PDF-Download 2,7 MB - FHVD - Fachhochschule für Verwaltung ...
PDF-Download 2,7 MB - FHVD - Fachhochschule für Verwaltung ...
PDF-Download 2,7 MB - FHVD - Fachhochschule für Verwaltung ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Ministerium <strong>für</strong> Justiz,<br />
Frauen, Jugend und Familie<br />
des Landes Schleswig-Holstein<br />
Chancengleichheit<br />
durch moderne Personalpolitik<br />
Fachtagung am 8.11.2001 in Kiel<br />
www.frauen.schleswig-holstein.de
Herausgeber:<br />
Ministerium <strong>für</strong> Justiz,<br />
Frauen, Jugend und Familie<br />
des Landes<br />
Schleswig-Holstein<br />
Lorentzendamm 35<br />
24103 Kiel<br />
Redaktion:<br />
Susanne Paech<br />
Annette Stabenow<br />
Gestaltung:<br />
Ulrike Heinichen, Kiel<br />
Herstellung:<br />
Grafik + Druck, Kiel<br />
Auflage 2.500<br />
Januar 2002<br />
ISSN 0935-4646<br />
Diese Broschüre<br />
wurde aus<br />
Recyclingpapier<br />
hergestellt.<br />
Diese Druckschrift wird im<br />
Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit<br />
der schleswigholsteinischenLandesregierung<br />
herausgegeben.<br />
Sie darf weder von Parteien<br />
noch von Personen, die<br />
Wahlwerbung oder Wahlhilfe<br />
betreiben, im Wahlkampf<br />
zum Zwecke der Wahlwerbung<br />
verwendet werden.<br />
Auch ohne zeitlichen Bezug<br />
zu einer bevorstehenden<br />
Wahl darf die Druckschrift<br />
nicht in einer Weise verwendet<br />
werden, die als Parteinahme<br />
der Landesregierung<br />
zu Gunsten einzelner<br />
Gruppen verstanden werden<br />
könnte. Den Parteien ist es<br />
gestattet, die Druckschrift zur<br />
Unterrichtung ihrer eigenen<br />
Mitglieder zu verwenden.<br />
Das Ministerium im Internet:<br />
http://www.mjf.schleswig-holstein.de<br />
Frauenpolitik der Landesregierung im Internet<br />
http://www.frauen.schleswig-holstein.de
Inhalt<br />
Vorwort ........................................................................ 3<br />
Programm ...................................................................... 4<br />
Anne Lütkes<br />
Chancengleichheit durch moderne Personalpolitik –<br />
Gender Mainstreaming praxisnah ................................................ 5<br />
Gabriele Hoffmeister-Schönfelder<br />
Personalpolitik die sich am Prinzip des Gender Mainstreaming orientiert ............ 9<br />
Petra Ganser<br />
Kampagne zur Aufwertung von Frauentätigkeiten<br />
Diskriminierungsfreie Bewertung von (Dienstleistungs-) Arbeit ..................... 17<br />
Dr. Karin Tondorf<br />
An den Führungskräften führt kein Weg vorbei .................................... 24<br />
Christiane Möller<br />
Mentoring <strong>für</strong> Nachwuchskräfte<br />
Ein Praxisbeispiel aus der Landesbank Schleswig-Holstein ......................... 31<br />
Anhang ......................................................................... 34<br />
Arbeitsbewertung und Lohngleichheit von Frau und Mann<br />
ABAKABA, ein geschlechtsunabhängiges Arbeitsbewertungsinstrument
Vorwort zur Dokumentation<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
mit der Auftaktveranstaltung im Oktober<br />
des letzten Jahres wurde der Prozess<br />
einer systematischen Einbeziehung des<br />
Leitprinzips Gender Mainstreaming in alle<br />
Bereiche von Politik und <strong>Verwaltung</strong><br />
eingeleitet.<br />
Der Focus der diesjährigen Fachtagung<br />
richtete sich auf die <strong>für</strong> <strong>Verwaltung</strong>en<br />
und Unternehmen strategisch wichtigen<br />
Handlungsfelder Personalentwicklung<br />
und Tarifpolitik.<br />
Es galt, die Fragen zu klären, wie eine am<br />
Gender Mainstreaming-Prinzip orientierte<br />
Personal- und Tarifpolitik aussehen muss,<br />
welche Qualitätspotenziale diese in sich<br />
birgt, welche Maßnahmen ergriffen und<br />
welche Mittel eingesetzt werden müssen.<br />
Vor diesem Hintergrund präsentierten<br />
Expertinnen aus Politik, <strong>Verwaltung</strong>,<br />
Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung<br />
nicht nur Grundlagenwissen, sondern<br />
zeigten neue Wege und Perspektiven einer<br />
modernen Personal- und Tarifpolitik auf,<br />
die konsequent den Aspekt der<br />
Chancengleichheit integriert.<br />
Wir hoffen, dass Ihnen diese<br />
Dokumentation möglichst viele<br />
Anregungen <strong>für</strong> eine erfolgreiche<br />
Umsetzung in die Praxis geben kann.<br />
(Ihre) Koordinierungsstelle <strong>für</strong><br />
Gleichstellungs- und Frauenbeauftragte<br />
3
Programm<br />
10.00 Uhr Eröffnung durch Anne<br />
Lütkes Ministerin <strong>für</strong> Justiz,<br />
Frauen, Jugend und Familie<br />
10.20 Uhr »Personalpolitik die sich am<br />
Prinzip des Gender Mainstreaming<br />
orientiert«<br />
Gabriele Hoffmeister-<br />
Schönfelder, Kontor5<br />
Personal- und<br />
Unternehmensberatung<br />
11.00 Uhr Kaffeepause<br />
11.20 Uhr »Gender Mainstreaming in<br />
der Tarifpolitik –<br />
Aufwertung<br />
von Frauentätigkeiten«<br />
Petra Ganser, ver.di<br />
Bundesvorstand<br />
12.00 Uhr Forum<br />
Gelegenheit zum Austausch<br />
und zur Diskussion mit der<br />
Ministerin und den<br />
Referentinnen<br />
12.30 Uhr Mittagspause<br />
14.00 Uhr Kulturelles Programm<br />
Kabarett/Chansons<br />
Mit Gerlinde Kempendorff<br />
und Kim Eustice<br />
14.30 Uhr »An den Führungskräften<br />
führt kein Weg vorbei«<br />
Dr. Karin Tondorf, Forschung<br />
und Beratung zu Entgelt-<br />
und Gleichstellungspolitik<br />
15.15 Uhr »Mentoring – Praxisbeispiel<br />
aus der Landesbank<br />
Schleswig-Holstein«<br />
Christiane Möller,<br />
Gleichstellungsbeauftragte<br />
der Landesbank<br />
Schleswig-Holstein<br />
16.00 Uhr Schlusswort
Chancengleichheit<br />
durch moderne Personalpolitik –<br />
Gender Mainstreaming praxisnah<br />
Anne Lütkes<br />
Ministerin <strong>für</strong><br />
Justiz, Frauen,<br />
Jugend und<br />
Familie<br />
Es ist bereits das zweite Mal, dass eine<br />
Veranstaltung des Ministeriums <strong>für</strong> Justiz,<br />
Frauen, Jugend und Familie in<br />
Zusammenarbeit mit dem Beirat der<br />
Koordinierungsstelle <strong>für</strong> Gleichstellungsund<br />
Frauenbeauftragte das Thema Gender<br />
Mainstreaming aufgreift – heute mit dem<br />
besonderen Schwerpunkt Personalpolitik.<br />
Die große Resonanz, die dieses Thema<br />
hervorruft – und die in der großen Zahl<br />
der Anwesenden nachdrücklich bestätigt<br />
wird – lässt den Schluss zu, dass wir Ihr<br />
Interesse und die Bedeutung unserer<br />
heutigen Veranstaltung richtig eingeschätzt<br />
haben.<br />
Darüber freue ich mich sehr und danke<br />
Ihnen sehr herzlich <strong>für</strong> Ihr Erscheinen.<br />
Lassen Sie mich vorab eine grundsätzliche<br />
Aussage zum Thema der heutigen<br />
Veranstaltung machen:<br />
Die Realisierung von Chancengleichheit<br />
in der Personalpolitik kann sich künftig<br />
kaum noch auf die bislang angewendeten<br />
Mittel und Verfahren stützen, wie<br />
beispielsweise Besetzungsregeln oder<br />
gar Quotenvorgaben. Damit ist künftig<br />
kein echter Fortschritt mehr zu erreichen.<br />
Vielmehr müssen neue Konzepte<br />
und Managementmethoden endlich<br />
ihren Weg in die Praxis finden.<br />
Ein fester Wille zu den erforderlichen<br />
Strukturveränderungen, verbunden mit<br />
kreativem Denken und der Fähigkeit, auch<br />
als Vorbild zu überzeugen – das sind die<br />
Voraussetzungen, damit Erneuerungen<br />
möglich werden.<br />
Dabei fällt den Führungskräften eine<br />
Schlüsselrolle zu – denn deren Einstellungen<br />
und Handlungen sind entscheidend<br />
<strong>für</strong> die Umsetzung gleichstellungsrelevanter<br />
Prozesse, die sich keineswegs<br />
auf die Administration beschränken. Vor<br />
diesem Hintergrund müssen wir der Frage<br />
nachgehen, weshalb eine Neuorientierung<br />
in der Personalpolitik notwendig ist, wie<br />
diese aussehen kann und welche Vorteile<br />
sie mit sich bringt.<br />
Seit 1992 ist die Modernisierung der<br />
Landesverwaltung ein Schwerpunkt der<br />
Regierungsarbeit. Mit dem »Personalentwicklungskonzept«<br />
(PEK) wurde ein<br />
wesentlicher Schritt von der herkömmlichen<br />
Personalverwaltung hin zu einer<br />
modernen Personalpolitik getan.<br />
Damit wurde der Bereich »Personalarbeit«<br />
ausdrücklich in den Aufgabenkatalog der<br />
Führungskräfte aufgenommen und frauenfördernde<br />
Aspekte gezielt in das Instrumentarium<br />
des Personalentwicklungskonzeptes<br />
integriert.<br />
So ist seit dem beispielsweise die so<br />
bezeichnete »Wahrnehmungsfähigkeit <strong>für</strong><br />
die unterschiedliche Lebens- und<br />
Arbeitssituation von Frauen und<br />
Männern« fester Bestandteil des<br />
Anforderungsprofils <strong>für</strong> Führungskräfte.<br />
Und ebenso gehört heute zu den zentralen<br />
Elementen der Schulung von Führungskräften<br />
die Herausbildung der Fähigkeit,<br />
männliche und weibliche Verhaltens- und<br />
Kommunikationsmuster wahrzunehmen.<br />
Dies alles sind erste wichtige Schritte, um<br />
zu einer differenzierteren Geschlechterpolitik<br />
zu gelangen.<br />
Neben dem Personalentwicklungskonzept<br />
der Landesregierung steht als ein weiteres<br />
Instrument das Gleichstellungsgesetz des<br />
Landes, das ebenfalls die Verbindung von<br />
<strong>Verwaltung</strong>smodernisierung, Personalentwicklung<br />
und Chancengleichheit von<br />
Frauen und Männern gewährleistet und<br />
von dem wesentliche reformerische<br />
Impulse ausgehen.<br />
Mit diesem Gesetz wurden alle Träger der<br />
öffentlichen <strong>Verwaltung</strong> verpflichtet,<br />
Frauenförderpläne aufzustellen, um auf<br />
diesem Wege zu einem geplanten und<br />
kontrollierbaren Handeln mit der klaren<br />
Zielvorgabe zu gelangen, Frauen verbesserte<br />
berufliche Perspektiven zu bieten.<br />
Mit den Gleichstellungsbeauftragten als<br />
Teil der <strong>Verwaltung</strong> ist die Gewähr da<strong>für</strong>
6<br />
gegeben, dass die gesetzlichen Vorgaben<br />
beachtet und gegebenenfalls <strong>für</strong> ihre<br />
Einhaltung gesorgt wird. Sie tragen so<br />
unmittelbar zu einem erfolgreichen<br />
Modernisierungsprozess bei, indem sie<br />
Transparenz bei personalpolitischen<br />
Entscheidungen herstellen, Grundsätze<br />
vom Format eines »das war immer so«<br />
überprüfen und sich da<strong>für</strong> einsetzen, dass<br />
Frauen und Männer mit gleichen Qualifikationen<br />
auch gleiche berufliche Chancen<br />
haben.<br />
Und nicht zuletzt unterstützen die<br />
Gleichstellungsbeauftragten mit ihrer<br />
Arbeit <strong>Verwaltung</strong>, die verstanden hat,<br />
dass erst die Verbindung von Modernisierung<br />
und Chancengleichheit wirklichen<br />
Fortschritt ausmacht.<br />
Denn eine Personalpolitik, die den<br />
Geboten der Chancengleichheit, der<br />
Wirtschaftlichkeit, der Transparenz, der<br />
Eignung, Befähigung und fachlichen<br />
Leistung folgt und sich der Förderung des<br />
»human capital« aus sozialen und<br />
ökonomischen Erwägungen verpflichtet<br />
sieht, steht außerhalb der Kritik.<br />
Der Alltag im Berufsleben zeichnet dennoch<br />
vielfach ein anderes Bild – sei es im<br />
öffentlichen Dienst, in der freien<br />
Wirtschaft oder in den Bereichen<br />
von Wissenschaft und Forschung.<br />
Arbeitslosigkeit ist vorrangig ein Problem<br />
<strong>für</strong> Frauen, sie erhalten als Berufstätige in<br />
vielen Fällen <strong>für</strong> gleiche Arbeit weniger<br />
Lohn als die Männer und ihre starke<br />
Unterrepräsentierung in Führungspositionen<br />
ist – mit wenigen Ausnahmen<br />
– nach wie vor ein Faktum.<br />
Ebenso ein Faktum ist es, dass die<br />
Teilzeitarbeit immer noch eine<br />
Frauendomäne ist – mit der Folge, dass<br />
die durchschnittliche Frauenrente nicht<br />
einmal halb so hoch ist, wie die durchschnittliche<br />
Rente der Männer.<br />
Es sind nicht nur die geschlechtsspezifischen<br />
Rollenzuweisungen, die nachhaltig<br />
die Berufswahl und damit die Karrierechancen<br />
von Frauen bestimmen.<br />
Von Frauen wird wie selbstverständlich<br />
erwartet, dass sie eigene berufliche<br />
Ambitionen zurückstellen, damit sich die<br />
des Partners oder Ehemanns entfalten<br />
können – gleiches gilt, wenn eine Familie<br />
gegründet wird oder pflegebedürftige<br />
Angehörige zu betreuen sind. Den Frauen<br />
wird es immer wieder überlassen –<br />
mit wenigen Ausnahmen – die beruflichen<br />
und familiären Verpflichtungen unter<br />
großen Anstrengungen zu koordinieren<br />
und zu vereinbaren.<br />
Dass dabei kaum noch Raum und Kraft<br />
bleibt, um die eigene berufliche Entwicklung<br />
im Auge zu behalten oder gar zu<br />
betreiben, das ist eine kaum vermeidbare<br />
Folge.<br />
Und dennoch gibt es gelegentlich Licht<br />
am Ende des Tunnels. Denn die Zahl der<br />
Männer nimmt zu, die ihre Vaterschaft<br />
aktiv gestalten wollen, obwohl die<br />
vorherrschenden Rollenstereotypen es<br />
ihnen nicht gerade leicht machen,<br />
Elternzeit in Anspruch zu nehmen.<br />
Von Männern wird vielmehr grundsätzlich<br />
nach altem Muster eine starke Identifizierung<br />
mit dem Beruf erwartet – von<br />
ihrem weiteren sozialen Umfeld und<br />
natürlich ganz besonders von Arbeitgeberseite.<br />
Peter Mayer, der Personalentwickler<br />
bei Daimler Chrysler, hat das sehr<br />
eindrucksvoll unterstrichen:<br />
»Wer als Mann Karriere machen will,<br />
darf sich heute nicht vorbehaltlos zur<br />
Familie bekennen. Schließlich kann niemand<br />
(während) einer Sitzung aufstehen<br />
und sagen: Mein Kind wartet, ich muss<br />
gehen.«
Managing Diversity<br />
Die Arbeitswelt der Frauen sieht da ganz<br />
anders aus, ihre Karriere wird erst gar<br />
nicht in Erwägung gezogen.<br />
So ist in einer Studie des Bundesministeriums<br />
<strong>für</strong> Forschung und Bildung<br />
von einer angehende Abteilungsleiterin<br />
folgende resignierende Sicht der Dinge<br />
nachzulesen:<br />
»Wenn die Geschäftsleitung von vornherein<br />
an die Personalentwicklung mit der<br />
Einstellung herangeht: Eine Frau heiratet<br />
sowieso irgendwann und ist dann ›weg<br />
vom Fenster‹, dann kann die Frau noch so<br />
gut sein – sie gilt als nicht mehr flexibel<br />
und bleibt am Rande stehen.«<br />
Es bedarf wohl keiner weiteren Beispiele<br />
um deutlich zu machen, dass es <strong>für</strong> eine<br />
Neuorientierung in der Personalpolitik<br />
höchste Zeit ist. Innovative und in die<br />
Zukunft schauende Unternehmen und<br />
<strong>Verwaltung</strong>en haben schon längst<br />
erkannt, dass Frauenförderung kein<br />
»Defizitspending <strong>für</strong> benachteiligte<br />
Personengruppen« ist.<br />
Neben der Erfüllung rechtlicher, politischer<br />
und ethischer Verpflichtungen<br />
verspricht die Verwirklichung der Chancengleichheit<br />
handfeste Wettbewerbsvorteile.<br />
So sehen neue Konzepte des<br />
Human-Ressource-Management vor,<br />
»Chancengleichheit« in den Zielkatalog<br />
der Personalpolitik zu integrieren.<br />
Ich will in diesem Zusammenhang auf ein<br />
bemerkenswertes Personalkonzept verweisen,<br />
das bereits erfolgreich in<br />
Unternehmen praktiziert wird.<br />
Dieses aus den USA kommende Personalkonzept<br />
Managing Diversity beruht auf<br />
der Erkenntnis, dass die Wettbewerbsfähigkeit<br />
von Unternehmen und <strong>Verwaltung</strong>en<br />
nur dann gesichert werden kann,<br />
wenn die Belegschaften in ihrer komplexen<br />
Heterogenität – Männer, Frauen,<br />
Schwarze, Weiße, Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter aus unterschiedlichen Religionen<br />
und Kulturen, mit verschiedenen<br />
Lebensstilen und Interessen – nachdrücklich<br />
in die Arbeit und in die Unternehmensziele<br />
eingebunden werden, sodass<br />
alle Beteiligten zur Leistung bereit sind.<br />
Damit will das Managing Diversity eine<br />
Veränderung der Unternehmenskultur<br />
erreichen, die geprägt ist von Wertevielfalt<br />
und Pluralismus, von uneingeschränkten<br />
Zugangsmöglichkeiten zu allen<br />
Funktionen und Positionen im Betrieb,<br />
von der Integration aller Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter in die informellen<br />
Kommunikationsstrukturen und<br />
Netzwerke und der Abwesenheit von<br />
Vorurteilen, von direkter und indirekter<br />
Diskriminierung.<br />
Für Personalleitungen und Führungskräfte<br />
ergibt sich daraus der Auftrag, den<br />
Beschäftigten unabhängig von den individuellen<br />
Faktoren und Persönlichkeitsmerkmalen<br />
eine ihren Interessen und<br />
Qualifikationen entsprechende berufliche<br />
Entwicklung und Entfaltung zu ermöglichen.<br />
Gleichzeitig bindet die integrative<br />
Personalstrategie des Managing Diversity<br />
besonders wirkungsvoll die Potenziale der<br />
weiblichen Beschäftigten ein.<br />
Eine Personalpolitik, die mit diesen<br />
Grundsätzen auf die vielfältigen Fähigkeiten<br />
der Belegschaft setzt, fördert die<br />
Qualität und Quantität der Unternehmensleistung<br />
und wirkt sich damit positiv auf<br />
den wirtschaftlichen Erfolg aus.<br />
Wir greifen in Schleswig-Holstein dieses<br />
Konzept einer veränderten Personalpolitik<br />
unter dem Ihnen inzwischen vertrauten<br />
Namen Gender Mainstreaming auf,<br />
um die bestehenden Ungleichheiten<br />
zwischen Frauen und Männern wirksam<br />
zu beenden.<br />
Neben einer Verbesserung der nach<br />
»außen« gerichteten Arbeit von<br />
Organisationen will Gender Mainstreaming<br />
<strong>für</strong> die Belegschaften positiv wirkende<br />
Veränderungen erreichen – in der<br />
Personalpolitik, dem Tarifwesen und der<br />
innerbetrieblichen Modernisierung.<br />
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Dr.<br />
Gertraude Krell von der Freien Universität<br />
in Berlin hat sehr hilfreich auf die Übertragbarkeit<br />
der Prinzipien von Managing<br />
Diversity auf Gender Mainstreaming mit<br />
folgenden Argumenten hingewiesen:<br />
Angesichts des wachsenden Anteils von<br />
Frauen unter den Beschäftigten im<br />
öffentlichen Dienst und der freien<br />
Wirtschaft ist es nicht mehr vertretbar, die<br />
Personalpolitik – und damit die<br />
Beschäftigungsstruktur – am männlichen<br />
(Normal-) Arbeitnehmer zu orientieren.<br />
Unmittelbare und mittelbare Diskriminierung<br />
verursacht Kosten, unter anderem<br />
7
8<br />
durch Fehlzeiten und Demotivierung. Eine<br />
gender-orientierte Personalpolitik wirkt<br />
dem entgegen.<br />
Gemischt-geschlechtliche Teams sind<br />
kreativer und erfolgreicher als gleichgeschlechtliche<br />
und eher in der Lage, sich<br />
bei der Produktentwicklung an den<br />
Interessen und Wünschen der Kundschaft<br />
zu orientieren.<br />
Hinsichtlich des Personalmarketings<br />
bestehen überall dort deutliche Vorteile<br />
bei der Einwerbung von weiblichem Fachund<br />
Führungskräftenachwuchs, wo<br />
Chancengleichheit bereits hergestellt ist.<br />
Und schließlich ist davon auszugehen,<br />
dass die vollständige Integration der weiblichen<br />
Beschäftigten zu einer größeren<br />
Flexibilität, zu mehr Veränderungsbereitschaft<br />
und -fähigkeit der gesamten<br />
Organisation führt.<br />
Eine Personalpolitik, die sich am Gender<br />
Mainstreaming orientiert, trägt nicht nur<br />
zur Chancengleichheit bei, sondern erzielt<br />
gleichzeitig positive Effekte bei den<br />
Kosten, legt Humanressourcen frei und<br />
fördert so insgesamt den betriebswirtschaftlichen<br />
Output.<br />
Wenn wir also eine gender-orientierte<br />
Personalpolitik als integralen Bestandteil<br />
der Modernisierung von Organisationen<br />
begreifen und be<strong>für</strong>worten, dann muss<br />
das Konzept des Gender Mainstreaming<br />
auch verstärkt in die Modernisierungskampagne<br />
der Landesregierung einfließen,<br />
denn hier werden mit dem<br />
Personalentwicklungskonzept schon der<br />
Rahmen und teilweise auch die Instrumente<br />
<strong>für</strong> eine Integration vorgegeben.<br />
Ich erhoffe von unserer heutigen<br />
Fachtagung neue Perspektiven und<br />
Ansätze, um der Chancengleichheit von<br />
Frauen und Männern ein ganz erhebliches<br />
Stück näher zu kommen.<br />
Ich wünsche Ihnen und mir, dass Sie mit<br />
geschärftem Blick und neuen Ideen an<br />
Ihren Arbeitsplatz zurückkehren und dann<br />
– in welcher Funktion sie auch arbeiten –<br />
die Umsetzung der Anregungen wagen,<br />
die Sie heute erhalten werden.
Personalpolitik die sich am Prinzip des<br />
Gender Mainstreaming orientiert<br />
Gabriele<br />
Hoffmeister-<br />
Schönfelder,<br />
Kontor5,<br />
Unternehmensberatung<br />
Hamburg<br />
Gern bin ich der Einladung gefolgt, Ihnen<br />
heute aus meiner Erfahrung mit Gender<br />
Mainstreaming zu berichten. Darauf bin<br />
ich auch ein wenig stolz, habe ich es<br />
heute doch überwiegend mit Frauen<br />
(und Männern) vom Fach zu tun.<br />
Um den heutigen Vortrag vorzubereiten,<br />
habe ich mich bei verschiedenen<br />
Kolleginnen umgehört, was sie denn so<br />
vom Thema halten. Übereinstimmend war<br />
die Antwort, machen wir doch alles, kennen<br />
wir schon. Als ich dann noch ein Mail<br />
von einer Kollegin aus Düsseldorf bekam,<br />
die mir ankündigte, heute Nachmittag<br />
ginge sie ein bisschen »gendern« war ich<br />
doch ein wenig irritiert.<br />
Ich habe mich gefragt, was kann ich Ihnen<br />
Neues bieten? Sind Sie nicht alle bereits<br />
Expertinnen in Sachen Gender Mainstreaming?<br />
Wie bekomme ich es hin, dass Sie<br />
nicht dasitzen, freundlich nicken, aber<br />
eigentlich denken, ist doch alles ein alter<br />
Hut?<br />
Ich will Ihnen deshalb zu Beginn ein<br />
Beispiel aus meiner Praxis als Ingenieurin<br />
schildern. Es zeigt meiner Meinung nach<br />
sehr gut, wie sich Gender Mainstreaming<br />
zur Veränderung einer Organisation, eines<br />
Unternehmens, einer <strong>Verwaltung</strong> einsetzen<br />
lässt.<br />
Ich werde Ihnen dann noch verschiedene<br />
Beispiele aus der Personalentwicklung<br />
vorstellen, die zum einen sicher mit dem<br />
Etikett »Frauenförderung« zu versehen<br />
sind, gleichzeitig auch eindeutig nach dem<br />
Gender Mainstreaming funktionieren.<br />
Ich komme aus der Praxis. Seit fast 20<br />
Jahren engagiere ich mich in Sachen<br />
Chancengleichheit. Erst als Leiterin des<br />
Projektes Frauen bei Philips. Als junge<br />
Ingenieurin hatte ich dort angefangen.<br />
Ich habe dann in den Vorstandsbereich<br />
Personal gewechselt und wurde Leiterin<br />
des Projektes »Frauen bei Philips«. Meine<br />
Aufgabe war es, den Anteil der qualifizierten<br />
Frauen zu erhöhen und die berufliche<br />
Chancengleichheit im Unternehmen zu<br />
steigern.<br />
Vor vier Jahren habe ich als Geschäftsführerin<br />
des Forum Frauen in der<br />
Wirtschaft den Sprung in die Selbstständigkeit<br />
gewagt. Im Forum Frauen in<br />
der Wirtschaft sind zur Zeit 18 Unternehmen,<br />
die sich verbindlich zum Ziel<br />
der Chancengleichheit bekannt haben,<br />
organisiert. Aufgabe der Geschäftsführung<br />
war es, die Interessen und Aktivitäten<br />
der Unternehmen zu bündeln sowie<br />
das Netzwerk intern und extern zu pflegen.<br />
Heute bin ich Geschäftsführerin meines<br />
eigenen Unternehmens. Und nach wie vor<br />
in Sachen Chancengleichheit engagiert.<br />
kontor5 ist eine Personalberatung mit<br />
dem Schwerpunkt Chancengleichheit.<br />
D.h. wir unterstützen Unternehmen dabei,<br />
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihren<br />
Fähigkeiten und Neigungen gemäß<br />
möglichst optimal einzusetzen.<br />
Wenn ich in meinem Archiv grabe, fällt<br />
mir auf, das es schon immer Wechsel in<br />
der Begrifflichkeit gab. Aus Frauenbeauftragten<br />
wurden Gleichstellungsbeauftragte,<br />
daraus sind ja in einigen<br />
Unternehmen schon Equal Opportunity<br />
Officers geworden.<br />
Für mich lag es<br />
daher nahe,<br />
auch das<br />
neudeutsche<br />
Gender<br />
Mainstreaming<br />
erst mal mit<br />
Frauenbeauftragte<br />
..<br />
Gleichstellungsbeauftragte<br />
.<br />
Equal Opportunity<br />
Abstand zu betrachten und abzuwarten.<br />
Aber seit gut 2 Jahren lässt sich der<br />
Begriff nicht mehr ignorieren. In der sogenannten<br />
»Szene« hat er sich fest etabliert.<br />
Und das ist auch gut so. In meiner Praxis<br />
habe ich festgestellt: Gender Mainstreaming<br />
ist brauchbar, bietet neue<br />
Gesichtspunkte und kann uns sehr nützlich<br />
sein. Personalentwicklung unter<br />
Gender Mainstreaming-Gesichtspunkten<br />
bedeutet <strong>für</strong> mich Projekte zu initiieren, an<br />
denen möglichst viele Abteilungen<br />
beteiligt sind. Projekte, die auch geeignet<br />
sind, das Bewusstsein von Führungskräften<br />
zu verändern.<br />
Diese Strategie setzt voraus, dass nach<br />
Geschlechtern getrennte Daten vorliegen.<br />
9
ISO-Zertifizierung<br />
10<br />
Gehen Sie doch mal im Geiste die vorliegenden<br />
Stammdaten durch. Können Sie<br />
damit wirklich etwas anfangen? Meiner<br />
Erfahrung nach liegen auch in großen<br />
Unternehmen diese Daten nur unvollständig<br />
vor. Sie müssen sich also<br />
Verbündete in anderen Abteilungen<br />
suchen, die diese Daten erfassen und<br />
auswerten.<br />
Ich verstehe Gender Mainstreaming auch<br />
als Handlungsanweisung und Strategie.<br />
Es ist ein System. Es bietet Hilfsmittel,<br />
Strukturen zu analysieren und zu verändern.<br />
Es ist eine Strategie, um Verbündete<br />
zu gewinnen und die Verantwortlichkeit<br />
<strong>für</strong> die Umsetzung von Chancengleichheit<br />
auf alle Beteiligten zu verteilen.<br />
Das ist <strong>für</strong> mich das Neue, das wir nutzen<br />
sollten.<br />
Sicher haben einige von Ihnen die<br />
Diskussionen um die Einführung der ISO-<br />
Zertifizierung miterlebt. Es ging darum,<br />
alle Abläufe im<br />
Unternehmen, ob in der<br />
Produktion oder der<br />
<strong>Verwaltung</strong>, unter dem<br />
Gesichtspunkt der Qualitätssicherung zu<br />
untersuchen. Klare Zuständigkeiten sollten<br />
definiert werden, Abläufe transparent und<br />
nachvollziehbar gestaltet werden. Vor<br />
allem ging es darum, Fehler in Prozessketten<br />
zu entdecken und möglichst im<br />
Vorfeld zu vermeiden.<br />
Verfahrensanweisungen wurden<br />
geschrieben und wenn etwas nicht dem<br />
gewünschten Qualitätsstandard<br />
entsprach, konnte der oder die jeweils<br />
Verantwortliche schnell ermittelt werden.<br />
Das ganze wurde von einer externen<br />
Prüfungsinstanz auditiert. Und ganz<br />
wichtig: Die Zertifizierung ist<br />
»Chefsache«.<br />
Das sei der Untergang, hieß es in vielen<br />
Unternehmen. Da<strong>für</strong> sei keine Zeit und<br />
das koste sowieso viel zu viel. Auf den<br />
ersten Blick war das sicher der Fall. Aber<br />
es zeigen sich auch Vorteile. Ich erinnere<br />
mich noch deutlich an das »Gejaule« in<br />
der Personalabteilung von Philips.<br />
Stellenbeschreibungen <strong>für</strong> alle Positionen<br />
sollten angefertigt werden. Vom Pförtner,<br />
über den »Hofkehrer« bis zur Geschäftsleitung.<br />
Aber es ging. Und als alle<br />
Stellenbeschreibungen vorlagen, haben<br />
die Kollegen gemerkt, wie nützlich ihnen<br />
die eigentlich sind.<br />
Stellenausschreibungen waren einfacher,<br />
Neubesetzungen waren wesentlich<br />
schneller möglich, die Einarbeitungszeiten<br />
verkürzten sich, eine Beurteilung der<br />
Leistung stand auf sichereren Füßen als<br />
bisher.<br />
Durch die Vorgaben der ISO-Norm wurden<br />
Strukturen und Prozesse durchsichtig,<br />
das Bewusstsein der Mitarbeiter und<br />
Mitarbeiterinnen veränderte sich. Qualität<br />
zu liefern oder zu fertigen, da<strong>für</strong> war<br />
nicht nur der/die Qualitätsbeauftragte,<br />
sondern alle am Prozess Beteiligten<br />
verantwortlich.<br />
Wenn Ihnen hierzu das Stichwort Total-E-<br />
Quality einfällt, liegen Sie sicher nicht<br />
ganz verkehrt. Auch dies ist eine Art<br />
Zertifizierung, die zeigt, wie weit das<br />
Unternehmen/die <strong>Verwaltung</strong> bei der<br />
Umsetzung von Chancengleichheit bereits<br />
ist.<br />
Heute hat sich das alles ziemlich beruhigt.<br />
Aber die Verfahrensanweisungen gelten<br />
immer noch. Und die Auditoren kommen<br />
weiterhin in die Unternehmen.<br />
Erreicht wurde, die Abläufe und<br />
Entscheidungen in einem Unternehmen,<br />
unter einem anderen Blickwinkel zu<br />
betrachten, bzw. der Vorstand, die<br />
Geschäftsführung war gezwungen, sich<br />
damit überhaupt zu beschäftigen. Diese<br />
Verantwortung war nicht delegierbar.<br />
Dieses Beispiel zeigt auch, dass strukturelle<br />
und organisatorische Veränderungen,<br />
egal aus welchen Gründen sie<br />
notwendig sind und aus »welcher Ecke«<br />
sie kommen, generell auf Widerstand<br />
stoßen.<br />
Das Gender Mainstreaming Prinzip kann<br />
ähnliches leisten, wie das ISO-Audit.<br />
Dadurch können strukturelle Veränderungsprozesse<br />
eingeleitet und Organisationen<br />
verändert/modernisiert werden.<br />
Und es wird ähnliche Widerstände geben,<br />
gegen die wir gute Argumente und<br />
Verbündete parat haben sollten.<br />
Liebe Gleichstellungsbeauftragten, stellen<br />
Sie sich vor, Ihr Lottoschein zeigt am<br />
Samstag 6 Richtige. Sie können also frei<br />
entscheiden, ob Sie Montag wieder an<br />
Ihrem Platz sitzen wollen. Eigentlich<br />
arbeiten Sie ja gern, ist da nicht noch so<br />
ein kleiner Lebenstraum, den Sie sich und<br />
Ihrer Familie jetzt endlich erfüllen<br />
könnten? Sie entscheiden also, ein<br />
Sabbat-Jahr zu nehmen. Ihr Arbeitgeber
ist großzügig und stellt Sie frei. Eine<br />
Nachfolgerin gibt es in unserem Beispiel<br />
nicht.<br />
Was glauben Sie ist, in dem einen Jahr<br />
passiert? Wie sieht es in Ihrem<br />
Unternehmen aus, wenn Sie zurück<br />
kommen?<br />
Sicher ist Ihr Schreibtisch noch da und die<br />
eine oder andere Mitarbeiterin kann sich<br />
noch an Projekte erinnern, die Sie<br />
gemeinsam durchgezogen haben. Auch<br />
der Vorstand erinnert sich vage an Sie.<br />
Aber viel passiert ist nicht.<br />
Fast alles, was Sie angeschoben haben ist<br />
eingeschlafen oder auf dem Stand von<br />
vor zwölf Monaten geblieben. Neue<br />
Projekte gab es nicht, auch der Anteil von<br />
Frauen in Führungspositionen hat sich<br />
nicht weiter erhöht.<br />
Glauben Sie, ich übertreibe?<br />
Denn Sie als die Verantwortliche <strong>für</strong><br />
Frauenfragen sind ja nicht da gewesen.<br />
Ihre Energie, Ihre Ideen und Projekte, Ihr<br />
ständiges Drängen und Ihre Präsenz hat<br />
bisher den Fortschritt bewirkt.<br />
Sie sind der Esel, der den Karren zog.<br />
Würde Ihr Unternehmen, ihre <strong>Verwaltung</strong><br />
nach dem Gender Mainstreaming Prinzip<br />
arbeiten, würde aus dem Karren eines der<br />
ersten Automobile werden.<br />
Da das Prinzip Gender Mainstreaming im<br />
Unternehmen verankert ist, würde auch in<br />
Ihrer Abwesenheit das Thema Chancengleichheit<br />
weiter verfolgt.<br />
Geschäftsführung, Personalabteilung,<br />
Marketing, Controlling, alle Abteilungen<br />
würden ihre Pläne unter dem<br />
Gesichtspunkt »Auswirkung auf die<br />
Betroffenen« abwägen. Sie wären nur<br />
eine von zahlreichen Expertinnen und<br />
Experten, die sich mit dem Thema<br />
befassen. Damit umfasst Gender<br />
Mainstreaming alles das, was Sie und ich<br />
in unserem Arbeitsalltag bereits leisten.<br />
Hinzu kommen muss aber, dass auch<br />
andere Abteilungen künftig zu mehr<br />
Chancengerechtigkeit beitragen werden.<br />
Das heißt also nicht, das unsere Arbeit<br />
wertlos ist, im Gegenteil. Wir sind so<br />
etwas wie eine Feuerwehr, die schnell<br />
eingreifen und gezielt löschen kann.<br />
Wir alle wissen, dass die wenigsten<br />
Unternehmen und <strong>Verwaltung</strong>en nach<br />
diesem Prinzip arbeiten. Denn nach wie<br />
vor verstehen die meisten Männer unter<br />
Chancengleichheit vor allem gezielte<br />
Frauenförderung.<br />
Für mich ist das zwar nach wie vor<br />
notwendig. Mich stört aber immer der<br />
Unterton des Defizitären. Frauen müssen<br />
extra gefördert werden. Müssen sie nicht.<br />
Müssen sie nur, wenn männliches<br />
Verhalten das Maß aller Dinge ist. Das ist<br />
in aller Regel so und uns allen fällt es<br />
schwer, sich davon zu lösen. Sprache,<br />
Erziehung, Kultur sind entsprechend<br />
geprägt. Doch auch hier zeigen sich erste<br />
Veränderungen. Denken Sie nur an die vor<br />
Selbstbewusstsein strotzenden jungen<br />
Studentinnen oder Berufsanfängerinnen.<br />
Nur bei den Berufsanfängern sind zur Zeit<br />
kaum Einkommensunterschiede zwischen<br />
Männern und Frauen zu finden. In der<br />
Altersgruppe 21 und 27 Jahre haben die<br />
Frauen bereits aufgeholt. 10 Jahre später<br />
hat sich das leider wieder zu Ungunsten<br />
der Frauen verschoben. (Quelle: Prof.<br />
Sonja Bischoff, kontorAbend)<br />
Es fallen mir übrigens nur wenige<br />
Beispiele ein, bei denen Frauen den<br />
Maßstab liefern. Wie wäre es mit dem<br />
Thema Kinderbetreuung? Männer haben<br />
es doch schwer, sich als »gute« Väter zu<br />
beweisen.<br />
Auch aus folgendem Grund ist Gender<br />
Mainstreaming <strong>für</strong> mich so attraktiv. Geht<br />
es doch darum, die Verschiedenartigkeit<br />
nicht nur zuzulassen, sondern auch als<br />
Wert anzuerkennen. In diese Richtung<br />
geht auch ein weiteres Schlagwort, das<br />
uns immer öfter begegnet: managing<br />
diversity, die Vielfalt hegen und pflegen.<br />
Meine Freundin Heli Ihlefeld-<br />
Bolesch war die erste Frauenbeauftragte<br />
der deutschen<br />
Telekom. Für ihre Arbeit hat sie<br />
übrigens das Bundesverdienstkreuz<br />
bekommen. Sie erzählte mir, dass<br />
sie zu Beginn ihrer Tätigkeit immer wieder<br />
gefragt wurde: »Sind sie auch <strong>für</strong><br />
Männer zuständig?«<br />
Als Frauenbeauftragte wohl eher nicht, als<br />
Gender Mainstreaming Expertin sicher ja.<br />
In der Perspektive des Gender Mainstreaming<br />
werden beide Geschlechter<br />
beachtet. Damit kann Gender Mainstreaming<br />
auch »Männerförderung« sein.<br />
Es wird Ihnen sicher auch bereits aufgefallen<br />
sein, dass sich auch immer mehr<br />
Männer auf die Seiten der Frauen-<br />
11
12<br />
beauftragten »verirren«. In zunehmendem<br />
Maße entdecken Männer das Thema<br />
»Vereinbarkeit von Familie und Beruf«.<br />
Dass sie solche Themen in der Rubrik<br />
»Frauenförderung« finden, trägt sicher<br />
nicht dazu bei, derartige Maßnahmen <strong>für</strong><br />
mehr Männer attraktiv zu machen. Damit<br />
es künftig noch mehr werden, kann es<br />
sehr nützlich sein, wenn wir jetzt auch<br />
eine Seite »Gender Mainstreaming«<br />
einrichten.<br />
Für mich gibt es bereits zahlreiche<br />
Indizien da<strong>für</strong>, dass ein Umdenkungsprozess<br />
im Gang ist. Und dass es sich<br />
daher <strong>für</strong> die Unternehmen lohnen wird,<br />
wenn sie ihre Unternehmenspolitik an<br />
dem Prinzip des Gender Mainstreaming<br />
auszurichten.<br />
Wie könnte das in der Praxis<br />
aussehen?<br />
Folgende Handlungsfelder sieht die kürzlich<br />
zwischen Bundesregierung und den<br />
Spitzenverbänden der Deutschen<br />
Wirtschaft getroffene Vereinbarung zur<br />
Förderung der Chancengleichheit in der<br />
Privatwirtschaft vor:<br />
Falls Sie in der öffentlichen <strong>Verwaltung</strong>,<br />
in den Kommunen, Betrieben des<br />
Bundes oder an einer Hochschule tätig<br />
sind, haben Sie einen kleinen Vorteil, gilt<br />
<strong>für</strong> Sie doch das gerade verabschiedete<br />
Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz.<br />
Durch aktive betriebliche Fördermaßnahmen<br />
sollen die Ausbildungsperspektiven,<br />
die beruflichen Chancen von<br />
Frauen als auch die Vereinbarkeit von<br />
Familie und Beruf <strong>für</strong> Mütter und Väter<br />
nachhaltig verbessert werden.<br />
Bundesregierung und Wirtschaftsverbände<br />
sind sich einig, dass dazu auch<br />
eine flächendeckende Kinderbetreuung<br />
und ein bedarfsgerechtes Angebot an<br />
Ganztagschulen notwendig sein wird.<br />
Laut dieser Vereinbarung sollten<br />
sich Unternehmen verbindlich<br />
zum Ziel der Chancengleichheit<br />
bekennen und dies auch<br />
kommunizieren. Die unterschiedlichen<br />
Auswirkungen<br />
unternehmerischer Tätigkeit<br />
auf Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter sollen berücksichtigt<br />
werden. Kommt Ihnen<br />
das auch bekannt vor?<br />
Der Frauenanteil in<br />
Führungspositionen soll erhöht<br />
werden, attraktive Angebote<br />
zur Gestaltung der Familienphase <strong>für</strong><br />
Männer und Frauen entwickelt werden,<br />
Wiedereingliederungsprogramme<br />
vorhanden sein.<br />
Insgesamt also Punkte, denen wir<br />
bedenkenlos zustimmen können. Einen<br />
weiteren Baustein würde ich gern hinzufügen,<br />
und das wäre das Thema<br />
»Entlohnung«. Die folgende Rednerin hat<br />
dazu sicher Einiges zu sagen.<br />
Bis sich ein Unternehmen verbindlich zum<br />
Thema Chancengleichheit bekennt, wird<br />
es eine Zeitlang dauern. Personalpolitik<br />
unter Gender Mainstreaming-Gesichtspunkten<br />
kann sinnvolle Vorarbeit leisten.<br />
Denn in dieser Abteilung können<br />
Grundlagen gelegt und Weichen <strong>für</strong> die<br />
Zukunft gestellt werden.<br />
Einige Beispiele aus der Praxis:<br />
Rekrutierung von Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern. Großen Staub aufgewirbelt<br />
haben im Sommer zwei Mitarbeiterinnen<br />
eines süddeutschen Automobil-Konzerns.<br />
Das Unternehmen hat sich öffentlich dazu<br />
bekannt, den Anteil von Frauen in<br />
Führungspositionen zu erhöhen. Aufgabe<br />
der Personalbeschaffung ist es, geeignete<br />
Frauen zu finden. Anhand der vorliegenden<br />
Daten stellten die beiden fest, über<br />
herkömmliche Verfahren wie Anzeigen, ist<br />
das nicht zu machen.<br />
Ein gutes Beispiel <strong>für</strong> eine noch intakte<br />
Monokultur, die sicher bald an Langeweile<br />
und mangelnder Kreativität eingehen<br />
wird, ist die Kölner Bonding-Messe. Auf<br />
dieser Rekrutierungs-Messe tummeln sich<br />
überwiegend männliche Bewerber. Kein<br />
Wunder, ist das Konzept doch von überwiegend<br />
männlichen Personalern erarbeitet<br />
worden. Es stehen überwiegend<br />
männliche Mitarbeiter auf den Ständen,<br />
gehen überwiegend Schlipsträger durch<br />
die Hallen.
Die dringend gesuchten Hochschulabsolventinnen<br />
mussten anders angesprochen<br />
werden. Sie schlugen also vor, einen<br />
Recruiting-Event nur <strong>für</strong> Studentinnen zu<br />
organisieren. Vorher hatten sie sich an<br />
uns gewandt, um sich zu vergewissern,<br />
ob ihr Vorhaben in die Zeit passt, ob so<br />
etwas überhaupt machbar sei.<br />
Die ersten Widerstände kamen aus den<br />
eigenen Reihen. Benachteiligen wir dann<br />
nicht die jungen Männer? Wir sind doch<br />
<strong>für</strong> die Gleichberechtigung!<br />
Auch die mit der Werbung <strong>für</strong> die<br />
Veranstaltung betraute Agentur tat sich<br />
schwer. Wie solle man denn diese Frauen<br />
ansprechen? Wie seien die denn so drauf?<br />
Entstanden ist eine wunderschöne<br />
Kampagne mit einem gelungenen Motiv<br />
und einer super Veranstaltung.<br />
Teilgenommen hatte auch der Personalvorstand.<br />
Ich konnte richtig spüren, wie<br />
sehr er von der geballten Ladung<br />
Kompetenz und Selbstbewusstsein der<br />
Frauen beeindruckt war.<br />
Ihm wurde schlagartig deutlich, dass die<br />
Zielvereinbarung des Konzerns, den<br />
Frauenanteil an der Belegschaft von<br />
derzeit 11,5 % auf etwa 15 % bis 2005 zu<br />
erhöhen auch erreicht werden kann. Jedes<br />
Jahr ein Prozent, das ist auf den ersten<br />
Blick nicht viel. Schafft es aber ein<br />
Großteil der jungen Frauen, bis in die<br />
oberen Führungsetagen voran zu kommen,<br />
ist das doch sehr erfreulich!<br />
Und wenn sich nur ein Fünftel der<br />
Teilnehmerinnen <strong>für</strong> eine Karriere in dem<br />
Unternehmen entscheidet, so hat sich die<br />
Investition allemal gelohnt.<br />
Nicht unterschätzen darf man dabei die<br />
Mund-zu-Mund-Propaganda. Auch starten<br />
die jungen Frauen mit einem ganz<br />
anderen Verhältnis zu ihrem neuen<br />
Arbeitgeber.<br />
Sie fragen sich, was das mit Gender<br />
Mainstreaming zu tun hat?<br />
Die beiden hatten die üblichen Rekrutierungsverfahren<br />
daraufhin analysiert, ob<br />
sie nur scheinbar neutral sind oder vielleicht<br />
doch geeignet sind, ein Geschlecht<br />
diskriminieren.<br />
Und über diesen Event haben die beiden<br />
Mitarbeiterinnen es geschafft, bei den<br />
Personalverantwortlichen Bewusstsein<br />
da<strong>für</strong> zu wecken, dass die bisherigen<br />
Verfahren unvollständig sind. Natürlich<br />
war die Veranstaltung auch gleichzeitig<br />
eine Frauenfördermaßnahme. Aber<br />
dadurch, dass die beiden Frauen an ihrem<br />
Vorhaben sehr viele unterschiedliche<br />
Bereiche Werbung, Marketing, die<br />
Bereiche, die einstellen wollen, PE,<br />
Controlling, beteiligt haben, haben sie<br />
mehr erreicht, als eine einmalige<br />
Frauenfördermaßnahme zu initiieren.<br />
Sicher ist so etwas nicht in jedem<br />
Unternehmen zu machen. Aber ein wenig<br />
mehr Sensibilität bei der Ansprache der<br />
Zielgruppe wünsche ich mir sehr. Auch<br />
könnten dadurch sicher einiges an Kosten<br />
gespart werden.<br />
Beispiel: Vereinbarkeit von Beruf und<br />
Familie, eines meiner Lieblingsthemen.<br />
Besonders dieses Thema bietet sehr leicht<br />
die Gefahr, in bestimmte stereotype Bilder<br />
zu verfallen: Männer sind an Karriere<br />
interessiert, Frauen vorwiegend familiär<br />
orientiert.<br />
Das wäre zu einfach. Es geht nicht um<br />
Männer oder Frauen, es geht um weibliche<br />
und männliche Beschäftigte des<br />
Unternehmens. Und <strong>für</strong> diese Gruppen<br />
werden differenzierte Daten benötigt.<br />
Mehrere Untersuchungen zeigen, dass<br />
diese Stereotype nicht mehr stimmen. Das<br />
Gros der Beschäftigten, Männer und<br />
Frauen, ist an einer flexiblen Arbeitszeitregelung<br />
interessiert. Vor allem Männer<br />
sind bereit, täglich mehr zu arbeiten,<br />
wenn sie Einfluss auf die Verteilung der<br />
Arbeitszeit nehmen können. Männer<br />
wollen ihre Arbeitszeit also nicht unbedingt<br />
reduzieren, sonder aktiv gestalten.<br />
Gleichzeitig wächst unter jungen, gut ausgebildeten<br />
Männern die Bereitschaft,<br />
zumindest zeitweise in Teilzeit zu arbeiten.<br />
Noch ist die Angst vor dem Verlust<br />
von Macht und Anerkennung, vor einem<br />
möglichen Karriereknick sehr groß. Auch<br />
fehlen die positiven Vorbilder. Dazu habe<br />
ich vor kurzem folgendes erlebt:<br />
Im Rahmen der Auftaktveranstaltung <strong>für</strong><br />
ein Mentoring-Projekt ist es üblich, dass<br />
die Mentees kurz schildern, was sie von<br />
ihrem Mentor erwarten. Ein junger Mann,<br />
in der Revision tätig, hoch qualifiziert und<br />
bereits sehr gut angesehen, steht auf und<br />
verkündet, er würde gern von seinem<br />
Mentor lernen, wie er Beruf und Familie<br />
unter einen Hut bekommen kann. Er sei<br />
zur Zeit sehr oft unterwegs, sein kleiner<br />
Sohn würde ich kaum kennen. Das fände<br />
er sehr schade und würde diese Situation<br />
gern ändern. Sie können sich sicher das<br />
»andächtige« Schweigen der versammelten<br />
Führungskräfte vorstellen. Vor<br />
deren Augen muss sich ein echtes<br />
Problem aufgetan haben, denn den jun-<br />
13
14<br />
gen Mann wollen alle unbedingt behalten,<br />
denn alle schätzen seine Kompetenz.<br />
Kolleginnen aus großen Unternehmen<br />
bestätigen mir, dass vor allem jüngere<br />
Männer mehr Wert auf familienfreundlichere<br />
Arbeitszeiten legen. Es gibt auch<br />
vereinzelte »Teilzeit-Männer«. In dem<br />
Maße, in dem es gelingt, mehr Männer <strong>für</strong><br />
Teilzeit-Tätigkeiten zu gewinnen, wird<br />
diese Arbeitsform zunehmend attraktiver<br />
werden. Und sicher auch besser ausgestattet<br />
werden.<br />
Die Kollegin von Daimler-Chrysler<br />
berichtete mir neulich, dass es in ihrem<br />
Haus inzwischen möglich sei, auch als<br />
Teilzeitkraft beruflich voran zu kommen<br />
und sich in verantwortungsvolle<br />
Positionen zu entwickeln.<br />
Es gibt heute sehr viele Frauen, die an<br />
einer Berufstätigkeit interessiert sind,<br />
da<strong>für</strong> aber andere Lebensziele nicht<br />
aufgeben wollen.<br />
Damit wächst der Anteil derjenigen<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die flexibel<br />
arbeiten wollen. Und das sind gerade<br />
die gut ausgebildeten, kreativen, offenen<br />
Talente, an denen Unternehmen so brennend<br />
interessiert sind.<br />
Also müssen sich Personalverantwortliche,<br />
Gleichstellungsbeauftragte,<br />
Werksleiter, DV-Beauftragte, Betriebsoder<br />
Personalräte usw. an einen Tisch<br />
setzen und sich Gedanken über flexible<br />
Arbeitszeitmodelle machen. Sie müssen<br />
ihren jeweiligen Sachverstand einbringen<br />
und nicht nur prüfen, was kostet uns das,<br />
sondern auch: wer profitiert davon, wie<br />
wirken sich diese Maßnahmen auf die<br />
beschäftigten Frauen und Männer aus. Es<br />
reicht aber nicht, mit gutem Sachverstand<br />
guten Lösungen zu entwickeln. Diese<br />
müssen auch in der Organisation kommuniziert<br />
werden. Besonders die »Ewig-<br />
Gestrigen« müssen ins Boot geholt werden<br />
und wissen, welche Vorteile flexible<br />
Arbeitszeiten bringen können. Ich nenne<br />
da nur den Abbau von Überstunden, kundenfreundliche<br />
Öffnungszeiten oder den<br />
Ausgleich saisonaler Schwankungen.<br />
Gender Mainstreaming-Gesichtspunkte<br />
helfen uns, zu differenzieren und Frauen<br />
und Männer nicht als jeweils homogene<br />
Gruppe zu betrachten.<br />
In einem Unternehmen, das ich im<br />
Rahmen eines Mentoring-Programms<br />
betreue, haben sich einige der männlichen<br />
Mentoren die Frage gestellt, ob ihnen<br />
nicht die Balance zwischen Beruf und<br />
Familie fehlt. Der offene und intensive<br />
Dialog mit ihrer weiblichen Mentee hat sie<br />
dazu gebracht, ihr Berufsleben Revue<br />
passieren zu lassen. Dabei sind wohl auch<br />
Versäumnisse deutlich geworden. Ich bin<br />
sicher, einige der Herren haben jetzt ein<br />
wenig mehr Verständnis da<strong>für</strong>, wenn<br />
Frauen sich verschiedene Ziele setzten<br />
und ihre Prioritäten nicht nur auf den<br />
Beruf legen. Vielleicht ist ihnen, den<br />
Mentoren, deutlich geworden, dass es<br />
auch in ihrem Leben verschiedene<br />
Optionen geben könnte.<br />
Nächstes Beispiel: Personalentwicklung<br />
Bisher ist es meistens so, dass die wenigen<br />
Frauen, die im Unternehmen arbeiten,<br />
zu wenig Marketing in eigener Sache<br />
betreiben.<br />
Das gilt übrigens ganz besonders auch <strong>für</strong><br />
die Gleichstellungsbeauftragten! Oder wie<br />
sieht Ihre Marketing-Strategie aus? Was<br />
tun Sie, damit Ihre Leistungen gesehen<br />
und angemessen honoriert werden?<br />
Die meisten Unternehmen können daher<br />
ihre Potenzialträgerinnen nicht benennen.<br />
Es fällt ihnen viel leichter, Männer zu<br />
nominieren. Unter anderem liegt das auch<br />
daran, dass die meisten Personalentwickler<br />
m/w, schlechte »Zulieferer« haben,<br />
d.h. ihnen werden viele Frauen gar nicht<br />
erst empfohlen.<br />
Die Personalverantwortlichen in den<br />
Fachabteilungen, in der Regel heute noch<br />
männlich, verfügen über wenig Sensibilität<br />
<strong>für</strong> weibliche Aufstiegsorientierung.<br />
Sie sehen quasi nur mit einem Auge.<br />
Darauf angesprochen, verstehen sie gar<br />
nicht, dass sie jemanden benachteiligen.<br />
Im Gegenteil, sie denken im Sinne des<br />
Unternehmens zu handeln. Denn Frauen<br />
seien ja überwiegend familienorientiert,<br />
würden auf Grund von Familienphasen<br />
»ausfallen« etc.<br />
Hier hilft nur ständiges Aufklären. Es ist ja<br />
heute nicht unbedingt mehr sicher, dass<br />
ein junger Mann im Unternehmen bleibt.<br />
Kein Personaler rechnet aus, welche<br />
Kosten entstanden sind, wenn einer der<br />
sorgfältig qualifizierten Männer nach<br />
wenigen Jahren zum Mitbewerber wechselt.<br />
Geht eine Frau in den Erziehungsurlaub,<br />
war es eine Fehlinvestition. (Und<br />
die Gleichstellungsbeauftragte bekommt<br />
dann immer zuhören: Das haben wir doch<br />
vorher gewusst!)<br />
Wir müssen mehr positive Vorbilder<br />
schaffen und den jeweiligen Fachvor-
gesetzten erklären, welchen Nutzen sie<br />
davon haben, Frauen einzustellen und zu<br />
fördern. Natürlich muss die Förderung<br />
von Frauen in die Zielvereinbarung<br />
aufgenommen nehmen. Erst dann zählt<br />
sie etwas. Wenn ich dann im Unternehmen<br />
bin, um den Fachabteilungen bei<br />
der Potenzialermittlung »zu helfen«,<br />
kommen wir zu »überraschenden«<br />
Ergebnissen. Überrascht sind die<br />
Vorgesetzten darüber, dass sie so viele<br />
qualifizierte und karriereorientierte<br />
Frauen in ihrer Abteilung haben. Sind<br />
diese Frauen erst einmal sichtbar, klappt<br />
es auch mit der Personalentwicklung!<br />
Gerade gestern sagte der Vorstand einer<br />
namhaften Bank zu mir: »Wir haben ja<br />
wirklich gute Frauen an Bord!«<br />
Oft werde ich darauf angesprochen, ob es<br />
nicht auch sinnvoll sei, Maßnahmen <strong>für</strong><br />
männliche Führungskräfte zu entwickeln.<br />
Vorhaben die geeignet sind, das Bewusstsein<br />
zu verändern oder Maßnahmen, die<br />
am eigenen Portemonnaie zu spüren sind,<br />
haben oft guten Erfolg.<br />
Ich setze auf die persönliche Ansprache.<br />
Das bedeutet <strong>für</strong> Sie: Finden Sie heraus,<br />
welchen Nutzen die Führungskraft, der<br />
Bürgermeister, der Minister von Ihrem<br />
Vorhaben haben könnte. Und darauf<br />
sprechen Sie ihn immer wieder an. Erst<br />
dann werden Sie Erfolg haben.<br />
In der Wirtschaft haben sich auch<br />
Zielvereinbarungen bewährt. Danach<br />
arbeiten Manager gern. Steht da drin, der<br />
Anteil von Frauen in Führungspositionen<br />
ist bis 2005 um 2 % zu erhöhen, wissen<br />
sie, was auf sie zukommt und woran sie<br />
gemessen werden. Gelingt es ihnen nicht,<br />
das Ziel zu erreichen, hat das monetäre<br />
Auswirkungen.<br />
In die Zielvereinbarungen bekommen Sie<br />
das Thema Chancengerechtigkeit leichter,<br />
wenn im Vorstand, also an der Spitze Ihrer<br />
Organisation ein gewisses Bewusstsein<br />
da<strong>für</strong> vorhanden ist.<br />
In der Privatwirtschaft funktioniert das nur<br />
über die Einsicht in die ökonomische<br />
Notwendigkeit. Denn das Unternehmen<br />
wird ja daran gemessen, wie erfolgreich<br />
es am Markt agiert.<br />
Erste Früchte eines Bewusstseinswandels<br />
zeigen sich bei jüngeren Männern.<br />
Manchmal können auch sogenannte<br />
Gender-Trainings Denkanstöße geben. Die<br />
Deutsche<br />
Telekom hat<br />
vor etwa drei<br />
Jahren das<br />
Projekt »Fair bringt mehr« angestoßen.<br />
Entstanden ist ein Film mit<br />
Begleithandbuch, der die unterschiedliche<br />
Behandlung von Frauen und Männern am<br />
Arbeitsplatz deutlich macht. Die einzelnen<br />
Szenen wurden von professionellen<br />
Schauspielern gestellt, das Drehbuch<br />
schrieb eine externe Beratungsgesellschaft.<br />
Film und Handbuch waren auch<br />
außerhalb der Telekom sehr erfolgreich.<br />
Wagen Sie sich aber erst an derartige<br />
Projekte, wenn Sie einen ausreichende<br />
Etat zur Verfügung haben. Gute Gender-<br />
Trainings sind selten. Schlechte führen<br />
nur dazu, die althergebrachten Meinungen<br />
zu zementieren.<br />
Fair bringt mehr<br />
Um den Anteil von Frauen in Fach- und<br />
Führungspositionen zu erhöhen, empfehle<br />
ich verschiedene Maßnahmen. Ganz<br />
wichtig ist es, positive Vorbilder zu<br />
schaffen. Erst wenn Frauen sehen, dass<br />
es anderen Frauen gelungen ist, weiter zu<br />
kommen, fassen sie Mut. Vorbilder sind<br />
<strong>für</strong> mich nicht nur die immer in der Presse<br />
genannten Alibi-Frauen. Sondern auch die<br />
vielen Frauen, die bereits den Sprung ins<br />
mittlere Management geschafft haben<br />
und weiter wollen.<br />
Damit andere, nachkommende Frauen<br />
von deren Erfahrungen profitieren,<br />
15
16<br />
Mentoring<br />
müssen Frauen ihre eigenen Netzwerke<br />
aufbauen. Netzwerke sind wunderbar<br />
geeignet, Isolation und Exotinnen-Tun<br />
vorzubeugen. Ich bin seit Jahren überzeugte<br />
Netzwerkerin und habe meine<br />
besten Kontakte und Ideen über Netzwerke<br />
bekommen.<br />
Auch als Gender-Expertin brauchen Sie<br />
funktionierende Netzwerke, von denen Sie<br />
Informationen und Unterstützung bekommen<br />
können.<br />
Mentoring ist auch eine wunderbare<br />
Maßnahme, um mehr Frauen in die<br />
Führungspositionen zu bekommen. Seit<br />
über vier Jahren betreue ich Mentees aus<br />
den unterschiedlichsten Branchen. Wenn<br />
ich sehe, was aus den ehemaligen<br />
Mentees alles so geworden ist, macht mir<br />
das so richtig Freude. Mentoring hat vielen<br />
eine Tür geöffnet, hindurchgegangen<br />
sind sie aber ganz allein.<br />
Gender Mainstreaming im Personalbereich<br />
bedeutet <strong>für</strong> mich, auch ein Auge<br />
auf die vielen Frauen im Unternehmen, in<br />
der <strong>Verwaltung</strong> zu haben, die nicht in eine<br />
Fach- oder Führungsposition aufsteigen<br />
möchten. Die Mitarbeiterin in der Kantine,<br />
in der Datenverarbeitung, das Reinigungs-<br />
personal, die Sekretärinnen und<br />
Assistentinnen, auch sie wollen ihren<br />
Fähigkeiten und Neigungen entsprechend<br />
eingesetzt sein. Auch <strong>für</strong> sie gilt es, optimal<br />
eingerichtete Arbeitsplätze und<br />
Arbeitszeiten zu schaffen.<br />
Drei Dinge möchte ich Ihnen zum<br />
Abschluss <strong>für</strong> Ihre künftige »Gender-<br />
Arbeit« mitgeben:<br />
1.<br />
2.<br />
3.<br />
Lernen Sie, strategisch zu denken und<br />
zu handeln. Gender Mainstreaming<br />
bietet Ihnen eine Handlungsanweisung,<br />
der Sie folgen können, um das<br />
Thema möglichst breit und sicher in<br />
Ihrer Organisation zu verankern.<br />
Prüfen Sie, ob Sie auch genügend <strong>für</strong><br />
Ihr eigenes Marketing tun. Setzen Sie<br />
nicht alles daran, sich selbst überflüssig<br />
zu machen! Profilieren Sie sich als<br />
Expertin, die zum Wohl des<br />
Unternehmens/der <strong>Verwaltung</strong>/der<br />
Hochschule beiträgt, in dem sie <strong>für</strong><br />
mehr Chancengleichheit sorgt.<br />
Suchen Sie sich Verbündete. Helfen<br />
Sie anderen dabei, mit dem<br />
Engagement <strong>für</strong> Chancengleichheit<br />
groß rauszukommen. Davon profitieren<br />
auch Sie automatisch.<br />
Argumentieren Sie über den Nutzen,<br />
den Ihre Partner davon haben werden,<br />
wenn sie Ihren Ideen folgen. Geben<br />
Sie auch Verantwortung ab. Es sind<br />
sicher auch noch andere bereit, sich zu<br />
engagieren, sie müssen nur wissen,<br />
warum sie das tun sollten.<br />
Ich wünsche Ihnen »erfolgreiches<br />
Gendern«!
Kampagne zur Aufwertung von<br />
Frauentätigkeiten »Diskriminierungsfreie<br />
Bewertung von (Dienstleitungs-)Arbeit«<br />
Petra Ganser,<br />
ver.di-<br />
Bundesvorstand<br />
Ressort 13<br />
Tarifpolitik<br />
öffentlicher Dienst<br />
Referat Frauentarifpolitik/Gender<br />
Mainstreaming<br />
Noch nie haben Frauen in diesem Land<br />
ein so hohes Bildungsniveau gehabt, wie<br />
am Ende des 20. Jahrhunderts und doch<br />
können sie damit weniger erreichen als<br />
gleichwertig qualifizierte Männer.<br />
Schaut man ins Topmanagement deutscher<br />
Unternehmen, so liegt der Frauenanteil<br />
dort bei 6 %. Frauen arbeiten eher<br />
in Bereichen, in denen es keine oder nur<br />
geringe Aufstiegsmöglichkeiten gibt.<br />
In der betrieblichen Hierarchie werden<br />
Frauen häufig – selbst bei gleicher<br />
Qualifikation – deutlich niedriger eingestuft<br />
als Männer (Studie Uni Hohenheim).<br />
EU-weit verdienen Frauen durchschnittlich<br />
noch immer rund 20 % weniger als<br />
Männer. In der Bundesrepublik<br />
Deutschland ist die Kluft noch größer. Hier<br />
liegt sie bei rund 25 %.<br />
Dies ist auch damit nicht zu erklären, dass<br />
rund 76 % aller erwerbstätigen Frauen im<br />
Dienstleistungssektor beschäftigt sind, z.B.<br />
Gesundheitsberufe, sozialpflegerische<br />
Berufe oder Kauffrauen (Einzelhandelskauffrau,<br />
Industriekauffrau, Bankkauffrau,<br />
Hotelkauffrau), der schon von Haus aus<br />
ein geringeres Lohnniveau hat.<br />
Auch im öffentlichen Dienst besteht eine<br />
Lohndifferenz zwischen Männern und<br />
Frauen.<br />
Allerdings nicht dadurch bedingt, dass tatsächlich<br />
gleiche Arbeit unterschiedlich<br />
bezahlt wird. 1<br />
Vielmehr existiert in unseren Vergütungssystemen<br />
der vom Europäischen<br />
Gerichtshof (EuGH) als »mittelbare<br />
Diskriminierung« bezeichnete<br />
Unrechtssachverhalt. Das heißt, dass<br />
gleichwertige Arbeit nicht gleich bezahlt<br />
wird.<br />
Wie wir wissen, werden den<br />
Geschlechtern spezifische Kompetenzen<br />
zugeschrieben:<br />
So werden Frauen allgemein<br />
als besonders »familienkompetent«<br />
angesehen, d.h. der<br />
(private) »Familienraum« gilt<br />
folglich als weiblich.<br />
Männern wird vor allem<br />
Technik- und<br />
Politikkompetenz nachgesagt.<br />
Diese gesellschaftlichen<br />
Bereiche gelten daher als<br />
männlich.<br />
Diese Zuordnung ist keinesfalls statisch –<br />
was heute männlich ist, kann morgen<br />
schon weiblich sein. So galt beispielsweise<br />
im Druckergewerbe lange Zeit die<br />
Tätigkeit des Setzers als männliche<br />
Tätigkeit. Dies wurde mit dem hohen<br />
Gewicht der Satzkästen begründet.<br />
Mit dem Einzug des Computers und damit<br />
des Fotosatzes in diesen Bereich entfiel<br />
die vorgenannte Begründung – und damit<br />
der Ausschluss von Frauen in dieser<br />
Tätigkeit. Heute arbeiten viele Frauen in<br />
diesem Bereich als Mediengestalterin.<br />
Die Frage nach gleichwertiger Arbeit ist<br />
eben nicht nur ein tarifpolitisches Thema,<br />
sondern steht auch im unmittelbaren<br />
Zusammenhang mit der gesellschaftlichen<br />
Bewertung einer Tätigkeit und spiegelt<br />
sich somit dann in der Folge auch in den<br />
bestehenden Tarifwerken wider.<br />
Von daher glaube ich, wird es erforderlich<br />
sein, eine ehrliche gesellschaftliche<br />
Debatte über die Lohngleichheit zwischen<br />
den Geschlechtern voranzutreiben.<br />
Denn 25 Prozent weniger Einkommen <strong>für</strong><br />
Frauen bedeuten auch 25 Prozent weniger<br />
Chancengleichheit.<br />
Einer kürzlich vorgelegten Untersuchung<br />
zufolge, fühlen sich 80 % der jungen Väter<br />
durch die Existenz eines Kindes – Zitat:<br />
»in keiner Weise beruflich oder sonst wie<br />
eingeschränkt«.<br />
17
18<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
Für fast den gleichen Prozentsatz der<br />
Frauen bedeuten Kinder den mutmaßlich<br />
nur vorübergehenden Ausstieg aus dem<br />
Job.<br />
Und das, obwohl ebenfalls 80 % der<br />
Frauen das Leben einer erwerbstätigen<br />
Frau dem der Hausfrau vorzögen.<br />
Hierzu ein paar Zahlen aus der<br />
Bundesrepublik:<br />
Frauen leisten ca. 35 Stunden unbezahlte<br />
Arbeit und 15 Stunden bezahlte Arbeit.<br />
Männer leisten ca. 20 Stunden unbezahlte<br />
Arbeit und 30 Stunden bezahlte Arbeit.<br />
Frauen verbringen etwa zwei Drittel ihres<br />
gesamten Arbeitslebens in der privaten<br />
Arbeit, Männer aber nur ein Drittel.<br />
bezahlt<br />
unbezahlt<br />
Die Folge ist, dass der sogenannte doppelte<br />
Lebensentwurf (Beruf und Familie)<br />
<strong>für</strong> Frauen unter den derzeitigen<br />
Bedingungen meistenteils nur mit<br />
Abstrichen an bezahlter Erwerbsarbeitszeit,<br />
am Entgelt und an der<br />
Arbeitsqualität in der Erwerbsarbeit<br />
durchgesetzt werden kann.<br />
Die gesellschaftliche »Geschlechter«-Ordnung<br />
zeigt, Frauen leisten die notwendigste<br />
Arbeit, die der täglichen und generativen<br />
Reproduktion dient, unbezahlt und<br />
weitgehend privat. Männer sind von<br />
dieser Arbeit freigestellt, um die »übrige«<br />
Arbeit in Form der Erwerbsarbeit zu verrichten.<br />
Gerade in der Lebensphase, in der Kinder<br />
großgezogen werden, werden die wichtigsten<br />
Karrieresprünge im Beruf gemacht.<br />
Frauen werden durch das alte 3-Phasen-<br />
Modell – »arbeiten – Kinder aufziehen –<br />
wieder arbeiten« – so zum lebenslang<br />
ausgebremst.<br />
Das sind nur zwei Aspekte, – die Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf und die<br />
geschlechtsspezifischen Unterschiede im<br />
Bezahlungssystem, – aus der breiten<br />
Palette der Verhältnisse beider Geschlechter,<br />
die deutlich machen: Soziale und kul-<br />
turelle Geschlechterrollen sind historisch<br />
gewachsen, aber politisch gestaltbar.<br />
Dies in Richtung auf Chancengleichheit zu<br />
tun, und zwar so,<br />
g dass alle daran arbeiten müssen,<br />
Chancenungleichheit zwischen den<br />
Geschlechtern zu beseitigen,<br />
g dass Gleichstellung als Querschnittsaufgabe<br />
in allen Politikfeldern und<br />
Ressorts integriert ist,<br />
g sowie alle Maßnahmen und bestehende<br />
Strukturen auf ihre Wirkungen im<br />
Hinblick auf die Chancengleichheit <strong>für</strong><br />
beide Geschlechter zu hinterfragen und<br />
zu gestalten,<br />
ist das Anliegen und Kern von »Gender<br />
Mainstreaming«.<br />
Ver.di hat sich diesem Ansatz in seiner<br />
Satzung verpflichtet. Damit wird zugleich<br />
auch der Tatsache Rechnung<br />
getragen, dass die Einbeziehung von<br />
Gleichstellungsfragen ein Zeichen <strong>für</strong><br />
modernes gesellschafts- und familienbewusstes<br />
Führungshandeln in Unternehmen<br />
und auch <strong>für</strong> modernes<br />
Gewerkschaftshandeln ist.<br />
Unserer Gewerkschaft, die mehr als 50 %<br />
weibliche Mitglieder hat, ist Gender<br />
Mainstreaming eine besondere Verpflichtung.<br />
Aber auch auf den Leitungsebenen<br />
von ver.di – sieht man einmal von der<br />
Zusammensetzung des Bundesvorstandes<br />
ab – kann von einer anteiligen geschlechtlichen<br />
Repräsentation noch keine Rede<br />
sein.<br />
Wie können wir den Gender-Ansatz in<br />
Betrieben und <strong>Verwaltung</strong>en im Hinblick<br />
auf die Vereinbarkeit von Familie und<br />
Beruf umsetzen?<br />
Wie das Thema in unseren Tarifverträgen<br />
aufnehmen – auch in der Durchsetzung<br />
des Prinzips gleicher Lohn <strong>für</strong> gleichwertige<br />
Arbeit?<br />
Hier schlage ich nun die Brücke zur ehemaligen<br />
ÖTV:<br />
Bereits 1998 hat sich der geschäftsführende<br />
Hauptvorstand der Politik des<br />
Gender Mainstreaming verpflichtet. Damit<br />
war ein entscheidender Schritt zur<br />
Verankerung der Strategie des Gender<br />
Mainstreaming in die Gesamtpolitik der<br />
ÖTV geleistet, der mit der Berufung der
ersten Gender-Mainstreaming-Beauftragten<br />
<strong>für</strong> Tarifpolitik unterstrichen wurde.<br />
Die ÖTV war und heute ist ver.di damit<br />
wegweisend <strong>für</strong> die deutsche Gewerkschaftslandschaft:<br />
Der Gender-Ansatz wird<br />
als Querschnittsaufgabe betrachtet.<br />
Zusammen mit einigen skandinavischen<br />
ö.D. Gewerkschaften, die solche<br />
Arbeitsprinzipien bereits zu Beginn der<br />
9Oer Jahre eingeführt hatten, verfolgen<br />
wir das Ziel der Geschlechterdemokratie.<br />
Nun zur Aufwertungsampagne<br />
Anfang der 90er Jahre setzten sich ÖTV-<br />
Frauen erfolgreich da<strong>für</strong> ein, dass die<br />
Qualität sozialer und pflegerischer Arbeit<br />
mehr Anerkennung fand und besser<br />
vergütet wurde. Hier sind beispielhaft die<br />
Aktionen von Pflegekräften sowie<br />
Erzieherinnen zu nennen.<br />
Wichtige Beiträge zur Aufwertung von<br />
Frauenarbeit kamen in dieser Zeit von<br />
hessischen Frauen. Indem sie ihre Arbeit<br />
in den klassischen Frauenberufen des<br />
öffentlichen Dienstes mit eigenen Worten<br />
und aus eigener Erfahrung und Sichtweise<br />
beschrieben, beschritten sie tarifpolitisch<br />
neue Wege (ich weise hierzu auf die<br />
Broschürenreihe »Frauen wollen mehr«<br />
1993 – 1998 hin).<br />
Frauen in Bibliotheken melden sich zu Wort<br />
Schulsekretärinnen melden sich zu Wort<br />
Frauen im Schreibdienst melden sich zu Wort<br />
Sekretärinnen aus psychosozialen Einrichtungen<br />
melden sich zu Wort<br />
Hauswirtschafterinnen melden sich zu Wort<br />
Arbeiterinnen melden sich zu Wort.<br />
Mit der Annahme des frauenpolitischen<br />
Antrages durch den ÖTV-Gewerkschaftstag<br />
1996 (G91) zur Durchführung einer<br />
Kampagne zur »Aufwertung von<br />
Frauenberufen« wurde das Ziel der<br />
gerechten Arbeitsbewertung – eben auch<br />
von Frauentätigkeiten – zum Auftrag an<br />
die Gesamtorganisation. Dies kann als<br />
Quantensprung gewertet werden: Bislang<br />
war die Diskussion um die Aufwertung<br />
von Frauentätigkeiten ausschließlich ein<br />
Thema innerhalb von Frauenstrukturen.<br />
Durch die Beschlusslage, eine Kampagne<br />
dazu aufzugreifen und in den Tarifbereich<br />
zu integrieren, wurde es zum übergreifenden<br />
(frauen)tarifpolitischen Thema.<br />
Ziel der Kampagne ist es, gleiche<br />
Bezahlung von gleichwertiger Arbeit und<br />
damit eine Aufwertung von Frauentätigkeiten<br />
zu erreichen.<br />
Erster Schritt der Aufwertungskampagne<br />
war die Vergabe eines Gutachtens 2 zur<br />
Erforschung von Diskriminierungspotenzialen<br />
in Tarifverträgen am Beispiel<br />
des Bundesangestelltentarifvertrages<br />
(BAT). Der BAT wurde daraufhin überprüft,<br />
ob er den<br />
g EU-Richtlinien (Artikel 141 Amsterdamer<br />
Vertrag)<br />
g der EuGH-Rechtssprechung und<br />
g der Deutschen Gesetzgebung<br />
g Grundgesetz [Artikel 3 Absatz 2 Satz 1<br />
GG] und<br />
g Bürgerliches Gesetzbuch [§ 612 Abs. 3<br />
BGB]) – (Letzterer bestimmt, dass <strong>für</strong><br />
gleiche oder <strong>für</strong> gleichwertige Arbeit<br />
nicht wegen des Geschlechts eine geringere<br />
Vergütung vereinbart werden darf.)<br />
zur Lohngleichheit entspricht. 3<br />
19
20<br />
Durch diese Vorgaben ist der Staat in<br />
dreifacher Hinsicht verpflichtet, <strong>für</strong> Lohngleichheit<br />
bzw. diskriminierungsfreie<br />
Gestaltung von Tarifverträgen zu sorgen:<br />
g als Staat<br />
g als Arbeitgeber und<br />
g als Tarifvertragspartei.<br />
Die Kriterien, die der Europäische<br />
Gerichtshof (EuGH) <strong>für</strong> Entgeltsysteme<br />
entwickelt hat, sind:<br />
g Tarifverträge müssen durchschaubar<br />
sein<br />
g Tarifverträge müssen objektive<br />
Differenzierungskriterien enthalten<br />
g die einzelnen Differenzierungskriterien<br />
müssen diskriminierungsfrei ausgelegt<br />
werden<br />
g <strong>für</strong> die Bewertung von Frauentätigkeiten<br />
dürfen nicht andere Kriterien verwendet<br />
werden als <strong>für</strong> die Bewertung von<br />
Männertätigkeiten<br />
g die Arbeit muss ihrem Wesen nach<br />
bewertet werden, d.h. alle <strong>für</strong> sie<br />
wesentlichen Anforderungen müssen<br />
berücksichtigt werden.<br />
Am Beispiel des BAT wurde festgestellt,<br />
dass strukturelle Diskriminierungsmerkmale<br />
enthalten sind:<br />
g Die Teilung in spezielle Tarifteile und<br />
Regelungsbereiche verstößt zum Teil<br />
gegen den rechtlichen Grundsatz, dass<br />
»Frauenarbeit« und »Männerarbeit«<br />
nach denselben Differenzierungskriterien<br />
bewertet werden muss z.B.<br />
Vergütungsregelungen <strong>für</strong> Schreibkräfte,<br />
Eingruppierungsregelungen <strong>für</strong><br />
Techniker, Arbeiter/Angestellte, Beamte<br />
Sozial- und Erziehungsdienst wobei die<br />
Tarifteile, die faktisch überwiegend von<br />
Frauen besetzt sind, geringer bewertet<br />
werden.<br />
g Das Wesen der Arbeit gerade in den<br />
Tarifteilen <strong>für</strong> die typischen Frauentätigkeiten<br />
wird in den Eingruppierungsregelungen<br />
z.B. hinsichtlich der Fachkenntnisse<br />
und Erschwernisse meist<br />
nicht vollständig dargestellt und dementsprechend<br />
auch nicht umfassend<br />
vergütet.<br />
g Die Tätigkeitsmerkmale, die schließlich<br />
beschrieben werden, werden häufig zu<br />
Ungunsten von Frauen ausgelegt, z.B.<br />
das Tätigkeitsmerkmal der »selbstständigen<br />
Leistung” wird in einigen<br />
Frauenberufen nicht als solches definiert,<br />
wie der Vergleich der<br />
Diätküchenleiterin mit dem<br />
Betriebshofleiter zeigt.<br />
g Tätigkeitsmerkmale werden kumuliert,<br />
d.h., ein höherwertiges Tätigkeitsmerkmal<br />
wird erst dann berücksichtigt,<br />
wenn die Person schon in der entsprechenden<br />
Vergütungsgruppe ist, z.B. das<br />
Tätigkeitsmerkmal »Verantwortung«: Es<br />
taucht erst ab BAT IV b aufwärts begünstigend<br />
auf. Verantwortungsleistungen<br />
auf Arbeitsplätzen, die geringer eingestuft<br />
sind, werden daher nicht berücksichtigt.<br />
g Es wird vorausgesetzt, dass Tätigkeiten<br />
in einem bestimmten zeitlichen Umfang<br />
geleistet werden müssen, um sich vergütungssteigernd<br />
auszuwirken, d.h., es<br />
reicht z.B. nicht aus, verantwortungsvolle<br />
Tätigkeiten zu 49 % der Tätigkeit auszuüben,<br />
es müssen 51 % sein.<br />
Neben diesen strukturellen Diskriminierungspotenzialen<br />
ergab das Gutachten<br />
einen weiteren, wesentlichen Aspekt als<br />
Grund <strong>für</strong> die Lohndifferenz zwischen<br />
Männern und Frauen, nämlich, dass die –<br />
insbesondere in vielen Frauenberufen –<br />
ständig abverlangte soziale Kompetenz<br />
(die <strong>für</strong> Dienstleistungsarbeit nicht<br />
unwesentlich ist) in der Arbeitsbewertung<br />
keine Berücksichtigung findet und<br />
dementsprechend auch nicht vergütet<br />
wird.<br />
Das Gutachten empfahl hierzu<br />
Maßnahmen und Gestaltungsschritte.<br />
Zum einen<br />
g Identifizierung der typischen Männerund<br />
Frauentätigkeiten<br />
g Erarbeitung diskriminierungsfreier<br />
Arbeitsbeschreibungen<br />
g Neubewertung der Tätigkeiten mittels<br />
eines diskriminierungsfreien<br />
Bewertungsverfahrens.<br />
Letzteres haben wir in einem Vergleichsprojekt<br />
aufgegriffen und im Sommer 2000<br />
bei der Stadt Hannover durchgeführt.
Als Vergleichspaare wurden gebildet:<br />
Dip.-BibliothekarIn (FH) · Dipl.-IngenieurIn (FH)<br />
Küchenhilfe · ArbeiterIn (Abfallwirtschaft/Stadtreinigung)<br />
AltenpflegerIn · Techniker bzw. technische/r SachbearbeiterIn<br />
Leitende(r) MTA · (Gärtner-)meisterIn.<br />
ABAKABA<br />
Empirisch sollte untersucht werden, ob<br />
sich im konkreten Vergleich von<br />
Tätigkeiten Hinweise auf mittelbare<br />
Diskriminierung belegen lassen.<br />
Ein Ziel war dabei, einen Katalog von<br />
Kriterien zu ermitteln, mit denen verschiedene<br />
Tätigkeiten vergleichbar bewertet<br />
werden können. Damit können dann<br />
Tarifverträge, u.a. der BAT überprüft<br />
werden.<br />
Die wissenschaftliche Projektleitung lag<br />
bei Prof. Dr. Gertraude Krell, FU Berlin,<br />
Projektmitarbeiterinnen waren Anna<br />
Krehnke und Andrea-Hilla Carl.<br />
Wir orientierten uns dabei an dem von<br />
Schweizer Arbeitswissenschaftlern<br />
entwickelten Verfahren ABAKABA (=<br />
Analytische Bewertung von Arbeitstätigkeiten<br />
nach KATZ und BAITSCH).<br />
ABAKABA ist ein analytisches Arbeitsbewertungsverfahren,<br />
das auch die <strong>für</strong><br />
Dienstleistungstätigkeiten besonders relevanten<br />
psycho-sozialen Merkmale berücksichtigt.<br />
Dazu gehören sowohl Anforderungen<br />
(z.B. »Anforderungen an die<br />
mündliche Kommunikationsfähigkeit« und<br />
»Anforderungen an das Einfühlungsvermögen«)<br />
als auch Belastungen (z.B.<br />
»Mitverfolgbarkeit der Tätigkeit <strong>für</strong><br />
Außenstehende« und »Konfrontationen<br />
mit Problemen und Leid anderer<br />
Personen«).<br />
ABAKABA ist in der Schweiz bereits in<br />
kantonalen <strong>Verwaltung</strong>en eingeführt.<br />
ABAKABA wird von Gerichten (in der<br />
Schweiz) als Grundlage <strong>für</strong> die Begutachtung<br />
bei Eingruppierungsklagen<br />
anerkannt.<br />
Die Neubewertung der Stellen in Hannover<br />
hatte wissenschaftlichen Versuchscharakter,<br />
d.h. sie hat keine unmittelbare<br />
Auswirkung auf die Vergütung der<br />
Stelleninhaber/-innen. Sie dient einzig und<br />
allein der diskriminierungskritischen Überprüfung<br />
bestehender Entgeltstrukturen<br />
und kann ggfs. als Grundlage <strong>für</strong> Höhergruppierungsklagen<br />
dienen.<br />
Die Projektergebnisse liegen jetzt vor.<br />
Zusammengefasst führte die Bewertung<br />
der Vergleichspaare zu folgendem<br />
Ergebnis:<br />
g In der Gegenüberstellung zum BAT<br />
haben sich durch die Bewertung mit<br />
ABAKABA bei drei der vier<br />
Vergleichspaare die Wertigkeiten verschoben,<br />
und zwar zugunsten der<br />
frauendominierten Tätigkeiten.<br />
Bestimmend <strong>für</strong> die Verschiebung der<br />
Wertigkeiten zugunsten der frauendominierten<br />
Tätigkeiten ist zum einen der<br />
psycho-soziale Bereich, zum anderen<br />
aber auch der physische Bereich.<br />
Beide werden bei der derzeitigen tariflichen<br />
Bewertung vernachlässigt.<br />
Die Ergebnisse der Bewertung der<br />
Tätigkeiten mittels ABAKABA zeigen, dass<br />
die Berücksichtigung der <strong>für</strong> Dienstleistungsarbeiten<br />
charakteristischen<br />
emotionalen oder psycho-sozialen<br />
Komponente – wie vermutet – zu einer<br />
Aufwertung frauendominierter Tätigkeiten<br />
führt.<br />
Die Ergebnisse verdeutlichen darüber<br />
hinaus, dass <strong>für</strong> die Bewertung von<br />
Dienstleistungstätigkeiten, auch von<br />
solchen, die überwiegend von Frauen<br />
verrichtet werden, die körperliche<br />
Komponente ebenfalls von großer<br />
Bedeutung ist.<br />
Die Ergebnisse des Vergleichsprojektes in<br />
Hannover stehen nicht allein. Ähnliche<br />
Projekte in der Schweiz, in Großbritannien<br />
und in Österreich, die teilweise auf einer<br />
breiteren empirischen Basis stehen, kommen<br />
zu denselben Schlussfolgerungen.<br />
Mittels ABAKABA konnte aufgezeigt werden,<br />
dass Gleichwertigkeit der Tätigkeiten<br />
bei den Vergleichspaaren besteht.<br />
Das heißt:<br />
Die bisherigen Bewertungskriterien werden<br />
den typischen Frauentätigkeiten nicht<br />
gerecht.<br />
Diese Kriterien führen zu einer Unterbewertung<br />
von Frauentätigkeiten<br />
gegenüber Männertätigkeiten.<br />
Hier gilt es anzusetzen:<br />
Nicht nur im Hinblick auf die EU-Normen<br />
sind Schlussfolgerungen zu ziehen, nämlich,<br />
dass<br />
g Ein Verfahren zur diskriminierungsfreieren<br />
Bewertung von Dienstleistungs-<br />
21
22<br />
arbeit unter anderem einheitlich und<br />
transparent ausgestaltet sein muss und<br />
g neben der Verantwortung, dem intellektuellen<br />
und dem psycho-sozialen<br />
Bereich auch die körperlichen<br />
Anforderungen und Belastungen<br />
berücksichtigt werden müssen<br />
Die Diskussion zur Aufwertung von<br />
Frauentätigkeiten wird nun in ver.di unter<br />
Einbeziehung der Erfahrungen von<br />
anderen ver.di-Mitgliedern fortzusetzen<br />
sein um dadurch neue Impulse zu erhalten.<br />
Sie muss auch ihren Blick auf die<br />
Veränderungen in den anderen europäischen<br />
Ländern richten, die teilweise schon<br />
weiter in der Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit<br />
sind.<br />
Die Studie zeigt, dass uns dabei die analytische<br />
Arbeitsbewertung durch ABAKA-<br />
BA ein wichtiges und hilfreiches<br />
Instrument ist bzw. sein kann.<br />
Welchen Stellenwert eine analytische<br />
Arbeitsbewertung gegenüber oder im<br />
Verbund mit der bisherigen summarischen<br />
Arbeitsbewertung haben kann, ist<br />
eine tarifpolitische Frage, die wir noch<br />
entscheiden müssen.<br />
Für die Tarifpolitik müssen wir dies aufgreifen<br />
und zu umsetzbaren Ergebnissen<br />
führen.<br />
g Mit dem Gutachten zum BAT<br />
g der Durchführung des<br />
Vergleichsprojektes in Hannover und<br />
g der Vorstellung der Projektergebnisse<br />
treten wir jetzt in die nächste Phase der<br />
Aufwertungskampagne ein.<br />
Deshalb steht die Frage voran: »Was sind<br />
die nächsten Schritte zur Umsetzung?«<br />
Wir werden bei der nächsten Klausurtagung<br />
der Bundestarifkommission<br />
öffentlicher Dienst im November diesen<br />
Jahres die Projektergebnisse<br />
den Tarifkommissionsmitgliedern<br />
detailliert<br />
vorstellen.<br />
Dann wollen wir auch die<br />
Diskussion führen, wie die<br />
Ergebnisse genutzt werden<br />
können, damit wir die noch<br />
bestehende geschlechtsspezifische<br />
Diskriminierung in den<br />
Tarifverträgen erfolgreich<br />
abbauen können.<br />
Wir werden auch diskutieren<br />
müssen, welche Unterstützung<br />
die Organisation<br />
beim Verfolgen dieser Ziele<br />
und Aufgaben bieten kann bzw.<br />
wie Einfluss auf eine gerechtere<br />
Gesellschafts-, Gleichstellungsund<br />
Tarifpolitik genommen<br />
werden kann.<br />
Die Ergebnisse des Vergleichsprojektes<br />
werden wir in den<br />
begonnenen Diskussionsprozess<br />
über diskrimierungsfreiere<br />
Bewertung von (Dienstleistungs-)<br />
Arbeit mit den öffentlichen<br />
Arbeitgebern von Bund, Ländern<br />
und Gemeinden einbeziehen.<br />
Die Ergebnisse werden ebenfalls in<br />
künftige Verhandlungen zur<br />
Modernisierung des öffentlichen<br />
Tarifrechts einfließen.
Hier haben wir vereinbart, auch den<br />
Handlungsbedarf zur Beseitigung von<br />
Diskriminierungstatbeständen zu<br />
bearbeiten.<br />
Wir arbeiten zur Zeit an einer Checkliste,<br />
die zur Unterstützung bei Tarifverhandlungen<br />
genutzt werden kann.<br />
Sie soll helfen, mittelbare Diskriminierung<br />
bereits im Vorfeld von laufenden Tarifverhandlungen<br />
zu minimieren bzw. ganz<br />
auszuschließen.<br />
Einen ersten Entwurf werden wir im<br />
Herbst vorlegen.<br />
Wir wissen, dass die Ausgestaltung und<br />
Anwendung diskriminierungsfreierer<br />
Arbeitsbewertungsverfahren ein politischer<br />
Prozess ist – und bleibt.<br />
Und ein Ergebnis hängt davon ab, wer<br />
welche Interessen durchsetzen kann und<br />
will.<br />
Es wäre jedoch prüfenswert, inwieweit<br />
Tarifvertragsparteien neue, gemeinsame<br />
Wege im Sinne einer gender-orientierten<br />
Tarifpolitik beschreiten könnten.<br />
Ein interessanter Vorschlag kommt von<br />
der Europäischen Stiftung zur<br />
Verbesserung der Lebens- und<br />
Arbeitsbedingungen 4 .<br />
Sie empfiehlt, ein gemeinsames<br />
»Gleichbehandlungsgremium« einzusetzen,<br />
das <strong>für</strong> die Implementierung und<br />
Auswertung von Verhandlungsergebnissen<br />
zuständig ist.<br />
Wir werden uns mit dem Vorschlag noch<br />
näher befassen.<br />
Eins wird jedoch schon heute mehr als<br />
deutlich und daran muss gearbeitet<br />
werden:<br />
Nur durch das Zusammenwirken aller<br />
Akteure auf allen Entscheidungs- und<br />
Handlungsebenen können erforderliche<br />
Wirkungen erzeugt und letztendlich auch<br />
Veränderungen durchgesetzt werden. Dies<br />
geschieht nicht von heute auf morgen.<br />
Die Veränderungen von Strukturen und<br />
Gewohnheiten gestalten sich oft als zäher<br />
und langwieriger Prozess.<br />
Doch ich bin sehr zuversichtlich, dass wir<br />
weiter vorankommen. Wir sind auf einem<br />
gutem Weg. Die Projektergebnisse von<br />
Hannover sind <strong>für</strong> uns dabei ein wichtiger<br />
Baustein.<br />
Chancengleichheit ist jedoch nicht nur<br />
eine Angelegenheit von Frauen, sondern<br />
auch <strong>für</strong> Betriebe und deren Beschäftigte,<br />
eben <strong>für</strong> Frauen und Männer.<br />
Um Chancengleichheit als gesamtbetriebliche<br />
Strategie zu<br />
verankern, braucht es das<br />
Engagement beider Geschlechter.<br />
Ich hoffe, dass es gelingt, in einen<br />
Dialogprozess zwischen den<br />
Geschlechtern einzutreten, um gemeinsam<br />
Chancengleichheit zu erreichen.<br />
Die Rahmenbedingungen da<strong>für</strong> sind<br />
geschaffen und müssen mit Leben gefüllt<br />
werden.<br />
»Nur ein Tarifrecht, das den Grundsatz<br />
›Gleiches Entgelt <strong>für</strong> gleichwertige Arbeit‹<br />
verwirklicht, kann sich modern nennen« –<br />
da<strong>für</strong> haben die Projektbeteiligten ihre<br />
Unterschrift geleistet und da<strong>für</strong> werden<br />
sie auch eintreten.<br />
1 Als Geburtsjahr der Arbeitsbewertung gilt 1942. Damals<br />
wurde zwischen der Deutschen Arbeitsfront und der<br />
Reichsgruppe Industrie der »Lohngruppenkatalog Eisen und<br />
Metall (LKEM)« entwickelt und als verbindliche Richtlinie in<br />
der Metallindustrie eingeführt.<br />
Von den 8 Lohngruppen waren ausdrücklich nur die unteren<br />
5 <strong>für</strong> die weiblichen Gefolgschaftsmitglieder vorgesehen.<br />
Aber das ist nicht alles: Aus »sozialen Gründen« wurde bei<br />
Frauen generell ein Abschlag von 25 Prozent der<br />
entsprechenden Grundlöhne <strong>für</strong> Männer vorgenommen. Erst<br />
1955 erklärte das Bundesarbeitsgericht diese Praxis <strong>für</strong><br />
rechtswidrig, und erst 1972 (30! Jahre später) wurde die letzte<br />
dieser Niedriglohngruppen abgeschafft.<br />
2 Dr. Regine Winter unter Mitarbeit von Prof. Dr. Gertraude Krell<br />
3 weiteres Rechtsgutachten zu W-Gruppen der Arbeitsvertragsrichtlinie<br />
des Diakonischen Werkes vom Herbst 1999<br />
4 1999, S.10<br />
23
»An den Führungskräften<br />
führt kein Weg vorbei«<br />
Dr. Karin Tondorf<br />
Forschung und<br />
Beratung zu<br />
Entgelt- und<br />
Gleichstellungspolitik<br />
24<br />
Führungskräften kommt bei der<br />
Verwirklichung von Chancengleichheit<br />
eine zentrale Rolle zu. Sie verfügen über<br />
vielfältige Handlungsmöglichkeiten und<br />
Entscheidungskompetenzen im personellen<br />
Bereich, die entsprechend ihrer<br />
Stellung in der Hierarchie und ihrer<br />
konkreten Aufgabe variieren. Auf die<br />
Führungskräfte kommt es maßgeblich an,<br />
wenn es z.B. um den Zugang zu<br />
Arbeitsstellen und Führungspositionen<br />
geht. Sie sind es, die Arbeit und Leistung<br />
von MitarbeiterInnen bewerten und<br />
dadurch auch über Ein- und Höhergruppierungen,<br />
Aufstiege und über die<br />
Gewährung von Leistungszulagen/-<br />
Leistungsprämien entscheiden. Sie verfügen<br />
über Spielräume bei der Gestaltung<br />
von Aufgabenzuschnitten, Arbeitsteilung<br />
und Arbeitszeitregelungen, die <strong>für</strong> die<br />
Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben<br />
wichtig sind. Nicht zuletzt gestalten sie<br />
selbst die Zusammenarbeit zwischen<br />
Männern und Frauen mit, gehen mit<br />
gutem oder schlechtem Beispiel voran,<br />
setzen Standards in Bezug auf Fairness<br />
und Kollegialität. In all diesen Handlungsfeldern<br />
gibt es noch ungenutzte Spielräume,<br />
die zugunsten der Gleichstellung<br />
der Geschlechter genutzt werden könnten.<br />
Führungskräfteentwicklung –<br />
Gestaltung nach dem Prinzip<br />
des Gender Mainstreaming<br />
Sollen Fortschritte in der Gleichstellung<br />
erzielt werden, kommt es darauf an,<br />
gerade diese Gruppe zu erreichen und sie<br />
<strong>für</strong> die Geschlechterproblematik zu sensibilisieren.<br />
Führungskräfteentwicklung zum<br />
Thema Gender Mainstreaming ist das<br />
Stichwort. Bevor konkrete Maßnahmen<br />
konzipiert werden, erscheint es sinnvoll,<br />
dies auch systematisch und nach<br />
gründlichen Analysen anzugehen, wie es<br />
dem methodischen Prinzip des Gender<br />
Mainstreaming entspricht. Das bedeutet:<br />
Im ersten Schritt wären die gleichstellungspolitischen<br />
Ziele der Führungskräfteentwicklung<br />
zu definieren.<br />
Sinnvollerweise geschieht dies auf Basis<br />
einer Analyse des Ist-Zustandes, die<br />
Aufschlüsse über den konkreten<br />
Handlungsbedarf in einer <strong>Verwaltung</strong> oder<br />
in einem Betrieb liefert.<br />
Im zweiten Schritt geht es um eine<br />
Analyse der Probleme. Die Kernfrage ist<br />
hier: Welches sind im Bereich der<br />
Führungskräfte bisher die Hemmnisse auf<br />
dem Weg zu mehr Chancengleichheit?<br />
Im dritten Schritt können dann auf Basis<br />
dieser Problemanalyse Konzepte zur<br />
Erhöhung der Gleichstellungsmotivation<br />
und -kompetenz der Führungskräfte<br />
entwickelt werden.<br />
Mit diesen drei ersten Schritten möchte<br />
ich mich im Folgenden ausführlicher<br />
befassen. Die weiteren Schritte – der<br />
Vorab-Check der voraussichtlichen<br />
Auswirkungen der möglichen (alternativen)<br />
Konzepte auf ihre Auswirkungen auf<br />
die Gleichstellung und die Entwicklung<br />
eines Lösungsvorschlages, die Umsetzung<br />
der Maßnahmen und ihre Erfolgskontrolle<br />
und Bewertung möchte ich zugunsten der<br />
Illustrierung eines Handlungsfeldes – der<br />
Personalbeurteilung – nur kurz behandeln.<br />
Gleichstellungspolitisches<br />
Handeln von Führungskräften –<br />
Zieldefinition auf Basis einer<br />
Ist-Analyse<br />
Eine Bestandsaufnahme des gleichstellungspolitischen<br />
Handelns von<br />
Führungskräften differenziert zweckmäßiger<br />
Weise nach den verschiedenen<br />
Handlungsfeldern, die bereits eingangs<br />
angesprochen wurden. Da es vermutlich<br />
die Arbeitskapazitäten einer <strong>Verwaltung</strong><br />
übersteigt, gleichzeitig alle Handlungsfelder<br />
einer kritischen Bestandsaufnahme<br />
zu unterziehen, werden Prioritäten zu<br />
setzen sein. Wo ist – so könnte von<br />
<strong>Verwaltung</strong> zu <strong>Verwaltung</strong> gefragt werden<br />
– der größte Problemdruck in puncto<br />
Gleichstellung, die durch Führungskräfte<br />
beeinflussbar ist: Liegt sie z.B. im Bereich<br />
der Zusammenarbeit von Männern und<br />
Frauen oder eher im Bereich der<br />
Verwirklichung der Stufenpläne nach dem<br />
Gleichberechtigungsgesetz? Oder die<br />
Auswahl der Handlungsfelder könnte nach<br />
dem Gesichtspunkt erfolgen: Welche
Maßnahme steht ohnehin auf der<br />
Tagesordnung, die nun gleichzeitig auch<br />
unter dem Aspekt der Gleichstellung mitbearbeitet<br />
werden könnte – so vielleicht<br />
das Mitarbeiter/Vorgesetzten-Gespräch<br />
oder die Reform des Beurteilungswesens.<br />
Um sich einen hinreichenden Überblick<br />
über die derzeitige Ist-Situation, d.h. auch<br />
über Schwachstellen im Gleichstellungshandeln<br />
zu verschaffen, müssen u.U.<br />
Statistiken optimiert oder zuzüglich<br />
»weiche« Daten, etwa durch Mitarbeiter-<br />
Innen-Befragungen gewonnen werden.<br />
Auf dieser Basis könnten dann die<br />
konkreten gleichstellungspolitischen Ziele<br />
des jeweiligen Vorhabens definiert werden.<br />
Die Debatte über das Neue<br />
Steuerungsmodell, im Näheren über<br />
Kontraktmanagement und Zielvereinbarungen<br />
lehrt uns, dass solche Ziele<br />
möglichst konkret definiert sein sollten, so<br />
dass später eine zuverlässige Kontrolle<br />
der Zielerreichung erfolgen kann.<br />
Problemanalyse: Hemmnisse<br />
auf dem Weg zu mehr<br />
Chancengleichheit<br />
Die im Bereich des Führungskräftehandelns<br />
liegenden Hemmnisse auf dem<br />
Weg zu mehr Chancengleichheit sind<br />
vielfältig. Ich möchte sie aufgliedern nach<br />
Wissensdefiziten, Akzeptanzdefiziten und<br />
Kreativitätsdefiziten und im folgenden auf<br />
diese Punkte eingehen.<br />
Wissensdefizite<br />
Umfragen, die wir z.B. in der Landesverwaltung<br />
Niedersachsen bei Führungskräften<br />
durchgeführt haben, zeigten, dass<br />
das Wissen über Aspekte der Gleichstellung<br />
recht begrenzt ist. Seitens der<br />
befragten Führungskräfte bestand ein<br />
vorrangiges Interesse an folgenden drei<br />
Themen:<br />
g Abbau von Vorurteilen/Stereotypen<br />
g Förderung von Fairness<br />
g Verknüpfung von Gleichstellung und<br />
<strong>Verwaltung</strong>sreform.<br />
Bemerkenswert war darüber hinaus deren<br />
Einschätzung, dass dem Thema der<br />
sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz im<br />
Führungsalltag zwar eine stärkere<br />
Bedeutung zukommt, die rechtlichen<br />
Grundlagen waren aber kaum bekannt.<br />
Großes Interesse gab es auch hinsichtlich<br />
der Klärung konzeptioneller Fragen: Worin<br />
unterscheidet sich das Konzept der<br />
Frauenförderung vom Konzept der<br />
Förderung von Chancengleichheit? Was<br />
bedeutet Gender Mainstreaming im Alltag<br />
von Führungskräften? Was hat dieser<br />
Ansatz mit dem Qualitätsmanagement zu<br />
tun und – eine zentrale Frage: Welches<br />
sind die ökonomischen und politischen<br />
Vorteile dieses Politikansatzes?<br />
3.2 Akzeptanzdefizite<br />
Im Vergleich zu Wissensdefiziten sind<br />
Akzeptanzdefizite wesentlich schwerer<br />
auszugleichen, weil dies voraussetzt, dass<br />
erstens unbewusste Vorstellungen<br />
bewusst gemacht werden und zweitens<br />
bewusste Vorbehalte und Vorurteile kritisch<br />
reflektiert werden. Soll bei Führungskräften<br />
eine größere Aufgeschlossenheit<br />
gegenüber gleichstellungspolitischen<br />
Zielen erreicht werden, ist zunächst zu<br />
klären, worauf die mangelnde Akzeptanz<br />
im einzelnen zurückzuführen ist. Welches<br />
sind mögliche Quellen von<br />
Akzeptanzdefiziten?<br />
g Generelle Ängste vor Veränderungen<br />
Eine weitverbreitete Quelle von<br />
Akzeptanzproblemen bei Neuerungen<br />
ganz allgemein sind Ängste vor<br />
Veränderungen. Insofern ist mit ihnen<br />
auch bei gleichstellungspolitischen<br />
Maßnahmen zu rechnen. Gemeint ist<br />
hier eine konservative Grundhaltung,<br />
die sich nicht allein gegen Frauen oder<br />
Chancengleichheit richtet, sondern<br />
gegen alle Personen und Maßnahmen<br />
(z.B. auch <strong>Verwaltung</strong>sreform), die<br />
gewohnte Zustände, Denkmuster und<br />
Verhaltensweisen in Frage stellen<br />
(könnten).<br />
In der gleichstellungspolitischen<br />
Forschung wird in diesem Zusammenhang<br />
oft auf das altbekannte Phänomen<br />
verwiesen, dass sich bestimmte<br />
Menschen in homogenen Gruppen sicherer<br />
fühlen und daher bemüht sind, diese<br />
Sicherheit zu bewahren bzw. wiederherzustellen.<br />
Dies zeigt sich z.B. an<br />
Personalauswahlentscheidungen: man<br />
neige unbewusst dazu, diejenigen<br />
auszuwählen, die einem selbst ähneln:<br />
»Kommt jemand hinzu, der »anders« ist,<br />
nimmt dieses Sicherheitsgefühl ab.«<br />
Dieses »Anderssein« von (potenziellen)<br />
MitarbeiterInnen kann durch vielfältige<br />
Signale ausgesendet werden: z.B. durch<br />
Hautfarbe, Kleidung, Sprache, geogra-<br />
25
26<br />
phische Herkunft (z.B. Ost- oder Westdeutschland),<br />
Religion, sexuelle<br />
Orientierung (z.B. Homosexualität) etc. Für<br />
Personen mit einer generellen Angst vor<br />
Veränderungen ist Gleichstellungspolitik<br />
sowohl mit Blick auf den Prozess als auch<br />
mit Blick auf das angestrebte Resultat<br />
bedrohlich.<br />
g Einkommens-, Status- und<br />
Machtinteressen<br />
Neben diffusen Ängsten vor Veränderungen<br />
können auch handfeste<br />
Interessen von Führungskräften eine<br />
Quelle von Akzeptanzproblemen oder<br />
gar Widerstand sein. Es kann be<strong>für</strong>chtet<br />
werden, zugunsten von Frauen an<br />
Status, Einkommen und Macht zu verlieren.<br />
In der Tat können – insbesondere<br />
unter der Bedingung knapper<br />
Ressourcen – solche Effekte eintreten.<br />
Andererseits könnten Einkommen, Macht<br />
und Status aber auch dann gefährdet sein,<br />
wenn Führungskräfte gleichstellungsrechtliche<br />
Vorgaben ignorieren oder nur<br />
halbherzig umsetzen. Dies gilt jedoch nur<br />
unter der Bedingung, dass diese Kriterien<br />
Eingang in die Beurteilung der Führungskräfte<br />
finden – z.B. bei Zielvereinbarungen<br />
– und ihre (Nicht-)Erreichung Konsequenzen<br />
hat.<br />
g Geschlechterbezogene Stereotype<br />
Unter geschlechterbezogenen<br />
Stereotypen werden Vorurteile bzw.<br />
schematisierte Vorstellungen über<br />
Männer und Frauen verstanden, die in<br />
dieser pauschalierten Form nicht der<br />
Realität entsprechen. Sie sind nicht<br />
immer leicht zu durchschauen und<br />
abzubauen. Relativ einfach erscheint<br />
ihre »Enttarnung«, wenn es sich um<br />
Aussagen handelt, die sich auf besonders<br />
tradierte Rollen, Eigenschaften<br />
oder Verhaltensweisen beziehen, wie<br />
z.B. »Die Frau gehört ins Haus!«<br />
Schwieriger wird es jedoch bei modernen<br />
Varianten, die auch von »aufgeklärten«<br />
Männern und Frauen vertreten<br />
werden. Ein aktuelles Beispiel hier<strong>für</strong> ist<br />
die – auch in der Management-Literatur<br />
– häufig geäußerte Behauptung, Frauen<br />
seien die besseren Führungskräfte. Dies<br />
ist wissenschaftlich keineswegs<br />
bewiesen. Zu problematisieren ist in<br />
diesem Zusammenhang auch die<br />
Auffassung, Frauen und Männer verfügten<br />
über geschlechtsspezifische<br />
Qualifikationen, so etwa Frauen über<br />
soziale, Männer und technische<br />
Kompetenzen. Solches Schubladendenken<br />
versperrt die Sicht darauf, dass<br />
es in der Wirklichkeit durchaus auch<br />
anders gelagerte Fähigkeiten und<br />
Bedürfnisse gibt, und verbaut<br />
Möglichkeiten, Diskriminierungen zu<br />
verringern.<br />
Geschlechterbezogene Stereotype lassen<br />
sich leichter erkennen und reflektieren,<br />
wenn man danach fragt, worauf sie sich<br />
im Einzelnen beziehen. Hier kann – wenn<br />
auch nicht ganz trennscharf – unterschieden<br />
werden zwischen den Rollen, die<br />
Männer und Frauen im Privat- bzw.<br />
Berufsleben spielen und damit zusammenhängende<br />
Rollenkompetenzen<br />
spezifischen Wesens- und Verhaltensmerkmalen<br />
von Männern und Frauen und<br />
dem sozialen Status der Geschlechter.<br />
Da solche Denkschemata ein wesentliches<br />
Hemmnis auf dem Weg zu mehr Chancengleichheit<br />
darstellen, möchte ich näher<br />
darauf eingehen:<br />
a) Geschlechterrollen und<br />
Rollenkompetenzen:<br />
Denkschemata dieses Typs beziehen sich<br />
auf die Frau als Mutter, Hausfrau oder<br />
Hinzuverdienerin. Frauen sind in diesem<br />
Vorurteilsdenken besonders <strong>für</strong> eine<br />
Teilzeitbeschäftigung geeignet, die ihnen<br />
noch die Möglichkeit gibt, ihrer Hausfrauen-<br />
und Mutterrolle einigermaßen<br />
gerecht zu werden. In ihrer Berufsrolle<br />
erscheinen sie besonders geeignet <strong>für</strong><br />
Sekretariats- und Assistenztätigkeiten,<br />
sowie <strong>für</strong> Tätigkeiten in den Bereichen<br />
Hauswirtschaft, Reinigung, Erziehung,<br />
Pflege, weil diese hausarbeitsnah sind<br />
und deshalb den als typisch weiblich<br />
erachteten Qualifikationen entsprechen.<br />
Männer dagegen sind im Rollenstereotyp<br />
Familienoberhaupt und Haupternährer.<br />
Um dieser Rolle gerecht zu werden, muss<br />
er Vollzeit beschäftigt sein. Seine berufliche<br />
Kompetenz liegt im Führen, Initiieren<br />
und in der »kämpferischen« Auseinandersetzung<br />
mit anspruchsvollen geistigen<br />
oder körperlichen Herausforderungen.<br />
b) spezifische Wesens- und Verhaltensmerkmale<br />
von Frauen und Männern:<br />
Hier finden sich <strong>für</strong> Frauen Zuschreibungen<br />
wie einfühlsam, intuitiv, passiv,<br />
<strong>für</strong>sorglich, bescheiden, aufopfernd,<br />
gefühlsbetont. Sie haben »nah am Wasser<br />
gebaut« und klatschen gern; über<br />
bestimmte Fragen kann »Mann« nicht<br />
sachlich mit ihnen reden. Männer
dagegen sind rational, hart im Nehmen,<br />
beherrschen ihre Gefühle. Sie können sich<br />
besser durchsetzen und sind leistungsund<br />
karriereorientiert.<br />
c) sozialer Status:<br />
Die vorgenannten Rollen, Kompetenzen,<br />
Wesens- und Verhaltensmerkmale gelten<br />
nicht als gleichwertig, sondern die den<br />
Frauen zugeschriebenen Rollen, Eigenschaften<br />
usw. werden geringer geschätzt<br />
bzw. bewertet als die den Männern<br />
zugeschriebenen. Diese geringe Wertschätzung<br />
bezieht sich nicht nur auf die<br />
Personen selbst, sondern z.B. auch auf<br />
Tätigkeitsanforderungen <strong>für</strong> »typische«<br />
Frauenarbeitsplätze. Die Nichtbewertung<br />
oder Unterbewertung dieser Anforderungen<br />
führt wiederum dazu, dass Frauen<br />
trotz gleichwertiger Tätigkeiten ungleich<br />
bezahlt werden.<br />
d) andere bzw. konkurrierende<br />
Gerechtigkeitsvorstellungen<br />
Akzeptanzdefizite können schließlich auch<br />
darauf zurückzuführen sein, dass alles,<br />
was aus der »Frauenecke« kommt, als<br />
Frauenförderung interpretiert wird, welche<br />
nicht »leistungsgerecht« ist und (potenziell)<br />
Männer benachteiligt. Hier wird es<br />
vor allem darum gehen, deutlich zu<br />
machen, dass es beim Konzept einer<br />
gleichstellungsorientierten Personalpolitik<br />
erstens darum geht, dem Leistungsprinzip<br />
zum Durchbruch zu verhelfen und sich<br />
von leistungsfremden Rollenklischees und<br />
Verhaltenserwartungen zu trennen, und<br />
dass es zweitens darum geht zu vermitteln,<br />
was eigentlich »Chancengerechtigkeit«<br />
bedeutet: nämlich die unterschiedlichen<br />
Lebenssituationen, Möglichkeiten<br />
und Interessen von Frauen und Männern<br />
zu erkennen und anzuerkennen und diese<br />
bei der Gestaltung von Personalpolitik<br />
zu berücksichtigen.<br />
3.3 Kreativitätsdefizite<br />
Ein Blick in die <strong>Verwaltung</strong>spraxis<br />
zeigt, dass die Gleichstellung der<br />
Geschlechter von<br />
Führungskräften teilweise legalistisch<br />
und/oder technokratisch angegangen<br />
wird. Innovative<br />
Problemlösungen sind – insbesondere<br />
auf Bundes- und Landesebene – eher<br />
selten. Unter Führungskräften des<br />
öffentlichen Dienstes ist bislang<br />
kaum bekannt, dass es im<br />
Bereich der Privatwirtschaft<br />
eine Vielzahl von Unternehmen gibt,<br />
die beispielhafte Initiativen im Rahmen<br />
einer gleichstellungsorientierten<br />
Personalpolitik entwickelt haben und<br />
da<strong>für</strong> mit dem Total E-Quality-Prädikat<br />
ausgezeichnet wurden. Die Darstellung<br />
von kreativen Einzelinitiativen könnte<br />
Führungskräften des öffentlichen Dienstes<br />
vielfältige Anregungen geben und sie zur<br />
Intensivierung ihrer Bemühungen<br />
motivieren.<br />
27
28<br />
4. Entwicklung von Konzepten<br />
einer gleichstellungsorientiertenFührungskräfteentwicklung<br />
Die Ergebnisse der Problemanalyse bilden<br />
die Basis <strong>für</strong> die Konzipierung von Maßnahmen<br />
einer gleichstellungsorientierten<br />
Führungskräfteentwicklung. Wesentliche<br />
Teilelemente sind die Fort- und Weiterbildung,<br />
die Beurteilung der Führungskräfte<br />
sowie die Karriere- und Verwendungsplanung<br />
einschließlich des Beförderungssystems.<br />
Ich möchte mich im folgenden<br />
auf die Fort- und Weiterbildung<br />
konzentrieren und kurz auf die Frage<br />
eingehen, wie diese strukturell und<br />
inhaltlich aussehen könnten, um Fortschritte<br />
in der Gleichstellung zu erreichen.<br />
In der gleichstellungsorientierten Fortund<br />
Weiterbildung kann das Thema<br />
Chancengleichheit zum einen Gegenstand<br />
speziell und eigens da<strong>für</strong> konzipierter<br />
Fortbildungsveranstaltungen sein, zum<br />
andern kann es in alle im Rahmen der<br />
Führungskräfte-Fortbildung angesprochenen<br />
Themen und Handlungsfelder eingebaut<br />
werden. Die zuletzt genannte<br />
Variante bietet die Vorteile, dass mit ihr<br />
auch jene Führungskräfte erreicht werden<br />
könnten, die an einer speziellen Fortbildung<br />
zu Chancengleichheit kein Interesse<br />
haben, und dass mit ihr der Stellenwert<br />
von Gleichstellung als Querschnittsaufgabe<br />
(Gender Mainstreaming) jeweils<br />
konkret im Zusammenhang mit den auf<br />
dem Programm stehenden Themenfeldern<br />
verdeutlicht werden kann.<br />
Nichtsdestotrotz kann es u.U. auch sinnvoll<br />
sein, darüber hinaus Fortbildung<br />
speziell zum Thema Chancengleichheit<br />
anzubieten, z.B. um mit Interessierten<br />
grundlegende Aspekte umfassend und<br />
»am Stück« bearbeiten zu können.<br />
Die Themen der (integrierten) Fortbildungsmodule<br />
sollten sich an konkreten<br />
Handlungsfeldern orientieren. Von<br />
Gertraude Krell und mir wurden vier<br />
Module entwickelt und in einer Broschüre<br />
veröffentlicht: (Tondorf/Krell 1999: An den<br />
Führungskräften führt kein Weg vorbei!).<br />
Die näher beschrieben Module sind hier:<br />
g Gender Mainstreaming – integrierbar in<br />
Fortbildungen zum Thema »Qualitätsmanagement<br />
in der Behörde«,<br />
g Gleichstellung und <strong>Verwaltung</strong>smoder-<br />
nisierung, integrierbar in bestehende<br />
Fortbildungen zu <strong>Verwaltung</strong>sreform;<br />
hier werden auch Aspekte der<br />
Wirtschaftlichkeit thematisiert<br />
g das MitarbeiterInnen/ Vorgesetzten-<br />
Gespräch unter dem Blickwinkel der<br />
Chancengerechtigkeit sowie<br />
g »Anmache« im Büro – ein tabuisiertes<br />
Problem – konstruktive Lösungsansätze<br />
<strong>für</strong> Führungskräfte.<br />
Dieser Themenkatalog ist keineswegs<br />
abschließend, es gibt weitere Themen, die<br />
<strong>für</strong> Fortbildungen zu konzeptionieren<br />
wären und wahrscheinlich zwischenzeitlich<br />
bereits entwickelt und erprobt<br />
sind.<br />
Die gleichstellungsorientierte Fort- und<br />
Weiterbildung von Führungskräften kann<br />
einen wichtigen Beitrag zur Förderung<br />
von Chancengleichheit leisten, insbesondere<br />
wenn sie keine von anderen Maßnahmen<br />
der Personalentwicklung<br />
abgekoppelte Sonderveranstaltung ist und<br />
ein enger Praxisbezug besteht. Die<br />
Wirksamkeit dieser Fortbildungen hängt<br />
auch davon ab, inwieweit es gelingt,<br />
g vor allem diejenigen zur Teilnahme zu<br />
bewegen, bei denen ein besonderer<br />
Handlungsbedarf besteht;<br />
g Maßnahmen der Personalentwicklung<br />
»off-the-job«, wie es die o.a. Seminare<br />
sind, durch solche der PE »on-the-job«<br />
zu ergänzen: Auch das beste Seminar<br />
kann nicht garantieren, dass das<br />
Gelernte auch tatsächlich in die Praxis<br />
umgesetzt wird. Dieses Transferproblem<br />
könnte durch anschließende arbeitsplatznahe<br />
Informations-, Diskussionsund<br />
Beratungsangebote besser gelöst<br />
werden;<br />
g bei den Zielvereinbarungen der<br />
Führungskräfte mit deren Vorgesetzten<br />
gleichstellungspolitische Ziele zu<br />
berücksichtigen;<br />
g gleichstellungsförderliches Handeln zu<br />
belohnen bzw. gleichstellungshinderliches<br />
Handeln zu sanktionieren.<br />
Zum Thema Fortbildung läßt sich<br />
abschließend festhalten, dass auch eine<br />
perfekt geplante und durchgeführte<br />
Fortbildung an die Grenzen stößt, wenn<br />
sie nicht Bestandteil eines insgesamt am
Grundsatz der Chancengleichheit orientierten<br />
(Personal-) Managements ist.<br />
5. Gleichstellung – illustriert an<br />
einem weiteren Handlungsfeld<br />
der Personalpolitik:<br />
die Personalbeurteilung<br />
Unter dem Blickwinkel der Chancengleichheit<br />
sind auch die herkömmlichen<br />
Personalbeurteilungen einer kritischen<br />
Überprüfung zu unterziehen. Verschiedene<br />
Untersuchungen geben nämlich Anlass zu<br />
dem begründeten Verdacht, dass die<br />
herkömmlichen Einstufungssysteme<br />
Frauen mittelbar diskriminieren (vgl.<br />
Bevan/Thompson 1994, Schreyögg 1998,<br />
Fried/Wetzel/Baitsch 2000, Krell 2000,<br />
Krell/Tondorf 2001). Ich will daher im folgenden<br />
der Frage nachgehen, wie eine<br />
Personalbeurteilung aussehen könnte, die<br />
dem Anspruch auf Gleichbehandlung<br />
gerecht wird. Angesprochen sind hierbei<br />
nicht nur die Führungskräfte als Beurteilende,<br />
sondern auch die <strong>Verwaltung</strong>, die<br />
die Beurteilungsverfahren konzipiert.<br />
(1)<br />
Zunächst ist es unabdingbar, sich<br />
genauere Kenntnisse über den Ist-<br />
Zustand, d.h. in diesem Falle über die<br />
Verteilung der Beurteilungsergebnisse auf<br />
Männer und Frauen zu verschaffen.<br />
Entsprechend aussagekräftige Statistiken,<br />
die auch noch differenzieren nach Vollzeitund<br />
Teilzeitbeschäftigten, nach Dienstalter<br />
und Hierarchiestufe, zeigen an, inwieweit<br />
in einer <strong>Verwaltung</strong> überhaupt Handlungsbedarf<br />
besteht. Solche Statistiken bilden<br />
die Grundlage <strong>für</strong> die Definition der<br />
gleichstellungspolitischen Ziele in diesem<br />
Handlungsfeld. Als anzustrebender Soll-<br />
Zustand ließe sich – optimalerweise im<br />
Rahmen einer Zielvereinbarung –<br />
zunächst festhalten: Das neue<br />
Beurteilungssystem soll<br />
g mit Blick auf alle Beschäftigten als<br />
Beurteilte weder unmittelbar noch<br />
mittelbar diskriminierend sein,<br />
g mit Blick auf Führungskräfte als<br />
Beurteilende zu deren<br />
Gleichstellungsmotivation beitragen.<br />
Anzumerken ist allerdings, dass im Falle<br />
des hier gewählten Beispiels die<br />
Operationalisierung des unter a) genannten<br />
Ziels ausgesprochen schwierig ist, da<br />
kein Letztkriterium existiert, dass zuverlässig<br />
Auskunft darüber gibt, welche<br />
Verteilung von Beurteilungsergebnissen<br />
nicht diskriminierend ist.<br />
(2)<br />
Die Bestandaufnahme gibt noch keine hinreichenden<br />
Antwort darauf, wodurch eine<br />
Ungleichbehandlung von Männern und<br />
Frauen bei der Beurteilung verursacht<br />
werden kann. Daher ist eine Problemanalyse<br />
erforderlich, die die angewendeten<br />
Verfahren, Kriterien und Praktiken der<br />
Personalbeurteilung einer kritischen Überprüfung<br />
unterzieht. Problemverursachend<br />
können u.a. sein:<br />
g Kriterien und Verfahren der Beurteilung:<br />
Unter ExpertInnen herrscht hier<br />
Einigkeit darüber, dass Einstufungsverfahren<br />
mit überwiegend eigenschaftsbezogenen<br />
Kriterien (z.B.<br />
Durchsetzungsfähigkeit, Belastbarkeit)<br />
Einfallstore <strong>für</strong> Beurteilungsverzerrungen<br />
durch Geschlechts(rollen)stereotype<br />
bieten.<br />
g Beschreibungshilfen:<br />
Führungskräften werden oft Beschreibungshilfen<br />
an die Hand gegeben, die<br />
die Einstufungsentscheidungen erleichtern<br />
sollen. Eine in der Stadt München<br />
durchgeführte Untersuchung hat<br />
gezeigt, dass die dort verwendeten<br />
Beschreibungen sehr diskriminierungsanfällig<br />
waren. Als »hervorragend« war<br />
dort eine Person einzustufen, der »kein<br />
Arbeitspensum zu groß ist« und die<br />
»mehr leistet als jeder andere.« Und<br />
weiter:»Seine Freizeit verwendet er zu<br />
einem erheblichen Teil <strong>für</strong> die<br />
Weiterbildung.«<br />
g Unbewusste Beurteilungsverzerrungen<br />
und -fehler:<br />
Auch eine ganze Reihe von wahrnehmungsbedingten<br />
Beurteilungsfehlern<br />
korrespondiert mit der Geschlechterordnung<br />
bzw. mit Geschlechts(rollen)stereotypen.<br />
Zu nennen wären hier verschiedene<br />
Effekte:<br />
g Hierarchieeffekt: In der Hierarchie höher<br />
stehende Personen werden allein deshalb,<br />
d.h. unabhängig von der tatsächlich<br />
erbrachten Leistung, besser beurteilt.<br />
Bei der derzeitigen geschlechtsspezifischen<br />
Verteilung von Führungspositionen<br />
führt dies zu einer Benachteiligung<br />
von Frauen.<br />
29
30<br />
g Klebereffekt: Personen, die lange nicht<br />
befördert worden sind, werden tendenziell<br />
schlechter beurteilt; dies verstärkt<br />
bzw. legitimiert die Aufstiegsdiskriminierung<br />
von Frauen.<br />
g Ähnlichkeitseffekt: Beurteilte, die den<br />
Beurteilenden hinsichtlich bestimmter<br />
Merkmale ähnlich sind, werden tendenziell<br />
besser beurteilt. Wenn die beurteilenden<br />
Führungskräfte mehrheitlich<br />
männlich sind, wirkt sich auch dieser<br />
Effekt systematisch zum Nachteil von<br />
Frauen aus. Interessegeleitete<br />
Beurteilungen zuungunsten von Frauen:<br />
Diese können z.B. zustande kommen,<br />
wenn männliche Führungskräfte<br />
Vorzugsregelungen bzw. Quoten zugunsten<br />
von Frauen als ungerecht empfinden<br />
und deshalb durch schlechtere<br />
Beurteilungen von Frauen bzw. bessere<br />
Beurteilungen von Männern gegensteuern<br />
wollen.<br />
(3)<br />
Nach einer eingehenden Analyse der<br />
Probleme kann mit der Entwicklung von<br />
Konzepten einer geschlechtergerechten<br />
Personalbeurteilung begonnen werden.<br />
Die Kernfrage ist hierbei: Welche Maßnahmen<br />
sind zu planen und zu entscheiden,<br />
die geeignet sind, die gesetzten Ziele<br />
zu erreichen? Hier kommen zum einen<br />
neue Verfahren und Kriterien in Betracht,<br />
die diskriminierungsfreier sind: So in<br />
jedem Falle Verfahren, die die Einstufung<br />
nicht von der Wahrnehmung und Urteilsbildung<br />
einer einzigen Führungskraft<br />
abhängig machen, sondern mehrere<br />
Personen beteiligen, oder zielorientierte<br />
Verfahren, die das Beurteilungsergebnis<br />
von der Erreichung zuvor vereinbarter<br />
objektivierter Ziele abhängig machen. In<br />
Bezug auf die Kriterien wird darüber<br />
empfohlen, eigenschaftsbezogene<br />
Kriterien durch aufgaben- und ergebnisbezogene<br />
Kriterien zu ersetzen.<br />
Eine weitere geeignete Maßnahme wäre<br />
die Integration des Kriteriums »gleichstellungsförderliches<br />
bzw. – hinderliches<br />
Verhalten« in die Systeme der Beurteilung<br />
von Führungskräften. Damit würde auch<br />
der Aufstieg und das Einkommen – bei<br />
Führungsfunktionen auf Zeit auch der<br />
Verbleib von Führungskräften auf der<br />
Stelle – von seinem/ihrem Gleichstel-<br />
lungsverhalten abhängig.<br />
In jedem Falle wird eine Sensibilisierung<br />
der Führungskräfte durch eine entsprechende<br />
Schulung notwendig sein.<br />
Nach dem Prinzip des Gender<br />
Mainstreaming wären die Konzepte<br />
bereits im Planungsstadium auf ihre<br />
voraussichtlichen Auswirkungen auf die<br />
Gleichstellung der Geschlechter zu überprüfen.<br />
D.h. durch einen Vorab-Check<br />
wäre schon in dieser Phase – und nicht<br />
erst nach der Entscheidung – darzulegen,<br />
inwieweit durch die geplanten<br />
Maßnahmen eine diskriminierungsfreiere<br />
Beurteilung möglich wird.<br />
(4)<br />
Schließlich wird es nach der Einführung<br />
eines neuen Beurteilungsverfahrens und<br />
nach<br />
g Durchführung der Schulungen eine<br />
Erfolgskontrolle und Bewertung des<br />
Erreichten geben müssen.<br />
Das heißt: erneute Analyse des Ist-<br />
Zustandes und Vergleich mit dem<br />
definierten Soll-Zustand. Wurden die<br />
Ziele nicht erreicht, sollte die Ursachen<br />
analysiert und entsprechende<br />
Maßnahmen eingeleitet werden. Die<br />
gesamte schrittweise Vorgehensweise<br />
kann somit auch als Regelkreis und<br />
damit als eine Art Gleichstellungscontrolling<br />
betrachtet werden.<br />
Mit diesem Beispiel wurde ein Handlungsfeld<br />
zur Illustration ausgewählt, bei dem<br />
es darum ging, mittelbare Diskriminierung<br />
von Frauen zu beseitigen. Der Ansatz des<br />
Gender Mainstreaming – dies sollte<br />
abschließend hervorgehoben werden –<br />
zielt nicht nur auf die Beseitigung solcher<br />
Diskriminierungen, er geht darüber<br />
hinaus. Der Auftrag lautet auch:<br />
Gleichstellung von Frauen und<br />
Männern fördern, d.h. über<br />
notwendige und rechtlich<br />
festgelegte Mindeststandards<br />
hinauszugehen. Gefragt sind demnach<br />
auch innovative Lösungen, um den verschiedenen<br />
Lebenssituationen,<br />
Möglichkeiten und Interessen von Frauen<br />
und Männern gerecht zu werden. Dies ist<br />
noch ein weites Handlungsfeld, das –<br />
gemessen an dem, was möglich wäre –<br />
durch Praxis und Wissenschaft insgesamt<br />
noch wenig beackert ist.
Mentoring – Praxisbeispiel aus der<br />
Landesbank Schleswig-Holstein<br />
Christiane Möller<br />
Landesbank<br />
Schleswig-Holstein<br />
Ein altes Prinzip ist wieder aktuell:<br />
Mentoring<br />
Mentoring bedeutet, dass eine erfahrene<br />
Person einer noch unerfahrenen über<br />
einen gewissen Zeitraum zur Seite steht.<br />
Wie sehr der oder die Mentee davon<br />
profitieren kann, hatte schon Odysseus<br />
erkannt. Viel auf Reisen konnte er sich der<br />
Erziehung seines Sohnes Telemachos<br />
nicht ausreichend widmen. Er vertraute<br />
auf seinen Freund Mentor und bat ihn,<br />
sich um Telemachos zu kümmern. Mentor<br />
sagte zu und war Vater, Berater, Förderer<br />
oder neu-deutsch Coach, in einer Person.<br />
Rollen im Mentoring:<br />
Anforderung an die Mentorin/den Mentor<br />
g Führungspersönlichkeit sein<br />
g Interessante Kontakte knüpfen<br />
g Zeitlich angemessene Verfügbarkeit<br />
g Vertraulichkeit sicherstellen<br />
g Empathie mitbringen<br />
g Vertrauen herstellen<br />
g Offenheit mitbringen<br />
g Lernbereitschaft mitbringen<br />
g Zwei Hierarchiestufen über der Mentee<br />
Anforderung an die Mentee<br />
g mindestens zwei Jahre in der Bank sein<br />
g die berufliche Weiterentwicklung wollen<br />
g zur Kritik fähig sein<br />
g das Potenzial <strong>für</strong> eine Fach- oder<br />
Führungsposition mitbringen<br />
Die Mentorin/der Mentor ist<br />
Berater hilft der Mentee Strategien zu entwickeln<br />
um Arbeitsziele zu entwickeln<br />
Motivator ermutigt die Mentee, an vielversprechenden<br />
Projekten teilzunehmen<br />
Partner bezieht die Mentee in die<br />
Entwicklung eigener Ideen mit ein<br />
Coach hilft der Mentee, eigene<br />
Kompetenzen und Fähigkeiten zu<br />
erkennen und weiterzuentwickeln<br />
Moderator unterstützt die Mentee bei<br />
Zielsetzung und Karriereplanung<br />
Kritiker gibt der Mentee kritisch –<br />
konstruktives Feedback<br />
Der direkte Vorgesetzte profitiert<br />
ebenfalls vom Mentoring<br />
g durch eine erhöhte Arbeitsmotivation<br />
der Mentee<br />
g durch Qualifizierung der Mentee<br />
g durch mehr Verständnis <strong>für</strong> Vorgesetzte<br />
Ziele im Mentoring<br />
g Anteile von Frauen in Fach- und<br />
Führungspositionen erhöhen<br />
g Potenziale erkennen, ausbauen und<br />
weiterentwickeln<br />
g Qualifizierte Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter an das Unternehmen binden<br />
und halten<br />
Welche Ziele verfolgt<br />
die LB Kiel:<br />
Ziel ist es den Kontakt zwischen Männern<br />
und Frauen im Arbeitsalltag zu stärken.<br />
Das erfolgt zunächst einmal automatisch<br />
dadurch, dass überwiegend männliche<br />
Führungskräfte praktisch qua Funktion als<br />
Mentoren zur Verfügung stehen und somit<br />
in den Dialog mit weiblichen Nachwuchskräften<br />
treten.<br />
Es stärkt auch unsere Vereinbarung in der<br />
Bank, dass an dem Thema Chancengleichheit<br />
Männer und Frauen gemeinsam<br />
31
Haben Frauen:<br />
Warum ist das<br />
<strong>für</strong> die Bank<br />
wichtig:<br />
32<br />
? ?<br />
?<br />
?<br />
! !<br />
!<br />
arbeiten müssen, um hier Fortschritte zu<br />
erreichen. Dass die erste Führungsebene<br />
sich in einem solchen Projekt engagiert,<br />
ist außerdem eine wichtiges Signal <strong>für</strong><br />
andere Führungskräfte in der Bank sich<br />
<strong>für</strong> das Thema Chancengleichheit zu<br />
engagieren, ohne dass sie einen<br />
Statusverlust be<strong>für</strong>chten müssen.<br />
Durch Mentoring sollen Kompetenzen<br />
von Frauen sichtbar gemacht werden.<br />
Häufig wird ja die Frage gestellt, ob<br />
Frauen überhaupt besonders gefördert<br />
werden sollen. Frauen wollen ja nicht<br />
gefördert werden, weil sie Frauen sind,<br />
sondern weil sie gut sind. Und die<br />
Botschaft lautet ja nicht: »Euch fehlt noch<br />
was, ihr müsst jetzt gefördert werden,<br />
sondern ihr seid gut und andere sollen<br />
das sehen!«<br />
In dem Projekt sollen sich Mentoren und<br />
Mentees auch mit den Fragen auseinandersetzen:<br />
Einen anderen Anspruch als Männer an<br />
ihre eigene Kompetenz?<br />
Ein anderes Verständnis von Führung?<br />
Stellen sie Inhalte und Aufgaben eher in<br />
den Vordergrund als Hierarchie und<br />
Status?<br />
Beziehen Frauen das Thema »Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf« in ihre<br />
Karriereplanung stärker ein als Männer?<br />
Weiteres wichtiges Ziel im Mentoring ist<br />
natürlich den Frauenanteil in Fach- und<br />
Führungspositionen zu erhöhen.<br />
Zur Zeit haben wir im außertariflich<br />
bezahlten Bereich einen Frauenanteil von<br />
12% den wir bis Ende 2003 auf 23%<br />
steigern möchten. Das ist sehr ehrgeizig,<br />
denn das bedeutet fast eine Verdoppelung.<br />
Märkte und Kunden verändern sich in den<br />
letzten Jahren rasant.<br />
Neue Produkte und Dienstleistungen werden<br />
immer komplexer.<br />
Globalisierung der Wirtschaft führt dazu,<br />
dass Menschen aus unterschiedlichen<br />
Regionen und Kulturen miteinander<br />
arbeiten und kooperieren müssen. Wir<br />
merken dies sehr stark bei uns durch<br />
mehr Geschäfte im internationalen<br />
Bereich.<br />
Diese Merkmale haben einen gemeinsamen<br />
Nenner: Sie führen zu Vielfalt, zu<br />
Heterogenität. Wir glauben, dass eine<br />
ausgewogene Zusammensetzung der<br />
Belegschaft besser in der Lage ist, sich auf<br />
unterschiedliche Bedürfnisse der Kunden<br />
und Kundinnen einzustellen.<br />
Unterschiedliche Sichtweisen führen zu<br />
mehr Kreativität und Produktivität.<br />
Die Fähigkeit solche Komplexität und<br />
Vielfalt flexibel managen zu können, wird<br />
mehr und mehr zum entscheidenden<br />
Faktor im Wettbewerb.<br />
Zur praktischen Umsetzung<br />
unseres Mentoring-<br />
Programms:<br />
Die Idee zu diesem Pilotprojekt ist eine<br />
Maßnahme aus dem Aktionskatalog<br />
unseres Frauenförderplans. Gestartet sind<br />
wir im April 2001, nach einer ca.<br />
sechsmonatigen Vorbereitungsphase.<br />
Nachdem das Mentoring-Programm vom<br />
Vorstand genehmigt war, hatten wir uns<br />
zunächst auf die Suche nach externer<br />
Beratung begeben. Da kam uns das »Start<br />
up« der Unternehmensberaterinnen Petra<br />
Brackert und Gabriele Hoffmeister-<br />
Schönfelder »kontor5« aus Hamburg wie<br />
gerufen, die sich auf den Schwerpunkt<br />
»Chancengleichheit« spezialisiert haben.<br />
Mentoring-Programme haben sie bereits<br />
bei zahlreichen Unternehmen erfolgreich<br />
durchgeführt (z.B. bei der Commerzbank,<br />
der Deutschen Bank, bei der Lufthansa,<br />
der deutschen BP, der Telekom oder bei<br />
DaimlerChrysler).<br />
So bestärkt, haben wir zunächst eine<br />
Projektgruppe gegründet, die wir so<br />
zusammengestellt haben, dass deren<br />
Mitglieder einen repräsentativen Kreis von<br />
Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der LB<br />
Kiel abbilden und gleichzeitig gute<br />
Promotoren und Multiplikatoren <strong>für</strong> dieses<br />
Projekt sind. Obwohl es eine Maßnahme<br />
aus dem Frauenförderplan ist, hat die<br />
Projektgruppe entschieden, dass auch<br />
Männer durch diese neue Personalentwicklungsmaßnahme<br />
gefördert werden<br />
sollen. Dieser Entscheidung liegt der<br />
Ansatz zu Grunde, dass Chancengleichheit<br />
in der LB Kiel nur erreicht werden kann,<br />
wenn Männer und Frauen gemeinsam<br />
daran arbeiten. Wir haben daher die<br />
Anzahl der Teilnehmerinnen im umgekehrten<br />
Verhältnis der zur Zeit von<br />
Männern besetzten Fach- und Führungspositionen<br />
besetzt. Das Ergebnis war<br />
danach: 8 Frauen und 4 Männer.<br />
Wir erhoffen uns von dieser »gemischten
Gruppe«, praktisch als Langzeitmaßnahme,<br />
eine erhöhte Sensibilität in späterer<br />
Führungsverantwortung <strong>für</strong> möglicherweise<br />
geschlechtsspezifische<br />
Unterschiede in der Karriereplanung.<br />
Die Projektgruppe hatte auch die Aufgabe<br />
gut geeignete Mentoren und Mentorinnen<br />
der LB Kiel zu benennen. Dabei fiel uns<br />
die Wahl wirklich schwer, denn die Bank<br />
hat viele gut geeignete Führungskräfte,<br />
die <strong>für</strong> diese Aufgabe in Frage kommen.<br />
Schließlich hatten wir 25 Männer und<br />
Frauen ausgewählt, von denen wir uns<br />
nochmals <strong>für</strong> zwölf Personen <strong>für</strong> das<br />
Pilotprojekt entscheiden mussten. Alle<br />
angesprochenen Führungskräfte inklusive<br />
unser Vorstandsvorsitzender Herr Dr.<br />
Dietrich Rümker und stellvertretender<br />
Vorstandsvorsitzender Herr Hans Berger<br />
haben spontan »Ja« gesagt. Wir haben<br />
uns <strong>für</strong> das Pilotprojekt auf einen<br />
Zeitraum von zwölf Monaten geeinigt.<br />
Außerdem haben wir uns zunächst <strong>für</strong> ein<br />
internes Mentoring entschieden und nicht<br />
<strong>für</strong> ein Cross-Mentoring in Zusammenarbeit<br />
mit anderen Unternehmen.<br />
Die zwölf Mentees (w/m) wurden nach<br />
überdurchschnittlichen Ergebnissen<br />
unseres Karriereentwicklungsseminars der<br />
letzten zwei Jahre ausgewählt.<br />
Anschließend ging es darum die zwölf<br />
»Tandems« in möglichst idealer Kombination<br />
ihrer Persönlichkeitsprofile so<br />
zusammenzubringen, dass sie in dem<br />
einen Jahr bestmöglichst voneinander<br />
profitieren können. Grundlage <strong>für</strong> diese<br />
Entscheidungen waren Einzelgespräche<br />
und Fragebögen, die die Mentoren und<br />
Mentees zuvor ausgefüllt und an kontor5<br />
geschickt hatten.<br />
In den Einzelgesprächen haben wir das<br />
Programm erklärt. Wir haben ihnen<br />
gesagt, dass sie in der Bank durch dieses<br />
Programm sehr sichtbar werden und sie<br />
mit Neid rechnen müssen. Inhaltlich<br />
müssten sie sich sehr stark mit ihren<br />
Karrierezielen auseinandersetzen. Wir<br />
haben auch deutlich gemacht, dass es<br />
sich nicht um »Pöstchenschieberei«<br />
handelt und es keine »small-talk-<br />
Veranstaltung« darstellt.<br />
Die Zusammenstellung der »Paare« war<br />
bis zur Auftaktveranstaltung ein gut<br />
gehütetes Geheimnis und damit stieg die<br />
Spannung (<strong>für</strong> einige wohl nahezu<br />
unerträglich...) <strong>für</strong> ein echtes »Blind Date«.<br />
Der »große Tag« begann dann zunächst<br />
am Nachmittag mit einem jeweils<br />
getrennten Workshop <strong>für</strong> die Mentees und<br />
die Mentoren gemeinsam mit der Projektgruppe.<br />
Inhaltlich haben wir nochmals die<br />
Rollen der Mentoren und der Mentees<br />
verdeutlicht und die Erwartungshaltung<br />
der einzelnen ProjektteilnehmerInnen<br />
erfragt. Dabei war die Stimmung bei den<br />
Mentees von Aufgeregtheit und Spannung<br />
geprägt sowie von Freude <strong>für</strong> dieses<br />
Projekt ausgewählt worden zu sein. Den<br />
Mentoren und Mentorinnen ging es natürlich<br />
ähnlich, hinzu kam aber übereinstimmend<br />
die Freude auf die neue Aufgabe.<br />
Dann war es endlich soweit: Mentoren<br />
und Mentorinnen und die Mentees sollten<br />
sich endlich kennen lernen. »Rote Rose<br />
traf aber nicht rote Rose«, sondern es<br />
wurden Briefe an Mentoren und Mentees<br />
verteilt, in denen die jeweiligen Namen<br />
bekannt gegeben wurden sowie eine<br />
kurze Skizze über die jeweils individuelle<br />
Erwartungshaltung <strong>für</strong> das eine Jahr der<br />
Begleitung.<br />
Die erste Begegnung fand dann bei fröhlicher<br />
Stimmung in unserem festlich hergerichteten<br />
Betriebsrestaurant bei einem<br />
Begrüßungsgetränk statt.<br />
Nach der Begrüßungsansprache durch<br />
unseren Vorstandsvorsitzenden Herrn Dr.<br />
Rümker erwartete uns ein tolles Büffet.<br />
Während des Essens gab es <strong>für</strong> die<br />
»Tandems« erste Gelegenheit sich kennenzulernen.<br />
Einige nutzten den Abend<br />
bereits <strong>für</strong> die schriftliche »Vereinbarung<br />
über eine Mentoring-Partnerschaft«, in der<br />
konkrete Zielvereinbarungen (konkrete<br />
Karriereziele und persönliche Entwicklungsschritte)<br />
getroffen werden müssen.<br />
Ebenso wurden die ersten Termine <strong>für</strong><br />
Gespräche vereinbart.<br />
Für ein Jahr erhalten die Mentees nun<br />
Impulse und Ratschläge <strong>für</strong> ihre Karriereentwicklung.<br />
Kontor5 begleitet das Projekt<br />
und steht als neutraler Ansprechpartner<br />
zur Verfügung. Erste Erfahrungen klingen<br />
sehr positiv. Mentoring hat allen geholfen,<br />
Situationen im Arbeitsalltag besser zu<br />
meistern und sich über eigene Ziele klar<br />
zu werden. Mentoring bietet Informationen,<br />
die viele Mentoren und Mentees<br />
sonst nicht bekommen würden. Wir sind<br />
gespannt auf den weiteren Verlauf<br />
unseres Pilotprojektes.<br />
Nach Abschluss werden die Erfahrungen<br />
ausgetauscht und ausgewertet. Das<br />
Mentoring-Projekt wird mit einer<br />
Abschlussveranstaltung beendet.<br />
33
Anhang<br />
Arbeitsbewertung und Lohngleichheit<br />
von Frau und Mann<br />
ABAKABA, ein geschlechtsunabhängiges<br />
Arbeitsbewertungsinstrument<br />
34<br />
Zusammenfassung<br />
Die Festlegung eines Lohnsystems mit<br />
einem Arbeitsbewertungssystem in einem<br />
Betrieb gewährt noch lange nicht, dass<br />
Frauen lohnmäßig nicht diskriminiert werden.<br />
Im folgenden wird aufgezeigt, wie<br />
traditionelle Arbeitsbewertungsverfahren<br />
in der Praxis eingesetzt werden und<br />
warum sie sich nachteilig auf Löhne von<br />
typischen Frauentätigkeiten auswirken<br />
können. Mit ABAKABA (Analytische<br />
Bewertung der Arbeit nach Katz und<br />
Baitsch) wird ein differenziertes Arbeitsbewertungssystem<br />
vorgestellt, das<br />
gerade auch typische Frauen- und<br />
Männertätigkeiten geschlechtsneutral<br />
beurteilt. Es ermöglicht Betrieben,<br />
<strong>Verwaltung</strong>en und Organisationen, ein<br />
diskriminierungsfreies Lohnsystem<br />
aufzubauen.<br />
Einleitung<br />
Der in der schweizerischen Bundesverfassung<br />
seit 1981 verankerte Anspruch<br />
von Frauen und Männern auf gleichen<br />
Lohn <strong>für</strong> gleichwertige Arbeit ist noch
lange nicht verwirklicht. Am 1. Juli 1996<br />
trat in der Schweiz das Bundesgesetz über<br />
die Gleichstellung von Frau und Mann in<br />
Kraft. Dieses stellt <strong>für</strong> ArbeitgeberInnen<br />
und ArbeitnehmerInnen eine neue<br />
Herausforderung dar. Denn mit diesem<br />
Gesetz werden den Arbeitnehmerinnen<br />
bessere Mittel in die Hand gegeben, ihren<br />
Anspruch auf gleichen Lohn <strong>für</strong> gleichwertige<br />
Arbeit durchzusetzen.<br />
Im Erwerbsleben verdienen Frauen <strong>für</strong><br />
vergleichbare Arbeit wesentlich weniger<br />
als ihre männlichen Kollegen (vgl. Reis<br />
1988, Ulich et al.1988, Zingg Schrupkowski<br />
1994). Typische Frauenarbeitsplätze<br />
werden geringer bewertet und<br />
Qualifikationen, die <strong>für</strong> viele Frauentätigkeiten<br />
erforderlich sind –, z.B. Einfühlungsvermögen<br />
und Organisationsfähigkeit<br />
–, werden in der Arbeitswelt und<br />
Berufspraxis zu wenig wahrgenommen<br />
und lohnmässig nicht erfasst (vgl. Baitsch<br />
et al. 1988, Semmer 1991).<br />
Trotz der Bedeutung der Lohndiskriminierungen<br />
bei gleichwertiger Arbeit fehlten<br />
lange wissenschaftliche begründete<br />
Kriterien <strong>für</strong> die Beurteilung der Gleichwertigkeit<br />
von Arbeitstätigkeiten.<br />
Arbeitsbewertungsverfahren waren <strong>für</strong><br />
Gerichte, aber auch <strong>für</strong> viele Arbeitgeber-<br />
Innen und ArbeitnehmerInnen oft das<br />
einzige Instrument, zwei Tätigkeiten<br />
miteinander zu vergleichen.<br />
Sowohl eine Untersuchung im Auftrag der<br />
Arbeitsgruppe »Lohngleichheit von Frau<br />
und Mann« des Eidgenössischen Justizund<br />
Polizeidepartements als auch ein<br />
Gutachten des Eidgenössischen Büros <strong>für</strong><br />
die Gleichstellung von Frau und Mann<br />
haben gezeigt, dass die damals bekannten<br />
Arbeitsbewertungsverfahren (z.B. Hay-<br />
Verfahren, Funktionsbewertung des<br />
Betriebswirtschaftlichen Institutes der ETH<br />
Zürich) wichtige Merkmale von typischen<br />
Frauentätigkeiten stark vernachlässigen,<br />
Anforderungen an Tätigkeiten, die vorwiegend<br />
von Männern ausgeführt werden,<br />
jedoch überbewerten. Die erwähnten<br />
Studien wiesen aber auch darauf hin, dass<br />
diese Mängel der Instrumente bei ihrer<br />
Anwendung noch verstärkt, einerseits weil<br />
manche Arbeitsbewertungsverfahren sehr<br />
komplex sind, anderseits weil die AnwenderInnen<br />
die speziellen Diskriminierungsquellen<br />
der Arbeitsbewertung nicht<br />
kennen.<br />
Arbeitsbewertung in der Praxis<br />
Es gibt in der Praxis viele Verfahren und<br />
Systeme der Arbeitsbewertung. Mit<br />
diesen werden die verschiedenen<br />
Arbeitstätigkeiten in einem Betrieb unabhängig<br />
von den Personen bewertet und<br />
miteinander verglichen.<br />
Arbeitsbewertungsverfahren sind in der<br />
Schweiz vor allem in öffentlichen <strong>Verwaltung</strong>en<br />
und in mittleren und größeren<br />
Unternehmen bedeutsam, da die<br />
Durchführung mit erheblichem Aufwand<br />
verbunden ist. In kleinen Betrieben werden<br />
die Löhne oft anhand von wenigen<br />
Kriterien und/oder Vergleich zwischen verschiedenen<br />
Arbeitsplätzen festgelegt. Die<br />
Aufgabe dieser Bewertungssysteme liegt<br />
u.a. darin, den Schwierigkeitsgrad einer<br />
Arbeit anhand von im voraus zu bestimmenden<br />
Merkmalen (wie Anforderungen<br />
und Belastungen) zu ermitteln und diesem<br />
einen Zahlenwert zuzuordnen (vgl. Ridder<br />
1982) .<br />
Die Durchführung der verschiedenen<br />
Arbeitsbewertungsverfahren erfolgt in der<br />
Regel in den folgenden Schritten (vgl.<br />
Kappel 1993, Semmer et al. S. 23 ff., S.<br />
29ff., Katz & Baitsch 1996, S. 16):<br />
g Bestimmung der Kriterien, bzw.<br />
Merkmale, anhand der die Tätigkeiten<br />
bewertet werden sollen;<br />
g Gewichtung der Kriterien, bzw.<br />
Merkmale;<br />
g Beschreibung der Arbeitsaufgaben der<br />
zu bewertenden Tätigkeit;<br />
g Bewertung der Arbeitsaufgaben aufgrund<br />
des im voraus festgelegten<br />
Kriterien-, bzw. Merkmalskatalogs;<br />
g Berechnung des Gesamtarbeitswertes<br />
durch Zusammenzählen der gewichteten<br />
Merkmalspunkte.<br />
Aufgrund von Verfahren der Arbeitsbewertung<br />
werden die Grundlöhne festgelegt,<br />
d.h. es werden nur die tätigkeitsbezogenen<br />
Kriterien berücksichtigt.<br />
Personenbezogene Kriterien wie beispielsweise<br />
die Leistung, das Alter und die<br />
Betriebzugehörigkeit einer Person werden<br />
bei der Arbeitsbewertung nicht berücksichtigt<br />
und sind nicht Teil des Grundlohns.<br />
35
36<br />
Arbeitsbewertung auf dem<br />
Prüfstand<br />
Vorbemerkung<br />
Wie eingangs erwähnt sind die meisten<br />
Arbeitsbewertungsverfahren mit Mängeln<br />
behaftet und wirken sich nicht selten<br />
diskriminierend auf Löhne von typischen<br />
Frauenarbeitsplätzen aus. Dies nicht<br />
zuletzt, weil Kriterien und Merkmale<br />
analytischer Arbeitsbewertungssysteme<br />
oft auf dem »Genfer Schema« beruhen.<br />
Dieses Schema unterscheidet zwischen<br />
geistigen und körperlichen Anforderungen,<br />
Verantwortung und Arbeitsbedingungen.<br />
Bei den Kriterien wird zwischen<br />
Können und Belastungen unterschieden,<br />
wobei zu beachten ist, dass Verantwortung<br />
und Arbeitsbedingungen nur unter<br />
dem Aspekt der Belastung betrachtet wird<br />
(vgl. Maier 1988, S.52, REFA, 1989, S.44,<br />
Semmer et al. 1991, S. 27).<br />
Entsprechend dem Zeitpunkt der<br />
Entstehung des Genfer Schemas findet<br />
man/frau neben den geistigen<br />
Anforderungen sehr stark auf körperliche<br />
Tätigkeiten ausgerichtete Merkmale.<br />
Psycho-soziale Dimensionen wie sie vor<br />
allem in der heutigen Arbeitswelt und <strong>für</strong><br />
Führungsfunktionen und soziale Berufe<br />
sehr wichtig sind, kommen nicht im<br />
Genfer-Schema vor.<br />
Problematik der Merkmalsauswahl<br />
In den traditionellen Arbeitsbewertungsverfahren<br />
ist die Merkmalsauswahl sehr<br />
stark von Wertvorstellungen beeinflusst.<br />
Bei vielen Merkmalskatalogen besteht die<br />
Tendenz, dass sie mit einer großen Anzahl<br />
von Merkmalen den Anschein geben, sehr<br />
genau sein zu wollen (vgl. Katz & Baitsch<br />
1996, S. 20). Um mit einer Arbeitsbewertung<br />
eine Geschlechterdiskriminierung zu<br />
verhindern, muss der Merkmalsauswahl<br />
besondere Beachtung geschenkt werden.<br />
Aus Untersuchungen ist bekannt, dass<br />
gerade Merkmale, die bestimmte<br />
Positionen bevorzugen, die überdurchschnittlich<br />
von Männern besetzt sind, in<br />
den Arbeitsbewertungsinstrumenten<br />
meistens vertreten sind.<br />
Bewertungsmerkmale wie Anforderungen<br />
an Ausbildung, Führungsverantwortung,<br />
Durchsetzungsvermögen, aber auch<br />
Anforderungen an Muskelkraft meistens<br />
vorkommen. Daneben fehlen darin aber<br />
oft Merkmale, die gerade <strong>für</strong> typische<br />
Frauenberufe (z.B. Einfühlungsvermögen,<br />
Handfertigkeit, Bewegungspräzision) von<br />
großer Bedeutung sind (vgl. Baitsch et al.<br />
1988, S.22, Semmer et al. S.53 f., Katz &<br />
Baitsch 1996, S. 21). Dabei ist zu<br />
bedenken, was nicht auf einer Merkmalsliste<br />
vorhanden ist, kann auch nicht<br />
bewertet werden und ist deshalb nicht<br />
lohnwirksam.<br />
Problematik der Merkmalsüberlappung<br />
Eine Ursache, warum sich Verfahren der<br />
Arbeitsbewertung diskriminierend<br />
auswirken können, ist die starke Überlappung<br />
oder Überschneidung von<br />
Merkmalen. Diese Gefahr besteht vor<br />
allem bei Katalogen mit einer großen<br />
Anzahl von Kriterien. Dahinter steckt die<br />
folgende Problematik. Eine Liste enthält<br />
verschiedene Merkmale, die miteinander<br />
verwandt sind. Dies führt dazu, dass dann<br />
ein und derselbe Sachverhalt mehrfach<br />
bewertet wird.<br />
So stellen zum Beispiel Kriterien<br />
»Management, Führung«, »Denkleistung«<br />
und »Verantwortung« sich sehr überschneidende<br />
Aspekte dar. Sie messen<br />
sozusagen die intellektuellem Anforderungen<br />
einer Arbeitstätigkeit. In aller Regel ist<br />
eine hohe Einstufung in einem Merkmal<br />
zugleich mit einer hohen Einstufung im<br />
zweiten und dritten Merkmal verbunden<br />
(vgl. Baitsch et al. S. 23 f).<br />
Problematik der Merkmalsgewichtung<br />
Unter Gewichtung wird der mögliche<br />
prozentuale Anteil eines Merkmals an der<br />
Gesamtpunktzahl einer bewerteten<br />
Tätigkeit verstanden. Wissenschaftlich<br />
lässt sich die Gewichtung nicht begründen.<br />
Sie wird beeinflusst von traditionellen<br />
Einstellungen, gesellschaftlichen<br />
Normen und subjektiven Wertungen (vgl.<br />
Jochmann-Döll 1990, S. 58). Baitsch et al<br />
(1988) weisen in ihrer Untersuchung von<br />
verschiedenen Arbeitsbewertungsverfahren<br />
auf die folgenden Tendenzen<br />
bei der Gewichtung hin: Stark gewichtet<br />
werden die Anforderungen an<br />
Ausbildung, an Wissen, an geistige<br />
Fähigkeiten und deren Belastungen<br />
daraus. Gering gewichtet werden<br />
Anforderungen an emotionale Fähigkeiten<br />
sowie an körperliche Fähigkeiten und<br />
Fertigkeiten (vgl. Baitsch 1996).<br />
Problematik des Bewertungsprozesses<br />
Es ist üblich, dass die Bewertung von<br />
Arbeitstätigkeiten in Gruppen, sogenannten<br />
Bewertungskommissionen, vorge-
nommen wird. Bei der Durchführung der<br />
Bewertung ist es deshalb eminent wichtig,<br />
dass die verschiedenen Interessengruppen<br />
(Frauen und Männer, Arbeitnehmer-<br />
Innen und ArbeitgeberInnen) vertreten<br />
sind.<br />
Viele Fehlerquellen ergeben sich aber<br />
dennoch bei der Durchführung der<br />
Arbeitsbewertung in einer Gruppe. Hier<br />
soll nur auf einige dieser größten<br />
Schwierigkeiten bei der Beurteilung in<br />
Gruppen hingewiesen werden.<br />
Der Halo-Effekt (vgl. Semmer et al. 1991,<br />
S. 43f, Jochmann-Döll 1990, S. 65) kommt<br />
dadurch zustande, dass die einzelnen<br />
Merkmale nicht unabhängig voneinander<br />
beurteilt werden, sondern jeweils von<br />
einem Gesamteindruck der Tätigkeit<br />
beeinflusst werden.<br />
Allgemeine Antworttendenzen (vgl.<br />
Semmer et al, S. 44) ergeben sich, weil<br />
viele Personen dazu neigen, Extremeinstufungen<br />
zu vermeiden und eine Tendenz<br />
zur Mitte haben oder wieder zu Ja- oder<br />
Nein- Antworten tendieren.<br />
In den meisten Gruppen entsteht über<br />
kurz oder lang ein Machtgefüge, das dazu<br />
führt, dass die Meinungen gewisser<br />
Gruppenmitglieder von anderen übernommen<br />
wird (vgl. Semmer et al. S. 44f).<br />
Es ist deshalb unverzichtbar, dass in einer<br />
Schulung die verschiedenen Mitglieder<br />
einer Bewertungsgruppe auf die verschiedenen<br />
Beurteilungsfehler und<br />
Diskriminierungsquellen von Arbeitsbewertungsinstrumenten<br />
aufmerksam<br />
gemacht werden.<br />
ABAKABA –<br />
ein geschlechtsunabhängiges<br />
Arbeitsbewertungsinstrument<br />
Es hat sich also gezeigt, dass Arbeitsbewertungsverfahren<br />
nicht per se ein pro-<br />
bates Mittel sind, zwei verschiedene<br />
Tätigkeiten ohne Diskriminierung von<br />
typischen Frauenarbeitsplätzen zu vergleichen.<br />
Diese Tatsache führte das<br />
Eidgenössische Büro <strong>für</strong> die Gleichstellung<br />
von Frau und Mann dazu, Prof.<br />
Dr. Christof Baitsch und Dr. Christian Katz,<br />
zwei ausgewiesene Wissenschafter, ein<br />
geschlechtsunabhängiges Arbeitsbewertungsinstrumente<br />
entwickeln zu lassen.<br />
Mit ABAKABA (Analytische Bewertung<br />
von Arbeitstätigkeiten nach Katz und<br />
Baitsch) haben sie ein Arbeitsbewertungsinstrumente<br />
geschaffen, das<br />
Merkmale von typischen Männer- und<br />
Frauentätigkeiten gleich stark enthält und<br />
gewichtet.<br />
Für die Entwicklung des Instrumentes<br />
waren die drei folgenden Punkte wichtig.<br />
g Zum ersten wurden die in der Arbeitswissenschaften<br />
zur Verfügung stehenden<br />
wissenschaftlich sorgfältig und ausgiebig<br />
geprüften Arbeitsanalyseverfahren<br />
(z.B. PAQ, RHIA/VERA)<br />
beigezogen.<br />
g Zum zweiten wurden bestehende<br />
Merkmalskataloge auf ihre Überschneidungen<br />
und generelle Tauglichkeit<br />
überprüft.<br />
g Und zum dritten sollten die in anderen<br />
Ländern mit längerer Gleichstellungspraxis<br />
als die Schweiz angewandten<br />
Erkenntnisse in diskrimierungsfreien<br />
Bewertungsmethoden berücksichtigt<br />
werden.<br />
Merkmalsbereiche von ABAKABA<br />
Das Konzept von ABAKABA, entwickelt im<br />
Jahre 1995, unterscheidet zwischen den<br />
folgenden vier Merkmalsbereichen:<br />
g Intellektueller Bereich<br />
g Psycho-sozialer Bereich<br />
g Physischer Bereich<br />
g Verantwortung<br />
37
38<br />
Die Auswahl der ersten drei Bereiche orientiert<br />
sich an arbeitswissenschaftlich<br />
begründeten Kriterien. Die in der Arbeitswissenschaft<br />
bewährten Methoden zeigen<br />
ein wiederkehrendes Muster der drei<br />
Merkmalsdimensionen. Verantwortung<br />
wird als separater Bereich aufgeführt, weil<br />
sie je nach Tätigkeit intellektuelle, psychosoziale<br />
oder physische Qualität hat.<br />
Blickwinkel bei ABAKABA<br />
Die vier Merkmalsbereiche werden unter<br />
den folgenden Blickwinkeln bewertet (vgl.<br />
Katz & Baitsch 1996, S. 37f):<br />
g Anforderungen<br />
g Beeinträchtigung<br />
g Zeitanteil<br />
Die Anforderungen werden auf das <strong>für</strong><br />
eine einwandfreie Ausübung der Tätigkeit<br />
notwendige Maß beurteilt. Daneben gibt<br />
es in jedem Bereich Merkmale, die spezifische<br />
Beeinträchtigung erfassen, die sich<br />
auf Gesundheit oder Wohlbefinden der<br />
Arbeitstätigen negativ auswirken können.<br />
Unter dem Blickwinkel Zeitanteil wird<br />
sodann <strong>für</strong> die meisten Merkmale beurteilt,<br />
wie oft die betreffende Anforderungen<br />
im Arbeitsalltag eingesetzt werden<br />
muss.<br />
Gewichtung der Bereiche<br />
Wie in Kapitel 3.4 vermerkt, ist eine<br />
Gewichtung der einzelnen Merkmale eines<br />
Arbeitsbewertungsintrumentes nicht wissenschaftlich<br />
begründbar. Die Gewichtung<br />
der einzelnen Bereiche von ABAKABA<br />
sollte deshalb klar als lohnpolitischen<br />
Entscheid von den AnwenderInnen deklariert<br />
und offen gelegt werden (vgl. Katz &<br />
Baitsch 1996, S. 43).<br />
Um eine geschlechtsdiskriminierende<br />
Wirkung von ABAKABA zu vermeiden,<br />
schlagen die Autoren Katz & Baitsch unter<br />
Berücksichtigung des aktuellen Wissensstandes<br />
die folgenden Bandbreiten <strong>für</strong> die<br />
Gewichtung (%-Anteile am Gesamtwert)<br />
der Bereiche vor:<br />
Intellektueller Bereich 25 - 50 %<br />
Der intellektuelle Bereich wird in Anlehnung<br />
an gesellschaftliche Konventionen<br />
relativ hoch gewichtet. Die in diesem<br />
Bereich enthaltenen Merkmale können<br />
von Frauen und Männern ebenso erfüllt<br />
werden.<br />
Psycho-sozialer Bereich 20 - 40%<br />
Eine höhere Gewichtung wird gerechtfertigt,<br />
weil in der heutigen Arbeitswelt<br />
Anforderungen und Belastungen in<br />
diesem Bereich an Bedeutung zunehmen.<br />
Physischer Bereich 5 - 25 %<br />
Verantwortung 20 - 30 %<br />
ABAKABA und seine Merkmale<br />
Die Merkmale stellen die <strong>für</strong> die<br />
zu bewertenden Arbeitstätigkeiten<br />
relevanten Anforderungen<br />
und Beeinträchtigungen<br />
dar. Die Auswahl<br />
bei ABAKABA erfolgte in<br />
erster Linie nach arbeitswissenschaftlichen<br />
Kriterien. Es<br />
ging darum, einerseits das<br />
ganze Spektrum möglicher<br />
Anforderungen und<br />
Beeinträchtigungen zu berücksichtigen,<br />
anderseits die verschiedenen<br />
Merkmale nicht zu<br />
»überlappen« (siehe Kapitel<br />
3.3.) (vgl. Katz & Baitsch 1996,<br />
S. 41).<br />
siehe Tabelle rechts!
Blickwinkel/Bereich Anforderungen Beeinträchtigungen<br />
Kombiniert mit Kombiniert mit<br />
Zeitanteil Zeitanteil<br />
Intellektueller g Fachliche Anforderungen g Beeinträchtigungen von Handlungs-<br />
Bereich g Anforderungen an und Entscheidungsspielräumen<br />
organisatorische Fähigkeiten g Beeinträchtigende<br />
Arbeitsunterbrechungen<br />
Psycho-sozialer g Anforderungen an die g Beeinträchtigende Psycho-soziale<br />
Bereich mündliche Kommunikationsfähigkeit Bedingungen<br />
g Anforderungen an die<br />
Kooperationsfähigkeit<br />
g Anforderungen an das<br />
Einfühlungsvermögen<br />
Physischer g Anforderungen an die Muskelkraft g Beeinträchtigende zeitliche<br />
Bereich g Anforderungen an die Bedingungen<br />
Bewegungspräzision g Beeinträchtigende<br />
Umgebungsbedingungen<br />
Verantwortung g Verantwortung <strong>für</strong> die g Verantwortung <strong>für</strong> menschliches<br />
Arbeitsergebnisse anderer Leben<br />
Personen g Verantwortung <strong>für</strong> wertvolle<br />
Materialien und Güter<br />
g Verantwortung <strong>für</strong> den Schutz der<br />
Umwelt<br />
Die Merkmale und ihre Zuordnung zu den Bereichen und Blickwinkeln (vgl. Katz & Baitsch 1996, S. 42)<br />
Bewertungsprozess<br />
Als Grundlage <strong>für</strong> die Bewertung einer<br />
Arbeitstätigkeit mit ABAKABA steht ein<br />
detaillierter Fragebogen zur Verfügung,<br />
der zu jedem Merkmal konkrete Fragen<br />
enthält. Dieser Fragebogen soll von<br />
der/dem StelleninhaberIn beantwortet<br />
werden und anschließend mit der vorgesetzten<br />
Person und einem Mitglied der<br />
Bewertungskommission diskutiert werden.<br />
Der Bewertungskommission fällt im<br />
nachhinein die große Aufgabe zu, die verschiedenen<br />
Tätigkeiten anhand eines<br />
vorgegebenen Formulars aufgrund der<br />
ausgefüllten Fragebogen zu bewerten.<br />
Bei der Zusammensetzung der Bewertungskommission<br />
ist zu beachten, dass<br />
g Frauen und Männer in je gleicher<br />
Anzahl<br />
g VertreterInnen der verschiedenen<br />
Interessengruppen: ArbeitsgeberInnenund<br />
ArbeitnehmerInnenseite eine externe,<br />
neutrale Fachperson, die mit<br />
ABAKABA vertraut ist und den<br />
Bewertungsprozess moderieren kann,<br />
vertreten sind (vgl. Katz & Baitsch 1996, S.<br />
115).<br />
Abschliessende Bewertung<br />
ABAKABA wurde in fünf Betrieben ausgetestet.<br />
Aufgrund der Testerfahrungen<br />
wurde verschiedene Merkmale modifiziert<br />
und ergänzt. Es hat sich gezeigt, dass<br />
ABAKABA die Erwartung erfüllt, nicht<br />
geschlechtsdiskriminierend Arbeitstätigkeiten<br />
zu bewerten. Denn einerseits wurden<br />
gerade diskriminierungssensible<br />
Funktionen (z.B. Pflegebereich) im<br />
Vergleich zu den bestehenden Lohnklassen<br />
höher bewertet, anderseits hat<br />
sich gezeigt, dass einige traditionell (zu)<br />
hoch bewertete Funktionen offensichtlich<br />
weniger anforderungsreich sind als bisher<br />
angenommen.<br />
Aufgrund der Testerfahrungen hat eine<br />
öffentliche <strong>Verwaltung</strong> die Überprüfung<br />
des Salehrsystem in Angriff genommen.<br />
Eine weitere öffentliche <strong>Verwaltung</strong> hat<br />
bis heute rund 1.000 Schlüsselfunktionen<br />
mit ABAKABA bewertet. Da das Instrument<br />
gut handhabbar ist und in Hinblick<br />
auf Lohnverhandlungen eine große<br />
Transparenz vermitteln kann, werden in<br />
dieser <strong>Verwaltung</strong> im Total gut 2.000<br />
Arbeitsplätze bewertet.<br />
39
40<br />
Im weiteren hat sich auch in der Praxis<br />
gezeigt:<br />
Mit ABAKABA sind erste Schritte gemacht<br />
worden, Kriterien zur Definition von<br />
gleichwertiger Arbeit von Frau und Mann<br />
zu haben. Das Arbeitsbewertungsinstrument<br />
ABAKABA hat gerade in Betrieben<br />
und <strong>Verwaltung</strong>en mit dazu beigetragen,<br />
dass wieder ernsthaft über die Lohngleichheit<br />
<strong>für</strong> Frau und Mann diskutiert<br />
wird. Diese Tatsache und das neue<br />
Bundesgesetz über die Gleichstellung von<br />
Frau und Mann haben gerade typische<br />
Frauenberufe (z.B. Kindergärtnerinnen)<br />
ermutigt, eine Lohnklage einzureichen.<br />
Dabei wirkte die formulierte Kritik an traditionellen<br />
Arbeitsbewertungsverfahren<br />
und die Entwicklung eines geschlechtsunabhängigenArbeitsbewertungsinstrumentes<br />
unterstützend.<br />
Zur Zeit ist eine ForscherInnengruppe<br />
daran, auch mit ABAKABA die<br />
Schlüsselqualifikationen zu eruieren, die<br />
aus der Familienarbeit in die Arbeitswelt<br />
transferiert werden könnten.<br />
Abschließend ist zu bemerken, dass<br />
Lohndiskriminierungen sich sicher nicht<br />
allein mit einem Arbeitsbewertungsinstrument<br />
aus der Welt schaffen lassen.<br />
Eine Diskussion darüber, welche<br />
Anforderungen und Belastungen typische<br />
Frauentätigkeiten beinhalten und diese<br />
transparent zu machen, ist dringend<br />
notwendig. Dazu trägt aber ABAKABA auf<br />
jeden Fall bei.<br />
Marianne Geisser, lic.rer.pol.<br />
Stellvertreterin der Direktorin des<br />
Eidgenössischen Büros <strong>für</strong> die<br />
Gleichstellung von Frau und Mann,<br />
Leiterin des Projektes »ABAKABA«<br />
1 vgl. auch offizielle Lohnstatistiken, in der Schweiz z. B. Die<br />
Schweizerische Lohnstrukurerhebung 1994<br />
2 vgl. z.B. Bundesgerichturteil vom 14. Mai 1987<br />
(Krankenschwestern im Kanton Zürich),<br />
Bundesgerichtsentscheid vom 25. Februar 1994<br />
(Kindegärtnerinnen im Kanton Basel-Stadt)<br />
3 Gleicher Lohn <strong>für</strong> gleichwertige Arbeit. Arbeitspsychologische<br />
Untersuchung (1988), durchgeführt unter der Leitung von<br />
Prof. Dr. Eberhard Ulich, Lehrstuhl <strong>für</strong> Arbeits- und<br />
Organisationspsychologie, Eidgenössische Technische<br />
Hochschule Zürich.<br />
4 Arbeitsbewertung und Lohndiskriminierung von Frauen<br />
(1991), durchgeführt unter der Leitung von Prof. Dr. Norbert<br />
Semmer, Professor <strong>für</strong> Arbeitspsychologie am<br />
Psychologischen Institut der Universität Bern.<br />
5 Resultat anlässlich einer internationalen Konferenz, die 1950<br />
in Genf stattfand.<br />
6 In dieser Untersuchung wurden verschiedene in der Schweiz<br />
gebräuchliche Arbeitsbewertungsverfahren in 8<br />
Unternehmen analysiert.<br />
7 Die Verfasser arbeiteten mehrere Jahre als wissenschaftliche<br />
Mitarbeiter am Institut <strong>für</strong> Arbeitspsychologie an der ETH<br />
Zürich. Christof Baitsch war zwischen 1992 und 1995 hauptamtlicher<br />
Dozent <strong>für</strong> Arbeits- und Organisationspsychologie<br />
an der HSG St. Gallen. Seit 1995 ist er Professor <strong>für</strong><br />
Management des technischen Wandels und<br />
Personalentwicklung an der Technischen Universität<br />
Chemnitz. Christian Katz ist heute Teilhaber in der<br />
Beratergruppe KATZ SCHILLING SPINAS.<br />
8 vgl. Frieling 1997, S. 963