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46<br />

<strong>art</strong>ensuite<br />

Rémy Zaugg, Vom<br />

Tod II, 27 Bilder,<br />

1999/2002//8.2004-Nr. 13,<br />

Getreide, 2001/2002<br />

© der Simultation, Michèle<br />

Zaugg-Röthlisberger<br />

Rémy Zaugg<br />

– Nachbar Tod<br />

und die Wahrnehmung<br />

Zentrum Paul<br />

Klee, Monument<br />

im Fruchtland 3.<br />

Geöffnet Dienstag<br />

bis Sonntag<br />

10:00-17:00 h,<br />

Donnerstag<br />

10:00-21:00 h.<br />

Bis 3.Juni.<br />

Augenschmerz und Grenzerfahrung<br />

■ Unbarmherzig grell ist der Ausstellungssaal<br />

für die Werke von Rémy<br />

Zaugg im Untergeschoss des Zentrums<br />

Paul Klee ausgeleuchtet; kalt<br />

und klinisch ist der Empfang: die grosse<br />

Leere, das viele Weiss und wenig<br />

Farbe, die hervorlugt, lässt Schaudern<br />

aufkommen. Hier wird ausgeleuch-<br />

Nathalie Jacqueline Ritter<br />

tet, was in der Kunst verschwindet:<br />

in Rémy Zauggs Auseinandersetzung<br />

mit dem Tod und der Wahrnehmung<br />

wird kein Zentimeter dem Schatten<br />

oder dem Unsichtbaren überlassen.<br />

Die als Theaterstück inszenierte<br />

Ausstellung zeigt die Auseinandersetzung<br />

mit dem Vergänglichen und<br />

Unsichtbar-Werdenden. In ihrer karnevalesken<br />

Grelle und Exzessivität<br />

sind der Tod und die Wahrnehmung<br />

zentral, doch behält die Ausstellung<br />

eine gewisse «Neutralität» und blendet<br />

das Vergehen in der Überbelichtung,<br />

ähnlich zur Tabuisierung in der Gesellschaft,<br />

aus. Sich mit Rémy Zaugg<br />

auseinanderzusetzen, erfordert Entschlusskraft<br />

und Mut zur Begegnung<br />

mit sich selbst. So wie dies auch die<br />

Werke von Paul Klee in subtiler Weise<br />

tun. Doch Paul Klee ist in weiches<br />

Licht gepackt und fordert im Stillen.<br />

Gemeinsam ist beiden der Gebrauch<br />

von Sprache, die Reduktion und der<br />

Ausdruck im Einfachen, die das Nachdenken<br />

beim Betrachter auslösen.<br />

Michèle Zaugg-Röthlisberger hat<br />

zusammen mit der Tochter Pascale<br />

die Werke ihres 2005 verstorbenen<br />

Mannes in zwei Sektoren eingeteilt:<br />

Auf einem Rundgang um eine Art Zelle<br />

sind die Weiss in Weiss und Weiss<br />

in Grau gehaltenen Bildtafeln aufgereiht<br />

– pikant dazwischen zwei Bilder<br />

mit gleissend gelbem Hintergrund,<br />

die sich ins Sehfeld einbrennen: Die<br />

Wahrnehmung und die Augen des<br />

Betrachters werden das erste Mal<br />

strapaziert. Die Bildtafeln, in Form<br />

eines Frieses nebeneinandergehängt,<br />

schlagen mit Worten dem Besucher<br />

entgegen. Mit zusammengekniffenen<br />

Augen müssen die Ton in Ton gehaltenen<br />

Buchstaben entziffert werden<br />

– existenzielle, einfache Dinge und<br />

Fakten geben Rätsel auf: «SCHMILZT<br />

DER SCHNEE, WO BLEIBT DAS<br />

WEISS.» Jetzt sind nicht nur die Augen,<br />

sondern auch der Geist des Betrachters<br />

gefordert.<br />

Rémy Zaugg beschäftigte sich als<br />

Künstler, Kurator und Architekturexperte<br />

mit dem Tod, der das Ende der<br />

Wahrnehmung ist. Eine schwierige<br />

Aufgabe an der Grenze zur Kunst.<br />

Neben dem Verlöschen des Sichtbaren<br />

interessierte ihn die Frage, wie<br />

man das Wahrnehmen wahrnimmt<br />

und wie man wahrnimmt. Die Suche<br />

nach dem Bild, das kein Abbild ist,<br />

beschäftigte bereits Paul Cézanne, der<br />

das malte, was das Auge erkennt.<br />

Pulsierendes Herzstück im Zen-<br />

trum der Ausstellung ist der Zyklus<br />

«Vom Tod II». 27 Bildtafeln in furiosen,<br />

tanzenden Farben stellen eine<br />

kontrastreiche Herausforderung für<br />

den Betrachter und seine Sehfähigkeit<br />

dar. Von der Wahrnehmung<br />

werden Höchstleistungen gefordert.<br />

Die in hellem Blaugrünton gehaltene<br />

und wiederkehrende Sentenz «UND<br />

WENN / DER TOD / ICH WÄRE»<br />

flimmert mal auf komplementärem<br />

roten, ins Orange tendierendem,<br />

schrillem Hintergrund, ergänzt mit<br />

Wortpaaren menschlicher Körperteile<br />

«LIPPEN FINGER». Auf anderen Tafeln<br />

mit h<strong>art</strong>en und weicheren Kontrasten<br />

werden die Entwicklungsetappen<br />

der Erde aufgelistet: Gesteins<strong>art</strong>en,<br />

Bäume, Getreide, Pflanzen- und<br />

Blumennamen. Giftiges Grün schreit<br />

dazwischen. Die opulent-aggressive<br />

Farbigkeit macht klar, dass diese<br />

Kunst nicht leicht konsumierbar ist.<br />

Eine Übersättigung und ein Unbehagen<br />

über den Worten des Vergehens<br />

und Werdens macht sich breit. Die<br />

Bilder drängen und brennen sich mit<br />

ihren Worten in den Kopf. Die von<br />

Rémy Zaugg intendierte Provokation<br />

zieht den Besucher in seinen Bann.<br />

Die Ausstellung, die die Grenzen der<br />

Wahrnehmung und den Tod in seinen<br />

zahlreichen Facetten auf Wort-Tafeln<br />

zeigt, lässt eine Resonanz nachklingen<br />

und irritiert anhaltend.<br />

<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07

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