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Arbeit als PDF anzeigen - Mzes - Universität Mannheim

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KAPITEL 2 FRAKTIONSKOHÄSION IN PARLAMENTARISCHEN DEMOKRATIEN: DER FORSCHUNGSSTAND<br />

dezentrale Nominierung nicht informell von der Parteiführung umgangen werden kann. Beispiele<br />

sind die Aufstellung der bundesdeutschen Landeslisten durch die Landesverbände oder der<br />

Direktkandidaten durch die entsprechenden Kreis- oder Bezirksverbände. In diesen Fällen entsteht<br />

eine Abhängigkeit der Abgeordneten von regionalen oder lokalen Parteigruppen, die je nach<br />

Interessenheterogenität der Parteien ähnlich negative Auswirkungen auf die Fraktionskohäsion<br />

haben kann wie eine direkte Bindung an eine bestimmte Wählergruppe bei Einerwahlkreisen.<br />

Es dürfte klar geworden sein, dass eine Reihe verschiedener Hypothesen über den Zusammenhang<br />

von Fraktionskohäsion und bestimmten Charakteristika von Wahlsystemen existieren, die sich<br />

aufgrund ihrer Vielzahl und Unterschiedlichkeit einer einfachen Dichotomisierung entziehen.<br />

Außerdem lassen unterschiedliche Wahlsystemcharakteristika gegenläufige Effekte auf die<br />

Fraktionskohäsion erwarten, die sich gegenseitig aufheben könnten. In Kapitel 3.3 wird daher<br />

versucht werden, die hier vorgestellten Hypothesen soweit möglich mit Hilfe des Konzepts der<br />

personal vote zu systematisieren.<br />

Eine dritte Gruppe von Hypothesen bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen<br />

Fraktionskohäsion und der internen Organisation von Parlamenten. Diese Hypothesen beziehen<br />

sich auf die Kontrolle wichtiger Ressourcen durch die Fraktionsführung sowie die Struktur des<br />

Ausschusssystems. 8<br />

In Bezug auf Ressourcen der Fraktionsführung erwarten Vertreter der rationalistischen Schule<br />

grundsätzlich höhere Fraktionskohäsion, je mehr positive Anreize und negative Sanktionen die<br />

Fraktionsführung gegenüber Hinterbänklern einsetzen kann (Hechter 1987; Saalfeld 1995: 180-1).<br />

Aus dieser Sichtweise ist es entscheidend, ob die Fraktionsführung den Zugang von Abgeordneten<br />

zu begehrten Gütern kontrolliert, die ein Abgeordneter alleine nicht erreichen kann. 9 Ist dies der<br />

Fall und ist die Fraktionsführung weiterhin in der Lage, das Verhalten ihrer Mitglieder zu<br />

überwachen und zu sanktionieren, so werden rational handelnde Abgeordnete sich den<br />

Anforderungen der Führung unterordnen, um so in den Genuss der angestrebten Güter zu<br />

kommen. Aus dieser generellen Einsicht ergeben sich eine Reihe klarer Hypothesen, auch wenn<br />

diese in der Forschung teilweise ohne expliziten Bezug auf eine entsprechende rationalistische<br />

Theorie entwickelt worden sind.<br />

8<br />

In parlamentarischen Systemen greift man aufgrund der funktionalen Verschmelzung von<br />

Regierungsfraktionen und Exekutive zu kurz, wenn man Ressourcen der Regierung völlig vernachlässigt. Daher<br />

werden diese im Folgenden den Regierungsfraktionen zugerechnet, wobei offen bleibt, wie die genaue<br />

Machtverteilung zwischen Regierungsmitgliedern und Fraktionsführung aussieht. Zumindest aber ist die<br />

Annahme plausibel, dass beide in gleichem Maße an hoher Fraktionskohäsion interessiert sind und entsprechend<br />

zumindest gegenüber potentiellen Abweichlern in der Fraktion eine gemeinsame Position vertreten (s. Kapitel<br />

4.1).<br />

9<br />

„Rational egoists choose to belong to a group because they are dependent […] on other members for access to<br />

some desired joint good. If they could attain this good without incurring the obligations of membership, they<br />

would always prefer to do so” (Hechter 1987: 45, Hervorhebung im Original).<br />

11

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