Leitfaden für den mobiLen europäischen arbeitnehmer - ETUC
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11 Der multinationale <strong>arbeitnehmer</strong><br />
11.1 allgemeines<br />
Ein multinationaler Arbeitnehmer ist ein Arbeitnehmer, der gleichzeitig in verschie<strong>den</strong>en Mitgliedstaaten<br />
seine beruflichen Aktivitäten ausübt. Das Wohnsitzland des Arbeitgebers und/oder das Wohnsitzland<br />
des Arbeitnehmers ist nicht notwendigerweise auch der Beschäftigungsstaat. Es geht zum Beispiel um<br />
einen Bürger aus der Schweiz, der <strong>für</strong> eine internationale französische Hotelkette Qualitätsinspektionen<br />
in <strong>den</strong> französischen und Schweizer Filialen der Gruppe durchführt. Ebenso ein Schweizer, der im Dienst<br />
dieses französischen Arbeitgebers Qualitätsinspektionen in Deutschland, Österreich und Liechtenstein<br />
durchführt.<br />
Die <strong>europäischen</strong> Verordnungen 1612/68 und 883/2004 garantieren auch <strong>für</strong> diese Gruppe von Arbeitnehmern<br />
das Recht auf freien Verkehr und sorgen da<strong>für</strong>, dass sie ihre zuvor erworbenen sozialen Rechte<br />
nicht verlieren.<br />
Bei einer multinationalen Anstellung geht es um <strong>den</strong> Zusammenhang zwischen dem gelten<strong>den</strong> Sozialversicherungsrecht,<br />
dem Einkommensteuerrecht und <strong>den</strong> Arbeitsvorschriften. Für jede dieser Rechtsbereiche<br />
gelten andere Regeln.<br />
Die Regeln <strong>für</strong> das anzuwen<strong>den</strong>de Sozialversicherungsrecht wer<strong>den</strong> bestimmt durch die Koordinierungsverordnung<br />
(Artikel 13, Absatz 1 EG-VO 883/04), es besteht keine freie Wahl. Eine Person kann nur in<br />
einem Mitgliedstaat sozial versichert sein (Exklusivitätsprinzip). Also eine Person, die zum Beispiel gleichzeitig<br />
Arbeitnehmer in Frankreich ist, Selbständig in Deutschland und Beamter in Luxemburg, ist in nur<br />
einem Mitgliedstaat versichert.<br />
Die Regeln zur Einkommensteuer sind in dem bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen geregelt, die<br />
das Wohnsitzland des Arbeitnehmers mit jedem seiner Arbeitsländer abgeschlossen hat (Art. 15 Absätze<br />
1, 2 und 3 OECD-Musterabkommen). Auch hier besteht kein Wahlrecht. Im Gegensatz zur Sozialversicherung<br />
ist es aber möglich, dass eine Person in mehreren Staaten besteuert wird, ohne doppelbesteuert zu<br />
wer<strong>den</strong> (Salary-splitting).<br />
Nur <strong>für</strong> das anzuwen<strong>den</strong>de Arbeitsrecht besteht Wahlfreiheit, obwohl auch die durch einige internationale<br />
und innerstaatliche Rechtsgrundsätze und Bestimmungen eingeschränkt ist (EG-VO 593/2008 und<br />
nationale Arbeitsgesetzgebung unter anderem wegen der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern<br />
96/71/EG).<br />
Im Folgen<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> diese Koordinierungsvorschriften erläutert. Es ist eine komplexe Materie. Deshalb<br />
wird dies alles auch noch einmal auf vier konkrete Beispiele angewendet, die aufgrund ihrer Häufigkeit<br />
auch als Standardfälle betrachtet wer<strong>den</strong> können.<br />
In vielen Fällen ist ein multinationaler Arbeitnehmer nicht in seinem Wohnsitzland sozialversichert. Er<br />
befindet sich dann in derselben Situation wie der Grenzgänger: d.h. in einem Mitgliedstaat ist er sozialversichert,<br />
aber er wohnt in einem anderen Mitgliedstaat. Die EG-Verordnung 883/2004 garantiert dem<br />
multinationalen Arbeitnehmer dann auch dieselben Garantien auf Leistungen aus der Sozialversicherung<br />
<strong>Leitfa<strong>den</strong></strong> FÜr Den MoBIlen eUroPÄIschen arBeItnehMer 79