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Von Quatemberkindern und anderen Booze (Geistern)<br />
Urs Augstburger: Graatzug. Ein Bergroman.<br />
■ Urs Augstburger, der bislang als Autor vor allem<br />
mit seinem Bergdrama «Schattwand» (2001,<br />
erschienen im Bilgerverlag) von sich reden machte,<br />
legt mit «Graatzug. Ein Bergroman» nun den zweiten<br />
Teil seiner «Bergler»-Triologie vor.<br />
Ähnlich wie dem Dokumentarfi lmer Erich Langjahr<br />
– dessen neustes Werk «Das Erbe der Bergler»<br />
(2006), ein Wildheuerfi lm, einer der Publikumsmagnete<br />
an den diesjährigen Solothurner Filmtagen<br />
war – ist es ihm ein Anliegen, den Paradigmenwechsel,<br />
welcher sich durch die Technisierung des bäuerlichen<br />
Lebens in den Bergen vollzieht, zu dokumentieren.<br />
Hierbei scheint zwar nicht alles in der<br />
Vergangenheit besser gewesen zu sein, den Bedürfnissen<br />
der Natur wurde jedoch zumindest besser<br />
Rechnung getragen.<br />
So bedeutet die Stauung des Plonersees und<br />
damit die Flutung des Bauerngutes Seegut der<br />
alteingessenen Familie Rothen im Wallis der 60er<br />
Jahre des 20. Jahrhunderts auch nur einen vordergründigen<br />
Fortschritt. Als vierzig Jahre später ein<br />
Taucher durch den versunkenen Hof schwimmt und<br />
das sich dort befi ndliche Kruzifi x in Stücke bricht,<br />
scheinen die Geister der Vergangenheit endgültig<br />
zurückgekehrt und die Frage, was es mit dem geheimnisvollen<br />
Merkhammer und der Mazza auf sich<br />
hat, beschäftigt nicht nur den Erben des Dorfkönigs,<br />
Silvan Bohrer, sondern auch die Umweltaktivistin<br />
Lena Amherd. Beinahe zu spät werden die Zeichen,<br />
insbesondere durch Hilfe der weisen Selma Bohrer,<br />
richtig gedeutet und die Ausmasse des Unglücks<br />
können wenigstens abgeschwächt werden.<br />
Augstburger schafft den Spagat zwischen Jetztzeit<br />
und Vergangenheit ausnehmend gut, auch<br />
wenn sich seine Beschreibungen des bäuerlichen<br />
Lebens im Wallis der 60er Jahre zuweilen wie<br />
Darstellungen aus längst vergangener Zeit ausnehmen.<br />
Die Bergwelt von einst wird zum Ort der<br />
Sehnsucht, dessen Faszination nicht einmal durch<br />
die geschilderten Entbehrungen des täglichen Lebens<br />
durchbrochen wird. Trotz dieser an manchen<br />
Stellen etwas einseitigen Sichtweise ist «Graatzug»<br />
ein echter Alpkrimi, von dem man sich kaum mehr<br />
loszureissen vermag. (sw)<br />
Augstburger, Urs: Graatzug. Ein Bergroman. Bilgerverlag.<br />
Zürich 2007. ISBN 978-3-908010-84-5.<br />
Die Enge des ewig Unverbindlichen<br />
Thomas Lang: Unter Paaren. Roman.<br />
■ Der Autor Thomas Lang, welcher 2005 für<br />
seinen Roman «Am Seil» mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis<br />
ausgezeichnet wurde, schildert in seinem<br />
neusten Roman «Unter Paaren» keinen Vater-Sohn-Konfl<br />
ikt, sondern ein Beziehungsdrama,<br />
welches sich letztendlich als Kritik an der Generation<br />
der Ewig-Adolszenten entpuppt.<br />
Per empfängt in seinem neu renovierten Landhaus<br />
mit seiner langjährigen Freundin Rafa ihren<br />
gemeinsamen Jugendfreund Pascal. Dieser erscheint<br />
in Begleitung der deutlich jüngeren Spanierin<br />
Reginita, welche er als seine Bekannte vorstellt,<br />
wenn auch für alle Beteiligten deutlich ist, dass die<br />
beiden ein Verhältnis haben.<br />
Das Spinnennetz an Beziehungen bekommt<br />
durch die Tatsache, dass die einstige Anziehung<br />
zwischen Rafa und Pascal sich nicht gänzlich gelegt<br />
hat, zusätzlichen Auftrieb. Zwischen ihnen kumuliert<br />
sich das Ungesagte von damals. Und auch Per<br />
kann sich dem spröden Reiz und den geistreichen<br />
Bemerkungen der für einmal nicht «feurigen» Spanierin<br />
kaum entziehen.<br />
Die erzählte Zeit beschränkt sich lediglich auf<br />
ein Wochenende, eines jedoch, das die fünfzehn<br />
Jahre Zusammenleben von Per und Rafa mehr als<br />
in Frage stellt und den Zufall als Mittler ihrer Beziehung<br />
darstellt.<br />
Die Lebenswelt, die Reginita personifi ziert, ist<br />
eine andere. Sie, die bereits mit sechsundzwanzig<br />
Jahren kurz vor Abschluss ihrer Doktorarbeit steht,<br />
kritisiert den Hedonismus ihrer Gastgeber sowie<br />
Pascals. Die Spanierin verschwindet jedoch von<br />
Freitag- auf Samstagnacht und auch ein Junge von<br />
einem Nachbarhof wird noch eine Rolle spielen.<br />
«Unter Paaren» wurde von verschiedenen Seiten<br />
als das Werk eines Dramaturgen bezeichnet, da<br />
Lang die Einheit des Ortes wie der Zeit wahrt und<br />
viele seiner Beschreibungen wie Regieanweisungen<br />
zu lesen sind. Und tatsächlich erinnert der Wechsel<br />
zwischen Erzählung und Selbstrefl exion der einzelnen<br />
Charaktere stellenweise an die Welt des Theaters,<br />
häufi ger jedoch noch an die Couch des Psychiaters.<br />
(sw)<br />
Lang, Thomas: Unter Paaren. Roman. C.H. Beck Verlag.<br />
München 2007. ISBN 978 3 406 55610 4.<br />
literatur<br />
Fernab der üblichen Wanderwege<br />
Rory Stew<strong>art</strong>: The places in between. Englisch.<br />
■ Rory Stew<strong>art</strong> hat schon in jungen Jahren viel<br />
von der Welt gesehen. Knapp Mitte dreissig, in Hong<br />
Kong geboren und in Malaysia aufgewachsen, prädestinierte<br />
ihn den Besuch des Elitecolleges Eton<br />
sowie sein späteres Studium der Geschichte und<br />
Philosophie in Oxford geradezu für eine spätere<br />
Laufbahn beim Foreign Offi ce.<br />
Nebst Stellen in Indonesien und Montenegro bekleidete<br />
er von 2003 bis 2004 das Amt eines Senior<br />
Advisors in Nasiyriah im Irak.<br />
Von 2000 bis 2002 durchwanderte er Teile Pakistans,<br />
Irans, Afghanistans, Indiens sowie Nepals.<br />
Das vorliegende Buch beschreibt seine Wanderung<br />
durch Zentral- und Nordafghanistan im Jahr 2002.<br />
Hier folgt er der Route Baburs, eines usbekischen<br />
Prinzen des 15. Jahrhunderts, von Herat nach Kabul,<br />
und lässt sich weder von den Ereignissen nach<br />
9/11 noch von den unwirtlichen Wintern in der Bergregion<br />
Ghor von seinem Vorhaben abhalten. Ursprünglich<br />
wollte er allein in Herat st<strong>art</strong>en, dies wird<br />
jedoch von seinem Begleit-Service, bestehend aus<br />
Sicherheitsleuten von Ismail Khan, verhindert. Obwohl<br />
Stew<strong>art</strong> sie auf der Wanderung immer wieder<br />
mit Geld zu bestechen versucht, damit sie ihn alleine<br />
ziehen lassen, gewinnen seine Schilderungen<br />
der Reise insbesondere durch die Charakterisierung<br />
seiner «Mitstreiter» an Tiefe. Immer wieder zitiert<br />
er auch aus dem Tagebuch Baburs und verknüpft so<br />
die Vergangenheit mit der Gegenw<strong>art</strong>. Hierbei wird<br />
der Kontrast der einst blühenden Landschaft wie<br />
auch der von Handel geprägten Städte besonders<br />
krass, insofern als sich das heutige Afghanistan von<br />
einer ganz anderen Seite zeigt.<br />
Auf halber Wegstrecke fi ndet er in einem zahnlosen<br />
Hund, dessen Futter aus Nan besteht, einen<br />
Wandergefährten ganz nach seinen Wünschen,<br />
auch wenn die Afghanen die herzliche Zuwendung<br />
Stew<strong>art</strong>s, die dieser einem unreinen Tier zukommen<br />
lässt, mit Skepsis betrachten.<br />
Rory Stew<strong>art</strong> ist ein exzellenter Beobachter, der<br />
versucht, in seinen Beschreibungen nicht zu werten.<br />
Dieses Talent macht «The places in between»<br />
so wertvoll. (sw)<br />
Stew<strong>art</strong>, Rory: The places in between. Englisch. A<br />
Harvest Original. Orlando u.a. 2006. ISBN-13: 978-<br />
0-15-603156-1.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 9