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Arbeit als PDF anzeigen - Mzes - Universität Mannheim

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KAPITEL 2 FRAKTIONSKOHÄSION IN PARLAMENTARISCHEN DEMOKRATIEN: DER FORSCHUNGSSTAND<br />

(oder, in Ausnahmefällen, mehrerer kooperierender) Parteien die Rede ist, und den Begriff<br />

‚Partei’ für die außerparlamentarische Organisation reservieren. Der Begriff ‚Fraktion’ soll dabei<br />

nicht formaljuristisch verstanden werden, d.h. auch ein Gruppe von Parlamentariern einer Partei,<br />

die aufgrund gewisser formaler Bestimmungen juristisch keinen Fraktionsstatus besitzt, wird hier<br />

<strong>als</strong> Fraktion bezeichnet. 1<br />

Diese <strong>Arbeit</strong> beschäftigt sich mit Fraktionskohäsion in parlamentarischen Demokratien. Unter<br />

einer parlamentarischen Demokratie verstehe ich mit Winfried Steffani ein System mit dem<br />

„Recht des Parlaments, die Regierung aus politischen Gründen jederzeit abberufen zu können“<br />

(Steffani 1983: 392; s. auch Strøm 2000: 265). Andere Unterscheidungskriterien in der Literatur<br />

wie die Wahl des Regierungschefs durch das Parlament (Lijphart 1999: 117-8; 1992: 3-6), das<br />

Recht der Regierung, das Parlament aufzulösen (Shugart/Mainwaring 1997: 14-5), die<br />

Inkompatibilität von Mandat und Regierungsamt (Beyme 1999: 57) oder die Größe der Regierung<br />

(Beyme 1999: 57) sind empirisch nicht eindeutig und oft auch theoretisch für den<br />

Systemcharakter nicht grundlegend. Das Kriterium von Steffani hingegen ist leicht zu bestimmen<br />

und in seiner theoretischen Bedeutung für den speziellen Charakter parlamentarischer Systeme<br />

weitgehend unumstritten. 2<br />

2.2 Systematik der bisherigen Forschung<br />

In einer Übersichtsdarstellung der Forschung zum Abstimmungsverhalten in Parlamenten Mitte<br />

der 1980er Jahre unterscheidet Melissa Collie (1985: 472-5) zwei Forschungsstränge, die sich<br />

durch ihre Analyseobjekte unterscheiden. Der eine Strang beschäftigt sich mit kollektiven<br />

Phänomenen wie fraktioneller Geschlossenheit und fragt nach Konfliktlinien und Mustern, die<br />

Abstimmungsverhalten strukturieren. Der zweite Strang setzt auf der Ebene des Individuums an<br />

und will Abstimmungsverhalten einzelner Abgeordneter und dessen Determinanten erklären. Der<br />

Schwerpunkt dieser <strong>Arbeit</strong> liegt im Bereich des erstgenannten Forschungsstranges.<br />

1<br />

Ein Beispiel wäre die PDS im Deutschen Bundestag während der 12. und 13. Wahlperiode. Da sie nur über die<br />

Grundmandatsklausel (§ 6 Abs. 6 S. 1 1. Alt. BWahlG) und nicht aufgrund von mindestens 5 Prozent der<br />

Zweitstimmen bundesweit in den Bundestag eingezogen war, hatte die PDS den Status einer ‚Gruppe’ und damit<br />

nach der Geschäftsordnung des Bundestages nur beschränkte innerparlamentarische Rechte (§ 10 Abs. 4 GOBT).<br />

Dennoch würde ich die PDS-Gruppe im Rahmen dieser <strong>Arbeit</strong> <strong>als</strong> Fraktion bezeichnen.<br />

2<br />

Ein Streitpunkt betrifft die Frage, ob es neben dem parlamentarischen und dem ihm für gewöhnlich<br />

gegenübergestellten präsidentiellen System einen eigenständigen Systemtyp des ‚Semipräsidentialismus’ gibt<br />

(Duverger 1980; Shugart/Carey 1992). Nach Steffani sind diese Systeme trotz der durch Volkswahl und<br />

verfassungsrechtlich garantierte, substantiell wichtige Befugnisse herausgehobenen Stellung des Präsidenten <strong>als</strong><br />

parlamentarische Systeme zu klassifizieren. Die eigentliche Regierungsgewalt liegt demnach bei der vom<br />

Parlament getragenen Regierung. Der Präsident ist nur dann in der Lage, de facto zum Regierungschef zu<br />

werden, wenn seine Partei oder sein Lager über eine parlamentarische Mehrheit verfügt und er deshalb aufgrund<br />

parteiinterner Regelungen die Kompetenzen des Premierministers praktisch mit übernehmen kann. Hat er<br />

hingegen keine parlamentarische Mehrheit hinter sich, muss er in den meisten Politikbereichen dem<br />

Premierminister die entscheidende Regierungsarbeit überlassen (s. Steffani 1995). Diese Beschreibung wird<br />

meines Erachtens von den Erfahrungen der cohabitation in Frankreich – dem angeblichen Paradebeispiel eines<br />

semipräsidentiellen Systems – bestätigt (vgl. Pierce 1991).<br />

5

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