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Kunst im Buch<br />

Nordstern<br />

Eine riesige Welle türmt sich auf, wie<br />

mit Schnee überzogen zeigt sich die<br />

Gischt, darunter drei Ruderboote, die<br />

von der Welle beinahe verschlungen<br />

werden, schliesslich fern im Hintergrund<br />

das Hauptmotiv der ganzen<br />

Szene: der Berg Fuji. Der Holzschnitt<br />

«Die Grosse Welle» wurde zum Inbegriff<br />

der japanischen Kunst. Die Welle<br />

ist Teil der «Sechsunddreissig Ansichten<br />

des Berges Fuji», einem ersten Höhepunkt<br />

im Schaffen von Katsushika<br />

Hokusai (1760 –1849). Was seit je faszinierte,<br />

ist nicht nur die Gewalt der<br />

enormen Welle, sondern die eigen<strong>art</strong>ige<br />

Komposition und Perspektive.<br />

Bereits mit 14 oder 15 Jahren tritt<br />

Hokusai in die Lehre eines Holzschnittmeisters<br />

ein. 1798 gründet Hokusai<br />

sein eigenes Studio, das er «Studio<br />

des Nordsterns» nennt. Er wird<br />

damit zum unabhängigen Künstler.<br />

Seine Bildthemen bleiben sich über<br />

seine lange Schaffenszeit (74 Jahre)<br />

ähnlich: das alltägliche Leben in Japan,<br />

Bauern, Fischer, Kaufleute und<br />

natürlich die Natur. Jedoch ist Hokusai<br />

stets auf der Suche nach neuen<br />

Stilen und Ausdrucksformen. Er war<br />

natürlich der virtuose Holzschneider,<br />

aber auch Maler, Zeichner, verfertigte<br />

Lehrbücher, Erotisches und so genannte<br />

Mangas.<br />

Die Bedeutung der japanischen<br />

Kunst und insbesondere derjenigen<br />

von Hokusai im ausgehenden 19.<br />

Jahrhundert ist allgemein bekannt.<br />

Künstler wie van Gogh, Gauguin<br />

oder Seurat liessen sich inspirieren.<br />

Was oftmals vergessen wird, ist, dass<br />

Hokusai bereits früh Elemente des<br />

westlichen Illusionismus in seine<br />

Holzschnitte aufgenommen hat.<br />

Die Publikation umfasst über 700<br />

hervorragende Abbildungen. In verschiedenen<br />

Essays werden einzelne<br />

Aspekte von Hokusais Schaffen beleuchtet.<br />

Der Hauptteil umfasst sechs<br />

Kapitel, in denen die verschiedenen<br />

Lebens- und Schaffensabschnitte von<br />

Hokusai beschrieben sind, jeweils ergänzt<br />

durch Abbildungen der Werke<br />

aus der entsprechenden Phase. (di)<br />

Gian Carlo Calza, Hokusai, Phaidon,<br />

2006, 518 Seiten, Fr. 152.00.<br />

<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07<br />

Reizend<br />

Bereits das Cover der Publikation<br />

«Reiz & Risiko» ist ein Risiko und reizt<br />

gehörig: ein tränenüberströmtes Frauengesicht<br />

in Nahaufnahme, gerötete<br />

Haut, aufgelöster Blick – berührend in<br />

seiner Authentizität und Leidenschaft.<br />

Es gibt kein Ausweichen für den Betrachter/Leser,<br />

die vom Weinen gerötete<br />

Nase wird ihm unmittelbar ins<br />

Angesicht gestreckt. Es ist das ideale<br />

Cover für die Publikation zur gleichnamigen<br />

Ausstellung, die letzten<br />

Sommer/Herbst im Haus der Kunst<br />

Uri gezeigt wurde. Die holländische<br />

Künstlerin Helen Bonajo (1978), Erzeugerin<br />

des Coverbildes, verbindet<br />

darin Reiz und Risiko. Sie zeigt in ihrer<br />

Fotoserie «Pearl in the Pain» (2005)<br />

sich selbst, fotografiert während einer<br />

schwierigen Lebensphase, nutzte sie<br />

ihre damalige Gemütslage, um daraus<br />

Kunst zu machen: Einerseits ein Risiko,<br />

sie könnte sich in ihrer Entblössung<br />

(gleich manch einem «Big Brother»-Kandidaten)<br />

lächerlich machen<br />

und allzu viel von sich Preis geben;<br />

sie könnte verletzt- und verwundbar<br />

werden. Doch gleichzeitig reizt<br />

Bonajo gerade durch diese kaum zu<br />

übertreffende Authentizität, die auch<br />

ohne Kenntnis des Betrachters über<br />

die Befindlichkeit der Künstlerin bzw.<br />

des Modells spürbar bleibt.<br />

Wie die Gegenw<strong>art</strong>skunst mit den<br />

beiden Themen Reiz und Risiko umgeht,<br />

dies verdeutlichen die Autoren<br />

Peter Stohler und Sylvia Rüttimann<br />

in zwei Essays. Die beiden Themen<br />

sind natürlich nicht neu, mit Reizen<br />

versucht die Kunst wohl seit eh und<br />

je den Betrachter zu fesseln. In der<br />

Kunst der Gegenw<strong>art</strong> wurde diese<br />

Strategie aber immer offensichtlicher.<br />

Und als Reaktion auf unsere Risikogesellschaft<br />

aber auch unsere reizüberflutete<br />

Eventgesellschaft sind Reiz<br />

und Risiko auch bei jungen Künstlern<br />

wichtiger Gegenstand wie Publikation<br />

und Ausstellung zeigten. (di)<br />

Reiz & Risiko, hrsg. v. Peter Stohler<br />

und Sylvia Rüttimann, Arnoldsche<br />

Verlagsanstalt, 2006, 160 Seiten, Text<br />

in Deutsch und Englisch, Fr 49.80.<br />

Alchemie<br />

Irgendwo zwischen physikalischem<br />

Experiment und Naturschauspiel,<br />

zwischen Architektur und Design,<br />

zwischen Laboranordnung und künstlerischer<br />

Installation, zwischen Event<br />

und Meditation sind Olafur Eliassons<br />

Arbeiten aufzuspüren. Sein Atelier in<br />

Berlin ist genauso alchemistische Zauberbude<br />

wie auch wissenschaftliches<br />

Labor. Eliasson (1967, Kopenhagen)<br />

fotografiert die isländische Landschaft,<br />

befasst sich aber zeitgleich in komplexen<br />

technischen Installationen mit<br />

Phänomenen der Wahrnehmung und<br />

Physik. Immer wieder sind es grundlegendste<br />

Elemente wie Licht oder Wasser,<br />

die er untersucht. Und in beiden<br />

findet er Wellenlängen, Frequenzen<br />

und Vibrationen, die er wie ein Magier<br />

für sein Publikum aufbereitet.<br />

«Your engagement has consequences»<br />

lautet der Titel des bei Lars<br />

Müller Publishers erschienen Buches.<br />

Drei Ausstellungen von Eliasson in Tokyo,<br />

Rotterdam und Malmö bilden die<br />

Ausgangslage der reich bebilderten<br />

Publikation. In einem längeren Text<br />

führt uns Eliasson sein Schaffen, seine<br />

Kunst- und Welttheorie vor Augen.<br />

Seine Arbeit ist ein intensiver Versuch,<br />

nicht einfach Kunstwerke zu kreieren,<br />

sondern einen Raum, indem Kunstwerk,<br />

Raum und Betrachter aufeinander<br />

wirken. Es ist ein Engagement sich<br />

als Betrachter in einem Ausstellungsraum<br />

aufzuhalten. Eine Engagement<br />

mit Konsequenzen. Und Eliasson ist<br />

davon überzeugt, dass durch Kunst<br />

wichtige Aspekte der Gesellschaft und<br />

des Lebens untersucht, herausgefordert<br />

und neu verhandelt werden.<br />

Neben Eliassons Text, enthält die<br />

Publikationen einen kurzen Essay des<br />

italienischen Schriftstellers Italo Calvino<br />

sowie zwei Gespräche mit Eliasson<br />

über Wahrnehmung und die Farbe<br />

Weiss im Ausstellungsdesign. Damit<br />

ist die Publikation ein nachdrücklicher<br />

und überzeugender Einblick in Eliassons<br />

faszinierendes Schaffen! (di)<br />

Your Engagement has Consequences.<br />

Olafur Eliasson, Lars Müller Publishers,<br />

2006, 304 Seiten, Englisch, Fr.<br />

64.90.<br />

<strong>art</strong>ensuite 41

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