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Arbeit als PDF anzeigen - Mzes - Universität Mannheim

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KAPITEL 2 FRAKTIONSKOHÄSION IN PARLAMENTARISCHEN DEMOKRATIEN: DER FORSCHUNGSSTAND<br />

Unter der Überschrift „Ressourcen der Abgeordneten“ stellt Saalfeld die Hypothese auf, dass ein<br />

einzelner Abgeordneter eher von der Parteilinie abweichen werde, wenn er über ein<br />

Parteivorstandsamt oder ein Verbandsvorstandsamt mindestens auf Bezirksebene verfüge, da ihm<br />

so Macht- und Informationsressourcen außerhalb der Fraktion zur Verfügung stünden. Daneben<br />

ist zu vermuten, dass Mitglieder der Fraktionsführung nur sehr selten gegen die Fraktionslinie<br />

stimmen dürften – nicht zuletzt weil diese von ihnen maßgeblich geprägt wird (vgl.<br />

Cox/McCubbins 1993: 125-35). Ebenso kann man im Anschluss an die oben diskutierte Kontrolle<br />

von Aufstiegschancen durch die Fraktionsführung vermuten, dass Abgeordnete nur selten gegen<br />

die Fraktionsführung stimmen dürften, wenn sie weitere Ämter in Fraktion oder Regierung<br />

anstreben. Hingegen haben etablierte Abgeordnete ohne weitere Ambitionen geringere Anreize,<br />

sich den Wünschen der Fraktionsführung zu beugen, insbesondere dann, wenn sie keine weitere<br />

Wiederwahl anstreben. 15 Schließlich lassen sich auch Anreize auf der elektoralen Ebene <strong>als</strong><br />

Determinanten individuellen Abstimmungsverhaltens interpretieren. Demnach können sich<br />

Abgeordnete, die relativ sichere Wahlkreise und hohen lokalen Rückhalt genießen, abweichendes<br />

Abstimmungsverhalten eher leisten <strong>als</strong> Abgeordnete, deren Wiederwahl stärker in den Händen der<br />

Parteiführung liegt. Empirisch ließen sich solche Hypothesen zum Beispiel in gemischten<br />

Wahlsystemen wie dem bundesdeutschen überprüfen, wo man von direkt gewählten<br />

Abgeordneten mit sicheren Wahlkreisen eher abweichendes Abstimmungsverhalten erwarten<br />

würde <strong>als</strong> von Abgeordneten, die über die Landeslisten ins Parlament eingezogen sind (Kaiser<br />

2002a: 1562).<br />

Die Betrachtung von Determinanten individuellen Abstimmungsverhaltens steht in der<br />

empirischen Prüfung vor großen Datenproblemen. Während Aggregatmaße für Fraktionsdisziplin<br />

wenigstens einigermaßen erhältlich sind, sind Daten für individuelle Abgeordnete sehr aufwendig<br />

zu erheben und daher kaum zugänglich. Dieser Umstand macht es nötig, dass ich mich im<br />

empirischen Teil der <strong>Arbeit</strong> auf Fraktionskohäsion <strong>als</strong> Aggregatphänomen beschränke. Dennoch<br />

wird in der theoretischen Diskussion individuelles Verhalten die zentrale Rolle einnehmen (s.<br />

ausführlich unter Kapitel 3.1). Eine methodisch einwandfreie empirische Prüfung müsste<br />

dementsprechend auch individuelles Verhalten analysieren, um ökologische Fehlschlüsse zu<br />

14<br />

Zur Unterscheidung von kollektivem und korporativem Akteur s. Scharpf 1997: 54-8.<br />

15<br />

Allerdings ist gerade bei langgedienten Abgeordneten die Wahrscheinlichkeit einer normativ begründeten<br />

Loyalität gegenüber der Fraktion und der Norm kohäsiven Verhaltens besonders groß. Dies unterstreicht, dass es<br />

zwischen utilitaristischen und normativ-kulturalistischen Erklärungsansätzen zu Inkompatibilitäten kommen<br />

kann. Eine eindeutige Klärung, welchem Ansatz Vorrang einzuräumen ist, dürfte hierbei empirisch kaum<br />

möglich sein, so dass die Betonung eines Ansatzes ein Stück weit auch von der persönlichen Überzeugung des<br />

jeweiligen Forschers abhängt und letztlich nicht rational einwandfrei begründbar ist.<br />

17

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