sampler und weitere elektronische Spielzeuge mit.<br />
Ihre Musik einfach mit einem Bossa-Nova-Stempel<br />
zu versehen, wäre bedauerlich und würde ihrem<br />
vielfältigen Talent nicht gerecht. Der Himmel hat<br />
es gut gemeint mit dem Mädchen. Es besitzt das<br />
feine Gespür für den Jazz. Piano- und Gitarrenspiel<br />
werden jovial von Cibelle in ihre elektronischen<br />
Klangteppiche eingefl ochten, um dann zwinkernd<br />
von dannen zu fl iegen. Nicht selten nehmen sie das<br />
Herz eines Zuhörers kurzerhand mit.<br />
Wir alles begann Begonnen hat alles im «Glitter»,<br />
einer Bar in São Paolo. Cibelle w<strong>art</strong>ete dort genervt<br />
auf ihren immer zu spät kommenden Freund. Gereizt<br />
rauchte sie eine Zigarette nach der anderen, wobei<br />
ihr unentwegt ein schwarz gekleideter Mann Feuer<br />
gab. Dieser Herr war Suba, Schöpfer von «Sao Paolo<br />
Confessions», wohl eines der wichtigsten Alben für<br />
die neue, junge lateinamerikanische Musik. Cibelle<br />
über ihren Förderer und Freund Suba: «Als ich<br />
zum ersten Mal seine elektronischen Sounds hörte,<br />
war ich sprachlos. Der Samba veränderte sich,<br />
die Musik begann für Momente stillzustehen, ich<br />
hörte eine ganz andere Klangarchitektur heraus.<br />
Mich durchzuckte es und ich dachte nur: Yeah! Auf<br />
diesen Sound habe ich ein Leben lang gew<strong>art</strong>et. Den<br />
zVg.)<br />
Von Caroline Ritz - Warmes Winterende mit Brasiliens spannendster Stimme<br />
Typ muss ich kennenlernen.» Ihr damaliger Freund<br />
drängte sie auf die Bühne und Suba drückte ihr ein<br />
Mikro in die Hand. Das war der Anfang einer der für<br />
Cibelle tiefsten und kreativsten Freundschaften, die<br />
allerdings jäh durch den plötzlichen Tod von Suba zu<br />
Ende ging, bevor sie erst richtig angefangen hatte.<br />
Eine gemeinsame Tournee war schon fi x geplant,<br />
und frische Songs waren in Arbeit. Der Schock und<br />
die Trauer sassen tief. Sie nahm sich eine Auszeit,<br />
um dann passenderweise ein Jobangebot in der Bar<br />
«Grazie a Dio» zu bekommen. Cibelle konnte den<br />
Freitagabend nach freiem «Gusto» gestalten. Sie<br />
organisierte Jam-Sessions, bei denen sie selber aktiv<br />
mitwirkte. Zu Beginn wurde noch planlos gejammt,<br />
mit der Zeit unterlegten Cibelles eigene Gedichte<br />
die Stücke – da fehlte nicht mehr viel zum nächsten<br />
Schritt, diesen Gedichten ein musikalisches Gesicht<br />
zu geben. Sie entwickelte stetig ihren eigenen,<br />
ganz persönlichen Sound. Heute lebt die junge<br />
Frau in London. Ihr aktuelles Album «The Shine of<br />
Dried Electric Leaves» nahm sie in London und São<br />
Paolo auf. An ihrer Seite hatte sie erfolgreiche Co-<br />
Produzenten und Performer – darunter Apollo Nove<br />
(innovativer Produzent und Künstler aus São Paulo,<br />
der einen Grossteil ihres Debütalbums produzierte),<br />
Yann Arnaud aus Paris (Air), und Gäste wie Seu<br />
Jorge (bekannt aus dem Film «City Of God») und<br />
nicht zur vergessen, Cibelles Freunde Devendra<br />
Banh<strong>art</strong> und Spleen.<br />
Energiequelle fürs Auge und Ohr Durch die<br />
erhöhte Sonneneinstrahlung werden im Frühling<br />
vermehrt Serotonin und Dopamin ausgeschüttet.<br />
Das macht glücklich und euphorisch. Wetterunabhängig<br />
wird Cibelle für einen heissen Abend<br />
sorgen. Serotonin fürs Auge und Dopamin fürs Ohr<br />
– die Dosis ist noch unklar.<br />
bee-fl at, Turnhalle PROGR in Bern, 18. März 2007,<br />
21.00 h - www.bee-fl at.ch<br />
SPOTLIGHT<br />
musik<br />
Brazilian Girls<br />
■ Dieses hippe Qu<strong>art</strong>ett stammt weder aus<br />
Brasilien noch besteht es aus Mädchen und vor<br />
allem klingt es nicht nach Latin. Soundtechnisch<br />
schwingt klar New York durch, woher die<br />
Brazilian Girls mit der Sängerin Sabina Sciubba<br />
auch kommen. In nicht weniger als fünf Sprachen<br />
(englisch, deutsch, französisch, italienisch,<br />
spanisch) – zum Teil im gleichen Satz – singt sie<br />
unwiderstehlich erotisierend auf dem aktuellen<br />
Album «Talk to la Bomb». Auf dem renommierten<br />
Jazz-Label «Verve» erschienen, treiben die<br />
Brazilian Girls mit ihrer aktuellen zweiten Platte<br />
in Richtung Neo Wave, Electro-Pop-Punk, Dance-<br />
Rock. Kunst und Zukunftsmusik – Heiss. (cr)<br />
7.3.2007 Bad Bonn, Düdingen<br />
CD-Tipp: Voodoo Galore Vol. 2<br />
■ Jérémie Malisz ist King Automatic und bleibt<br />
auch mit seiner zweiten Platte «I Walk My Murderous<br />
Intentions Home» der wahre König der One-<br />
Man-Bands. Es fi epen die Orgeln, die Mörder-Gitarren<br />
durchqueren den schweren Rock’n’Roll,<br />
die Blues-Harp keucht, während das Schlagzeug<br />
malträtiert wird. Die Mensch-Maschine Malisz variiert<br />
die Tempi, prescht nicht mehr nur stur nach<br />
vorne wie auf dem noch abgefuckter klingenden<br />
Vorgänger «Automatic Ray» und lacht diabolisch<br />
im listigen «Here Comes The Terror», hinkt im<br />
grossen «The Sinner», tönt nach Unterwelt, nach<br />
B-Movies, watet in einem einzigen Sündenpfuhl<br />
und bereitet schlicht wohllüstiges Vergnügen.<br />
Freundlich gestaltet sich das mittlerweile<br />
dritte Album von The Watzloves. Die Lust am Archaischen,<br />
an Zydeco, Cajun und Polka bestimmt<br />
«Catch Me A Possum». Liebenswürdig sind in<br />
erster Linie die Duos zwischen der Sängerin/<br />
Akkordeonistin Silky und ihrem P<strong>art</strong>ner DM Bob<br />
sowie das sehnende «You’re On My Mind» ausgefallen.<br />
Simpel gestrickt enthält «Catch Me A<br />
Possum» vierzig Minuten Musik zum geselligen<br />
Trinken, nicht mehr und nicht weniger. (bs)<br />
Beide Platten erschienen auf Voodoo Rhythm<br />
(im Vertrieb von RecRec).<br />
The Watzloves spielen am 16. März im Café<br />
Kairo.<br />
Festival für Musik und visuelle<br />
Kunst: SEHNSOHR<br />
■ Vom 29. - 31. März fi ndet in der Dampfzentrale<br />
ein äusserst spannendes Festival der WIM<br />
Bern (Werkstatt für improvisierte Musik) statt:<br />
SEHNSOHR. Das Programm verspricht experimentelle<br />
Highlights und konfrontierende Spontanität.<br />
Gleichzeitig feiert die WIM Bern ihr 25jähriges<br />
Jubiläum. Wir gratulieren! (vl)<br />
Infos: www.wimbern.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 19