Arbeit als PDF anzeigen - Mzes - Universität Mannheim
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KAPITEL 3 THEORETISCHE ANSÄTZE FÜR DIE ERKLÄRUNG VON FRAKTIONSKOHÄSION IN<br />
PARLAMENTARISCHEN DEMOKRATIEN<br />
und aufbereiten. Diese existieren aber in parlamentarischen Demokratien in Form der Fraktionen<br />
und außerparlamentarischen Parteiorganisationen. Zwischen diesen Arenen kann es zu<br />
Interessenkonflikten kommen, insbesondere dann, wenn Parlamentsausschüsse von unzufriedenen<br />
Parlamentariern dazu genutzt werden, Expertise gegen ihre Fraktionen aufzubauen. Als alternative<br />
Informations- und Expertiseforen können Ausschüsse zu Rivalen der Fraktionen bei der Kontrolle<br />
von Informationen und der Detailarbeit an Gesetzen werden. Aus der informationstheoretischen<br />
Perspektive unter Berücksichtigung starker Fraktionen kann man <strong>als</strong>o einen zusätzlichen<br />
negativen Einfluss starker Ausschüsse auf die Fraktionskohäsion erwarten.<br />
Die parteiorientierte Theorie schließlich sieht kein Konkurrenzverhältnis zwischen Fraktionen und<br />
Ausschüssen. Ausschüsse gelten <strong>als</strong> Agenten der Fraktionen unter deren ständiger Kontrolle.<br />
Idealtypisch kann die Fraktionsführung ‚ihre’ Abgeordneten aus Ausschüssen zurückrufen und<br />
ersetzen. Ist dies der Fall, sind über den unvermeidlichen agency loss hinaus keine weiteren<br />
Auswirkungen starker Ausschüsse auf die Fraktionskohäsion zu erwarten.<br />
Geklärt werden muss <strong>als</strong>o, welche theoretische Perspektive insgesamt die Ausschusssysteme<br />
westlicher parlamentarischer Demokratien am besten kennzeichnet – soweit sich eine einzige<br />
Perspektive überhaupt <strong>als</strong> dominant ansehen lässt. Klare Aussagen zu diesem Thema finden sich<br />
in der vergleichenden Literatur kaum. Als vorsichtige Annäherung spricht wohl manches dafür,<br />
zumindest eine vorherrschende gains-from-exchange-Logik aufgrund der starken Rolle der<br />
Parteien im Parlament und auf der Wahlebene für unwahrscheinlich zu halten. 60<br />
In einer vergleichenden Studie zu Parlamentsausschüssen in westlichen Demokratien<br />
identifizieren Ingvar Mattson und Kaare Strøm (1995: 296-300) mittels Faktorenanalyse zwei<br />
Dimensionen von Ausschussmacht 61 , die sie <strong>als</strong> Autorität bei der Ausarbeitung von<br />
Gesetzesvorlagen (drafting authority) und Kontrolle über die eigene Tagesordnung und interne<br />
Verfahren (agenda control) interpretieren. 62 Mattson und Strøm (1995: 302) betrachten die<br />
Ergebnisse ihrer vergleichenden Studie eher <strong>als</strong> Hinweis auf eine vorsichtige Tauschlogik unter<br />
60<br />
Allerdings dürften auch in den hier untersuchten parlamentarischen Demokratien Unterschiede je nach der<br />
Salienz der Ausschüsse bestehen. So ist zu vermuten, dass Ausschüsse für Landwirtschaft – in der<br />
amerikanischen Literatur das Paradebeispiel eines rein partikularistischen Ausschusses – auch in<br />
parlamentarischen Demokratien eher nach der Tauschlogik funktionieren. Dafür spricht zumindest die Tatsache,<br />
dass diese Ausschüsse häufig von ehemaligen Landwirten dominiert werden, die starke Verbindungen zu<br />
entsprechenden Interessengruppen bewahrt haben (Damgaard 1995: 317).<br />
61<br />
Die ursprünglich betrachteten Variablen sind (1) das Gesetzesinitiativrecht der Ausschüsse, (2) der Umfang, in<br />
dem Ausschüsse Gesetzentwürfe abändern können, (3) ihre Kontrolle über die eigene Tagesordnung und damit<br />
auch die Möglichkeit, Gesetzgebungsverfahren zu verschleppen, sowie (4) ihre Rechte auf Akteneinsicht und<br />
Zeugenvorladung, <strong>als</strong>o letztlich die Möglichkeit der unabhängigen Informationsgewinnung (Mattson/Strøm<br />
1995: 285-95).<br />
62<br />
Allerdings verweisen die Autoren selbst darauf, dass diese Ergebnisse aufgrund der geringen Fallzahl und der<br />
relativ groben Variablen, die der Faktorenanalyse zugrunde liegen, mit Vorsicht zu interpretieren seien.<br />
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