Arbeit als PDF anzeigen - Mzes - Universität Mannheim
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KAPITEL 2 FRAKTIONSKOHÄSION IN PARLAMENTARISCHEN DEMOKRATIEN: DER FORSCHUNGSSTAND<br />
ihrerseits zu niedrigerer Kohäsion führten. 5 Diese Hypothese konnte allerdings in den wenigen<br />
vergleichenden Studien bisher nicht belegt werden (Carey 2002: 18; Ozbudun: 1970: 355).<br />
Eine zweite Gruppe institutioneller Variablen betrifft das Wahlsystem. Entgegen früherer Studien,<br />
die Wahlsysteme hauptsächlich anhand der dichotomen Unterscheidung zwischen Mehrheitswahl<br />
in Einerwahlkreisen und Verhältniswahl (u.U. mit einigen Zwischentypen und Modifikationen)<br />
behandelt haben, stellt die neuere Forschung auf einige analytisch getrennte Charakteristika ab<br />
(Carey/Shugart 1995; Cox 1997; Lijphart 1994). André Kaiser (2002a) unterscheidet typologisch<br />
zwei Dimensionen von Wahlsystemen: Einerseits existiert die klassische Output-Dimension, die<br />
sich mit der Umwandlung von Stimmen in Parlamentssitze befasst, unter anderem die<br />
Wahlkreisgröße, die Wahlformel und die Stimmverrechnung umfasst und <strong>als</strong> Ergebnis die<br />
Disproportionalität des Systems verursacht. Als zweite und bislang vernachlässigte Dimension<br />
nennt er eine Inputdimension, welche die Umwandlung von Wählerpräferenzen in Stimmen<br />
betrachtet. Diese Dimension umfasst erstens die Art der Stimmgebung, beispielsweise Einzel- und<br />
Mehrstimmgebung, Präferenz- und Alternativstimmen sowie Panaschieren und Kumulieren, und<br />
zweitens die Form der Wahlbewerbung, <strong>als</strong>o Einzelkandidatur und verschiedene Arten von<br />
starren, lose gebundenen und offenen Listen. Zunächst zur Outputdimension von Wahlsystemen<br />
und ihren Auswirkungen auf die Fraktionskohäsion:<br />
Im Bezug auf die Wahlkreisgröße erwartet Rasch (1999: 126) niedrigere Fraktionskohäsion bei<br />
kleineren Wahlkreisen, insbesondere in Systemen mit Einerwahlkreisen. In diesen Wahlkreisen<br />
entsteht eine direkte persönliche Beziehung zwischen einem Abgeordneten und ‚seinen‘ Wählern,<br />
die unter Umständen zu Konflikten mit der Parteilinie führen kann. Bei großen Wahlkreisen<br />
hingegen verschwimmt die Zuordnung von Abgeordneten zu einer bestimmten Wählergruppe, so<br />
dass Parlamentarier eine Bestrafung der Wähler weniger zu fürchten haben, wenn sie strikt nach<br />
Parteilinie abstimmen.<br />
Ein zweites Element ist die im jeweiligen Wahlsystem genutzte Wahlformel und die Form der<br />
Stimmenverrechnung. Die Literatur hebt hauptsächlich auf Systeme ab, die Wettbewerb zwischen<br />
Kandidaten derselben Partei hervorbringen (Katz 1986a). Das Standardbeispiel ist die single<br />
transferable vote (STV), wie sie beispielsweise in Irland zur Anwendung kommt. Hier<br />
konkurrieren alle Kandidaten unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit um Präferenzstimmen der<br />
Wähler, so dass es aus Sicht der Kandidaten rational ist, sich auch gegenüber Parteifreunden zu<br />
profilieren. Unter diesen Bedingungen ist zu erwarten, dass sich Abgeordnete gezielt von der<br />
Parteilinie abgrenzen, um so im innerparteilichen Wettbewerb Vorteile zu erlangen (Carey 2002:<br />
19; Carey/Shugart 1995). Neben dieser Frage nach der Förderung innerparteilichen Wettbewerbs<br />
5 In diesem Argument wäre der Föderalismus <strong>als</strong>o nur eine institutionelle intervenierende Variable, die<br />
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