Arbeit als PDF anzeigen - Mzes - Universität Mannheim
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KAPITEL 3 THEORETISCHE ANSÄTZE FÜR DIE ERKLÄRUNG VON FRAKTIONSKOHÄSION IN<br />
PARLAMENTARISCHEN DEMOKRATIEN<br />
zwar individuelle aber doch innerhalb des Spektrums seiner Partei angesiedelte Position zu<br />
beziehen.<br />
Aufbauend auf Katz’ Überlegungen unterscheidet Paul Mitchell (2000: 341-4) drei<br />
Wahlsystemtypen, die in zunehmendem Maße Anreize für eine personal vote bieten. Am<br />
geringsten seien diese in parteizentrierten Systemen. Darunter fasst er Listenwahlsysteme mit<br />
geschlossenen Listen, Listenwahlsysteme, in denen die Wähler zwar innerparteiliche<br />
Präferenzstimmen abgeben, die Listen allerdings de facto kaum umgestellt werden, beispielsweise<br />
die Niederlande, Belgien, Norwegen, Österreich oder Schweden vor der Reform von 1998, sowie<br />
gemischte Wahlsysteme (additional member systems) nach dem bundesdeutschen Vorbild. 39<br />
Eine mittlere Position nehmen Systeme mit Einerwahlkreisen ein, die zwar eine direkte<br />
Beziehung zwischen Abgeordneten und einer bestimmten Wählerschaft garantieren und damit die<br />
direkte Abwahl eines Abgeordneten zulassen, aber keine Wahlmöglichkeiten zwischen<br />
verschiedenen Kandidaten einer Partei bieten. Daher können sich Kandidaten allein auf das<br />
Parteilabel <strong>als</strong> Wahlgrundlage verlassen und müssen sich nicht unbedingt innerhalb ihrer Partei<br />
profilieren. Unter diesen Typ fallen relative und absolute Mehrheitswahl in Einerwahlkreisen nach<br />
britischem bzw. französischem Vorbild sowie die alternative vote, wie sie beispielsweise in<br />
Australien genutzt wird.<br />
Die größten Anreize für die Verfolgung individueller Stimmenmaximierungsstrategien bieten<br />
kandidatenzentrierte Systeme, in denen sich Kandidaten nicht allein auf ihre Parteizugehörigkeit<br />
verlassen können sondern auf individuelle Stimmen angewiesen sind. Zu diesen Systemen<br />
gehören STV, in dem Kandidaten sowohl mit Parteifreunden <strong>als</strong> auch Kandidaten anderer<br />
Parteien konkurrieren 40 , Listenwahlsysteme mit effektiv offenen Listen, in denen Kandidaten vor<br />
allem mit Parteifreunden konkurrieren, sowie, wenn auch bei Mitchell nicht erwähnt, die Single<br />
Non Transferable Vote (SNTV), unter der sich die Konkurrenz auch hauptsächlich innerhalb der<br />
Parteien abspielt.<br />
39<br />
Allerdings weist Mitchell (2000: 343) zurecht darauf hin, dass das deutsche System trotz des weitgehenden<br />
Vorrangs der Listenstimme für die Zusammensetzung des Parlaments aufgrund der Direktkandidaten gewisse<br />
Anreize für die Bildung persönlicher Bindungen zwischen Direktkandidaten und ihren Wahlkreisen bietet. Dies<br />
liegt u.a. daran, dass die Direktkandidaten lokal nominiert werden und die Parteiführung darauf für gewöhnlich<br />
keinen Einfluss nimmt. Nach dieser Logik wäre das bundesdeutsche System institutionell eigentlich zwischen<br />
dem ersten und zweiten Typ anzusiedeln; allgemein zur typologischen Einordnung gemischter Wahlsysteme s.<br />
Kaiser 2002a.<br />
40<br />
Voraussetzung für die innerparteiliche Konkurrenz ist allerdings, dass eine Partei im Wahlkreis mehr<br />
Kandidaten aufstellt, <strong>als</strong> sie Sitze erringt bzw. zu erringen erwartet. Es ist argumentiert worden, dass diese<br />
Übernominierungsstrategie aus Sicht der Parteien irrational ist, da sie zu Stimmenverlusten auf niedrigeren<br />
Präferenzebenen führen kann (Lijphart/Irwin 1979). Gelungene Koordinierung innerhalb der Parteien könnte<br />
<strong>als</strong>o die innerparteiliche Konkurrenz senken, insbesondere dann, wenn das Abstimmungsverhalten innerhalb<br />
eines Wahlkreises über Zeit sehr stabil ist, so dass größere Stimmverschiebungen und damit Mandatsverluste<br />
aufgrund zu geringer Kandidatenzahl unwahrscheinlich sind.<br />
35