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[erscheint in: Poesie intermedial - Anselmo Fox

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Mirjam Goller – 21<br />

Molluskenarbeit nicht erzeugt. Im Gegenteil: Die Umkehrung des Größenverhältnisses und<br />

die Aufhebung der Stillständigkeit der Baudenkmäler stürzen den Betrachter <strong>in</strong> doppelte<br />

Unsicherheit:<br />

Wenn bei Didi-Huberman der Schädel <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Basis als Durchgangsstation für Denken und<br />

Anschauung gilt, wird dabei nicht gesagt, ob der Schädel als solcher beweglich ist. Das<br />

Bewegliche bei Didi-Huberman ist e<strong>in</strong>mal die gewölbte Schädellandschaft, die aus der<br />

Wendung der Schädelbasis entsteht, andererseits die Gedanken- und Bilderflut, die durch den<br />

Schädel h<strong>in</strong>durchfließt. <strong>Fox</strong> br<strong>in</strong>gt sowohl Betrachter als auch Objekt <strong>in</strong> Bewegung. Die<br />

Umkehrung funktioniert e<strong>in</strong>erseits über die W<strong>in</strong>zigkeit der entwurzelten Gebäude, aus der e<strong>in</strong><br />

übergroßer Betrachter erwächst, andererseits über die Größe des Erdkegels, der den<br />

Betrachter eben nicht zur Stillständigkeit zw<strong>in</strong>gt, sondern ihn <strong>in</strong> Bewegung rund um den<br />

Komposthaufen br<strong>in</strong>gt.<br />

Die Entwürfe Didi-Hubermans und Böhmes (wobei nur der von Böhme sich explizit zum<br />

Nachdenken über e<strong>in</strong>e neue Ästhetik als Kategorie bekennt) s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrer Orientierung auf den<br />

Körper anti<strong>in</strong>tellektualistische Entwürfe, die die S<strong>in</strong>nlichkeit dem <strong>in</strong>telligiblen Erkennen an<br />

die Seite stellen oder es sogar privilegieren. Böhme ist dabei forscher als Didi-Huberman.<br />

Dieser platziert se<strong>in</strong> ästhetisches und poetisches Empf<strong>in</strong>den <strong>in</strong> der schneckenhausförmigem<br />

Schädelbasis, die nicht nur heterotopische und metaphorische Durchgangsstelle ist, sondern<br />

auch den Übergang vom Kopf zum Körper bildet. Bei Didi-Huberman ist das Ästhetische und<br />

Poetische als Ort der Transition zu denken, der sowohl den Ort des Geistes berührt, als auch<br />

den des Körpers. Die Schnecke ist eigentlicher Ursprungsort und Ereignisort des Poetischen<br />

und Ästhetischen.<br />

Erhabenheit als e<strong>in</strong> Aspekt der klassischen Ästhetik wird aber nicht unbed<strong>in</strong>gt mit der<br />

unscharf konturierten Kategorie des Poetischen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht, könnte<br />

möglicherweise sogar als Abgrenzungsmerkmal zwischen Ästhetischem und Poetischem<br />

dienen. Im oben angesprochenen Kippmoment zwischen Ästhetik und Anästhesie werden<br />

aber Merkmale des Erhabenen sichtbar, die das Poetische auch als das „kle<strong>in</strong>e Erhabene“<br />

charakterisierbar machen.<br />

Anders als die klassische Moderne, die mit der Umkehrung des Erhabenen operiert, <strong>in</strong>dem<br />

semantische Aspekte des Erhabenen <strong>in</strong> ihr Gegenteil verkehrt werden und so e<strong>in</strong>e neue<br />

Ästhetik, e<strong>in</strong>e Ästhetik des Hässlichen, des Unbrauchbaren und des Alltäglichen, erzeugt<br />

wird, werden hier Aspekte der Wahrnehmung verkehrt und zum Gegenstand gemacht.

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