14.10.2013 Aufrufe

PDF-Download 2,7 MB - FHVD - Fachhochschule für Verwaltung ...

PDF-Download 2,7 MB - FHVD - Fachhochschule für Verwaltung ...

PDF-Download 2,7 MB - FHVD - Fachhochschule für Verwaltung ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Ministerium <strong>für</strong> Justiz,<br />

Frauen, Jugend und Familie<br />

des Landes Schleswig-Holstein<br />

Chancengleichheit<br />

durch moderne Personalpolitik<br />

Fachtagung am 8.11.2001 in Kiel<br />

www.frauen.schleswig-holstein.de


Herausgeber:<br />

Ministerium <strong>für</strong> Justiz,<br />

Frauen, Jugend und Familie<br />

des Landes<br />

Schleswig-Holstein<br />

Lorentzendamm 35<br />

24103 Kiel<br />

Redaktion:<br />

Susanne Paech<br />

Annette Stabenow<br />

Gestaltung:<br />

Ulrike Heinichen, Kiel<br />

Herstellung:<br />

Grafik + Druck, Kiel<br />

Auflage 2.500<br />

Januar 2002<br />

ISSN 0935-4646<br />

Diese Broschüre<br />

wurde aus<br />

Recyclingpapier<br />

hergestellt.<br />

Diese Druckschrift wird im<br />

Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit<br />

der schleswigholsteinischenLandesregierung<br />

herausgegeben.<br />

Sie darf weder von Parteien<br />

noch von Personen, die<br />

Wahlwerbung oder Wahlhilfe<br />

betreiben, im Wahlkampf<br />

zum Zwecke der Wahlwerbung<br />

verwendet werden.<br />

Auch ohne zeitlichen Bezug<br />

zu einer bevorstehenden<br />

Wahl darf die Druckschrift<br />

nicht in einer Weise verwendet<br />

werden, die als Parteinahme<br />

der Landesregierung<br />

zu Gunsten einzelner<br />

Gruppen verstanden werden<br />

könnte. Den Parteien ist es<br />

gestattet, die Druckschrift zur<br />

Unterrichtung ihrer eigenen<br />

Mitglieder zu verwenden.<br />

Das Ministerium im Internet:<br />

http://www.mjf.schleswig-holstein.de<br />

Frauenpolitik der Landesregierung im Internet<br />

http://www.frauen.schleswig-holstein.de


Inhalt<br />

Vorwort ........................................................................ 3<br />

Programm ...................................................................... 4<br />

Anne Lütkes<br />

Chancengleichheit durch moderne Personalpolitik –<br />

Gender Mainstreaming praxisnah ................................................ 5<br />

Gabriele Hoffmeister-Schönfelder<br />

Personalpolitik die sich am Prinzip des Gender Mainstreaming orientiert ............ 9<br />

Petra Ganser<br />

Kampagne zur Aufwertung von Frauentätigkeiten<br />

Diskriminierungsfreie Bewertung von (Dienstleistungs-) Arbeit ..................... 17<br />

Dr. Karin Tondorf<br />

An den Führungskräften führt kein Weg vorbei .................................... 24<br />

Christiane Möller<br />

Mentoring <strong>für</strong> Nachwuchskräfte<br />

Ein Praxisbeispiel aus der Landesbank Schleswig-Holstein ......................... 31<br />

Anhang ......................................................................... 34<br />

Arbeitsbewertung und Lohngleichheit von Frau und Mann<br />

ABAKABA, ein geschlechtsunabhängiges Arbeitsbewertungsinstrument


Vorwort zur Dokumentation<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

mit der Auftaktveranstaltung im Oktober<br />

des letzten Jahres wurde der Prozess<br />

einer systematischen Einbeziehung des<br />

Leitprinzips Gender Mainstreaming in alle<br />

Bereiche von Politik und <strong>Verwaltung</strong><br />

eingeleitet.<br />

Der Focus der diesjährigen Fachtagung<br />

richtete sich auf die <strong>für</strong> <strong>Verwaltung</strong>en<br />

und Unternehmen strategisch wichtigen<br />

Handlungsfelder Personalentwicklung<br />

und Tarifpolitik.<br />

Es galt, die Fragen zu klären, wie eine am<br />

Gender Mainstreaming-Prinzip orientierte<br />

Personal- und Tarifpolitik aussehen muss,<br />

welche Qualitätspotenziale diese in sich<br />

birgt, welche Maßnahmen ergriffen und<br />

welche Mittel eingesetzt werden müssen.<br />

Vor diesem Hintergrund präsentierten<br />

Expertinnen aus Politik, <strong>Verwaltung</strong>,<br />

Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung<br />

nicht nur Grundlagenwissen, sondern<br />

zeigten neue Wege und Perspektiven einer<br />

modernen Personal- und Tarifpolitik auf,<br />

die konsequent den Aspekt der<br />

Chancengleichheit integriert.<br />

Wir hoffen, dass Ihnen diese<br />

Dokumentation möglichst viele<br />

Anregungen <strong>für</strong> eine erfolgreiche<br />

Umsetzung in die Praxis geben kann.<br />

(Ihre) Koordinierungsstelle <strong>für</strong><br />

Gleichstellungs- und Frauenbeauftragte<br />

3


Programm<br />

10.00 Uhr Eröffnung durch Anne<br />

Lütkes Ministerin <strong>für</strong> Justiz,<br />

Frauen, Jugend und Familie<br />

10.20 Uhr »Personalpolitik die sich am<br />

Prinzip des Gender Mainstreaming<br />

orientiert«<br />

Gabriele Hoffmeister-<br />

Schönfelder, Kontor5<br />

Personal- und<br />

Unternehmensberatung<br />

11.00 Uhr Kaffeepause<br />

11.20 Uhr »Gender Mainstreaming in<br />

der Tarifpolitik –<br />

Aufwertung<br />

von Frauentätigkeiten«<br />

Petra Ganser, ver.di<br />

Bundesvorstand<br />

12.00 Uhr Forum<br />

Gelegenheit zum Austausch<br />

und zur Diskussion mit der<br />

Ministerin und den<br />

Referentinnen<br />

12.30 Uhr Mittagspause<br />

14.00 Uhr Kulturelles Programm<br />

Kabarett/Chansons<br />

Mit Gerlinde Kempendorff<br />

und Kim Eustice<br />

14.30 Uhr »An den Führungskräften<br />

führt kein Weg vorbei«<br />

Dr. Karin Tondorf, Forschung<br />

und Beratung zu Entgelt-<br />

und Gleichstellungspolitik<br />

15.15 Uhr »Mentoring – Praxisbeispiel<br />

aus der Landesbank<br />

Schleswig-Holstein«<br />

Christiane Möller,<br />

Gleichstellungsbeauftragte<br />

der Landesbank<br />

Schleswig-Holstein<br />

16.00 Uhr Schlusswort


Chancengleichheit<br />

durch moderne Personalpolitik –<br />

Gender Mainstreaming praxisnah<br />

Anne Lütkes<br />

Ministerin <strong>für</strong><br />

Justiz, Frauen,<br />

Jugend und<br />

Familie<br />

Es ist bereits das zweite Mal, dass eine<br />

Veranstaltung des Ministeriums <strong>für</strong> Justiz,<br />

Frauen, Jugend und Familie in<br />

Zusammenarbeit mit dem Beirat der<br />

Koordinierungsstelle <strong>für</strong> Gleichstellungsund<br />

Frauenbeauftragte das Thema Gender<br />

Mainstreaming aufgreift – heute mit dem<br />

besonderen Schwerpunkt Personalpolitik.<br />

Die große Resonanz, die dieses Thema<br />

hervorruft – und die in der großen Zahl<br />

der Anwesenden nachdrücklich bestätigt<br />

wird – lässt den Schluss zu, dass wir Ihr<br />

Interesse und die Bedeutung unserer<br />

heutigen Veranstaltung richtig eingeschätzt<br />

haben.<br />

Darüber freue ich mich sehr und danke<br />

Ihnen sehr herzlich <strong>für</strong> Ihr Erscheinen.<br />

Lassen Sie mich vorab eine grundsätzliche<br />

Aussage zum Thema der heutigen<br />

Veranstaltung machen:<br />

Die Realisierung von Chancengleichheit<br />

in der Personalpolitik kann sich künftig<br />

kaum noch auf die bislang angewendeten<br />

Mittel und Verfahren stützen, wie<br />

beispielsweise Besetzungsregeln oder<br />

gar Quotenvorgaben. Damit ist künftig<br />

kein echter Fortschritt mehr zu erreichen.<br />

Vielmehr müssen neue Konzepte<br />

und Managementmethoden endlich<br />

ihren Weg in die Praxis finden.<br />

Ein fester Wille zu den erforderlichen<br />

Strukturveränderungen, verbunden mit<br />

kreativem Denken und der Fähigkeit, auch<br />

als Vorbild zu überzeugen – das sind die<br />

Voraussetzungen, damit Erneuerungen<br />

möglich werden.<br />

Dabei fällt den Führungskräften eine<br />

Schlüsselrolle zu – denn deren Einstellungen<br />

und Handlungen sind entscheidend<br />

<strong>für</strong> die Umsetzung gleichstellungsrelevanter<br />

Prozesse, die sich keineswegs<br />

auf die Administration beschränken. Vor<br />

diesem Hintergrund müssen wir der Frage<br />

nachgehen, weshalb eine Neuorientierung<br />

in der Personalpolitik notwendig ist, wie<br />

diese aussehen kann und welche Vorteile<br />

sie mit sich bringt.<br />

Seit 1992 ist die Modernisierung der<br />

Landesverwaltung ein Schwerpunkt der<br />

Regierungsarbeit. Mit dem »Personalentwicklungskonzept«<br />

(PEK) wurde ein<br />

wesentlicher Schritt von der herkömmlichen<br />

Personalverwaltung hin zu einer<br />

modernen Personalpolitik getan.<br />

Damit wurde der Bereich »Personalarbeit«<br />

ausdrücklich in den Aufgabenkatalog der<br />

Führungskräfte aufgenommen und frauenfördernde<br />

Aspekte gezielt in das Instrumentarium<br />

des Personalentwicklungskonzeptes<br />

integriert.<br />

So ist seit dem beispielsweise die so<br />

bezeichnete »Wahrnehmungsfähigkeit <strong>für</strong><br />

die unterschiedliche Lebens- und<br />

Arbeitssituation von Frauen und<br />

Männern« fester Bestandteil des<br />

Anforderungsprofils <strong>für</strong> Führungskräfte.<br />

Und ebenso gehört heute zu den zentralen<br />

Elementen der Schulung von Führungskräften<br />

die Herausbildung der Fähigkeit,<br />

männliche und weibliche Verhaltens- und<br />

Kommunikationsmuster wahrzunehmen.<br />

Dies alles sind erste wichtige Schritte, um<br />

zu einer differenzierteren Geschlechterpolitik<br />

zu gelangen.<br />

Neben dem Personalentwicklungskonzept<br />

der Landesregierung steht als ein weiteres<br />

Instrument das Gleichstellungsgesetz des<br />

Landes, das ebenfalls die Verbindung von<br />

<strong>Verwaltung</strong>smodernisierung, Personalentwicklung<br />

und Chancengleichheit von<br />

Frauen und Männern gewährleistet und<br />

von dem wesentliche reformerische<br />

Impulse ausgehen.<br />

Mit diesem Gesetz wurden alle Träger der<br />

öffentlichen <strong>Verwaltung</strong> verpflichtet,<br />

Frauenförderpläne aufzustellen, um auf<br />

diesem Wege zu einem geplanten und<br />

kontrollierbaren Handeln mit der klaren<br />

Zielvorgabe zu gelangen, Frauen verbesserte<br />

berufliche Perspektiven zu bieten.<br />

Mit den Gleichstellungsbeauftragten als<br />

Teil der <strong>Verwaltung</strong> ist die Gewähr da<strong>für</strong>


6<br />

gegeben, dass die gesetzlichen Vorgaben<br />

beachtet und gegebenenfalls <strong>für</strong> ihre<br />

Einhaltung gesorgt wird. Sie tragen so<br />

unmittelbar zu einem erfolgreichen<br />

Modernisierungsprozess bei, indem sie<br />

Transparenz bei personalpolitischen<br />

Entscheidungen herstellen, Grundsätze<br />

vom Format eines »das war immer so«<br />

überprüfen und sich da<strong>für</strong> einsetzen, dass<br />

Frauen und Männer mit gleichen Qualifikationen<br />

auch gleiche berufliche Chancen<br />

haben.<br />

Und nicht zuletzt unterstützen die<br />

Gleichstellungsbeauftragten mit ihrer<br />

Arbeit <strong>Verwaltung</strong>, die verstanden hat,<br />

dass erst die Verbindung von Modernisierung<br />

und Chancengleichheit wirklichen<br />

Fortschritt ausmacht.<br />

Denn eine Personalpolitik, die den<br />

Geboten der Chancengleichheit, der<br />

Wirtschaftlichkeit, der Transparenz, der<br />

Eignung, Befähigung und fachlichen<br />

Leistung folgt und sich der Förderung des<br />

»human capital« aus sozialen und<br />

ökonomischen Erwägungen verpflichtet<br />

sieht, steht außerhalb der Kritik.<br />

Der Alltag im Berufsleben zeichnet dennoch<br />

vielfach ein anderes Bild – sei es im<br />

öffentlichen Dienst, in der freien<br />

Wirtschaft oder in den Bereichen<br />

von Wissenschaft und Forschung.<br />

Arbeitslosigkeit ist vorrangig ein Problem<br />

<strong>für</strong> Frauen, sie erhalten als Berufstätige in<br />

vielen Fällen <strong>für</strong> gleiche Arbeit weniger<br />

Lohn als die Männer und ihre starke<br />

Unterrepräsentierung in Führungspositionen<br />

ist – mit wenigen Ausnahmen<br />

– nach wie vor ein Faktum.<br />

Ebenso ein Faktum ist es, dass die<br />

Teilzeitarbeit immer noch eine<br />

Frauendomäne ist – mit der Folge, dass<br />

die durchschnittliche Frauenrente nicht<br />

einmal halb so hoch ist, wie die durchschnittliche<br />

Rente der Männer.<br />

Es sind nicht nur die geschlechtsspezifischen<br />

Rollenzuweisungen, die nachhaltig<br />

die Berufswahl und damit die Karrierechancen<br />

von Frauen bestimmen.<br />

Von Frauen wird wie selbstverständlich<br />

erwartet, dass sie eigene berufliche<br />

Ambitionen zurückstellen, damit sich die<br />

des Partners oder Ehemanns entfalten<br />

können – gleiches gilt, wenn eine Familie<br />

gegründet wird oder pflegebedürftige<br />

Angehörige zu betreuen sind. Den Frauen<br />

wird es immer wieder überlassen –<br />

mit wenigen Ausnahmen – die beruflichen<br />

und familiären Verpflichtungen unter<br />

großen Anstrengungen zu koordinieren<br />

und zu vereinbaren.<br />

Dass dabei kaum noch Raum und Kraft<br />

bleibt, um die eigene berufliche Entwicklung<br />

im Auge zu behalten oder gar zu<br />

betreiben, das ist eine kaum vermeidbare<br />

Folge.<br />

Und dennoch gibt es gelegentlich Licht<br />

am Ende des Tunnels. Denn die Zahl der<br />

Männer nimmt zu, die ihre Vaterschaft<br />

aktiv gestalten wollen, obwohl die<br />

vorherrschenden Rollenstereotypen es<br />

ihnen nicht gerade leicht machen,<br />

Elternzeit in Anspruch zu nehmen.<br />

Von Männern wird vielmehr grundsätzlich<br />

nach altem Muster eine starke Identifizierung<br />

mit dem Beruf erwartet – von<br />

ihrem weiteren sozialen Umfeld und<br />

natürlich ganz besonders von Arbeitgeberseite.<br />

Peter Mayer, der Personalentwickler<br />

bei Daimler Chrysler, hat das sehr<br />

eindrucksvoll unterstrichen:<br />

»Wer als Mann Karriere machen will,<br />

darf sich heute nicht vorbehaltlos zur<br />

Familie bekennen. Schließlich kann niemand<br />

(während) einer Sitzung aufstehen<br />

und sagen: Mein Kind wartet, ich muss<br />

gehen.«


Managing Diversity<br />

Die Arbeitswelt der Frauen sieht da ganz<br />

anders aus, ihre Karriere wird erst gar<br />

nicht in Erwägung gezogen.<br />

So ist in einer Studie des Bundesministeriums<br />

<strong>für</strong> Forschung und Bildung<br />

von einer angehende Abteilungsleiterin<br />

folgende resignierende Sicht der Dinge<br />

nachzulesen:<br />

»Wenn die Geschäftsleitung von vornherein<br />

an die Personalentwicklung mit der<br />

Einstellung herangeht: Eine Frau heiratet<br />

sowieso irgendwann und ist dann ›weg<br />

vom Fenster‹, dann kann die Frau noch so<br />

gut sein – sie gilt als nicht mehr flexibel<br />

und bleibt am Rande stehen.«<br />

Es bedarf wohl keiner weiteren Beispiele<br />

um deutlich zu machen, dass es <strong>für</strong> eine<br />

Neuorientierung in der Personalpolitik<br />

höchste Zeit ist. Innovative und in die<br />

Zukunft schauende Unternehmen und<br />

<strong>Verwaltung</strong>en haben schon längst<br />

erkannt, dass Frauenförderung kein<br />

»Defizitspending <strong>für</strong> benachteiligte<br />

Personengruppen« ist.<br />

Neben der Erfüllung rechtlicher, politischer<br />

und ethischer Verpflichtungen<br />

verspricht die Verwirklichung der Chancengleichheit<br />

handfeste Wettbewerbsvorteile.<br />

So sehen neue Konzepte des<br />

Human-Ressource-Management vor,<br />

»Chancengleichheit« in den Zielkatalog<br />

der Personalpolitik zu integrieren.<br />

Ich will in diesem Zusammenhang auf ein<br />

bemerkenswertes Personalkonzept verweisen,<br />

das bereits erfolgreich in<br />

Unternehmen praktiziert wird.<br />

Dieses aus den USA kommende Personalkonzept<br />

Managing Diversity beruht auf<br />

der Erkenntnis, dass die Wettbewerbsfähigkeit<br />

von Unternehmen und <strong>Verwaltung</strong>en<br />

nur dann gesichert werden kann,<br />

wenn die Belegschaften in ihrer komplexen<br />

Heterogenität – Männer, Frauen,<br />

Schwarze, Weiße, Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter aus unterschiedlichen Religionen<br />

und Kulturen, mit verschiedenen<br />

Lebensstilen und Interessen – nachdrücklich<br />

in die Arbeit und in die Unternehmensziele<br />

eingebunden werden, sodass<br />

alle Beteiligten zur Leistung bereit sind.<br />

Damit will das Managing Diversity eine<br />

Veränderung der Unternehmenskultur<br />

erreichen, die geprägt ist von Wertevielfalt<br />

und Pluralismus, von uneingeschränkten<br />

Zugangsmöglichkeiten zu allen<br />

Funktionen und Positionen im Betrieb,<br />

von der Integration aller Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter in die informellen<br />

Kommunikationsstrukturen und<br />

Netzwerke und der Abwesenheit von<br />

Vorurteilen, von direkter und indirekter<br />

Diskriminierung.<br />

Für Personalleitungen und Führungskräfte<br />

ergibt sich daraus der Auftrag, den<br />

Beschäftigten unabhängig von den individuellen<br />

Faktoren und Persönlichkeitsmerkmalen<br />

eine ihren Interessen und<br />

Qualifikationen entsprechende berufliche<br />

Entwicklung und Entfaltung zu ermöglichen.<br />

Gleichzeitig bindet die integrative<br />

Personalstrategie des Managing Diversity<br />

besonders wirkungsvoll die Potenziale der<br />

weiblichen Beschäftigten ein.<br />

Eine Personalpolitik, die mit diesen<br />

Grundsätzen auf die vielfältigen Fähigkeiten<br />

der Belegschaft setzt, fördert die<br />

Qualität und Quantität der Unternehmensleistung<br />

und wirkt sich damit positiv auf<br />

den wirtschaftlichen Erfolg aus.<br />

Wir greifen in Schleswig-Holstein dieses<br />

Konzept einer veränderten Personalpolitik<br />

unter dem Ihnen inzwischen vertrauten<br />

Namen Gender Mainstreaming auf,<br />

um die bestehenden Ungleichheiten<br />

zwischen Frauen und Männern wirksam<br />

zu beenden.<br />

Neben einer Verbesserung der nach<br />

»außen« gerichteten Arbeit von<br />

Organisationen will Gender Mainstreaming<br />

<strong>für</strong> die Belegschaften positiv wirkende<br />

Veränderungen erreichen – in der<br />

Personalpolitik, dem Tarifwesen und der<br />

innerbetrieblichen Modernisierung.<br />

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Dr.<br />

Gertraude Krell von der Freien Universität<br />

in Berlin hat sehr hilfreich auf die Übertragbarkeit<br />

der Prinzipien von Managing<br />

Diversity auf Gender Mainstreaming mit<br />

folgenden Argumenten hingewiesen:<br />

Angesichts des wachsenden Anteils von<br />

Frauen unter den Beschäftigten im<br />

öffentlichen Dienst und der freien<br />

Wirtschaft ist es nicht mehr vertretbar, die<br />

Personalpolitik – und damit die<br />

Beschäftigungsstruktur – am männlichen<br />

(Normal-) Arbeitnehmer zu orientieren.<br />

Unmittelbare und mittelbare Diskriminierung<br />

verursacht Kosten, unter anderem<br />

7


8<br />

durch Fehlzeiten und Demotivierung. Eine<br />

gender-orientierte Personalpolitik wirkt<br />

dem entgegen.<br />

Gemischt-geschlechtliche Teams sind<br />

kreativer und erfolgreicher als gleichgeschlechtliche<br />

und eher in der Lage, sich<br />

bei der Produktentwicklung an den<br />

Interessen und Wünschen der Kundschaft<br />

zu orientieren.<br />

Hinsichtlich des Personalmarketings<br />

bestehen überall dort deutliche Vorteile<br />

bei der Einwerbung von weiblichem Fachund<br />

Führungskräftenachwuchs, wo<br />

Chancengleichheit bereits hergestellt ist.<br />

Und schließlich ist davon auszugehen,<br />

dass die vollständige Integration der weiblichen<br />

Beschäftigten zu einer größeren<br />

Flexibilität, zu mehr Veränderungsbereitschaft<br />

und -fähigkeit der gesamten<br />

Organisation führt.<br />

Eine Personalpolitik, die sich am Gender<br />

Mainstreaming orientiert, trägt nicht nur<br />

zur Chancengleichheit bei, sondern erzielt<br />

gleichzeitig positive Effekte bei den<br />

Kosten, legt Humanressourcen frei und<br />

fördert so insgesamt den betriebswirtschaftlichen<br />

Output.<br />

Wenn wir also eine gender-orientierte<br />

Personalpolitik als integralen Bestandteil<br />

der Modernisierung von Organisationen<br />

begreifen und be<strong>für</strong>worten, dann muss<br />

das Konzept des Gender Mainstreaming<br />

auch verstärkt in die Modernisierungskampagne<br />

der Landesregierung einfließen,<br />

denn hier werden mit dem<br />

Personalentwicklungskonzept schon der<br />

Rahmen und teilweise auch die Instrumente<br />

<strong>für</strong> eine Integration vorgegeben.<br />

Ich erhoffe von unserer heutigen<br />

Fachtagung neue Perspektiven und<br />

Ansätze, um der Chancengleichheit von<br />

Frauen und Männern ein ganz erhebliches<br />

Stück näher zu kommen.<br />

Ich wünsche Ihnen und mir, dass Sie mit<br />

geschärftem Blick und neuen Ideen an<br />

Ihren Arbeitsplatz zurückkehren und dann<br />

– in welcher Funktion sie auch arbeiten –<br />

die Umsetzung der Anregungen wagen,<br />

die Sie heute erhalten werden.


Personalpolitik die sich am Prinzip des<br />

Gender Mainstreaming orientiert<br />

Gabriele<br />

Hoffmeister-<br />

Schönfelder,<br />

Kontor5,<br />

Unternehmensberatung<br />

Hamburg<br />

Gern bin ich der Einladung gefolgt, Ihnen<br />

heute aus meiner Erfahrung mit Gender<br />

Mainstreaming zu berichten. Darauf bin<br />

ich auch ein wenig stolz, habe ich es<br />

heute doch überwiegend mit Frauen<br />

(und Männern) vom Fach zu tun.<br />

Um den heutigen Vortrag vorzubereiten,<br />

habe ich mich bei verschiedenen<br />

Kolleginnen umgehört, was sie denn so<br />

vom Thema halten. Übereinstimmend war<br />

die Antwort, machen wir doch alles, kennen<br />

wir schon. Als ich dann noch ein Mail<br />

von einer Kollegin aus Düsseldorf bekam,<br />

die mir ankündigte, heute Nachmittag<br />

ginge sie ein bisschen »gendern« war ich<br />

doch ein wenig irritiert.<br />

Ich habe mich gefragt, was kann ich Ihnen<br />

Neues bieten? Sind Sie nicht alle bereits<br />

Expertinnen in Sachen Gender Mainstreaming?<br />

Wie bekomme ich es hin, dass Sie<br />

nicht dasitzen, freundlich nicken, aber<br />

eigentlich denken, ist doch alles ein alter<br />

Hut?<br />

Ich will Ihnen deshalb zu Beginn ein<br />

Beispiel aus meiner Praxis als Ingenieurin<br />

schildern. Es zeigt meiner Meinung nach<br />

sehr gut, wie sich Gender Mainstreaming<br />

zur Veränderung einer Organisation, eines<br />

Unternehmens, einer <strong>Verwaltung</strong> einsetzen<br />

lässt.<br />

Ich werde Ihnen dann noch verschiedene<br />

Beispiele aus der Personalentwicklung<br />

vorstellen, die zum einen sicher mit dem<br />

Etikett »Frauenförderung« zu versehen<br />

sind, gleichzeitig auch eindeutig nach dem<br />

Gender Mainstreaming funktionieren.<br />

Ich komme aus der Praxis. Seit fast 20<br />

Jahren engagiere ich mich in Sachen<br />

Chancengleichheit. Erst als Leiterin des<br />

Projektes Frauen bei Philips. Als junge<br />

Ingenieurin hatte ich dort angefangen.<br />

Ich habe dann in den Vorstandsbereich<br />

Personal gewechselt und wurde Leiterin<br />

des Projektes »Frauen bei Philips«. Meine<br />

Aufgabe war es, den Anteil der qualifizierten<br />

Frauen zu erhöhen und die berufliche<br />

Chancengleichheit im Unternehmen zu<br />

steigern.<br />

Vor vier Jahren habe ich als Geschäftsführerin<br />

des Forum Frauen in der<br />

Wirtschaft den Sprung in die Selbstständigkeit<br />

gewagt. Im Forum Frauen in<br />

der Wirtschaft sind zur Zeit 18 Unternehmen,<br />

die sich verbindlich zum Ziel<br />

der Chancengleichheit bekannt haben,<br />

organisiert. Aufgabe der Geschäftsführung<br />

war es, die Interessen und Aktivitäten<br />

der Unternehmen zu bündeln sowie<br />

das Netzwerk intern und extern zu pflegen.<br />

Heute bin ich Geschäftsführerin meines<br />

eigenen Unternehmens. Und nach wie vor<br />

in Sachen Chancengleichheit engagiert.<br />

kontor5 ist eine Personalberatung mit<br />

dem Schwerpunkt Chancengleichheit.<br />

D.h. wir unterstützen Unternehmen dabei,<br />

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihren<br />

Fähigkeiten und Neigungen gemäß<br />

möglichst optimal einzusetzen.<br />

Wenn ich in meinem Archiv grabe, fällt<br />

mir auf, das es schon immer Wechsel in<br />

der Begrifflichkeit gab. Aus Frauenbeauftragten<br />

wurden Gleichstellungsbeauftragte,<br />

daraus sind ja in einigen<br />

Unternehmen schon Equal Opportunity<br />

Officers geworden.<br />

Für mich lag es<br />

daher nahe,<br />

auch das<br />

neudeutsche<br />

Gender<br />

Mainstreaming<br />

erst mal mit<br />

Frauenbeauftragte<br />

..<br />

Gleichstellungsbeauftragte<br />

.<br />

Equal Opportunity<br />

Abstand zu betrachten und abzuwarten.<br />

Aber seit gut 2 Jahren lässt sich der<br />

Begriff nicht mehr ignorieren. In der sogenannten<br />

»Szene« hat er sich fest etabliert.<br />

Und das ist auch gut so. In meiner Praxis<br />

habe ich festgestellt: Gender Mainstreaming<br />

ist brauchbar, bietet neue<br />

Gesichtspunkte und kann uns sehr nützlich<br />

sein. Personalentwicklung unter<br />

Gender Mainstreaming-Gesichtspunkten<br />

bedeutet <strong>für</strong> mich Projekte zu initiieren, an<br />

denen möglichst viele Abteilungen<br />

beteiligt sind. Projekte, die auch geeignet<br />

sind, das Bewusstsein von Führungskräften<br />

zu verändern.<br />

Diese Strategie setzt voraus, dass nach<br />

Geschlechtern getrennte Daten vorliegen.<br />

9


ISO-Zertifizierung<br />

10<br />

Gehen Sie doch mal im Geiste die vorliegenden<br />

Stammdaten durch. Können Sie<br />

damit wirklich etwas anfangen? Meiner<br />

Erfahrung nach liegen auch in großen<br />

Unternehmen diese Daten nur unvollständig<br />

vor. Sie müssen sich also<br />

Verbündete in anderen Abteilungen<br />

suchen, die diese Daten erfassen und<br />

auswerten.<br />

Ich verstehe Gender Mainstreaming auch<br />

als Handlungsanweisung und Strategie.<br />

Es ist ein System. Es bietet Hilfsmittel,<br />

Strukturen zu analysieren und zu verändern.<br />

Es ist eine Strategie, um Verbündete<br />

zu gewinnen und die Verantwortlichkeit<br />

<strong>für</strong> die Umsetzung von Chancengleichheit<br />

auf alle Beteiligten zu verteilen.<br />

Das ist <strong>für</strong> mich das Neue, das wir nutzen<br />

sollten.<br />

Sicher haben einige von Ihnen die<br />

Diskussionen um die Einführung der ISO-<br />

Zertifizierung miterlebt. Es ging darum,<br />

alle Abläufe im<br />

Unternehmen, ob in der<br />

Produktion oder der<br />

<strong>Verwaltung</strong>, unter dem<br />

Gesichtspunkt der Qualitätssicherung zu<br />

untersuchen. Klare Zuständigkeiten sollten<br />

definiert werden, Abläufe transparent und<br />

nachvollziehbar gestaltet werden. Vor<br />

allem ging es darum, Fehler in Prozessketten<br />

zu entdecken und möglichst im<br />

Vorfeld zu vermeiden.<br />

Verfahrensanweisungen wurden<br />

geschrieben und wenn etwas nicht dem<br />

gewünschten Qualitätsstandard<br />

entsprach, konnte der oder die jeweils<br />

Verantwortliche schnell ermittelt werden.<br />

Das ganze wurde von einer externen<br />

Prüfungsinstanz auditiert. Und ganz<br />

wichtig: Die Zertifizierung ist<br />

»Chefsache«.<br />

Das sei der Untergang, hieß es in vielen<br />

Unternehmen. Da<strong>für</strong> sei keine Zeit und<br />

das koste sowieso viel zu viel. Auf den<br />

ersten Blick war das sicher der Fall. Aber<br />

es zeigen sich auch Vorteile. Ich erinnere<br />

mich noch deutlich an das »Gejaule« in<br />

der Personalabteilung von Philips.<br />

Stellenbeschreibungen <strong>für</strong> alle Positionen<br />

sollten angefertigt werden. Vom Pförtner,<br />

über den »Hofkehrer« bis zur Geschäftsleitung.<br />

Aber es ging. Und als alle<br />

Stellenbeschreibungen vorlagen, haben<br />

die Kollegen gemerkt, wie nützlich ihnen<br />

die eigentlich sind.<br />

Stellenausschreibungen waren einfacher,<br />

Neubesetzungen waren wesentlich<br />

schneller möglich, die Einarbeitungszeiten<br />

verkürzten sich, eine Beurteilung der<br />

Leistung stand auf sichereren Füßen als<br />

bisher.<br />

Durch die Vorgaben der ISO-Norm wurden<br />

Strukturen und Prozesse durchsichtig,<br />

das Bewusstsein der Mitarbeiter und<br />

Mitarbeiterinnen veränderte sich. Qualität<br />

zu liefern oder zu fertigen, da<strong>für</strong> war<br />

nicht nur der/die Qualitätsbeauftragte,<br />

sondern alle am Prozess Beteiligten<br />

verantwortlich.<br />

Wenn Ihnen hierzu das Stichwort Total-E-<br />

Quality einfällt, liegen Sie sicher nicht<br />

ganz verkehrt. Auch dies ist eine Art<br />

Zertifizierung, die zeigt, wie weit das<br />

Unternehmen/die <strong>Verwaltung</strong> bei der<br />

Umsetzung von Chancengleichheit bereits<br />

ist.<br />

Heute hat sich das alles ziemlich beruhigt.<br />

Aber die Verfahrensanweisungen gelten<br />

immer noch. Und die Auditoren kommen<br />

weiterhin in die Unternehmen.<br />

Erreicht wurde, die Abläufe und<br />

Entscheidungen in einem Unternehmen,<br />

unter einem anderen Blickwinkel zu<br />

betrachten, bzw. der Vorstand, die<br />

Geschäftsführung war gezwungen, sich<br />

damit überhaupt zu beschäftigen. Diese<br />

Verantwortung war nicht delegierbar.<br />

Dieses Beispiel zeigt auch, dass strukturelle<br />

und organisatorische Veränderungen,<br />

egal aus welchen Gründen sie<br />

notwendig sind und aus »welcher Ecke«<br />

sie kommen, generell auf Widerstand<br />

stoßen.<br />

Das Gender Mainstreaming Prinzip kann<br />

ähnliches leisten, wie das ISO-Audit.<br />

Dadurch können strukturelle Veränderungsprozesse<br />

eingeleitet und Organisationen<br />

verändert/modernisiert werden.<br />

Und es wird ähnliche Widerstände geben,<br />

gegen die wir gute Argumente und<br />

Verbündete parat haben sollten.<br />

Liebe Gleichstellungsbeauftragten, stellen<br />

Sie sich vor, Ihr Lottoschein zeigt am<br />

Samstag 6 Richtige. Sie können also frei<br />

entscheiden, ob Sie Montag wieder an<br />

Ihrem Platz sitzen wollen. Eigentlich<br />

arbeiten Sie ja gern, ist da nicht noch so<br />

ein kleiner Lebenstraum, den Sie sich und<br />

Ihrer Familie jetzt endlich erfüllen<br />

könnten? Sie entscheiden also, ein<br />

Sabbat-Jahr zu nehmen. Ihr Arbeitgeber


ist großzügig und stellt Sie frei. Eine<br />

Nachfolgerin gibt es in unserem Beispiel<br />

nicht.<br />

Was glauben Sie ist, in dem einen Jahr<br />

passiert? Wie sieht es in Ihrem<br />

Unternehmen aus, wenn Sie zurück<br />

kommen?<br />

Sicher ist Ihr Schreibtisch noch da und die<br />

eine oder andere Mitarbeiterin kann sich<br />

noch an Projekte erinnern, die Sie<br />

gemeinsam durchgezogen haben. Auch<br />

der Vorstand erinnert sich vage an Sie.<br />

Aber viel passiert ist nicht.<br />

Fast alles, was Sie angeschoben haben ist<br />

eingeschlafen oder auf dem Stand von<br />

vor zwölf Monaten geblieben. Neue<br />

Projekte gab es nicht, auch der Anteil von<br />

Frauen in Führungspositionen hat sich<br />

nicht weiter erhöht.<br />

Glauben Sie, ich übertreibe?<br />

Denn Sie als die Verantwortliche <strong>für</strong><br />

Frauenfragen sind ja nicht da gewesen.<br />

Ihre Energie, Ihre Ideen und Projekte, Ihr<br />

ständiges Drängen und Ihre Präsenz hat<br />

bisher den Fortschritt bewirkt.<br />

Sie sind der Esel, der den Karren zog.<br />

Würde Ihr Unternehmen, ihre <strong>Verwaltung</strong><br />

nach dem Gender Mainstreaming Prinzip<br />

arbeiten, würde aus dem Karren eines der<br />

ersten Automobile werden.<br />

Da das Prinzip Gender Mainstreaming im<br />

Unternehmen verankert ist, würde auch in<br />

Ihrer Abwesenheit das Thema Chancengleichheit<br />

weiter verfolgt.<br />

Geschäftsführung, Personalabteilung,<br />

Marketing, Controlling, alle Abteilungen<br />

würden ihre Pläne unter dem<br />

Gesichtspunkt »Auswirkung auf die<br />

Betroffenen« abwägen. Sie wären nur<br />

eine von zahlreichen Expertinnen und<br />

Experten, die sich mit dem Thema<br />

befassen. Damit umfasst Gender<br />

Mainstreaming alles das, was Sie und ich<br />

in unserem Arbeitsalltag bereits leisten.<br />

Hinzu kommen muss aber, dass auch<br />

andere Abteilungen künftig zu mehr<br />

Chancengerechtigkeit beitragen werden.<br />

Das heißt also nicht, das unsere Arbeit<br />

wertlos ist, im Gegenteil. Wir sind so<br />

etwas wie eine Feuerwehr, die schnell<br />

eingreifen und gezielt löschen kann.<br />

Wir alle wissen, dass die wenigsten<br />

Unternehmen und <strong>Verwaltung</strong>en nach<br />

diesem Prinzip arbeiten. Denn nach wie<br />

vor verstehen die meisten Männer unter<br />

Chancengleichheit vor allem gezielte<br />

Frauenförderung.<br />

Für mich ist das zwar nach wie vor<br />

notwendig. Mich stört aber immer der<br />

Unterton des Defizitären. Frauen müssen<br />

extra gefördert werden. Müssen sie nicht.<br />

Müssen sie nur, wenn männliches<br />

Verhalten das Maß aller Dinge ist. Das ist<br />

in aller Regel so und uns allen fällt es<br />

schwer, sich davon zu lösen. Sprache,<br />

Erziehung, Kultur sind entsprechend<br />

geprägt. Doch auch hier zeigen sich erste<br />

Veränderungen. Denken Sie nur an die vor<br />

Selbstbewusstsein strotzenden jungen<br />

Studentinnen oder Berufsanfängerinnen.<br />

Nur bei den Berufsanfängern sind zur Zeit<br />

kaum Einkommensunterschiede zwischen<br />

Männern und Frauen zu finden. In der<br />

Altersgruppe 21 und 27 Jahre haben die<br />

Frauen bereits aufgeholt. 10 Jahre später<br />

hat sich das leider wieder zu Ungunsten<br />

der Frauen verschoben. (Quelle: Prof.<br />

Sonja Bischoff, kontorAbend)<br />

Es fallen mir übrigens nur wenige<br />

Beispiele ein, bei denen Frauen den<br />

Maßstab liefern. Wie wäre es mit dem<br />

Thema Kinderbetreuung? Männer haben<br />

es doch schwer, sich als »gute« Väter zu<br />

beweisen.<br />

Auch aus folgendem Grund ist Gender<br />

Mainstreaming <strong>für</strong> mich so attraktiv. Geht<br />

es doch darum, die Verschiedenartigkeit<br />

nicht nur zuzulassen, sondern auch als<br />

Wert anzuerkennen. In diese Richtung<br />

geht auch ein weiteres Schlagwort, das<br />

uns immer öfter begegnet: managing<br />

diversity, die Vielfalt hegen und pflegen.<br />

Meine Freundin Heli Ihlefeld-<br />

Bolesch war die erste Frauenbeauftragte<br />

der deutschen<br />

Telekom. Für ihre Arbeit hat sie<br />

übrigens das Bundesverdienstkreuz<br />

bekommen. Sie erzählte mir, dass<br />

sie zu Beginn ihrer Tätigkeit immer wieder<br />

gefragt wurde: »Sind sie auch <strong>für</strong><br />

Männer zuständig?«<br />

Als Frauenbeauftragte wohl eher nicht, als<br />

Gender Mainstreaming Expertin sicher ja.<br />

In der Perspektive des Gender Mainstreaming<br />

werden beide Geschlechter<br />

beachtet. Damit kann Gender Mainstreaming<br />

auch »Männerförderung« sein.<br />

Es wird Ihnen sicher auch bereits aufgefallen<br />

sein, dass sich auch immer mehr<br />

Männer auf die Seiten der Frauen-<br />

11


12<br />

beauftragten »verirren«. In zunehmendem<br />

Maße entdecken Männer das Thema<br />

»Vereinbarkeit von Familie und Beruf«.<br />

Dass sie solche Themen in der Rubrik<br />

»Frauenförderung« finden, trägt sicher<br />

nicht dazu bei, derartige Maßnahmen <strong>für</strong><br />

mehr Männer attraktiv zu machen. Damit<br />

es künftig noch mehr werden, kann es<br />

sehr nützlich sein, wenn wir jetzt auch<br />

eine Seite »Gender Mainstreaming«<br />

einrichten.<br />

Für mich gibt es bereits zahlreiche<br />

Indizien da<strong>für</strong>, dass ein Umdenkungsprozess<br />

im Gang ist. Und dass es sich<br />

daher <strong>für</strong> die Unternehmen lohnen wird,<br />

wenn sie ihre Unternehmenspolitik an<br />

dem Prinzip des Gender Mainstreaming<br />

auszurichten.<br />

Wie könnte das in der Praxis<br />

aussehen?<br />

Folgende Handlungsfelder sieht die kürzlich<br />

zwischen Bundesregierung und den<br />

Spitzenverbänden der Deutschen<br />

Wirtschaft getroffene Vereinbarung zur<br />

Förderung der Chancengleichheit in der<br />

Privatwirtschaft vor:<br />

Falls Sie in der öffentlichen <strong>Verwaltung</strong>,<br />

in den Kommunen, Betrieben des<br />

Bundes oder an einer Hochschule tätig<br />

sind, haben Sie einen kleinen Vorteil, gilt<br />

<strong>für</strong> Sie doch das gerade verabschiedete<br />

Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz.<br />

Durch aktive betriebliche Fördermaßnahmen<br />

sollen die Ausbildungsperspektiven,<br />

die beruflichen Chancen von<br />

Frauen als auch die Vereinbarkeit von<br />

Familie und Beruf <strong>für</strong> Mütter und Väter<br />

nachhaltig verbessert werden.<br />

Bundesregierung und Wirtschaftsverbände<br />

sind sich einig, dass dazu auch<br />

eine flächendeckende Kinderbetreuung<br />

und ein bedarfsgerechtes Angebot an<br />

Ganztagschulen notwendig sein wird.<br />

Laut dieser Vereinbarung sollten<br />

sich Unternehmen verbindlich<br />

zum Ziel der Chancengleichheit<br />

bekennen und dies auch<br />

kommunizieren. Die unterschiedlichen<br />

Auswirkungen<br />

unternehmerischer Tätigkeit<br />

auf Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter sollen berücksichtigt<br />

werden. Kommt Ihnen<br />

das auch bekannt vor?<br />

Der Frauenanteil in<br />

Führungspositionen soll erhöht<br />

werden, attraktive Angebote<br />

zur Gestaltung der Familienphase <strong>für</strong><br />

Männer und Frauen entwickelt werden,<br />

Wiedereingliederungsprogramme<br />

vorhanden sein.<br />

Insgesamt also Punkte, denen wir<br />

bedenkenlos zustimmen können. Einen<br />

weiteren Baustein würde ich gern hinzufügen,<br />

und das wäre das Thema<br />

»Entlohnung«. Die folgende Rednerin hat<br />

dazu sicher Einiges zu sagen.<br />

Bis sich ein Unternehmen verbindlich zum<br />

Thema Chancengleichheit bekennt, wird<br />

es eine Zeitlang dauern. Personalpolitik<br />

unter Gender Mainstreaming-Gesichtspunkten<br />

kann sinnvolle Vorarbeit leisten.<br />

Denn in dieser Abteilung können<br />

Grundlagen gelegt und Weichen <strong>für</strong> die<br />

Zukunft gestellt werden.<br />

Einige Beispiele aus der Praxis:<br />

Rekrutierung von Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeitern. Großen Staub aufgewirbelt<br />

haben im Sommer zwei Mitarbeiterinnen<br />

eines süddeutschen Automobil-Konzerns.<br />

Das Unternehmen hat sich öffentlich dazu<br />

bekannt, den Anteil von Frauen in<br />

Führungspositionen zu erhöhen. Aufgabe<br />

der Personalbeschaffung ist es, geeignete<br />

Frauen zu finden. Anhand der vorliegenden<br />

Daten stellten die beiden fest, über<br />

herkömmliche Verfahren wie Anzeigen, ist<br />

das nicht zu machen.<br />

Ein gutes Beispiel <strong>für</strong> eine noch intakte<br />

Monokultur, die sicher bald an Langeweile<br />

und mangelnder Kreativität eingehen<br />

wird, ist die Kölner Bonding-Messe. Auf<br />

dieser Rekrutierungs-Messe tummeln sich<br />

überwiegend männliche Bewerber. Kein<br />

Wunder, ist das Konzept doch von überwiegend<br />

männlichen Personalern erarbeitet<br />

worden. Es stehen überwiegend<br />

männliche Mitarbeiter auf den Ständen,<br />

gehen überwiegend Schlipsträger durch<br />

die Hallen.


Die dringend gesuchten Hochschulabsolventinnen<br />

mussten anders angesprochen<br />

werden. Sie schlugen also vor, einen<br />

Recruiting-Event nur <strong>für</strong> Studentinnen zu<br />

organisieren. Vorher hatten sie sich an<br />

uns gewandt, um sich zu vergewissern,<br />

ob ihr Vorhaben in die Zeit passt, ob so<br />

etwas überhaupt machbar sei.<br />

Die ersten Widerstände kamen aus den<br />

eigenen Reihen. Benachteiligen wir dann<br />

nicht die jungen Männer? Wir sind doch<br />

<strong>für</strong> die Gleichberechtigung!<br />

Auch die mit der Werbung <strong>für</strong> die<br />

Veranstaltung betraute Agentur tat sich<br />

schwer. Wie solle man denn diese Frauen<br />

ansprechen? Wie seien die denn so drauf?<br />

Entstanden ist eine wunderschöne<br />

Kampagne mit einem gelungenen Motiv<br />

und einer super Veranstaltung.<br />

Teilgenommen hatte auch der Personalvorstand.<br />

Ich konnte richtig spüren, wie<br />

sehr er von der geballten Ladung<br />

Kompetenz und Selbstbewusstsein der<br />

Frauen beeindruckt war.<br />

Ihm wurde schlagartig deutlich, dass die<br />

Zielvereinbarung des Konzerns, den<br />

Frauenanteil an der Belegschaft von<br />

derzeit 11,5 % auf etwa 15 % bis 2005 zu<br />

erhöhen auch erreicht werden kann. Jedes<br />

Jahr ein Prozent, das ist auf den ersten<br />

Blick nicht viel. Schafft es aber ein<br />

Großteil der jungen Frauen, bis in die<br />

oberen Führungsetagen voran zu kommen,<br />

ist das doch sehr erfreulich!<br />

Und wenn sich nur ein Fünftel der<br />

Teilnehmerinnen <strong>für</strong> eine Karriere in dem<br />

Unternehmen entscheidet, so hat sich die<br />

Investition allemal gelohnt.<br />

Nicht unterschätzen darf man dabei die<br />

Mund-zu-Mund-Propaganda. Auch starten<br />

die jungen Frauen mit einem ganz<br />

anderen Verhältnis zu ihrem neuen<br />

Arbeitgeber.<br />

Sie fragen sich, was das mit Gender<br />

Mainstreaming zu tun hat?<br />

Die beiden hatten die üblichen Rekrutierungsverfahren<br />

daraufhin analysiert, ob<br />

sie nur scheinbar neutral sind oder vielleicht<br />

doch geeignet sind, ein Geschlecht<br />

diskriminieren.<br />

Und über diesen Event haben die beiden<br />

Mitarbeiterinnen es geschafft, bei den<br />

Personalverantwortlichen Bewusstsein<br />

da<strong>für</strong> zu wecken, dass die bisherigen<br />

Verfahren unvollständig sind. Natürlich<br />

war die Veranstaltung auch gleichzeitig<br />

eine Frauenfördermaßnahme. Aber<br />

dadurch, dass die beiden Frauen an ihrem<br />

Vorhaben sehr viele unterschiedliche<br />

Bereiche Werbung, Marketing, die<br />

Bereiche, die einstellen wollen, PE,<br />

Controlling, beteiligt haben, haben sie<br />

mehr erreicht, als eine einmalige<br />

Frauenfördermaßnahme zu initiieren.<br />

Sicher ist so etwas nicht in jedem<br />

Unternehmen zu machen. Aber ein wenig<br />

mehr Sensibilität bei der Ansprache der<br />

Zielgruppe wünsche ich mir sehr. Auch<br />

könnten dadurch sicher einiges an Kosten<br />

gespart werden.<br />

Beispiel: Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Familie, eines meiner Lieblingsthemen.<br />

Besonders dieses Thema bietet sehr leicht<br />

die Gefahr, in bestimmte stereotype Bilder<br />

zu verfallen: Männer sind an Karriere<br />

interessiert, Frauen vorwiegend familiär<br />

orientiert.<br />

Das wäre zu einfach. Es geht nicht um<br />

Männer oder Frauen, es geht um weibliche<br />

und männliche Beschäftigte des<br />

Unternehmens. Und <strong>für</strong> diese Gruppen<br />

werden differenzierte Daten benötigt.<br />

Mehrere Untersuchungen zeigen, dass<br />

diese Stereotype nicht mehr stimmen. Das<br />

Gros der Beschäftigten, Männer und<br />

Frauen, ist an einer flexiblen Arbeitszeitregelung<br />

interessiert. Vor allem Männer<br />

sind bereit, täglich mehr zu arbeiten,<br />

wenn sie Einfluss auf die Verteilung der<br />

Arbeitszeit nehmen können. Männer<br />

wollen ihre Arbeitszeit also nicht unbedingt<br />

reduzieren, sonder aktiv gestalten.<br />

Gleichzeitig wächst unter jungen, gut ausgebildeten<br />

Männern die Bereitschaft,<br />

zumindest zeitweise in Teilzeit zu arbeiten.<br />

Noch ist die Angst vor dem Verlust<br />

von Macht und Anerkennung, vor einem<br />

möglichen Karriereknick sehr groß. Auch<br />

fehlen die positiven Vorbilder. Dazu habe<br />

ich vor kurzem folgendes erlebt:<br />

Im Rahmen der Auftaktveranstaltung <strong>für</strong><br />

ein Mentoring-Projekt ist es üblich, dass<br />

die Mentees kurz schildern, was sie von<br />

ihrem Mentor erwarten. Ein junger Mann,<br />

in der Revision tätig, hoch qualifiziert und<br />

bereits sehr gut angesehen, steht auf und<br />

verkündet, er würde gern von seinem<br />

Mentor lernen, wie er Beruf und Familie<br />

unter einen Hut bekommen kann. Er sei<br />

zur Zeit sehr oft unterwegs, sein kleiner<br />

Sohn würde ich kaum kennen. Das fände<br />

er sehr schade und würde diese Situation<br />

gern ändern. Sie können sich sicher das<br />

»andächtige« Schweigen der versammelten<br />

Führungskräfte vorstellen. Vor<br />

deren Augen muss sich ein echtes<br />

Problem aufgetan haben, denn den jun-<br />

13


14<br />

gen Mann wollen alle unbedingt behalten,<br />

denn alle schätzen seine Kompetenz.<br />

Kolleginnen aus großen Unternehmen<br />

bestätigen mir, dass vor allem jüngere<br />

Männer mehr Wert auf familienfreundlichere<br />

Arbeitszeiten legen. Es gibt auch<br />

vereinzelte »Teilzeit-Männer«. In dem<br />

Maße, in dem es gelingt, mehr Männer <strong>für</strong><br />

Teilzeit-Tätigkeiten zu gewinnen, wird<br />

diese Arbeitsform zunehmend attraktiver<br />

werden. Und sicher auch besser ausgestattet<br />

werden.<br />

Die Kollegin von Daimler-Chrysler<br />

berichtete mir neulich, dass es in ihrem<br />

Haus inzwischen möglich sei, auch als<br />

Teilzeitkraft beruflich voran zu kommen<br />

und sich in verantwortungsvolle<br />

Positionen zu entwickeln.<br />

Es gibt heute sehr viele Frauen, die an<br />

einer Berufstätigkeit interessiert sind,<br />

da<strong>für</strong> aber andere Lebensziele nicht<br />

aufgeben wollen.<br />

Damit wächst der Anteil derjenigen<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die flexibel<br />

arbeiten wollen. Und das sind gerade<br />

die gut ausgebildeten, kreativen, offenen<br />

Talente, an denen Unternehmen so brennend<br />

interessiert sind.<br />

Also müssen sich Personalverantwortliche,<br />

Gleichstellungsbeauftragte,<br />

Werksleiter, DV-Beauftragte, Betriebsoder<br />

Personalräte usw. an einen Tisch<br />

setzen und sich Gedanken über flexible<br />

Arbeitszeitmodelle machen. Sie müssen<br />

ihren jeweiligen Sachverstand einbringen<br />

und nicht nur prüfen, was kostet uns das,<br />

sondern auch: wer profitiert davon, wie<br />

wirken sich diese Maßnahmen auf die<br />

beschäftigten Frauen und Männer aus. Es<br />

reicht aber nicht, mit gutem Sachverstand<br />

guten Lösungen zu entwickeln. Diese<br />

müssen auch in der Organisation kommuniziert<br />

werden. Besonders die »Ewig-<br />

Gestrigen« müssen ins Boot geholt werden<br />

und wissen, welche Vorteile flexible<br />

Arbeitszeiten bringen können. Ich nenne<br />

da nur den Abbau von Überstunden, kundenfreundliche<br />

Öffnungszeiten oder den<br />

Ausgleich saisonaler Schwankungen.<br />

Gender Mainstreaming-Gesichtspunkte<br />

helfen uns, zu differenzieren und Frauen<br />

und Männer nicht als jeweils homogene<br />

Gruppe zu betrachten.<br />

In einem Unternehmen, das ich im<br />

Rahmen eines Mentoring-Programms<br />

betreue, haben sich einige der männlichen<br />

Mentoren die Frage gestellt, ob ihnen<br />

nicht die Balance zwischen Beruf und<br />

Familie fehlt. Der offene und intensive<br />

Dialog mit ihrer weiblichen Mentee hat sie<br />

dazu gebracht, ihr Berufsleben Revue<br />

passieren zu lassen. Dabei sind wohl auch<br />

Versäumnisse deutlich geworden. Ich bin<br />

sicher, einige der Herren haben jetzt ein<br />

wenig mehr Verständnis da<strong>für</strong>, wenn<br />

Frauen sich verschiedene Ziele setzten<br />

und ihre Prioritäten nicht nur auf den<br />

Beruf legen. Vielleicht ist ihnen, den<br />

Mentoren, deutlich geworden, dass es<br />

auch in ihrem Leben verschiedene<br />

Optionen geben könnte.<br />

Nächstes Beispiel: Personalentwicklung<br />

Bisher ist es meistens so, dass die wenigen<br />

Frauen, die im Unternehmen arbeiten,<br />

zu wenig Marketing in eigener Sache<br />

betreiben.<br />

Das gilt übrigens ganz besonders auch <strong>für</strong><br />

die Gleichstellungsbeauftragten! Oder wie<br />

sieht Ihre Marketing-Strategie aus? Was<br />

tun Sie, damit Ihre Leistungen gesehen<br />

und angemessen honoriert werden?<br />

Die meisten Unternehmen können daher<br />

ihre Potenzialträgerinnen nicht benennen.<br />

Es fällt ihnen viel leichter, Männer zu<br />

nominieren. Unter anderem liegt das auch<br />

daran, dass die meisten Personalentwickler<br />

m/w, schlechte »Zulieferer« haben,<br />

d.h. ihnen werden viele Frauen gar nicht<br />

erst empfohlen.<br />

Die Personalverantwortlichen in den<br />

Fachabteilungen, in der Regel heute noch<br />

männlich, verfügen über wenig Sensibilität<br />

<strong>für</strong> weibliche Aufstiegsorientierung.<br />

Sie sehen quasi nur mit einem Auge.<br />

Darauf angesprochen, verstehen sie gar<br />

nicht, dass sie jemanden benachteiligen.<br />

Im Gegenteil, sie denken im Sinne des<br />

Unternehmens zu handeln. Denn Frauen<br />

seien ja überwiegend familienorientiert,<br />

würden auf Grund von Familienphasen<br />

»ausfallen« etc.<br />

Hier hilft nur ständiges Aufklären. Es ist ja<br />

heute nicht unbedingt mehr sicher, dass<br />

ein junger Mann im Unternehmen bleibt.<br />

Kein Personaler rechnet aus, welche<br />

Kosten entstanden sind, wenn einer der<br />

sorgfältig qualifizierten Männer nach<br />

wenigen Jahren zum Mitbewerber wechselt.<br />

Geht eine Frau in den Erziehungsurlaub,<br />

war es eine Fehlinvestition. (Und<br />

die Gleichstellungsbeauftragte bekommt<br />

dann immer zuhören: Das haben wir doch<br />

vorher gewusst!)<br />

Wir müssen mehr positive Vorbilder<br />

schaffen und den jeweiligen Fachvor-


gesetzten erklären, welchen Nutzen sie<br />

davon haben, Frauen einzustellen und zu<br />

fördern. Natürlich muss die Förderung<br />

von Frauen in die Zielvereinbarung<br />

aufgenommen nehmen. Erst dann zählt<br />

sie etwas. Wenn ich dann im Unternehmen<br />

bin, um den Fachabteilungen bei<br />

der Potenzialermittlung »zu helfen«,<br />

kommen wir zu »überraschenden«<br />

Ergebnissen. Überrascht sind die<br />

Vorgesetzten darüber, dass sie so viele<br />

qualifizierte und karriereorientierte<br />

Frauen in ihrer Abteilung haben. Sind<br />

diese Frauen erst einmal sichtbar, klappt<br />

es auch mit der Personalentwicklung!<br />

Gerade gestern sagte der Vorstand einer<br />

namhaften Bank zu mir: »Wir haben ja<br />

wirklich gute Frauen an Bord!«<br />

Oft werde ich darauf angesprochen, ob es<br />

nicht auch sinnvoll sei, Maßnahmen <strong>für</strong><br />

männliche Führungskräfte zu entwickeln.<br />

Vorhaben die geeignet sind, das Bewusstsein<br />

zu verändern oder Maßnahmen, die<br />

am eigenen Portemonnaie zu spüren sind,<br />

haben oft guten Erfolg.<br />

Ich setze auf die persönliche Ansprache.<br />

Das bedeutet <strong>für</strong> Sie: Finden Sie heraus,<br />

welchen Nutzen die Führungskraft, der<br />

Bürgermeister, der Minister von Ihrem<br />

Vorhaben haben könnte. Und darauf<br />

sprechen Sie ihn immer wieder an. Erst<br />

dann werden Sie Erfolg haben.<br />

In der Wirtschaft haben sich auch<br />

Zielvereinbarungen bewährt. Danach<br />

arbeiten Manager gern. Steht da drin, der<br />

Anteil von Frauen in Führungspositionen<br />

ist bis 2005 um 2 % zu erhöhen, wissen<br />

sie, was auf sie zukommt und woran sie<br />

gemessen werden. Gelingt es ihnen nicht,<br />

das Ziel zu erreichen, hat das monetäre<br />

Auswirkungen.<br />

In die Zielvereinbarungen bekommen Sie<br />

das Thema Chancengerechtigkeit leichter,<br />

wenn im Vorstand, also an der Spitze Ihrer<br />

Organisation ein gewisses Bewusstsein<br />

da<strong>für</strong> vorhanden ist.<br />

In der Privatwirtschaft funktioniert das nur<br />

über die Einsicht in die ökonomische<br />

Notwendigkeit. Denn das Unternehmen<br />

wird ja daran gemessen, wie erfolgreich<br />

es am Markt agiert.<br />

Erste Früchte eines Bewusstseinswandels<br />

zeigen sich bei jüngeren Männern.<br />

Manchmal können auch sogenannte<br />

Gender-Trainings Denkanstöße geben. Die<br />

Deutsche<br />

Telekom hat<br />

vor etwa drei<br />

Jahren das<br />

Projekt »Fair bringt mehr« angestoßen.<br />

Entstanden ist ein Film mit<br />

Begleithandbuch, der die unterschiedliche<br />

Behandlung von Frauen und Männern am<br />

Arbeitsplatz deutlich macht. Die einzelnen<br />

Szenen wurden von professionellen<br />

Schauspielern gestellt, das Drehbuch<br />

schrieb eine externe Beratungsgesellschaft.<br />

Film und Handbuch waren auch<br />

außerhalb der Telekom sehr erfolgreich.<br />

Wagen Sie sich aber erst an derartige<br />

Projekte, wenn Sie einen ausreichende<br />

Etat zur Verfügung haben. Gute Gender-<br />

Trainings sind selten. Schlechte führen<br />

nur dazu, die althergebrachten Meinungen<br />

zu zementieren.<br />

Fair bringt mehr<br />

Um den Anteil von Frauen in Fach- und<br />

Führungspositionen zu erhöhen, empfehle<br />

ich verschiedene Maßnahmen. Ganz<br />

wichtig ist es, positive Vorbilder zu<br />

schaffen. Erst wenn Frauen sehen, dass<br />

es anderen Frauen gelungen ist, weiter zu<br />

kommen, fassen sie Mut. Vorbilder sind<br />

<strong>für</strong> mich nicht nur die immer in der Presse<br />

genannten Alibi-Frauen. Sondern auch die<br />

vielen Frauen, die bereits den Sprung ins<br />

mittlere Management geschafft haben<br />

und weiter wollen.<br />

Damit andere, nachkommende Frauen<br />

von deren Erfahrungen profitieren,<br />

15


16<br />

Mentoring<br />

müssen Frauen ihre eigenen Netzwerke<br />

aufbauen. Netzwerke sind wunderbar<br />

geeignet, Isolation und Exotinnen-Tun<br />

vorzubeugen. Ich bin seit Jahren überzeugte<br />

Netzwerkerin und habe meine<br />

besten Kontakte und Ideen über Netzwerke<br />

bekommen.<br />

Auch als Gender-Expertin brauchen Sie<br />

funktionierende Netzwerke, von denen Sie<br />

Informationen und Unterstützung bekommen<br />

können.<br />

Mentoring ist auch eine wunderbare<br />

Maßnahme, um mehr Frauen in die<br />

Führungspositionen zu bekommen. Seit<br />

über vier Jahren betreue ich Mentees aus<br />

den unterschiedlichsten Branchen. Wenn<br />

ich sehe, was aus den ehemaligen<br />

Mentees alles so geworden ist, macht mir<br />

das so richtig Freude. Mentoring hat vielen<br />

eine Tür geöffnet, hindurchgegangen<br />

sind sie aber ganz allein.<br />

Gender Mainstreaming im Personalbereich<br />

bedeutet <strong>für</strong> mich, auch ein Auge<br />

auf die vielen Frauen im Unternehmen, in<br />

der <strong>Verwaltung</strong> zu haben, die nicht in eine<br />

Fach- oder Führungsposition aufsteigen<br />

möchten. Die Mitarbeiterin in der Kantine,<br />

in der Datenverarbeitung, das Reinigungs-<br />

personal, die Sekretärinnen und<br />

Assistentinnen, auch sie wollen ihren<br />

Fähigkeiten und Neigungen entsprechend<br />

eingesetzt sein. Auch <strong>für</strong> sie gilt es, optimal<br />

eingerichtete Arbeitsplätze und<br />

Arbeitszeiten zu schaffen.<br />

Drei Dinge möchte ich Ihnen zum<br />

Abschluss <strong>für</strong> Ihre künftige »Gender-<br />

Arbeit« mitgeben:<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

Lernen Sie, strategisch zu denken und<br />

zu handeln. Gender Mainstreaming<br />

bietet Ihnen eine Handlungsanweisung,<br />

der Sie folgen können, um das<br />

Thema möglichst breit und sicher in<br />

Ihrer Organisation zu verankern.<br />

Prüfen Sie, ob Sie auch genügend <strong>für</strong><br />

Ihr eigenes Marketing tun. Setzen Sie<br />

nicht alles daran, sich selbst überflüssig<br />

zu machen! Profilieren Sie sich als<br />

Expertin, die zum Wohl des<br />

Unternehmens/der <strong>Verwaltung</strong>/der<br />

Hochschule beiträgt, in dem sie <strong>für</strong><br />

mehr Chancengleichheit sorgt.<br />

Suchen Sie sich Verbündete. Helfen<br />

Sie anderen dabei, mit dem<br />

Engagement <strong>für</strong> Chancengleichheit<br />

groß rauszukommen. Davon profitieren<br />

auch Sie automatisch.<br />

Argumentieren Sie über den Nutzen,<br />

den Ihre Partner davon haben werden,<br />

wenn sie Ihren Ideen folgen. Geben<br />

Sie auch Verantwortung ab. Es sind<br />

sicher auch noch andere bereit, sich zu<br />

engagieren, sie müssen nur wissen,<br />

warum sie das tun sollten.<br />

Ich wünsche Ihnen »erfolgreiches<br />

Gendern«!


Kampagne zur Aufwertung von<br />

Frauentätigkeiten »Diskriminierungsfreie<br />

Bewertung von (Dienstleitungs-)Arbeit«<br />

Petra Ganser,<br />

ver.di-<br />

Bundesvorstand<br />

Ressort 13<br />

Tarifpolitik<br />

öffentlicher Dienst<br />

Referat Frauentarifpolitik/Gender<br />

Mainstreaming<br />

Noch nie haben Frauen in diesem Land<br />

ein so hohes Bildungsniveau gehabt, wie<br />

am Ende des 20. Jahrhunderts und doch<br />

können sie damit weniger erreichen als<br />

gleichwertig qualifizierte Männer.<br />

Schaut man ins Topmanagement deutscher<br />

Unternehmen, so liegt der Frauenanteil<br />

dort bei 6 %. Frauen arbeiten eher<br />

in Bereichen, in denen es keine oder nur<br />

geringe Aufstiegsmöglichkeiten gibt.<br />

In der betrieblichen Hierarchie werden<br />

Frauen häufig – selbst bei gleicher<br />

Qualifikation – deutlich niedriger eingestuft<br />

als Männer (Studie Uni Hohenheim).<br />

EU-weit verdienen Frauen durchschnittlich<br />

noch immer rund 20 % weniger als<br />

Männer. In der Bundesrepublik<br />

Deutschland ist die Kluft noch größer. Hier<br />

liegt sie bei rund 25 %.<br />

Dies ist auch damit nicht zu erklären, dass<br />

rund 76 % aller erwerbstätigen Frauen im<br />

Dienstleistungssektor beschäftigt sind, z.B.<br />

Gesundheitsberufe, sozialpflegerische<br />

Berufe oder Kauffrauen (Einzelhandelskauffrau,<br />

Industriekauffrau, Bankkauffrau,<br />

Hotelkauffrau), der schon von Haus aus<br />

ein geringeres Lohnniveau hat.<br />

Auch im öffentlichen Dienst besteht eine<br />

Lohndifferenz zwischen Männern und<br />

Frauen.<br />

Allerdings nicht dadurch bedingt, dass tatsächlich<br />

gleiche Arbeit unterschiedlich<br />

bezahlt wird. 1<br />

Vielmehr existiert in unseren Vergütungssystemen<br />

der vom Europäischen<br />

Gerichtshof (EuGH) als »mittelbare<br />

Diskriminierung« bezeichnete<br />

Unrechtssachverhalt. Das heißt, dass<br />

gleichwertige Arbeit nicht gleich bezahlt<br />

wird.<br />

Wie wir wissen, werden den<br />

Geschlechtern spezifische Kompetenzen<br />

zugeschrieben:<br />

So werden Frauen allgemein<br />

als besonders »familienkompetent«<br />

angesehen, d.h. der<br />

(private) »Familienraum« gilt<br />

folglich als weiblich.<br />

Männern wird vor allem<br />

Technik- und<br />

Politikkompetenz nachgesagt.<br />

Diese gesellschaftlichen<br />

Bereiche gelten daher als<br />

männlich.<br />

Diese Zuordnung ist keinesfalls statisch –<br />

was heute männlich ist, kann morgen<br />

schon weiblich sein. So galt beispielsweise<br />

im Druckergewerbe lange Zeit die<br />

Tätigkeit des Setzers als männliche<br />

Tätigkeit. Dies wurde mit dem hohen<br />

Gewicht der Satzkästen begründet.<br />

Mit dem Einzug des Computers und damit<br />

des Fotosatzes in diesen Bereich entfiel<br />

die vorgenannte Begründung – und damit<br />

der Ausschluss von Frauen in dieser<br />

Tätigkeit. Heute arbeiten viele Frauen in<br />

diesem Bereich als Mediengestalterin.<br />

Die Frage nach gleichwertiger Arbeit ist<br />

eben nicht nur ein tarifpolitisches Thema,<br />

sondern steht auch im unmittelbaren<br />

Zusammenhang mit der gesellschaftlichen<br />

Bewertung einer Tätigkeit und spiegelt<br />

sich somit dann in der Folge auch in den<br />

bestehenden Tarifwerken wider.<br />

Von daher glaube ich, wird es erforderlich<br />

sein, eine ehrliche gesellschaftliche<br />

Debatte über die Lohngleichheit zwischen<br />

den Geschlechtern voranzutreiben.<br />

Denn 25 Prozent weniger Einkommen <strong>für</strong><br />

Frauen bedeuten auch 25 Prozent weniger<br />

Chancengleichheit.<br />

Einer kürzlich vorgelegten Untersuchung<br />

zufolge, fühlen sich 80 % der jungen Väter<br />

durch die Existenz eines Kindes – Zitat:<br />

»in keiner Weise beruflich oder sonst wie<br />

eingeschränkt«.<br />

17


18<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

Für fast den gleichen Prozentsatz der<br />

Frauen bedeuten Kinder den mutmaßlich<br />

nur vorübergehenden Ausstieg aus dem<br />

Job.<br />

Und das, obwohl ebenfalls 80 % der<br />

Frauen das Leben einer erwerbstätigen<br />

Frau dem der Hausfrau vorzögen.<br />

Hierzu ein paar Zahlen aus der<br />

Bundesrepublik:<br />

Frauen leisten ca. 35 Stunden unbezahlte<br />

Arbeit und 15 Stunden bezahlte Arbeit.<br />

Männer leisten ca. 20 Stunden unbezahlte<br />

Arbeit und 30 Stunden bezahlte Arbeit.<br />

Frauen verbringen etwa zwei Drittel ihres<br />

gesamten Arbeitslebens in der privaten<br />

Arbeit, Männer aber nur ein Drittel.<br />

bezahlt<br />

unbezahlt<br />

Die Folge ist, dass der sogenannte doppelte<br />

Lebensentwurf (Beruf und Familie)<br />

<strong>für</strong> Frauen unter den derzeitigen<br />

Bedingungen meistenteils nur mit<br />

Abstrichen an bezahlter Erwerbsarbeitszeit,<br />

am Entgelt und an der<br />

Arbeitsqualität in der Erwerbsarbeit<br />

durchgesetzt werden kann.<br />

Die gesellschaftliche »Geschlechter«-Ordnung<br />

zeigt, Frauen leisten die notwendigste<br />

Arbeit, die der täglichen und generativen<br />

Reproduktion dient, unbezahlt und<br />

weitgehend privat. Männer sind von<br />

dieser Arbeit freigestellt, um die »übrige«<br />

Arbeit in Form der Erwerbsarbeit zu verrichten.<br />

Gerade in der Lebensphase, in der Kinder<br />

großgezogen werden, werden die wichtigsten<br />

Karrieresprünge im Beruf gemacht.<br />

Frauen werden durch das alte 3-Phasen-<br />

Modell – »arbeiten – Kinder aufziehen –<br />

wieder arbeiten« – so zum lebenslang<br />

ausgebremst.<br />

Das sind nur zwei Aspekte, – die Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf und die<br />

geschlechtsspezifischen Unterschiede im<br />

Bezahlungssystem, – aus der breiten<br />

Palette der Verhältnisse beider Geschlechter,<br />

die deutlich machen: Soziale und kul-<br />

turelle Geschlechterrollen sind historisch<br />

gewachsen, aber politisch gestaltbar.<br />

Dies in Richtung auf Chancengleichheit zu<br />

tun, und zwar so,<br />

g dass alle daran arbeiten müssen,<br />

Chancenungleichheit zwischen den<br />

Geschlechtern zu beseitigen,<br />

g dass Gleichstellung als Querschnittsaufgabe<br />

in allen Politikfeldern und<br />

Ressorts integriert ist,<br />

g sowie alle Maßnahmen und bestehende<br />

Strukturen auf ihre Wirkungen im<br />

Hinblick auf die Chancengleichheit <strong>für</strong><br />

beide Geschlechter zu hinterfragen und<br />

zu gestalten,<br />

ist das Anliegen und Kern von »Gender<br />

Mainstreaming«.<br />

Ver.di hat sich diesem Ansatz in seiner<br />

Satzung verpflichtet. Damit wird zugleich<br />

auch der Tatsache Rechnung<br />

getragen, dass die Einbeziehung von<br />

Gleichstellungsfragen ein Zeichen <strong>für</strong><br />

modernes gesellschafts- und familienbewusstes<br />

Führungshandeln in Unternehmen<br />

und auch <strong>für</strong> modernes<br />

Gewerkschaftshandeln ist.<br />

Unserer Gewerkschaft, die mehr als 50 %<br />

weibliche Mitglieder hat, ist Gender<br />

Mainstreaming eine besondere Verpflichtung.<br />

Aber auch auf den Leitungsebenen<br />

von ver.di – sieht man einmal von der<br />

Zusammensetzung des Bundesvorstandes<br />

ab – kann von einer anteiligen geschlechtlichen<br />

Repräsentation noch keine Rede<br />

sein.<br />

Wie können wir den Gender-Ansatz in<br />

Betrieben und <strong>Verwaltung</strong>en im Hinblick<br />

auf die Vereinbarkeit von Familie und<br />

Beruf umsetzen?<br />

Wie das Thema in unseren Tarifverträgen<br />

aufnehmen – auch in der Durchsetzung<br />

des Prinzips gleicher Lohn <strong>für</strong> gleichwertige<br />

Arbeit?<br />

Hier schlage ich nun die Brücke zur ehemaligen<br />

ÖTV:<br />

Bereits 1998 hat sich der geschäftsführende<br />

Hauptvorstand der Politik des<br />

Gender Mainstreaming verpflichtet. Damit<br />

war ein entscheidender Schritt zur<br />

Verankerung der Strategie des Gender<br />

Mainstreaming in die Gesamtpolitik der<br />

ÖTV geleistet, der mit der Berufung der


ersten Gender-Mainstreaming-Beauftragten<br />

<strong>für</strong> Tarifpolitik unterstrichen wurde.<br />

Die ÖTV war und heute ist ver.di damit<br />

wegweisend <strong>für</strong> die deutsche Gewerkschaftslandschaft:<br />

Der Gender-Ansatz wird<br />

als Querschnittsaufgabe betrachtet.<br />

Zusammen mit einigen skandinavischen<br />

ö.D. Gewerkschaften, die solche<br />

Arbeitsprinzipien bereits zu Beginn der<br />

9Oer Jahre eingeführt hatten, verfolgen<br />

wir das Ziel der Geschlechterdemokratie.<br />

Nun zur Aufwertungsampagne<br />

Anfang der 90er Jahre setzten sich ÖTV-<br />

Frauen erfolgreich da<strong>für</strong> ein, dass die<br />

Qualität sozialer und pflegerischer Arbeit<br />

mehr Anerkennung fand und besser<br />

vergütet wurde. Hier sind beispielhaft die<br />

Aktionen von Pflegekräften sowie<br />

Erzieherinnen zu nennen.<br />

Wichtige Beiträge zur Aufwertung von<br />

Frauenarbeit kamen in dieser Zeit von<br />

hessischen Frauen. Indem sie ihre Arbeit<br />

in den klassischen Frauenberufen des<br />

öffentlichen Dienstes mit eigenen Worten<br />

und aus eigener Erfahrung und Sichtweise<br />

beschrieben, beschritten sie tarifpolitisch<br />

neue Wege (ich weise hierzu auf die<br />

Broschürenreihe »Frauen wollen mehr«<br />

1993 – 1998 hin).<br />

Frauen in Bibliotheken melden sich zu Wort<br />

Schulsekretärinnen melden sich zu Wort<br />

Frauen im Schreibdienst melden sich zu Wort<br />

Sekretärinnen aus psychosozialen Einrichtungen<br />

melden sich zu Wort<br />

Hauswirtschafterinnen melden sich zu Wort<br />

Arbeiterinnen melden sich zu Wort.<br />

Mit der Annahme des frauenpolitischen<br />

Antrages durch den ÖTV-Gewerkschaftstag<br />

1996 (G91) zur Durchführung einer<br />

Kampagne zur »Aufwertung von<br />

Frauenberufen« wurde das Ziel der<br />

gerechten Arbeitsbewertung – eben auch<br />

von Frauentätigkeiten – zum Auftrag an<br />

die Gesamtorganisation. Dies kann als<br />

Quantensprung gewertet werden: Bislang<br />

war die Diskussion um die Aufwertung<br />

von Frauentätigkeiten ausschließlich ein<br />

Thema innerhalb von Frauenstrukturen.<br />

Durch die Beschlusslage, eine Kampagne<br />

dazu aufzugreifen und in den Tarifbereich<br />

zu integrieren, wurde es zum übergreifenden<br />

(frauen)tarifpolitischen Thema.<br />

Ziel der Kampagne ist es, gleiche<br />

Bezahlung von gleichwertiger Arbeit und<br />

damit eine Aufwertung von Frauentätigkeiten<br />

zu erreichen.<br />

Erster Schritt der Aufwertungskampagne<br />

war die Vergabe eines Gutachtens 2 zur<br />

Erforschung von Diskriminierungspotenzialen<br />

in Tarifverträgen am Beispiel<br />

des Bundesangestelltentarifvertrages<br />

(BAT). Der BAT wurde daraufhin überprüft,<br />

ob er den<br />

g EU-Richtlinien (Artikel 141 Amsterdamer<br />

Vertrag)<br />

g der EuGH-Rechtssprechung und<br />

g der Deutschen Gesetzgebung<br />

g Grundgesetz [Artikel 3 Absatz 2 Satz 1<br />

GG] und<br />

g Bürgerliches Gesetzbuch [§ 612 Abs. 3<br />

BGB]) – (Letzterer bestimmt, dass <strong>für</strong><br />

gleiche oder <strong>für</strong> gleichwertige Arbeit<br />

nicht wegen des Geschlechts eine geringere<br />

Vergütung vereinbart werden darf.)<br />

zur Lohngleichheit entspricht. 3<br />

19


20<br />

Durch diese Vorgaben ist der Staat in<br />

dreifacher Hinsicht verpflichtet, <strong>für</strong> Lohngleichheit<br />

bzw. diskriminierungsfreie<br />

Gestaltung von Tarifverträgen zu sorgen:<br />

g als Staat<br />

g als Arbeitgeber und<br />

g als Tarifvertragspartei.<br />

Die Kriterien, die der Europäische<br />

Gerichtshof (EuGH) <strong>für</strong> Entgeltsysteme<br />

entwickelt hat, sind:<br />

g Tarifverträge müssen durchschaubar<br />

sein<br />

g Tarifverträge müssen objektive<br />

Differenzierungskriterien enthalten<br />

g die einzelnen Differenzierungskriterien<br />

müssen diskriminierungsfrei ausgelegt<br />

werden<br />

g <strong>für</strong> die Bewertung von Frauentätigkeiten<br />

dürfen nicht andere Kriterien verwendet<br />

werden als <strong>für</strong> die Bewertung von<br />

Männertätigkeiten<br />

g die Arbeit muss ihrem Wesen nach<br />

bewertet werden, d.h. alle <strong>für</strong> sie<br />

wesentlichen Anforderungen müssen<br />

berücksichtigt werden.<br />

Am Beispiel des BAT wurde festgestellt,<br />

dass strukturelle Diskriminierungsmerkmale<br />

enthalten sind:<br />

g Die Teilung in spezielle Tarifteile und<br />

Regelungsbereiche verstößt zum Teil<br />

gegen den rechtlichen Grundsatz, dass<br />

»Frauenarbeit« und »Männerarbeit«<br />

nach denselben Differenzierungskriterien<br />

bewertet werden muss z.B.<br />

Vergütungsregelungen <strong>für</strong> Schreibkräfte,<br />

Eingruppierungsregelungen <strong>für</strong><br />

Techniker, Arbeiter/Angestellte, Beamte<br />

Sozial- und Erziehungsdienst wobei die<br />

Tarifteile, die faktisch überwiegend von<br />

Frauen besetzt sind, geringer bewertet<br />

werden.<br />

g Das Wesen der Arbeit gerade in den<br />

Tarifteilen <strong>für</strong> die typischen Frauentätigkeiten<br />

wird in den Eingruppierungsregelungen<br />

z.B. hinsichtlich der Fachkenntnisse<br />

und Erschwernisse meist<br />

nicht vollständig dargestellt und dementsprechend<br />

auch nicht umfassend<br />

vergütet.<br />

g Die Tätigkeitsmerkmale, die schließlich<br />

beschrieben werden, werden häufig zu<br />

Ungunsten von Frauen ausgelegt, z.B.<br />

das Tätigkeitsmerkmal der »selbstständigen<br />

Leistung” wird in einigen<br />

Frauenberufen nicht als solches definiert,<br />

wie der Vergleich der<br />

Diätküchenleiterin mit dem<br />

Betriebshofleiter zeigt.<br />

g Tätigkeitsmerkmale werden kumuliert,<br />

d.h., ein höherwertiges Tätigkeitsmerkmal<br />

wird erst dann berücksichtigt,<br />

wenn die Person schon in der entsprechenden<br />

Vergütungsgruppe ist, z.B. das<br />

Tätigkeitsmerkmal »Verantwortung«: Es<br />

taucht erst ab BAT IV b aufwärts begünstigend<br />

auf. Verantwortungsleistungen<br />

auf Arbeitsplätzen, die geringer eingestuft<br />

sind, werden daher nicht berücksichtigt.<br />

g Es wird vorausgesetzt, dass Tätigkeiten<br />

in einem bestimmten zeitlichen Umfang<br />

geleistet werden müssen, um sich vergütungssteigernd<br />

auszuwirken, d.h., es<br />

reicht z.B. nicht aus, verantwortungsvolle<br />

Tätigkeiten zu 49 % der Tätigkeit auszuüben,<br />

es müssen 51 % sein.<br />

Neben diesen strukturellen Diskriminierungspotenzialen<br />

ergab das Gutachten<br />

einen weiteren, wesentlichen Aspekt als<br />

Grund <strong>für</strong> die Lohndifferenz zwischen<br />

Männern und Frauen, nämlich, dass die –<br />

insbesondere in vielen Frauenberufen –<br />

ständig abverlangte soziale Kompetenz<br />

(die <strong>für</strong> Dienstleistungsarbeit nicht<br />

unwesentlich ist) in der Arbeitsbewertung<br />

keine Berücksichtigung findet und<br />

dementsprechend auch nicht vergütet<br />

wird.<br />

Das Gutachten empfahl hierzu<br />

Maßnahmen und Gestaltungsschritte.<br />

Zum einen<br />

g Identifizierung der typischen Männerund<br />

Frauentätigkeiten<br />

g Erarbeitung diskriminierungsfreier<br />

Arbeitsbeschreibungen<br />

g Neubewertung der Tätigkeiten mittels<br />

eines diskriminierungsfreien<br />

Bewertungsverfahrens.<br />

Letzteres haben wir in einem Vergleichsprojekt<br />

aufgegriffen und im Sommer 2000<br />

bei der Stadt Hannover durchgeführt.


Als Vergleichspaare wurden gebildet:<br />

Dip.-BibliothekarIn (FH) · Dipl.-IngenieurIn (FH)<br />

Küchenhilfe · ArbeiterIn (Abfallwirtschaft/Stadtreinigung)<br />

AltenpflegerIn · Techniker bzw. technische/r SachbearbeiterIn<br />

Leitende(r) MTA · (Gärtner-)meisterIn.<br />

ABAKABA<br />

Empirisch sollte untersucht werden, ob<br />

sich im konkreten Vergleich von<br />

Tätigkeiten Hinweise auf mittelbare<br />

Diskriminierung belegen lassen.<br />

Ein Ziel war dabei, einen Katalog von<br />

Kriterien zu ermitteln, mit denen verschiedene<br />

Tätigkeiten vergleichbar bewertet<br />

werden können. Damit können dann<br />

Tarifverträge, u.a. der BAT überprüft<br />

werden.<br />

Die wissenschaftliche Projektleitung lag<br />

bei Prof. Dr. Gertraude Krell, FU Berlin,<br />

Projektmitarbeiterinnen waren Anna<br />

Krehnke und Andrea-Hilla Carl.<br />

Wir orientierten uns dabei an dem von<br />

Schweizer Arbeitswissenschaftlern<br />

entwickelten Verfahren ABAKABA (=<br />

Analytische Bewertung von Arbeitstätigkeiten<br />

nach KATZ und BAITSCH).<br />

ABAKABA ist ein analytisches Arbeitsbewertungsverfahren,<br />

das auch die <strong>für</strong><br />

Dienstleistungstätigkeiten besonders relevanten<br />

psycho-sozialen Merkmale berücksichtigt.<br />

Dazu gehören sowohl Anforderungen<br />

(z.B. »Anforderungen an die<br />

mündliche Kommunikationsfähigkeit« und<br />

»Anforderungen an das Einfühlungsvermögen«)<br />

als auch Belastungen (z.B.<br />

»Mitverfolgbarkeit der Tätigkeit <strong>für</strong><br />

Außenstehende« und »Konfrontationen<br />

mit Problemen und Leid anderer<br />

Personen«).<br />

ABAKABA ist in der Schweiz bereits in<br />

kantonalen <strong>Verwaltung</strong>en eingeführt.<br />

ABAKABA wird von Gerichten (in der<br />

Schweiz) als Grundlage <strong>für</strong> die Begutachtung<br />

bei Eingruppierungsklagen<br />

anerkannt.<br />

Die Neubewertung der Stellen in Hannover<br />

hatte wissenschaftlichen Versuchscharakter,<br />

d.h. sie hat keine unmittelbare<br />

Auswirkung auf die Vergütung der<br />

Stelleninhaber/-innen. Sie dient einzig und<br />

allein der diskriminierungskritischen Überprüfung<br />

bestehender Entgeltstrukturen<br />

und kann ggfs. als Grundlage <strong>für</strong> Höhergruppierungsklagen<br />

dienen.<br />

Die Projektergebnisse liegen jetzt vor.<br />

Zusammengefasst führte die Bewertung<br />

der Vergleichspaare zu folgendem<br />

Ergebnis:<br />

g In der Gegenüberstellung zum BAT<br />

haben sich durch die Bewertung mit<br />

ABAKABA bei drei der vier<br />

Vergleichspaare die Wertigkeiten verschoben,<br />

und zwar zugunsten der<br />

frauendominierten Tätigkeiten.<br />

Bestimmend <strong>für</strong> die Verschiebung der<br />

Wertigkeiten zugunsten der frauendominierten<br />

Tätigkeiten ist zum einen der<br />

psycho-soziale Bereich, zum anderen<br />

aber auch der physische Bereich.<br />

Beide werden bei der derzeitigen tariflichen<br />

Bewertung vernachlässigt.<br />

Die Ergebnisse der Bewertung der<br />

Tätigkeiten mittels ABAKABA zeigen, dass<br />

die Berücksichtigung der <strong>für</strong> Dienstleistungsarbeiten<br />

charakteristischen<br />

emotionalen oder psycho-sozialen<br />

Komponente – wie vermutet – zu einer<br />

Aufwertung frauendominierter Tätigkeiten<br />

führt.<br />

Die Ergebnisse verdeutlichen darüber<br />

hinaus, dass <strong>für</strong> die Bewertung von<br />

Dienstleistungstätigkeiten, auch von<br />

solchen, die überwiegend von Frauen<br />

verrichtet werden, die körperliche<br />

Komponente ebenfalls von großer<br />

Bedeutung ist.<br />

Die Ergebnisse des Vergleichsprojektes in<br />

Hannover stehen nicht allein. Ähnliche<br />

Projekte in der Schweiz, in Großbritannien<br />

und in Österreich, die teilweise auf einer<br />

breiteren empirischen Basis stehen, kommen<br />

zu denselben Schlussfolgerungen.<br />

Mittels ABAKABA konnte aufgezeigt werden,<br />

dass Gleichwertigkeit der Tätigkeiten<br />

bei den Vergleichspaaren besteht.<br />

Das heißt:<br />

Die bisherigen Bewertungskriterien werden<br />

den typischen Frauentätigkeiten nicht<br />

gerecht.<br />

Diese Kriterien führen zu einer Unterbewertung<br />

von Frauentätigkeiten<br />

gegenüber Männertätigkeiten.<br />

Hier gilt es anzusetzen:<br />

Nicht nur im Hinblick auf die EU-Normen<br />

sind Schlussfolgerungen zu ziehen, nämlich,<br />

dass<br />

g Ein Verfahren zur diskriminierungsfreieren<br />

Bewertung von Dienstleistungs-<br />

21


22<br />

arbeit unter anderem einheitlich und<br />

transparent ausgestaltet sein muss und<br />

g neben der Verantwortung, dem intellektuellen<br />

und dem psycho-sozialen<br />

Bereich auch die körperlichen<br />

Anforderungen und Belastungen<br />

berücksichtigt werden müssen<br />

Die Diskussion zur Aufwertung von<br />

Frauentätigkeiten wird nun in ver.di unter<br />

Einbeziehung der Erfahrungen von<br />

anderen ver.di-Mitgliedern fortzusetzen<br />

sein um dadurch neue Impulse zu erhalten.<br />

Sie muss auch ihren Blick auf die<br />

Veränderungen in den anderen europäischen<br />

Ländern richten, die teilweise schon<br />

weiter in der Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit<br />

sind.<br />

Die Studie zeigt, dass uns dabei die analytische<br />

Arbeitsbewertung durch ABAKA-<br />

BA ein wichtiges und hilfreiches<br />

Instrument ist bzw. sein kann.<br />

Welchen Stellenwert eine analytische<br />

Arbeitsbewertung gegenüber oder im<br />

Verbund mit der bisherigen summarischen<br />

Arbeitsbewertung haben kann, ist<br />

eine tarifpolitische Frage, die wir noch<br />

entscheiden müssen.<br />

Für die Tarifpolitik müssen wir dies aufgreifen<br />

und zu umsetzbaren Ergebnissen<br />

führen.<br />

g Mit dem Gutachten zum BAT<br />

g der Durchführung des<br />

Vergleichsprojektes in Hannover und<br />

g der Vorstellung der Projektergebnisse<br />

treten wir jetzt in die nächste Phase der<br />

Aufwertungskampagne ein.<br />

Deshalb steht die Frage voran: »Was sind<br />

die nächsten Schritte zur Umsetzung?«<br />

Wir werden bei der nächsten Klausurtagung<br />

der Bundestarifkommission<br />

öffentlicher Dienst im November diesen<br />

Jahres die Projektergebnisse<br />

den Tarifkommissionsmitgliedern<br />

detailliert<br />

vorstellen.<br />

Dann wollen wir auch die<br />

Diskussion führen, wie die<br />

Ergebnisse genutzt werden<br />

können, damit wir die noch<br />

bestehende geschlechtsspezifische<br />

Diskriminierung in den<br />

Tarifverträgen erfolgreich<br />

abbauen können.<br />

Wir werden auch diskutieren<br />

müssen, welche Unterstützung<br />

die Organisation<br />

beim Verfolgen dieser Ziele<br />

und Aufgaben bieten kann bzw.<br />

wie Einfluss auf eine gerechtere<br />

Gesellschafts-, Gleichstellungsund<br />

Tarifpolitik genommen<br />

werden kann.<br />

Die Ergebnisse des Vergleichsprojektes<br />

werden wir in den<br />

begonnenen Diskussionsprozess<br />

über diskrimierungsfreiere<br />

Bewertung von (Dienstleistungs-)<br />

Arbeit mit den öffentlichen<br />

Arbeitgebern von Bund, Ländern<br />

und Gemeinden einbeziehen.<br />

Die Ergebnisse werden ebenfalls in<br />

künftige Verhandlungen zur<br />

Modernisierung des öffentlichen<br />

Tarifrechts einfließen.


Hier haben wir vereinbart, auch den<br />

Handlungsbedarf zur Beseitigung von<br />

Diskriminierungstatbeständen zu<br />

bearbeiten.<br />

Wir arbeiten zur Zeit an einer Checkliste,<br />

die zur Unterstützung bei Tarifverhandlungen<br />

genutzt werden kann.<br />

Sie soll helfen, mittelbare Diskriminierung<br />

bereits im Vorfeld von laufenden Tarifverhandlungen<br />

zu minimieren bzw. ganz<br />

auszuschließen.<br />

Einen ersten Entwurf werden wir im<br />

Herbst vorlegen.<br />

Wir wissen, dass die Ausgestaltung und<br />

Anwendung diskriminierungsfreierer<br />

Arbeitsbewertungsverfahren ein politischer<br />

Prozess ist – und bleibt.<br />

Und ein Ergebnis hängt davon ab, wer<br />

welche Interessen durchsetzen kann und<br />

will.<br />

Es wäre jedoch prüfenswert, inwieweit<br />

Tarifvertragsparteien neue, gemeinsame<br />

Wege im Sinne einer gender-orientierten<br />

Tarifpolitik beschreiten könnten.<br />

Ein interessanter Vorschlag kommt von<br />

der Europäischen Stiftung zur<br />

Verbesserung der Lebens- und<br />

Arbeitsbedingungen 4 .<br />

Sie empfiehlt, ein gemeinsames<br />

»Gleichbehandlungsgremium« einzusetzen,<br />

das <strong>für</strong> die Implementierung und<br />

Auswertung von Verhandlungsergebnissen<br />

zuständig ist.<br />

Wir werden uns mit dem Vorschlag noch<br />

näher befassen.<br />

Eins wird jedoch schon heute mehr als<br />

deutlich und daran muss gearbeitet<br />

werden:<br />

Nur durch das Zusammenwirken aller<br />

Akteure auf allen Entscheidungs- und<br />

Handlungsebenen können erforderliche<br />

Wirkungen erzeugt und letztendlich auch<br />

Veränderungen durchgesetzt werden. Dies<br />

geschieht nicht von heute auf morgen.<br />

Die Veränderungen von Strukturen und<br />

Gewohnheiten gestalten sich oft als zäher<br />

und langwieriger Prozess.<br />

Doch ich bin sehr zuversichtlich, dass wir<br />

weiter vorankommen. Wir sind auf einem<br />

gutem Weg. Die Projektergebnisse von<br />

Hannover sind <strong>für</strong> uns dabei ein wichtiger<br />

Baustein.<br />

Chancengleichheit ist jedoch nicht nur<br />

eine Angelegenheit von Frauen, sondern<br />

auch <strong>für</strong> Betriebe und deren Beschäftigte,<br />

eben <strong>für</strong> Frauen und Männer.<br />

Um Chancengleichheit als gesamtbetriebliche<br />

Strategie zu<br />

verankern, braucht es das<br />

Engagement beider Geschlechter.<br />

Ich hoffe, dass es gelingt, in einen<br />

Dialogprozess zwischen den<br />

Geschlechtern einzutreten, um gemeinsam<br />

Chancengleichheit zu erreichen.<br />

Die Rahmenbedingungen da<strong>für</strong> sind<br />

geschaffen und müssen mit Leben gefüllt<br />

werden.<br />

»Nur ein Tarifrecht, das den Grundsatz<br />

›Gleiches Entgelt <strong>für</strong> gleichwertige Arbeit‹<br />

verwirklicht, kann sich modern nennen« –<br />

da<strong>für</strong> haben die Projektbeteiligten ihre<br />

Unterschrift geleistet und da<strong>für</strong> werden<br />

sie auch eintreten.<br />

1 Als Geburtsjahr der Arbeitsbewertung gilt 1942. Damals<br />

wurde zwischen der Deutschen Arbeitsfront und der<br />

Reichsgruppe Industrie der »Lohngruppenkatalog Eisen und<br />

Metall (LKEM)« entwickelt und als verbindliche Richtlinie in<br />

der Metallindustrie eingeführt.<br />

Von den 8 Lohngruppen waren ausdrücklich nur die unteren<br />

5 <strong>für</strong> die weiblichen Gefolgschaftsmitglieder vorgesehen.<br />

Aber das ist nicht alles: Aus »sozialen Gründen« wurde bei<br />

Frauen generell ein Abschlag von 25 Prozent der<br />

entsprechenden Grundlöhne <strong>für</strong> Männer vorgenommen. Erst<br />

1955 erklärte das Bundesarbeitsgericht diese Praxis <strong>für</strong><br />

rechtswidrig, und erst 1972 (30! Jahre später) wurde die letzte<br />

dieser Niedriglohngruppen abgeschafft.<br />

2 Dr. Regine Winter unter Mitarbeit von Prof. Dr. Gertraude Krell<br />

3 weiteres Rechtsgutachten zu W-Gruppen der Arbeitsvertragsrichtlinie<br />

des Diakonischen Werkes vom Herbst 1999<br />

4 1999, S.10<br />

23


»An den Führungskräften<br />

führt kein Weg vorbei«<br />

Dr. Karin Tondorf<br />

Forschung und<br />

Beratung zu<br />

Entgelt- und<br />

Gleichstellungspolitik<br />

24<br />

Führungskräften kommt bei der<br />

Verwirklichung von Chancengleichheit<br />

eine zentrale Rolle zu. Sie verfügen über<br />

vielfältige Handlungsmöglichkeiten und<br />

Entscheidungskompetenzen im personellen<br />

Bereich, die entsprechend ihrer<br />

Stellung in der Hierarchie und ihrer<br />

konkreten Aufgabe variieren. Auf die<br />

Führungskräfte kommt es maßgeblich an,<br />

wenn es z.B. um den Zugang zu<br />

Arbeitsstellen und Führungspositionen<br />

geht. Sie sind es, die Arbeit und Leistung<br />

von MitarbeiterInnen bewerten und<br />

dadurch auch über Ein- und Höhergruppierungen,<br />

Aufstiege und über die<br />

Gewährung von Leistungszulagen/-<br />

Leistungsprämien entscheiden. Sie verfügen<br />

über Spielräume bei der Gestaltung<br />

von Aufgabenzuschnitten, Arbeitsteilung<br />

und Arbeitszeitregelungen, die <strong>für</strong> die<br />

Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben<br />

wichtig sind. Nicht zuletzt gestalten sie<br />

selbst die Zusammenarbeit zwischen<br />

Männern und Frauen mit, gehen mit<br />

gutem oder schlechtem Beispiel voran,<br />

setzen Standards in Bezug auf Fairness<br />

und Kollegialität. In all diesen Handlungsfeldern<br />

gibt es noch ungenutzte Spielräume,<br />

die zugunsten der Gleichstellung<br />

der Geschlechter genutzt werden könnten.<br />

Führungskräfteentwicklung –<br />

Gestaltung nach dem Prinzip<br />

des Gender Mainstreaming<br />

Sollen Fortschritte in der Gleichstellung<br />

erzielt werden, kommt es darauf an,<br />

gerade diese Gruppe zu erreichen und sie<br />

<strong>für</strong> die Geschlechterproblematik zu sensibilisieren.<br />

Führungskräfteentwicklung zum<br />

Thema Gender Mainstreaming ist das<br />

Stichwort. Bevor konkrete Maßnahmen<br />

konzipiert werden, erscheint es sinnvoll,<br />

dies auch systematisch und nach<br />

gründlichen Analysen anzugehen, wie es<br />

dem methodischen Prinzip des Gender<br />

Mainstreaming entspricht. Das bedeutet:<br />

Im ersten Schritt wären die gleichstellungspolitischen<br />

Ziele der Führungskräfteentwicklung<br />

zu definieren.<br />

Sinnvollerweise geschieht dies auf Basis<br />

einer Analyse des Ist-Zustandes, die<br />

Aufschlüsse über den konkreten<br />

Handlungsbedarf in einer <strong>Verwaltung</strong> oder<br />

in einem Betrieb liefert.<br />

Im zweiten Schritt geht es um eine<br />

Analyse der Probleme. Die Kernfrage ist<br />

hier: Welches sind im Bereich der<br />

Führungskräfte bisher die Hemmnisse auf<br />

dem Weg zu mehr Chancengleichheit?<br />

Im dritten Schritt können dann auf Basis<br />

dieser Problemanalyse Konzepte zur<br />

Erhöhung der Gleichstellungsmotivation<br />

und -kompetenz der Führungskräfte<br />

entwickelt werden.<br />

Mit diesen drei ersten Schritten möchte<br />

ich mich im Folgenden ausführlicher<br />

befassen. Die weiteren Schritte – der<br />

Vorab-Check der voraussichtlichen<br />

Auswirkungen der möglichen (alternativen)<br />

Konzepte auf ihre Auswirkungen auf<br />

die Gleichstellung und die Entwicklung<br />

eines Lösungsvorschlages, die Umsetzung<br />

der Maßnahmen und ihre Erfolgskontrolle<br />

und Bewertung möchte ich zugunsten der<br />

Illustrierung eines Handlungsfeldes – der<br />

Personalbeurteilung – nur kurz behandeln.<br />

Gleichstellungspolitisches<br />

Handeln von Führungskräften –<br />

Zieldefinition auf Basis einer<br />

Ist-Analyse<br />

Eine Bestandsaufnahme des gleichstellungspolitischen<br />

Handelns von<br />

Führungskräften differenziert zweckmäßiger<br />

Weise nach den verschiedenen<br />

Handlungsfeldern, die bereits eingangs<br />

angesprochen wurden. Da es vermutlich<br />

die Arbeitskapazitäten einer <strong>Verwaltung</strong><br />

übersteigt, gleichzeitig alle Handlungsfelder<br />

einer kritischen Bestandsaufnahme<br />

zu unterziehen, werden Prioritäten zu<br />

setzen sein. Wo ist – so könnte von<br />

<strong>Verwaltung</strong> zu <strong>Verwaltung</strong> gefragt werden<br />

– der größte Problemdruck in puncto<br />

Gleichstellung, die durch Führungskräfte<br />

beeinflussbar ist: Liegt sie z.B. im Bereich<br />

der Zusammenarbeit von Männern und<br />

Frauen oder eher im Bereich der<br />

Verwirklichung der Stufenpläne nach dem<br />

Gleichberechtigungsgesetz? Oder die<br />

Auswahl der Handlungsfelder könnte nach<br />

dem Gesichtspunkt erfolgen: Welche


Maßnahme steht ohnehin auf der<br />

Tagesordnung, die nun gleichzeitig auch<br />

unter dem Aspekt der Gleichstellung mitbearbeitet<br />

werden könnte – so vielleicht<br />

das Mitarbeiter/Vorgesetzten-Gespräch<br />

oder die Reform des Beurteilungswesens.<br />

Um sich einen hinreichenden Überblick<br />

über die derzeitige Ist-Situation, d.h. auch<br />

über Schwachstellen im Gleichstellungshandeln<br />

zu verschaffen, müssen u.U.<br />

Statistiken optimiert oder zuzüglich<br />

»weiche« Daten, etwa durch Mitarbeiter-<br />

Innen-Befragungen gewonnen werden.<br />

Auf dieser Basis könnten dann die<br />

konkreten gleichstellungspolitischen Ziele<br />

des jeweiligen Vorhabens definiert werden.<br />

Die Debatte über das Neue<br />

Steuerungsmodell, im Näheren über<br />

Kontraktmanagement und Zielvereinbarungen<br />

lehrt uns, dass solche Ziele<br />

möglichst konkret definiert sein sollten, so<br />

dass später eine zuverlässige Kontrolle<br />

der Zielerreichung erfolgen kann.<br />

Problemanalyse: Hemmnisse<br />

auf dem Weg zu mehr<br />

Chancengleichheit<br />

Die im Bereich des Führungskräftehandelns<br />

liegenden Hemmnisse auf dem<br />

Weg zu mehr Chancengleichheit sind<br />

vielfältig. Ich möchte sie aufgliedern nach<br />

Wissensdefiziten, Akzeptanzdefiziten und<br />

Kreativitätsdefiziten und im folgenden auf<br />

diese Punkte eingehen.<br />

Wissensdefizite<br />

Umfragen, die wir z.B. in der Landesverwaltung<br />

Niedersachsen bei Führungskräften<br />

durchgeführt haben, zeigten, dass<br />

das Wissen über Aspekte der Gleichstellung<br />

recht begrenzt ist. Seitens der<br />

befragten Führungskräfte bestand ein<br />

vorrangiges Interesse an folgenden drei<br />

Themen:<br />

g Abbau von Vorurteilen/Stereotypen<br />

g Förderung von Fairness<br />

g Verknüpfung von Gleichstellung und<br />

<strong>Verwaltung</strong>sreform.<br />

Bemerkenswert war darüber hinaus deren<br />

Einschätzung, dass dem Thema der<br />

sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz im<br />

Führungsalltag zwar eine stärkere<br />

Bedeutung zukommt, die rechtlichen<br />

Grundlagen waren aber kaum bekannt.<br />

Großes Interesse gab es auch hinsichtlich<br />

der Klärung konzeptioneller Fragen: Worin<br />

unterscheidet sich das Konzept der<br />

Frauenförderung vom Konzept der<br />

Förderung von Chancengleichheit? Was<br />

bedeutet Gender Mainstreaming im Alltag<br />

von Führungskräften? Was hat dieser<br />

Ansatz mit dem Qualitätsmanagement zu<br />

tun und – eine zentrale Frage: Welches<br />

sind die ökonomischen und politischen<br />

Vorteile dieses Politikansatzes?<br />

3.2 Akzeptanzdefizite<br />

Im Vergleich zu Wissensdefiziten sind<br />

Akzeptanzdefizite wesentlich schwerer<br />

auszugleichen, weil dies voraussetzt, dass<br />

erstens unbewusste Vorstellungen<br />

bewusst gemacht werden und zweitens<br />

bewusste Vorbehalte und Vorurteile kritisch<br />

reflektiert werden. Soll bei Führungskräften<br />

eine größere Aufgeschlossenheit<br />

gegenüber gleichstellungspolitischen<br />

Zielen erreicht werden, ist zunächst zu<br />

klären, worauf die mangelnde Akzeptanz<br />

im einzelnen zurückzuführen ist. Welches<br />

sind mögliche Quellen von<br />

Akzeptanzdefiziten?<br />

g Generelle Ängste vor Veränderungen<br />

Eine weitverbreitete Quelle von<br />

Akzeptanzproblemen bei Neuerungen<br />

ganz allgemein sind Ängste vor<br />

Veränderungen. Insofern ist mit ihnen<br />

auch bei gleichstellungspolitischen<br />

Maßnahmen zu rechnen. Gemeint ist<br />

hier eine konservative Grundhaltung,<br />

die sich nicht allein gegen Frauen oder<br />

Chancengleichheit richtet, sondern<br />

gegen alle Personen und Maßnahmen<br />

(z.B. auch <strong>Verwaltung</strong>sreform), die<br />

gewohnte Zustände, Denkmuster und<br />

Verhaltensweisen in Frage stellen<br />

(könnten).<br />

In der gleichstellungspolitischen<br />

Forschung wird in diesem Zusammenhang<br />

oft auf das altbekannte Phänomen<br />

verwiesen, dass sich bestimmte<br />

Menschen in homogenen Gruppen sicherer<br />

fühlen und daher bemüht sind, diese<br />

Sicherheit zu bewahren bzw. wiederherzustellen.<br />

Dies zeigt sich z.B. an<br />

Personalauswahlentscheidungen: man<br />

neige unbewusst dazu, diejenigen<br />

auszuwählen, die einem selbst ähneln:<br />

»Kommt jemand hinzu, der »anders« ist,<br />

nimmt dieses Sicherheitsgefühl ab.«<br />

Dieses »Anderssein« von (potenziellen)<br />

MitarbeiterInnen kann durch vielfältige<br />

Signale ausgesendet werden: z.B. durch<br />

Hautfarbe, Kleidung, Sprache, geogra-<br />

25


26<br />

phische Herkunft (z.B. Ost- oder Westdeutschland),<br />

Religion, sexuelle<br />

Orientierung (z.B. Homosexualität) etc. Für<br />

Personen mit einer generellen Angst vor<br />

Veränderungen ist Gleichstellungspolitik<br />

sowohl mit Blick auf den Prozess als auch<br />

mit Blick auf das angestrebte Resultat<br />

bedrohlich.<br />

g Einkommens-, Status- und<br />

Machtinteressen<br />

Neben diffusen Ängsten vor Veränderungen<br />

können auch handfeste<br />

Interessen von Führungskräften eine<br />

Quelle von Akzeptanzproblemen oder<br />

gar Widerstand sein. Es kann be<strong>für</strong>chtet<br />

werden, zugunsten von Frauen an<br />

Status, Einkommen und Macht zu verlieren.<br />

In der Tat können – insbesondere<br />

unter der Bedingung knapper<br />

Ressourcen – solche Effekte eintreten.<br />

Andererseits könnten Einkommen, Macht<br />

und Status aber auch dann gefährdet sein,<br />

wenn Führungskräfte gleichstellungsrechtliche<br />

Vorgaben ignorieren oder nur<br />

halbherzig umsetzen. Dies gilt jedoch nur<br />

unter der Bedingung, dass diese Kriterien<br />

Eingang in die Beurteilung der Führungskräfte<br />

finden – z.B. bei Zielvereinbarungen<br />

– und ihre (Nicht-)Erreichung Konsequenzen<br />

hat.<br />

g Geschlechterbezogene Stereotype<br />

Unter geschlechterbezogenen<br />

Stereotypen werden Vorurteile bzw.<br />

schematisierte Vorstellungen über<br />

Männer und Frauen verstanden, die in<br />

dieser pauschalierten Form nicht der<br />

Realität entsprechen. Sie sind nicht<br />

immer leicht zu durchschauen und<br />

abzubauen. Relativ einfach erscheint<br />

ihre »Enttarnung«, wenn es sich um<br />

Aussagen handelt, die sich auf besonders<br />

tradierte Rollen, Eigenschaften<br />

oder Verhaltensweisen beziehen, wie<br />

z.B. »Die Frau gehört ins Haus!«<br />

Schwieriger wird es jedoch bei modernen<br />

Varianten, die auch von »aufgeklärten«<br />

Männern und Frauen vertreten<br />

werden. Ein aktuelles Beispiel hier<strong>für</strong> ist<br />

die – auch in der Management-Literatur<br />

– häufig geäußerte Behauptung, Frauen<br />

seien die besseren Führungskräfte. Dies<br />

ist wissenschaftlich keineswegs<br />

bewiesen. Zu problematisieren ist in<br />

diesem Zusammenhang auch die<br />

Auffassung, Frauen und Männer verfügten<br />

über geschlechtsspezifische<br />

Qualifikationen, so etwa Frauen über<br />

soziale, Männer und technische<br />

Kompetenzen. Solches Schubladendenken<br />

versperrt die Sicht darauf, dass<br />

es in der Wirklichkeit durchaus auch<br />

anders gelagerte Fähigkeiten und<br />

Bedürfnisse gibt, und verbaut<br />

Möglichkeiten, Diskriminierungen zu<br />

verringern.<br />

Geschlechterbezogene Stereotype lassen<br />

sich leichter erkennen und reflektieren,<br />

wenn man danach fragt, worauf sie sich<br />

im Einzelnen beziehen. Hier kann – wenn<br />

auch nicht ganz trennscharf – unterschieden<br />

werden zwischen den Rollen, die<br />

Männer und Frauen im Privat- bzw.<br />

Berufsleben spielen und damit zusammenhängende<br />

Rollenkompetenzen<br />

spezifischen Wesens- und Verhaltensmerkmalen<br />

von Männern und Frauen und<br />

dem sozialen Status der Geschlechter.<br />

Da solche Denkschemata ein wesentliches<br />

Hemmnis auf dem Weg zu mehr Chancengleichheit<br />

darstellen, möchte ich näher<br />

darauf eingehen:<br />

a) Geschlechterrollen und<br />

Rollenkompetenzen:<br />

Denkschemata dieses Typs beziehen sich<br />

auf die Frau als Mutter, Hausfrau oder<br />

Hinzuverdienerin. Frauen sind in diesem<br />

Vorurteilsdenken besonders <strong>für</strong> eine<br />

Teilzeitbeschäftigung geeignet, die ihnen<br />

noch die Möglichkeit gibt, ihrer Hausfrauen-<br />

und Mutterrolle einigermaßen<br />

gerecht zu werden. In ihrer Berufsrolle<br />

erscheinen sie besonders geeignet <strong>für</strong><br />

Sekretariats- und Assistenztätigkeiten,<br />

sowie <strong>für</strong> Tätigkeiten in den Bereichen<br />

Hauswirtschaft, Reinigung, Erziehung,<br />

Pflege, weil diese hausarbeitsnah sind<br />

und deshalb den als typisch weiblich<br />

erachteten Qualifikationen entsprechen.<br />

Männer dagegen sind im Rollenstereotyp<br />

Familienoberhaupt und Haupternährer.<br />

Um dieser Rolle gerecht zu werden, muss<br />

er Vollzeit beschäftigt sein. Seine berufliche<br />

Kompetenz liegt im Führen, Initiieren<br />

und in der »kämpferischen« Auseinandersetzung<br />

mit anspruchsvollen geistigen<br />

oder körperlichen Herausforderungen.<br />

b) spezifische Wesens- und Verhaltensmerkmale<br />

von Frauen und Männern:<br />

Hier finden sich <strong>für</strong> Frauen Zuschreibungen<br />

wie einfühlsam, intuitiv, passiv,<br />

<strong>für</strong>sorglich, bescheiden, aufopfernd,<br />

gefühlsbetont. Sie haben »nah am Wasser<br />

gebaut« und klatschen gern; über<br />

bestimmte Fragen kann »Mann« nicht<br />

sachlich mit ihnen reden. Männer


dagegen sind rational, hart im Nehmen,<br />

beherrschen ihre Gefühle. Sie können sich<br />

besser durchsetzen und sind leistungsund<br />

karriereorientiert.<br />

c) sozialer Status:<br />

Die vorgenannten Rollen, Kompetenzen,<br />

Wesens- und Verhaltensmerkmale gelten<br />

nicht als gleichwertig, sondern die den<br />

Frauen zugeschriebenen Rollen, Eigenschaften<br />

usw. werden geringer geschätzt<br />

bzw. bewertet als die den Männern<br />

zugeschriebenen. Diese geringe Wertschätzung<br />

bezieht sich nicht nur auf die<br />

Personen selbst, sondern z.B. auch auf<br />

Tätigkeitsanforderungen <strong>für</strong> »typische«<br />

Frauenarbeitsplätze. Die Nichtbewertung<br />

oder Unterbewertung dieser Anforderungen<br />

führt wiederum dazu, dass Frauen<br />

trotz gleichwertiger Tätigkeiten ungleich<br />

bezahlt werden.<br />

d) andere bzw. konkurrierende<br />

Gerechtigkeitsvorstellungen<br />

Akzeptanzdefizite können schließlich auch<br />

darauf zurückzuführen sein, dass alles,<br />

was aus der »Frauenecke« kommt, als<br />

Frauenförderung interpretiert wird, welche<br />

nicht »leistungsgerecht« ist und (potenziell)<br />

Männer benachteiligt. Hier wird es<br />

vor allem darum gehen, deutlich zu<br />

machen, dass es beim Konzept einer<br />

gleichstellungsorientierten Personalpolitik<br />

erstens darum geht, dem Leistungsprinzip<br />

zum Durchbruch zu verhelfen und sich<br />

von leistungsfremden Rollenklischees und<br />

Verhaltenserwartungen zu trennen, und<br />

dass es zweitens darum geht zu vermitteln,<br />

was eigentlich »Chancengerechtigkeit«<br />

bedeutet: nämlich die unterschiedlichen<br />

Lebenssituationen, Möglichkeiten<br />

und Interessen von Frauen und Männern<br />

zu erkennen und anzuerkennen und diese<br />

bei der Gestaltung von Personalpolitik<br />

zu berücksichtigen.<br />

3.3 Kreativitätsdefizite<br />

Ein Blick in die <strong>Verwaltung</strong>spraxis<br />

zeigt, dass die Gleichstellung der<br />

Geschlechter von<br />

Führungskräften teilweise legalistisch<br />

und/oder technokratisch angegangen<br />

wird. Innovative<br />

Problemlösungen sind – insbesondere<br />

auf Bundes- und Landesebene – eher<br />

selten. Unter Führungskräften des<br />

öffentlichen Dienstes ist bislang<br />

kaum bekannt, dass es im<br />

Bereich der Privatwirtschaft<br />

eine Vielzahl von Unternehmen gibt,<br />

die beispielhafte Initiativen im Rahmen<br />

einer gleichstellungsorientierten<br />

Personalpolitik entwickelt haben und<br />

da<strong>für</strong> mit dem Total E-Quality-Prädikat<br />

ausgezeichnet wurden. Die Darstellung<br />

von kreativen Einzelinitiativen könnte<br />

Führungskräften des öffentlichen Dienstes<br />

vielfältige Anregungen geben und sie zur<br />

Intensivierung ihrer Bemühungen<br />

motivieren.<br />

27


28<br />

4. Entwicklung von Konzepten<br />

einer gleichstellungsorientiertenFührungskräfteentwicklung<br />

Die Ergebnisse der Problemanalyse bilden<br />

die Basis <strong>für</strong> die Konzipierung von Maßnahmen<br />

einer gleichstellungsorientierten<br />

Führungskräfteentwicklung. Wesentliche<br />

Teilelemente sind die Fort- und Weiterbildung,<br />

die Beurteilung der Führungskräfte<br />

sowie die Karriere- und Verwendungsplanung<br />

einschließlich des Beförderungssystems.<br />

Ich möchte mich im folgenden<br />

auf die Fort- und Weiterbildung<br />

konzentrieren und kurz auf die Frage<br />

eingehen, wie diese strukturell und<br />

inhaltlich aussehen könnten, um Fortschritte<br />

in der Gleichstellung zu erreichen.<br />

In der gleichstellungsorientierten Fortund<br />

Weiterbildung kann das Thema<br />

Chancengleichheit zum einen Gegenstand<br />

speziell und eigens da<strong>für</strong> konzipierter<br />

Fortbildungsveranstaltungen sein, zum<br />

andern kann es in alle im Rahmen der<br />

Führungskräfte-Fortbildung angesprochenen<br />

Themen und Handlungsfelder eingebaut<br />

werden. Die zuletzt genannte<br />

Variante bietet die Vorteile, dass mit ihr<br />

auch jene Führungskräfte erreicht werden<br />

könnten, die an einer speziellen Fortbildung<br />

zu Chancengleichheit kein Interesse<br />

haben, und dass mit ihr der Stellenwert<br />

von Gleichstellung als Querschnittsaufgabe<br />

(Gender Mainstreaming) jeweils<br />

konkret im Zusammenhang mit den auf<br />

dem Programm stehenden Themenfeldern<br />

verdeutlicht werden kann.<br />

Nichtsdestotrotz kann es u.U. auch sinnvoll<br />

sein, darüber hinaus Fortbildung<br />

speziell zum Thema Chancengleichheit<br />

anzubieten, z.B. um mit Interessierten<br />

grundlegende Aspekte umfassend und<br />

»am Stück« bearbeiten zu können.<br />

Die Themen der (integrierten) Fortbildungsmodule<br />

sollten sich an konkreten<br />

Handlungsfeldern orientieren. Von<br />

Gertraude Krell und mir wurden vier<br />

Module entwickelt und in einer Broschüre<br />

veröffentlicht: (Tondorf/Krell 1999: An den<br />

Führungskräften führt kein Weg vorbei!).<br />

Die näher beschrieben Module sind hier:<br />

g Gender Mainstreaming – integrierbar in<br />

Fortbildungen zum Thema »Qualitätsmanagement<br />

in der Behörde«,<br />

g Gleichstellung und <strong>Verwaltung</strong>smoder-<br />

nisierung, integrierbar in bestehende<br />

Fortbildungen zu <strong>Verwaltung</strong>sreform;<br />

hier werden auch Aspekte der<br />

Wirtschaftlichkeit thematisiert<br />

g das MitarbeiterInnen/ Vorgesetzten-<br />

Gespräch unter dem Blickwinkel der<br />

Chancengerechtigkeit sowie<br />

g »Anmache« im Büro – ein tabuisiertes<br />

Problem – konstruktive Lösungsansätze<br />

<strong>für</strong> Führungskräfte.<br />

Dieser Themenkatalog ist keineswegs<br />

abschließend, es gibt weitere Themen, die<br />

<strong>für</strong> Fortbildungen zu konzeptionieren<br />

wären und wahrscheinlich zwischenzeitlich<br />

bereits entwickelt und erprobt<br />

sind.<br />

Die gleichstellungsorientierte Fort- und<br />

Weiterbildung von Führungskräften kann<br />

einen wichtigen Beitrag zur Förderung<br />

von Chancengleichheit leisten, insbesondere<br />

wenn sie keine von anderen Maßnahmen<br />

der Personalentwicklung<br />

abgekoppelte Sonderveranstaltung ist und<br />

ein enger Praxisbezug besteht. Die<br />

Wirksamkeit dieser Fortbildungen hängt<br />

auch davon ab, inwieweit es gelingt,<br />

g vor allem diejenigen zur Teilnahme zu<br />

bewegen, bei denen ein besonderer<br />

Handlungsbedarf besteht;<br />

g Maßnahmen der Personalentwicklung<br />

»off-the-job«, wie es die o.a. Seminare<br />

sind, durch solche der PE »on-the-job«<br />

zu ergänzen: Auch das beste Seminar<br />

kann nicht garantieren, dass das<br />

Gelernte auch tatsächlich in die Praxis<br />

umgesetzt wird. Dieses Transferproblem<br />

könnte durch anschließende arbeitsplatznahe<br />

Informations-, Diskussionsund<br />

Beratungsangebote besser gelöst<br />

werden;<br />

g bei den Zielvereinbarungen der<br />

Führungskräfte mit deren Vorgesetzten<br />

gleichstellungspolitische Ziele zu<br />

berücksichtigen;<br />

g gleichstellungsförderliches Handeln zu<br />

belohnen bzw. gleichstellungshinderliches<br />

Handeln zu sanktionieren.<br />

Zum Thema Fortbildung läßt sich<br />

abschließend festhalten, dass auch eine<br />

perfekt geplante und durchgeführte<br />

Fortbildung an die Grenzen stößt, wenn<br />

sie nicht Bestandteil eines insgesamt am


Grundsatz der Chancengleichheit orientierten<br />

(Personal-) Managements ist.<br />

5. Gleichstellung – illustriert an<br />

einem weiteren Handlungsfeld<br />

der Personalpolitik:<br />

die Personalbeurteilung<br />

Unter dem Blickwinkel der Chancengleichheit<br />

sind auch die herkömmlichen<br />

Personalbeurteilungen einer kritischen<br />

Überprüfung zu unterziehen. Verschiedene<br />

Untersuchungen geben nämlich Anlass zu<br />

dem begründeten Verdacht, dass die<br />

herkömmlichen Einstufungssysteme<br />

Frauen mittelbar diskriminieren (vgl.<br />

Bevan/Thompson 1994, Schreyögg 1998,<br />

Fried/Wetzel/Baitsch 2000, Krell 2000,<br />

Krell/Tondorf 2001). Ich will daher im folgenden<br />

der Frage nachgehen, wie eine<br />

Personalbeurteilung aussehen könnte, die<br />

dem Anspruch auf Gleichbehandlung<br />

gerecht wird. Angesprochen sind hierbei<br />

nicht nur die Führungskräfte als Beurteilende,<br />

sondern auch die <strong>Verwaltung</strong>, die<br />

die Beurteilungsverfahren konzipiert.<br />

(1)<br />

Zunächst ist es unabdingbar, sich<br />

genauere Kenntnisse über den Ist-<br />

Zustand, d.h. in diesem Falle über die<br />

Verteilung der Beurteilungsergebnisse auf<br />

Männer und Frauen zu verschaffen.<br />

Entsprechend aussagekräftige Statistiken,<br />

die auch noch differenzieren nach Vollzeitund<br />

Teilzeitbeschäftigten, nach Dienstalter<br />

und Hierarchiestufe, zeigen an, inwieweit<br />

in einer <strong>Verwaltung</strong> überhaupt Handlungsbedarf<br />

besteht. Solche Statistiken bilden<br />

die Grundlage <strong>für</strong> die Definition der<br />

gleichstellungspolitischen Ziele in diesem<br />

Handlungsfeld. Als anzustrebender Soll-<br />

Zustand ließe sich – optimalerweise im<br />

Rahmen einer Zielvereinbarung –<br />

zunächst festhalten: Das neue<br />

Beurteilungssystem soll<br />

g mit Blick auf alle Beschäftigten als<br />

Beurteilte weder unmittelbar noch<br />

mittelbar diskriminierend sein,<br />

g mit Blick auf Führungskräfte als<br />

Beurteilende zu deren<br />

Gleichstellungsmotivation beitragen.<br />

Anzumerken ist allerdings, dass im Falle<br />

des hier gewählten Beispiels die<br />

Operationalisierung des unter a) genannten<br />

Ziels ausgesprochen schwierig ist, da<br />

kein Letztkriterium existiert, dass zuverlässig<br />

Auskunft darüber gibt, welche<br />

Verteilung von Beurteilungsergebnissen<br />

nicht diskriminierend ist.<br />

(2)<br />

Die Bestandaufnahme gibt noch keine hinreichenden<br />

Antwort darauf, wodurch eine<br />

Ungleichbehandlung von Männern und<br />

Frauen bei der Beurteilung verursacht<br />

werden kann. Daher ist eine Problemanalyse<br />

erforderlich, die die angewendeten<br />

Verfahren, Kriterien und Praktiken der<br />

Personalbeurteilung einer kritischen Überprüfung<br />

unterzieht. Problemverursachend<br />

können u.a. sein:<br />

g Kriterien und Verfahren der Beurteilung:<br />

Unter ExpertInnen herrscht hier<br />

Einigkeit darüber, dass Einstufungsverfahren<br />

mit überwiegend eigenschaftsbezogenen<br />

Kriterien (z.B.<br />

Durchsetzungsfähigkeit, Belastbarkeit)<br />

Einfallstore <strong>für</strong> Beurteilungsverzerrungen<br />

durch Geschlechts(rollen)stereotype<br />

bieten.<br />

g Beschreibungshilfen:<br />

Führungskräften werden oft Beschreibungshilfen<br />

an die Hand gegeben, die<br />

die Einstufungsentscheidungen erleichtern<br />

sollen. Eine in der Stadt München<br />

durchgeführte Untersuchung hat<br />

gezeigt, dass die dort verwendeten<br />

Beschreibungen sehr diskriminierungsanfällig<br />

waren. Als »hervorragend« war<br />

dort eine Person einzustufen, der »kein<br />

Arbeitspensum zu groß ist« und die<br />

»mehr leistet als jeder andere.« Und<br />

weiter:»Seine Freizeit verwendet er zu<br />

einem erheblichen Teil <strong>für</strong> die<br />

Weiterbildung.«<br />

g Unbewusste Beurteilungsverzerrungen<br />

und -fehler:<br />

Auch eine ganze Reihe von wahrnehmungsbedingten<br />

Beurteilungsfehlern<br />

korrespondiert mit der Geschlechterordnung<br />

bzw. mit Geschlechts(rollen)stereotypen.<br />

Zu nennen wären hier verschiedene<br />

Effekte:<br />

g Hierarchieeffekt: In der Hierarchie höher<br />

stehende Personen werden allein deshalb,<br />

d.h. unabhängig von der tatsächlich<br />

erbrachten Leistung, besser beurteilt.<br />

Bei der derzeitigen geschlechtsspezifischen<br />

Verteilung von Führungspositionen<br />

führt dies zu einer Benachteiligung<br />

von Frauen.<br />

29


30<br />

g Klebereffekt: Personen, die lange nicht<br />

befördert worden sind, werden tendenziell<br />

schlechter beurteilt; dies verstärkt<br />

bzw. legitimiert die Aufstiegsdiskriminierung<br />

von Frauen.<br />

g Ähnlichkeitseffekt: Beurteilte, die den<br />

Beurteilenden hinsichtlich bestimmter<br />

Merkmale ähnlich sind, werden tendenziell<br />

besser beurteilt. Wenn die beurteilenden<br />

Führungskräfte mehrheitlich<br />

männlich sind, wirkt sich auch dieser<br />

Effekt systematisch zum Nachteil von<br />

Frauen aus. Interessegeleitete<br />

Beurteilungen zuungunsten von Frauen:<br />

Diese können z.B. zustande kommen,<br />

wenn männliche Führungskräfte<br />

Vorzugsregelungen bzw. Quoten zugunsten<br />

von Frauen als ungerecht empfinden<br />

und deshalb durch schlechtere<br />

Beurteilungen von Frauen bzw. bessere<br />

Beurteilungen von Männern gegensteuern<br />

wollen.<br />

(3)<br />

Nach einer eingehenden Analyse der<br />

Probleme kann mit der Entwicklung von<br />

Konzepten einer geschlechtergerechten<br />

Personalbeurteilung begonnen werden.<br />

Die Kernfrage ist hierbei: Welche Maßnahmen<br />

sind zu planen und zu entscheiden,<br />

die geeignet sind, die gesetzten Ziele<br />

zu erreichen? Hier kommen zum einen<br />

neue Verfahren und Kriterien in Betracht,<br />

die diskriminierungsfreier sind: So in<br />

jedem Falle Verfahren, die die Einstufung<br />

nicht von der Wahrnehmung und Urteilsbildung<br />

einer einzigen Führungskraft<br />

abhängig machen, sondern mehrere<br />

Personen beteiligen, oder zielorientierte<br />

Verfahren, die das Beurteilungsergebnis<br />

von der Erreichung zuvor vereinbarter<br />

objektivierter Ziele abhängig machen. In<br />

Bezug auf die Kriterien wird darüber<br />

empfohlen, eigenschaftsbezogene<br />

Kriterien durch aufgaben- und ergebnisbezogene<br />

Kriterien zu ersetzen.<br />

Eine weitere geeignete Maßnahme wäre<br />

die Integration des Kriteriums »gleichstellungsförderliches<br />

bzw. – hinderliches<br />

Verhalten« in die Systeme der Beurteilung<br />

von Führungskräften. Damit würde auch<br />

der Aufstieg und das Einkommen – bei<br />

Führungsfunktionen auf Zeit auch der<br />

Verbleib von Führungskräften auf der<br />

Stelle – von seinem/ihrem Gleichstel-<br />

lungsverhalten abhängig.<br />

In jedem Falle wird eine Sensibilisierung<br />

der Führungskräfte durch eine entsprechende<br />

Schulung notwendig sein.<br />

Nach dem Prinzip des Gender<br />

Mainstreaming wären die Konzepte<br />

bereits im Planungsstadium auf ihre<br />

voraussichtlichen Auswirkungen auf die<br />

Gleichstellung der Geschlechter zu überprüfen.<br />

D.h. durch einen Vorab-Check<br />

wäre schon in dieser Phase – und nicht<br />

erst nach der Entscheidung – darzulegen,<br />

inwieweit durch die geplanten<br />

Maßnahmen eine diskriminierungsfreiere<br />

Beurteilung möglich wird.<br />

(4)<br />

Schließlich wird es nach der Einführung<br />

eines neuen Beurteilungsverfahrens und<br />

nach<br />

g Durchführung der Schulungen eine<br />

Erfolgskontrolle und Bewertung des<br />

Erreichten geben müssen.<br />

Das heißt: erneute Analyse des Ist-<br />

Zustandes und Vergleich mit dem<br />

definierten Soll-Zustand. Wurden die<br />

Ziele nicht erreicht, sollte die Ursachen<br />

analysiert und entsprechende<br />

Maßnahmen eingeleitet werden. Die<br />

gesamte schrittweise Vorgehensweise<br />

kann somit auch als Regelkreis und<br />

damit als eine Art Gleichstellungscontrolling<br />

betrachtet werden.<br />

Mit diesem Beispiel wurde ein Handlungsfeld<br />

zur Illustration ausgewählt, bei dem<br />

es darum ging, mittelbare Diskriminierung<br />

von Frauen zu beseitigen. Der Ansatz des<br />

Gender Mainstreaming – dies sollte<br />

abschließend hervorgehoben werden –<br />

zielt nicht nur auf die Beseitigung solcher<br />

Diskriminierungen, er geht darüber<br />

hinaus. Der Auftrag lautet auch:<br />

Gleichstellung von Frauen und<br />

Männern fördern, d.h. über<br />

notwendige und rechtlich<br />

festgelegte Mindeststandards<br />

hinauszugehen. Gefragt sind demnach<br />

auch innovative Lösungen, um den verschiedenen<br />

Lebenssituationen,<br />

Möglichkeiten und Interessen von Frauen<br />

und Männern gerecht zu werden. Dies ist<br />

noch ein weites Handlungsfeld, das –<br />

gemessen an dem, was möglich wäre –<br />

durch Praxis und Wissenschaft insgesamt<br />

noch wenig beackert ist.


Mentoring – Praxisbeispiel aus der<br />

Landesbank Schleswig-Holstein<br />

Christiane Möller<br />

Landesbank<br />

Schleswig-Holstein<br />

Ein altes Prinzip ist wieder aktuell:<br />

Mentoring<br />

Mentoring bedeutet, dass eine erfahrene<br />

Person einer noch unerfahrenen über<br />

einen gewissen Zeitraum zur Seite steht.<br />

Wie sehr der oder die Mentee davon<br />

profitieren kann, hatte schon Odysseus<br />

erkannt. Viel auf Reisen konnte er sich der<br />

Erziehung seines Sohnes Telemachos<br />

nicht ausreichend widmen. Er vertraute<br />

auf seinen Freund Mentor und bat ihn,<br />

sich um Telemachos zu kümmern. Mentor<br />

sagte zu und war Vater, Berater, Förderer<br />

oder neu-deutsch Coach, in einer Person.<br />

Rollen im Mentoring:<br />

Anforderung an die Mentorin/den Mentor<br />

g Führungspersönlichkeit sein<br />

g Interessante Kontakte knüpfen<br />

g Zeitlich angemessene Verfügbarkeit<br />

g Vertraulichkeit sicherstellen<br />

g Empathie mitbringen<br />

g Vertrauen herstellen<br />

g Offenheit mitbringen<br />

g Lernbereitschaft mitbringen<br />

g Zwei Hierarchiestufen über der Mentee<br />

Anforderung an die Mentee<br />

g mindestens zwei Jahre in der Bank sein<br />

g die berufliche Weiterentwicklung wollen<br />

g zur Kritik fähig sein<br />

g das Potenzial <strong>für</strong> eine Fach- oder<br />

Führungsposition mitbringen<br />

Die Mentorin/der Mentor ist<br />

Berater hilft der Mentee Strategien zu entwickeln<br />

um Arbeitsziele zu entwickeln<br />

Motivator ermutigt die Mentee, an vielversprechenden<br />

Projekten teilzunehmen<br />

Partner bezieht die Mentee in die<br />

Entwicklung eigener Ideen mit ein<br />

Coach hilft der Mentee, eigene<br />

Kompetenzen und Fähigkeiten zu<br />

erkennen und weiterzuentwickeln<br />

Moderator unterstützt die Mentee bei<br />

Zielsetzung und Karriereplanung<br />

Kritiker gibt der Mentee kritisch –<br />

konstruktives Feedback<br />

Der direkte Vorgesetzte profitiert<br />

ebenfalls vom Mentoring<br />

g durch eine erhöhte Arbeitsmotivation<br />

der Mentee<br />

g durch Qualifizierung der Mentee<br />

g durch mehr Verständnis <strong>für</strong> Vorgesetzte<br />

Ziele im Mentoring<br />

g Anteile von Frauen in Fach- und<br />

Führungspositionen erhöhen<br />

g Potenziale erkennen, ausbauen und<br />

weiterentwickeln<br />

g Qualifizierte Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter an das Unternehmen binden<br />

und halten<br />

Welche Ziele verfolgt<br />

die LB Kiel:<br />

Ziel ist es den Kontakt zwischen Männern<br />

und Frauen im Arbeitsalltag zu stärken.<br />

Das erfolgt zunächst einmal automatisch<br />

dadurch, dass überwiegend männliche<br />

Führungskräfte praktisch qua Funktion als<br />

Mentoren zur Verfügung stehen und somit<br />

in den Dialog mit weiblichen Nachwuchskräften<br />

treten.<br />

Es stärkt auch unsere Vereinbarung in der<br />

Bank, dass an dem Thema Chancengleichheit<br />

Männer und Frauen gemeinsam<br />

31


Haben Frauen:<br />

Warum ist das<br />

<strong>für</strong> die Bank<br />

wichtig:<br />

32<br />

? ?<br />

?<br />

?<br />

! !<br />

!<br />

arbeiten müssen, um hier Fortschritte zu<br />

erreichen. Dass die erste Führungsebene<br />

sich in einem solchen Projekt engagiert,<br />

ist außerdem eine wichtiges Signal <strong>für</strong><br />

andere Führungskräfte in der Bank sich<br />

<strong>für</strong> das Thema Chancengleichheit zu<br />

engagieren, ohne dass sie einen<br />

Statusverlust be<strong>für</strong>chten müssen.<br />

Durch Mentoring sollen Kompetenzen<br />

von Frauen sichtbar gemacht werden.<br />

Häufig wird ja die Frage gestellt, ob<br />

Frauen überhaupt besonders gefördert<br />

werden sollen. Frauen wollen ja nicht<br />

gefördert werden, weil sie Frauen sind,<br />

sondern weil sie gut sind. Und die<br />

Botschaft lautet ja nicht: »Euch fehlt noch<br />

was, ihr müsst jetzt gefördert werden,<br />

sondern ihr seid gut und andere sollen<br />

das sehen!«<br />

In dem Projekt sollen sich Mentoren und<br />

Mentees auch mit den Fragen auseinandersetzen:<br />

Einen anderen Anspruch als Männer an<br />

ihre eigene Kompetenz?<br />

Ein anderes Verständnis von Führung?<br />

Stellen sie Inhalte und Aufgaben eher in<br />

den Vordergrund als Hierarchie und<br />

Status?<br />

Beziehen Frauen das Thema »Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf« in ihre<br />

Karriereplanung stärker ein als Männer?<br />

Weiteres wichtiges Ziel im Mentoring ist<br />

natürlich den Frauenanteil in Fach- und<br />

Führungspositionen zu erhöhen.<br />

Zur Zeit haben wir im außertariflich<br />

bezahlten Bereich einen Frauenanteil von<br />

12% den wir bis Ende 2003 auf 23%<br />

steigern möchten. Das ist sehr ehrgeizig,<br />

denn das bedeutet fast eine Verdoppelung.<br />

Märkte und Kunden verändern sich in den<br />

letzten Jahren rasant.<br />

Neue Produkte und Dienstleistungen werden<br />

immer komplexer.<br />

Globalisierung der Wirtschaft führt dazu,<br />

dass Menschen aus unterschiedlichen<br />

Regionen und Kulturen miteinander<br />

arbeiten und kooperieren müssen. Wir<br />

merken dies sehr stark bei uns durch<br />

mehr Geschäfte im internationalen<br />

Bereich.<br />

Diese Merkmale haben einen gemeinsamen<br />

Nenner: Sie führen zu Vielfalt, zu<br />

Heterogenität. Wir glauben, dass eine<br />

ausgewogene Zusammensetzung der<br />

Belegschaft besser in der Lage ist, sich auf<br />

unterschiedliche Bedürfnisse der Kunden<br />

und Kundinnen einzustellen.<br />

Unterschiedliche Sichtweisen führen zu<br />

mehr Kreativität und Produktivität.<br />

Die Fähigkeit solche Komplexität und<br />

Vielfalt flexibel managen zu können, wird<br />

mehr und mehr zum entscheidenden<br />

Faktor im Wettbewerb.<br />

Zur praktischen Umsetzung<br />

unseres Mentoring-<br />

Programms:<br />

Die Idee zu diesem Pilotprojekt ist eine<br />

Maßnahme aus dem Aktionskatalog<br />

unseres Frauenförderplans. Gestartet sind<br />

wir im April 2001, nach einer ca.<br />

sechsmonatigen Vorbereitungsphase.<br />

Nachdem das Mentoring-Programm vom<br />

Vorstand genehmigt war, hatten wir uns<br />

zunächst auf die Suche nach externer<br />

Beratung begeben. Da kam uns das »Start<br />

up« der Unternehmensberaterinnen Petra<br />

Brackert und Gabriele Hoffmeister-<br />

Schönfelder »kontor5« aus Hamburg wie<br />

gerufen, die sich auf den Schwerpunkt<br />

»Chancengleichheit« spezialisiert haben.<br />

Mentoring-Programme haben sie bereits<br />

bei zahlreichen Unternehmen erfolgreich<br />

durchgeführt (z.B. bei der Commerzbank,<br />

der Deutschen Bank, bei der Lufthansa,<br />

der deutschen BP, der Telekom oder bei<br />

DaimlerChrysler).<br />

So bestärkt, haben wir zunächst eine<br />

Projektgruppe gegründet, die wir so<br />

zusammengestellt haben, dass deren<br />

Mitglieder einen repräsentativen Kreis von<br />

Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der LB<br />

Kiel abbilden und gleichzeitig gute<br />

Promotoren und Multiplikatoren <strong>für</strong> dieses<br />

Projekt sind. Obwohl es eine Maßnahme<br />

aus dem Frauenförderplan ist, hat die<br />

Projektgruppe entschieden, dass auch<br />

Männer durch diese neue Personalentwicklungsmaßnahme<br />

gefördert werden<br />

sollen. Dieser Entscheidung liegt der<br />

Ansatz zu Grunde, dass Chancengleichheit<br />

in der LB Kiel nur erreicht werden kann,<br />

wenn Männer und Frauen gemeinsam<br />

daran arbeiten. Wir haben daher die<br />

Anzahl der Teilnehmerinnen im umgekehrten<br />

Verhältnis der zur Zeit von<br />

Männern besetzten Fach- und Führungspositionen<br />

besetzt. Das Ergebnis war<br />

danach: 8 Frauen und 4 Männer.<br />

Wir erhoffen uns von dieser »gemischten


Gruppe«, praktisch als Langzeitmaßnahme,<br />

eine erhöhte Sensibilität in späterer<br />

Führungsverantwortung <strong>für</strong> möglicherweise<br />

geschlechtsspezifische<br />

Unterschiede in der Karriereplanung.<br />

Die Projektgruppe hatte auch die Aufgabe<br />

gut geeignete Mentoren und Mentorinnen<br />

der LB Kiel zu benennen. Dabei fiel uns<br />

die Wahl wirklich schwer, denn die Bank<br />

hat viele gut geeignete Führungskräfte,<br />

die <strong>für</strong> diese Aufgabe in Frage kommen.<br />

Schließlich hatten wir 25 Männer und<br />

Frauen ausgewählt, von denen wir uns<br />

nochmals <strong>für</strong> zwölf Personen <strong>für</strong> das<br />

Pilotprojekt entscheiden mussten. Alle<br />

angesprochenen Führungskräfte inklusive<br />

unser Vorstandsvorsitzender Herr Dr.<br />

Dietrich Rümker und stellvertretender<br />

Vorstandsvorsitzender Herr Hans Berger<br />

haben spontan »Ja« gesagt. Wir haben<br />

uns <strong>für</strong> das Pilotprojekt auf einen<br />

Zeitraum von zwölf Monaten geeinigt.<br />

Außerdem haben wir uns zunächst <strong>für</strong> ein<br />

internes Mentoring entschieden und nicht<br />

<strong>für</strong> ein Cross-Mentoring in Zusammenarbeit<br />

mit anderen Unternehmen.<br />

Die zwölf Mentees (w/m) wurden nach<br />

überdurchschnittlichen Ergebnissen<br />

unseres Karriereentwicklungsseminars der<br />

letzten zwei Jahre ausgewählt.<br />

Anschließend ging es darum die zwölf<br />

»Tandems« in möglichst idealer Kombination<br />

ihrer Persönlichkeitsprofile so<br />

zusammenzubringen, dass sie in dem<br />

einen Jahr bestmöglichst voneinander<br />

profitieren können. Grundlage <strong>für</strong> diese<br />

Entscheidungen waren Einzelgespräche<br />

und Fragebögen, die die Mentoren und<br />

Mentees zuvor ausgefüllt und an kontor5<br />

geschickt hatten.<br />

In den Einzelgesprächen haben wir das<br />

Programm erklärt. Wir haben ihnen<br />

gesagt, dass sie in der Bank durch dieses<br />

Programm sehr sichtbar werden und sie<br />

mit Neid rechnen müssen. Inhaltlich<br />

müssten sie sich sehr stark mit ihren<br />

Karrierezielen auseinandersetzen. Wir<br />

haben auch deutlich gemacht, dass es<br />

sich nicht um »Pöstchenschieberei«<br />

handelt und es keine »small-talk-<br />

Veranstaltung« darstellt.<br />

Die Zusammenstellung der »Paare« war<br />

bis zur Auftaktveranstaltung ein gut<br />

gehütetes Geheimnis und damit stieg die<br />

Spannung (<strong>für</strong> einige wohl nahezu<br />

unerträglich...) <strong>für</strong> ein echtes »Blind Date«.<br />

Der »große Tag« begann dann zunächst<br />

am Nachmittag mit einem jeweils<br />

getrennten Workshop <strong>für</strong> die Mentees und<br />

die Mentoren gemeinsam mit der Projektgruppe.<br />

Inhaltlich haben wir nochmals die<br />

Rollen der Mentoren und der Mentees<br />

verdeutlicht und die Erwartungshaltung<br />

der einzelnen ProjektteilnehmerInnen<br />

erfragt. Dabei war die Stimmung bei den<br />

Mentees von Aufgeregtheit und Spannung<br />

geprägt sowie von Freude <strong>für</strong> dieses<br />

Projekt ausgewählt worden zu sein. Den<br />

Mentoren und Mentorinnen ging es natürlich<br />

ähnlich, hinzu kam aber übereinstimmend<br />

die Freude auf die neue Aufgabe.<br />

Dann war es endlich soweit: Mentoren<br />

und Mentorinnen und die Mentees sollten<br />

sich endlich kennen lernen. »Rote Rose<br />

traf aber nicht rote Rose«, sondern es<br />

wurden Briefe an Mentoren und Mentees<br />

verteilt, in denen die jeweiligen Namen<br />

bekannt gegeben wurden sowie eine<br />

kurze Skizze über die jeweils individuelle<br />

Erwartungshaltung <strong>für</strong> das eine Jahr der<br />

Begleitung.<br />

Die erste Begegnung fand dann bei fröhlicher<br />

Stimmung in unserem festlich hergerichteten<br />

Betriebsrestaurant bei einem<br />

Begrüßungsgetränk statt.<br />

Nach der Begrüßungsansprache durch<br />

unseren Vorstandsvorsitzenden Herrn Dr.<br />

Rümker erwartete uns ein tolles Büffet.<br />

Während des Essens gab es <strong>für</strong> die<br />

»Tandems« erste Gelegenheit sich kennenzulernen.<br />

Einige nutzten den Abend<br />

bereits <strong>für</strong> die schriftliche »Vereinbarung<br />

über eine Mentoring-Partnerschaft«, in der<br />

konkrete Zielvereinbarungen (konkrete<br />

Karriereziele und persönliche Entwicklungsschritte)<br />

getroffen werden müssen.<br />

Ebenso wurden die ersten Termine <strong>für</strong><br />

Gespräche vereinbart.<br />

Für ein Jahr erhalten die Mentees nun<br />

Impulse und Ratschläge <strong>für</strong> ihre Karriereentwicklung.<br />

Kontor5 begleitet das Projekt<br />

und steht als neutraler Ansprechpartner<br />

zur Verfügung. Erste Erfahrungen klingen<br />

sehr positiv. Mentoring hat allen geholfen,<br />

Situationen im Arbeitsalltag besser zu<br />

meistern und sich über eigene Ziele klar<br />

zu werden. Mentoring bietet Informationen,<br />

die viele Mentoren und Mentees<br />

sonst nicht bekommen würden. Wir sind<br />

gespannt auf den weiteren Verlauf<br />

unseres Pilotprojektes.<br />

Nach Abschluss werden die Erfahrungen<br />

ausgetauscht und ausgewertet. Das<br />

Mentoring-Projekt wird mit einer<br />

Abschlussveranstaltung beendet.<br />

33


Anhang<br />

Arbeitsbewertung und Lohngleichheit<br />

von Frau und Mann<br />

ABAKABA, ein geschlechtsunabhängiges<br />

Arbeitsbewertungsinstrument<br />

34<br />

Zusammenfassung<br />

Die Festlegung eines Lohnsystems mit<br />

einem Arbeitsbewertungssystem in einem<br />

Betrieb gewährt noch lange nicht, dass<br />

Frauen lohnmäßig nicht diskriminiert werden.<br />

Im folgenden wird aufgezeigt, wie<br />

traditionelle Arbeitsbewertungsverfahren<br />

in der Praxis eingesetzt werden und<br />

warum sie sich nachteilig auf Löhne von<br />

typischen Frauentätigkeiten auswirken<br />

können. Mit ABAKABA (Analytische<br />

Bewertung der Arbeit nach Katz und<br />

Baitsch) wird ein differenziertes Arbeitsbewertungssystem<br />

vorgestellt, das<br />

gerade auch typische Frauen- und<br />

Männertätigkeiten geschlechtsneutral<br />

beurteilt. Es ermöglicht Betrieben,<br />

<strong>Verwaltung</strong>en und Organisationen, ein<br />

diskriminierungsfreies Lohnsystem<br />

aufzubauen.<br />

Einleitung<br />

Der in der schweizerischen Bundesverfassung<br />

seit 1981 verankerte Anspruch<br />

von Frauen und Männern auf gleichen<br />

Lohn <strong>für</strong> gleichwertige Arbeit ist noch


lange nicht verwirklicht. Am 1. Juli 1996<br />

trat in der Schweiz das Bundesgesetz über<br />

die Gleichstellung von Frau und Mann in<br />

Kraft. Dieses stellt <strong>für</strong> ArbeitgeberInnen<br />

und ArbeitnehmerInnen eine neue<br />

Herausforderung dar. Denn mit diesem<br />

Gesetz werden den Arbeitnehmerinnen<br />

bessere Mittel in die Hand gegeben, ihren<br />

Anspruch auf gleichen Lohn <strong>für</strong> gleichwertige<br />

Arbeit durchzusetzen.<br />

Im Erwerbsleben verdienen Frauen <strong>für</strong><br />

vergleichbare Arbeit wesentlich weniger<br />

als ihre männlichen Kollegen (vgl. Reis<br />

1988, Ulich et al.1988, Zingg Schrupkowski<br />

1994). Typische Frauenarbeitsplätze<br />

werden geringer bewertet und<br />

Qualifikationen, die <strong>für</strong> viele Frauentätigkeiten<br />

erforderlich sind –, z.B. Einfühlungsvermögen<br />

und Organisationsfähigkeit<br />

–, werden in der Arbeitswelt und<br />

Berufspraxis zu wenig wahrgenommen<br />

und lohnmässig nicht erfasst (vgl. Baitsch<br />

et al. 1988, Semmer 1991).<br />

Trotz der Bedeutung der Lohndiskriminierungen<br />

bei gleichwertiger Arbeit fehlten<br />

lange wissenschaftliche begründete<br />

Kriterien <strong>für</strong> die Beurteilung der Gleichwertigkeit<br />

von Arbeitstätigkeiten.<br />

Arbeitsbewertungsverfahren waren <strong>für</strong><br />

Gerichte, aber auch <strong>für</strong> viele Arbeitgeber-<br />

Innen und ArbeitnehmerInnen oft das<br />

einzige Instrument, zwei Tätigkeiten<br />

miteinander zu vergleichen.<br />

Sowohl eine Untersuchung im Auftrag der<br />

Arbeitsgruppe »Lohngleichheit von Frau<br />

und Mann« des Eidgenössischen Justizund<br />

Polizeidepartements als auch ein<br />

Gutachten des Eidgenössischen Büros <strong>für</strong><br />

die Gleichstellung von Frau und Mann<br />

haben gezeigt, dass die damals bekannten<br />

Arbeitsbewertungsverfahren (z.B. Hay-<br />

Verfahren, Funktionsbewertung des<br />

Betriebswirtschaftlichen Institutes der ETH<br />

Zürich) wichtige Merkmale von typischen<br />

Frauentätigkeiten stark vernachlässigen,<br />

Anforderungen an Tätigkeiten, die vorwiegend<br />

von Männern ausgeführt werden,<br />

jedoch überbewerten. Die erwähnten<br />

Studien wiesen aber auch darauf hin, dass<br />

diese Mängel der Instrumente bei ihrer<br />

Anwendung noch verstärkt, einerseits weil<br />

manche Arbeitsbewertungsverfahren sehr<br />

komplex sind, anderseits weil die AnwenderInnen<br />

die speziellen Diskriminierungsquellen<br />

der Arbeitsbewertung nicht<br />

kennen.<br />

Arbeitsbewertung in der Praxis<br />

Es gibt in der Praxis viele Verfahren und<br />

Systeme der Arbeitsbewertung. Mit<br />

diesen werden die verschiedenen<br />

Arbeitstätigkeiten in einem Betrieb unabhängig<br />

von den Personen bewertet und<br />

miteinander verglichen.<br />

Arbeitsbewertungsverfahren sind in der<br />

Schweiz vor allem in öffentlichen <strong>Verwaltung</strong>en<br />

und in mittleren und größeren<br />

Unternehmen bedeutsam, da die<br />

Durchführung mit erheblichem Aufwand<br />

verbunden ist. In kleinen Betrieben werden<br />

die Löhne oft anhand von wenigen<br />

Kriterien und/oder Vergleich zwischen verschiedenen<br />

Arbeitsplätzen festgelegt. Die<br />

Aufgabe dieser Bewertungssysteme liegt<br />

u.a. darin, den Schwierigkeitsgrad einer<br />

Arbeit anhand von im voraus zu bestimmenden<br />

Merkmalen (wie Anforderungen<br />

und Belastungen) zu ermitteln und diesem<br />

einen Zahlenwert zuzuordnen (vgl. Ridder<br />

1982) .<br />

Die Durchführung der verschiedenen<br />

Arbeitsbewertungsverfahren erfolgt in der<br />

Regel in den folgenden Schritten (vgl.<br />

Kappel 1993, Semmer et al. S. 23 ff., S.<br />

29ff., Katz & Baitsch 1996, S. 16):<br />

g Bestimmung der Kriterien, bzw.<br />

Merkmale, anhand der die Tätigkeiten<br />

bewertet werden sollen;<br />

g Gewichtung der Kriterien, bzw.<br />

Merkmale;<br />

g Beschreibung der Arbeitsaufgaben der<br />

zu bewertenden Tätigkeit;<br />

g Bewertung der Arbeitsaufgaben aufgrund<br />

des im voraus festgelegten<br />

Kriterien-, bzw. Merkmalskatalogs;<br />

g Berechnung des Gesamtarbeitswertes<br />

durch Zusammenzählen der gewichteten<br />

Merkmalspunkte.<br />

Aufgrund von Verfahren der Arbeitsbewertung<br />

werden die Grundlöhne festgelegt,<br />

d.h. es werden nur die tätigkeitsbezogenen<br />

Kriterien berücksichtigt.<br />

Personenbezogene Kriterien wie beispielsweise<br />

die Leistung, das Alter und die<br />

Betriebzugehörigkeit einer Person werden<br />

bei der Arbeitsbewertung nicht berücksichtigt<br />

und sind nicht Teil des Grundlohns.<br />

35


36<br />

Arbeitsbewertung auf dem<br />

Prüfstand<br />

Vorbemerkung<br />

Wie eingangs erwähnt sind die meisten<br />

Arbeitsbewertungsverfahren mit Mängeln<br />

behaftet und wirken sich nicht selten<br />

diskriminierend auf Löhne von typischen<br />

Frauenarbeitsplätzen aus. Dies nicht<br />

zuletzt, weil Kriterien und Merkmale<br />

analytischer Arbeitsbewertungssysteme<br />

oft auf dem »Genfer Schema« beruhen.<br />

Dieses Schema unterscheidet zwischen<br />

geistigen und körperlichen Anforderungen,<br />

Verantwortung und Arbeitsbedingungen.<br />

Bei den Kriterien wird zwischen<br />

Können und Belastungen unterschieden,<br />

wobei zu beachten ist, dass Verantwortung<br />

und Arbeitsbedingungen nur unter<br />

dem Aspekt der Belastung betrachtet wird<br />

(vgl. Maier 1988, S.52, REFA, 1989, S.44,<br />

Semmer et al. 1991, S. 27).<br />

Entsprechend dem Zeitpunkt der<br />

Entstehung des Genfer Schemas findet<br />

man/frau neben den geistigen<br />

Anforderungen sehr stark auf körperliche<br />

Tätigkeiten ausgerichtete Merkmale.<br />

Psycho-soziale Dimensionen wie sie vor<br />

allem in der heutigen Arbeitswelt und <strong>für</strong><br />

Führungsfunktionen und soziale Berufe<br />

sehr wichtig sind, kommen nicht im<br />

Genfer-Schema vor.<br />

Problematik der Merkmalsauswahl<br />

In den traditionellen Arbeitsbewertungsverfahren<br />

ist die Merkmalsauswahl sehr<br />

stark von Wertvorstellungen beeinflusst.<br />

Bei vielen Merkmalskatalogen besteht die<br />

Tendenz, dass sie mit einer großen Anzahl<br />

von Merkmalen den Anschein geben, sehr<br />

genau sein zu wollen (vgl. Katz & Baitsch<br />

1996, S. 20). Um mit einer Arbeitsbewertung<br />

eine Geschlechterdiskriminierung zu<br />

verhindern, muss der Merkmalsauswahl<br />

besondere Beachtung geschenkt werden.<br />

Aus Untersuchungen ist bekannt, dass<br />

gerade Merkmale, die bestimmte<br />

Positionen bevorzugen, die überdurchschnittlich<br />

von Männern besetzt sind, in<br />

den Arbeitsbewertungsinstrumenten<br />

meistens vertreten sind.<br />

Bewertungsmerkmale wie Anforderungen<br />

an Ausbildung, Führungsverantwortung,<br />

Durchsetzungsvermögen, aber auch<br />

Anforderungen an Muskelkraft meistens<br />

vorkommen. Daneben fehlen darin aber<br />

oft Merkmale, die gerade <strong>für</strong> typische<br />

Frauenberufe (z.B. Einfühlungsvermögen,<br />

Handfertigkeit, Bewegungspräzision) von<br />

großer Bedeutung sind (vgl. Baitsch et al.<br />

1988, S.22, Semmer et al. S.53 f., Katz &<br />

Baitsch 1996, S. 21). Dabei ist zu<br />

bedenken, was nicht auf einer Merkmalsliste<br />

vorhanden ist, kann auch nicht<br />

bewertet werden und ist deshalb nicht<br />

lohnwirksam.<br />

Problematik der Merkmalsüberlappung<br />

Eine Ursache, warum sich Verfahren der<br />

Arbeitsbewertung diskriminierend<br />

auswirken können, ist die starke Überlappung<br />

oder Überschneidung von<br />

Merkmalen. Diese Gefahr besteht vor<br />

allem bei Katalogen mit einer großen<br />

Anzahl von Kriterien. Dahinter steckt die<br />

folgende Problematik. Eine Liste enthält<br />

verschiedene Merkmale, die miteinander<br />

verwandt sind. Dies führt dazu, dass dann<br />

ein und derselbe Sachverhalt mehrfach<br />

bewertet wird.<br />

So stellen zum Beispiel Kriterien<br />

»Management, Führung«, »Denkleistung«<br />

und »Verantwortung« sich sehr überschneidende<br />

Aspekte dar. Sie messen<br />

sozusagen die intellektuellem Anforderungen<br />

einer Arbeitstätigkeit. In aller Regel ist<br />

eine hohe Einstufung in einem Merkmal<br />

zugleich mit einer hohen Einstufung im<br />

zweiten und dritten Merkmal verbunden<br />

(vgl. Baitsch et al. S. 23 f).<br />

Problematik der Merkmalsgewichtung<br />

Unter Gewichtung wird der mögliche<br />

prozentuale Anteil eines Merkmals an der<br />

Gesamtpunktzahl einer bewerteten<br />

Tätigkeit verstanden. Wissenschaftlich<br />

lässt sich die Gewichtung nicht begründen.<br />

Sie wird beeinflusst von traditionellen<br />

Einstellungen, gesellschaftlichen<br />

Normen und subjektiven Wertungen (vgl.<br />

Jochmann-Döll 1990, S. 58). Baitsch et al<br />

(1988) weisen in ihrer Untersuchung von<br />

verschiedenen Arbeitsbewertungsverfahren<br />

auf die folgenden Tendenzen<br />

bei der Gewichtung hin: Stark gewichtet<br />

werden die Anforderungen an<br />

Ausbildung, an Wissen, an geistige<br />

Fähigkeiten und deren Belastungen<br />

daraus. Gering gewichtet werden<br />

Anforderungen an emotionale Fähigkeiten<br />

sowie an körperliche Fähigkeiten und<br />

Fertigkeiten (vgl. Baitsch 1996).<br />

Problematik des Bewertungsprozesses<br />

Es ist üblich, dass die Bewertung von<br />

Arbeitstätigkeiten in Gruppen, sogenannten<br />

Bewertungskommissionen, vorge-


nommen wird. Bei der Durchführung der<br />

Bewertung ist es deshalb eminent wichtig,<br />

dass die verschiedenen Interessengruppen<br />

(Frauen und Männer, Arbeitnehmer-<br />

Innen und ArbeitgeberInnen) vertreten<br />

sind.<br />

Viele Fehlerquellen ergeben sich aber<br />

dennoch bei der Durchführung der<br />

Arbeitsbewertung in einer Gruppe. Hier<br />

soll nur auf einige dieser größten<br />

Schwierigkeiten bei der Beurteilung in<br />

Gruppen hingewiesen werden.<br />

Der Halo-Effekt (vgl. Semmer et al. 1991,<br />

S. 43f, Jochmann-Döll 1990, S. 65) kommt<br />

dadurch zustande, dass die einzelnen<br />

Merkmale nicht unabhängig voneinander<br />

beurteilt werden, sondern jeweils von<br />

einem Gesamteindruck der Tätigkeit<br />

beeinflusst werden.<br />

Allgemeine Antworttendenzen (vgl.<br />

Semmer et al, S. 44) ergeben sich, weil<br />

viele Personen dazu neigen, Extremeinstufungen<br />

zu vermeiden und eine Tendenz<br />

zur Mitte haben oder wieder zu Ja- oder<br />

Nein- Antworten tendieren.<br />

In den meisten Gruppen entsteht über<br />

kurz oder lang ein Machtgefüge, das dazu<br />

führt, dass die Meinungen gewisser<br />

Gruppenmitglieder von anderen übernommen<br />

wird (vgl. Semmer et al. S. 44f).<br />

Es ist deshalb unverzichtbar, dass in einer<br />

Schulung die verschiedenen Mitglieder<br />

einer Bewertungsgruppe auf die verschiedenen<br />

Beurteilungsfehler und<br />

Diskriminierungsquellen von Arbeitsbewertungsinstrumenten<br />

aufmerksam<br />

gemacht werden.<br />

ABAKABA –<br />

ein geschlechtsunabhängiges<br />

Arbeitsbewertungsinstrument<br />

Es hat sich also gezeigt, dass Arbeitsbewertungsverfahren<br />

nicht per se ein pro-<br />

bates Mittel sind, zwei verschiedene<br />

Tätigkeiten ohne Diskriminierung von<br />

typischen Frauenarbeitsplätzen zu vergleichen.<br />

Diese Tatsache führte das<br />

Eidgenössische Büro <strong>für</strong> die Gleichstellung<br />

von Frau und Mann dazu, Prof.<br />

Dr. Christof Baitsch und Dr. Christian Katz,<br />

zwei ausgewiesene Wissenschafter, ein<br />

geschlechtsunabhängiges Arbeitsbewertungsinstrumente<br />

entwickeln zu lassen.<br />

Mit ABAKABA (Analytische Bewertung<br />

von Arbeitstätigkeiten nach Katz und<br />

Baitsch) haben sie ein Arbeitsbewertungsinstrumente<br />

geschaffen, das<br />

Merkmale von typischen Männer- und<br />

Frauentätigkeiten gleich stark enthält und<br />

gewichtet.<br />

Für die Entwicklung des Instrumentes<br />

waren die drei folgenden Punkte wichtig.<br />

g Zum ersten wurden die in der Arbeitswissenschaften<br />

zur Verfügung stehenden<br />

wissenschaftlich sorgfältig und ausgiebig<br />

geprüften Arbeitsanalyseverfahren<br />

(z.B. PAQ, RHIA/VERA)<br />

beigezogen.<br />

g Zum zweiten wurden bestehende<br />

Merkmalskataloge auf ihre Überschneidungen<br />

und generelle Tauglichkeit<br />

überprüft.<br />

g Und zum dritten sollten die in anderen<br />

Ländern mit längerer Gleichstellungspraxis<br />

als die Schweiz angewandten<br />

Erkenntnisse in diskrimierungsfreien<br />

Bewertungsmethoden berücksichtigt<br />

werden.<br />

Merkmalsbereiche von ABAKABA<br />

Das Konzept von ABAKABA, entwickelt im<br />

Jahre 1995, unterscheidet zwischen den<br />

folgenden vier Merkmalsbereichen:<br />

g Intellektueller Bereich<br />

g Psycho-sozialer Bereich<br />

g Physischer Bereich<br />

g Verantwortung<br />

37


38<br />

Die Auswahl der ersten drei Bereiche orientiert<br />

sich an arbeitswissenschaftlich<br />

begründeten Kriterien. Die in der Arbeitswissenschaft<br />

bewährten Methoden zeigen<br />

ein wiederkehrendes Muster der drei<br />

Merkmalsdimensionen. Verantwortung<br />

wird als separater Bereich aufgeführt, weil<br />

sie je nach Tätigkeit intellektuelle, psychosoziale<br />

oder physische Qualität hat.<br />

Blickwinkel bei ABAKABA<br />

Die vier Merkmalsbereiche werden unter<br />

den folgenden Blickwinkeln bewertet (vgl.<br />

Katz & Baitsch 1996, S. 37f):<br />

g Anforderungen<br />

g Beeinträchtigung<br />

g Zeitanteil<br />

Die Anforderungen werden auf das <strong>für</strong><br />

eine einwandfreie Ausübung der Tätigkeit<br />

notwendige Maß beurteilt. Daneben gibt<br />

es in jedem Bereich Merkmale, die spezifische<br />

Beeinträchtigung erfassen, die sich<br />

auf Gesundheit oder Wohlbefinden der<br />

Arbeitstätigen negativ auswirken können.<br />

Unter dem Blickwinkel Zeitanteil wird<br />

sodann <strong>für</strong> die meisten Merkmale beurteilt,<br />

wie oft die betreffende Anforderungen<br />

im Arbeitsalltag eingesetzt werden<br />

muss.<br />

Gewichtung der Bereiche<br />

Wie in Kapitel 3.4 vermerkt, ist eine<br />

Gewichtung der einzelnen Merkmale eines<br />

Arbeitsbewertungsintrumentes nicht wissenschaftlich<br />

begründbar. Die Gewichtung<br />

der einzelnen Bereiche von ABAKABA<br />

sollte deshalb klar als lohnpolitischen<br />

Entscheid von den AnwenderInnen deklariert<br />

und offen gelegt werden (vgl. Katz &<br />

Baitsch 1996, S. 43).<br />

Um eine geschlechtsdiskriminierende<br />

Wirkung von ABAKABA zu vermeiden,<br />

schlagen die Autoren Katz & Baitsch unter<br />

Berücksichtigung des aktuellen Wissensstandes<br />

die folgenden Bandbreiten <strong>für</strong> die<br />

Gewichtung (%-Anteile am Gesamtwert)<br />

der Bereiche vor:<br />

Intellektueller Bereich 25 - 50 %<br />

Der intellektuelle Bereich wird in Anlehnung<br />

an gesellschaftliche Konventionen<br />

relativ hoch gewichtet. Die in diesem<br />

Bereich enthaltenen Merkmale können<br />

von Frauen und Männern ebenso erfüllt<br />

werden.<br />

Psycho-sozialer Bereich 20 - 40%<br />

Eine höhere Gewichtung wird gerechtfertigt,<br />

weil in der heutigen Arbeitswelt<br />

Anforderungen und Belastungen in<br />

diesem Bereich an Bedeutung zunehmen.<br />

Physischer Bereich 5 - 25 %<br />

Verantwortung 20 - 30 %<br />

ABAKABA und seine Merkmale<br />

Die Merkmale stellen die <strong>für</strong> die<br />

zu bewertenden Arbeitstätigkeiten<br />

relevanten Anforderungen<br />

und Beeinträchtigungen<br />

dar. Die Auswahl<br />

bei ABAKABA erfolgte in<br />

erster Linie nach arbeitswissenschaftlichen<br />

Kriterien. Es<br />

ging darum, einerseits das<br />

ganze Spektrum möglicher<br />

Anforderungen und<br />

Beeinträchtigungen zu berücksichtigen,<br />

anderseits die verschiedenen<br />

Merkmale nicht zu<br />

»überlappen« (siehe Kapitel<br />

3.3.) (vgl. Katz & Baitsch 1996,<br />

S. 41).<br />

siehe Tabelle rechts!


Blickwinkel/Bereich Anforderungen Beeinträchtigungen<br />

Kombiniert mit Kombiniert mit<br />

Zeitanteil Zeitanteil<br />

Intellektueller g Fachliche Anforderungen g Beeinträchtigungen von Handlungs-<br />

Bereich g Anforderungen an und Entscheidungsspielräumen<br />

organisatorische Fähigkeiten g Beeinträchtigende<br />

Arbeitsunterbrechungen<br />

Psycho-sozialer g Anforderungen an die g Beeinträchtigende Psycho-soziale<br />

Bereich mündliche Kommunikationsfähigkeit Bedingungen<br />

g Anforderungen an die<br />

Kooperationsfähigkeit<br />

g Anforderungen an das<br />

Einfühlungsvermögen<br />

Physischer g Anforderungen an die Muskelkraft g Beeinträchtigende zeitliche<br />

Bereich g Anforderungen an die Bedingungen<br />

Bewegungspräzision g Beeinträchtigende<br />

Umgebungsbedingungen<br />

Verantwortung g Verantwortung <strong>für</strong> die g Verantwortung <strong>für</strong> menschliches<br />

Arbeitsergebnisse anderer Leben<br />

Personen g Verantwortung <strong>für</strong> wertvolle<br />

Materialien und Güter<br />

g Verantwortung <strong>für</strong> den Schutz der<br />

Umwelt<br />

Die Merkmale und ihre Zuordnung zu den Bereichen und Blickwinkeln (vgl. Katz & Baitsch 1996, S. 42)<br />

Bewertungsprozess<br />

Als Grundlage <strong>für</strong> die Bewertung einer<br />

Arbeitstätigkeit mit ABAKABA steht ein<br />

detaillierter Fragebogen zur Verfügung,<br />

der zu jedem Merkmal konkrete Fragen<br />

enthält. Dieser Fragebogen soll von<br />

der/dem StelleninhaberIn beantwortet<br />

werden und anschließend mit der vorgesetzten<br />

Person und einem Mitglied der<br />

Bewertungskommission diskutiert werden.<br />

Der Bewertungskommission fällt im<br />

nachhinein die große Aufgabe zu, die verschiedenen<br />

Tätigkeiten anhand eines<br />

vorgegebenen Formulars aufgrund der<br />

ausgefüllten Fragebogen zu bewerten.<br />

Bei der Zusammensetzung der Bewertungskommission<br />

ist zu beachten, dass<br />

g Frauen und Männer in je gleicher<br />

Anzahl<br />

g VertreterInnen der verschiedenen<br />

Interessengruppen: ArbeitsgeberInnenund<br />

ArbeitnehmerInnenseite eine externe,<br />

neutrale Fachperson, die mit<br />

ABAKABA vertraut ist und den<br />

Bewertungsprozess moderieren kann,<br />

vertreten sind (vgl. Katz & Baitsch 1996, S.<br />

115).<br />

Abschliessende Bewertung<br />

ABAKABA wurde in fünf Betrieben ausgetestet.<br />

Aufgrund der Testerfahrungen<br />

wurde verschiedene Merkmale modifiziert<br />

und ergänzt. Es hat sich gezeigt, dass<br />

ABAKABA die Erwartung erfüllt, nicht<br />

geschlechtsdiskriminierend Arbeitstätigkeiten<br />

zu bewerten. Denn einerseits wurden<br />

gerade diskriminierungssensible<br />

Funktionen (z.B. Pflegebereich) im<br />

Vergleich zu den bestehenden Lohnklassen<br />

höher bewertet, anderseits hat<br />

sich gezeigt, dass einige traditionell (zu)<br />

hoch bewertete Funktionen offensichtlich<br />

weniger anforderungsreich sind als bisher<br />

angenommen.<br />

Aufgrund der Testerfahrungen hat eine<br />

öffentliche <strong>Verwaltung</strong> die Überprüfung<br />

des Salehrsystem in Angriff genommen.<br />

Eine weitere öffentliche <strong>Verwaltung</strong> hat<br />

bis heute rund 1.000 Schlüsselfunktionen<br />

mit ABAKABA bewertet. Da das Instrument<br />

gut handhabbar ist und in Hinblick<br />

auf Lohnverhandlungen eine große<br />

Transparenz vermitteln kann, werden in<br />

dieser <strong>Verwaltung</strong> im Total gut 2.000<br />

Arbeitsplätze bewertet.<br />

39


40<br />

Im weiteren hat sich auch in der Praxis<br />

gezeigt:<br />

Mit ABAKABA sind erste Schritte gemacht<br />

worden, Kriterien zur Definition von<br />

gleichwertiger Arbeit von Frau und Mann<br />

zu haben. Das Arbeitsbewertungsinstrument<br />

ABAKABA hat gerade in Betrieben<br />

und <strong>Verwaltung</strong>en mit dazu beigetragen,<br />

dass wieder ernsthaft über die Lohngleichheit<br />

<strong>für</strong> Frau und Mann diskutiert<br />

wird. Diese Tatsache und das neue<br />

Bundesgesetz über die Gleichstellung von<br />

Frau und Mann haben gerade typische<br />

Frauenberufe (z.B. Kindergärtnerinnen)<br />

ermutigt, eine Lohnklage einzureichen.<br />

Dabei wirkte die formulierte Kritik an traditionellen<br />

Arbeitsbewertungsverfahren<br />

und die Entwicklung eines geschlechtsunabhängigenArbeitsbewertungsinstrumentes<br />

unterstützend.<br />

Zur Zeit ist eine ForscherInnengruppe<br />

daran, auch mit ABAKABA die<br />

Schlüsselqualifikationen zu eruieren, die<br />

aus der Familienarbeit in die Arbeitswelt<br />

transferiert werden könnten.<br />

Abschließend ist zu bemerken, dass<br />

Lohndiskriminierungen sich sicher nicht<br />

allein mit einem Arbeitsbewertungsinstrument<br />

aus der Welt schaffen lassen.<br />

Eine Diskussion darüber, welche<br />

Anforderungen und Belastungen typische<br />

Frauentätigkeiten beinhalten und diese<br />

transparent zu machen, ist dringend<br />

notwendig. Dazu trägt aber ABAKABA auf<br />

jeden Fall bei.<br />

Marianne Geisser, lic.rer.pol.<br />

Stellvertreterin der Direktorin des<br />

Eidgenössischen Büros <strong>für</strong> die<br />

Gleichstellung von Frau und Mann,<br />

Leiterin des Projektes »ABAKABA«<br />

1 vgl. auch offizielle Lohnstatistiken, in der Schweiz z. B. Die<br />

Schweizerische Lohnstrukurerhebung 1994<br />

2 vgl. z.B. Bundesgerichturteil vom 14. Mai 1987<br />

(Krankenschwestern im Kanton Zürich),<br />

Bundesgerichtsentscheid vom 25. Februar 1994<br />

(Kindegärtnerinnen im Kanton Basel-Stadt)<br />

3 Gleicher Lohn <strong>für</strong> gleichwertige Arbeit. Arbeitspsychologische<br />

Untersuchung (1988), durchgeführt unter der Leitung von<br />

Prof. Dr. Eberhard Ulich, Lehrstuhl <strong>für</strong> Arbeits- und<br />

Organisationspsychologie, Eidgenössische Technische<br />

Hochschule Zürich.<br />

4 Arbeitsbewertung und Lohndiskriminierung von Frauen<br />

(1991), durchgeführt unter der Leitung von Prof. Dr. Norbert<br />

Semmer, Professor <strong>für</strong> Arbeitspsychologie am<br />

Psychologischen Institut der Universität Bern.<br />

5 Resultat anlässlich einer internationalen Konferenz, die 1950<br />

in Genf stattfand.<br />

6 In dieser Untersuchung wurden verschiedene in der Schweiz<br />

gebräuchliche Arbeitsbewertungsverfahren in 8<br />

Unternehmen analysiert.<br />

7 Die Verfasser arbeiteten mehrere Jahre als wissenschaftliche<br />

Mitarbeiter am Institut <strong>für</strong> Arbeitspsychologie an der ETH<br />

Zürich. Christof Baitsch war zwischen 1992 und 1995 hauptamtlicher<br />

Dozent <strong>für</strong> Arbeits- und Organisationspsychologie<br />

an der HSG St. Gallen. Seit 1995 ist er Professor <strong>für</strong><br />

Management des technischen Wandels und<br />

Personalentwicklung an der Technischen Universität<br />

Chemnitz. Christian Katz ist heute Teilhaber in der<br />

Beratergruppe KATZ SCHILLING SPINAS.<br />

8 vgl. Frieling 1997, S. 963

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!