Arbeit als PDF anzeigen - Mzes - Universität Mannheim
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KAPITEL 3 THEORETISCHE ANSÄTZE FÜR DIE ERKLÄRUNG VON FRAKTIONSKOHÄSION IN<br />
PARLAMENTARISCHEN DEMOKRATIEN<br />
denkbaren Kombinationen von Wahlsystemcharakteristika extrem umfassend und in ihrer<br />
Differenziertheit eindrucksvoll ist, stellt sich doch die Frage, ob die Typen für die praktische<br />
Forschung nicht etwas zu zahlreich sind, zumal auch Carey und Shugart Probleme haben, jedem<br />
Typ empirische Beispiele zuzuordnen, erst recht wenn man dabei eher marginale Fälle wie die<br />
New York City School Boards oder verschiedene lokale Wahlen in Alabama vernachlässigt. Das<br />
Schema ist dementsprechend bisher auch empirisch nicht überprüft worden.<br />
Ein interessantes Ergebnis von Carey und Shugart sollte allerdings noch erwähnt werden: Sie<br />
argumentieren, dass die Zahl der in einem Wahlkreis zu wählenden Kandidaten (district<br />
magnitude) unterschiedliche Effekte auf die Bedeutung der personal vote habe, je nachdem ob<br />
man sich in einem System geschlossener Listen bewegt oder nicht. In geschlossenen<br />
Listensystemen sinkt die Bedeutung persönlicher Reputation mit steigender Wahlkreisgröße. In<br />
allen anderen Systemen hingegen, in denen irgendeine Art von innerparteilicher Konkurrenz<br />
möglich ist, sei es über offene Listen, durch die Bedeutung von Zweit- und Drittpräferenzen oder<br />
durch die Abgabe mehrerer Stimmen, wird persönliche Reputation und damit die personal vote<br />
umso wichtiger, je größer die Zahl der zu wählenden Abgeordneten ist. Je größer diese Zahl ist,<br />
mit desto mehr Parteifreunde konkurriert ein Kandidat. Dementsprechend steigt die Bedeutung<br />
der persönlichen Reputation, die möglichst nicht auf kleine lokale Wählergruppen beschränkt sein<br />
sondern den gesamten Wahlkreis abdecken sollte. Dementsprechend dürfte bei großen<br />
Wahlkreisen (im Sinne von district magnitude) eher Berühmtheit, wie sie beispielsweise Filmstars<br />
oder Sportler erlangen, von Bedeutung sein <strong>als</strong> der erfolgreiche Einsatz für bestimmte lokale<br />
Interessen des Wahlkreises, das klassische pork (Carey/Shugart 1995: 430-2).<br />
Neben dem Wahlsystem im engen Sinne spielt die Art der Kandidatennominierung eine<br />
entscheidende Rolle für die Bedeutung der personal vote (Pennings/Hazan 2001). Rahad und<br />
Hazan (2001: 300-9) unterscheiden für meine Fragestellungen zwei wichtige Dimensionen von<br />
Nominierungsverfahren: Erstens nennen sie die Inklusivität der Gruppe der Auswählenden<br />
(selectorate), wobei offene Vorwahlen der gesamten Wahlkreisbevölkerung den inklusiven und<br />
persönliche Auswahl durch einen nicht gewählten Parteiführer den exklusiven Endpunkt eines<br />
Kontinuums bilden. 46 Zweitens betrachten sie die territoriale Zentralisierung der Nominierung, die<br />
auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene geschehen kann. 47 In Bezug auf die personal vote<br />
45<br />
So unter SNTV.<br />
46<br />
Entlang des Kontinuums unterscheiden Rahat und Hazan (2001: 301-3) verschiedene Zonen, deren jeweilige<br />
Abgrenzung allerdings kaum eindeutig möglich ist. Diese Zonen sind, geordnet nach steigender Exklusivität, die<br />
Auswahl durch die Gesamtwählerschaft, nur durch Parteimitglieder, durch per Wahl bestimmte Parteimitglieder<br />
(z.B. Parteitagsdelegierte), durch nicht gewählte Parteigliederungen (z.B. ein von der Parteiführung eingesetztes<br />
Nominierungskomitee), durch einen gewählten Parteiführer sowie schließlich durch einen nicht gewählten<br />
Parteiführer.<br />
47<br />
Die drei anderen genannten Dimensionen, nämlich restriktive Bedingungen für potentielle Kandidaten,<br />
korporative Dezentralisierung zur Sicherstellung funktionaler Repräsentanz bestimmter sozialer Gruppen sowie<br />
37