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[erscheint in: Poesie intermedial - Anselmo Fox

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Mirjam Goller – 27<br />

Dass hier auch mit diesem Teil der jüngeren Theoriegeschichte gespielt wird, wird nicht nur<br />

<strong>in</strong> der Allusion auf die Erschaffung Adams deutlich. Der Zeigef<strong>in</strong>ger, der <strong>in</strong> der<br />

mediz<strong>in</strong>ischen Term<strong>in</strong>ologie Index heißt, steht für Signifikation und Bedeutungszuweisung.<br />

In der Peirceschen Semiotik def<strong>in</strong>iert sich e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dexikalisches Zeichen durch se<strong>in</strong>e Beziehung<br />

zum Objekt, nicht durch Ähnlichkeit. E<strong>in</strong> Index verweist, deutet auf etwas h<strong>in</strong>, ist Symptom<br />

für etwas anderes. Hier gehört der abgetrennte Zeigef<strong>in</strong>ger zum Schneckenhaus, nicht zur<br />

Hand.<br />

Semiotisch gesprochen verweist der Zeigef<strong>in</strong>ger auf Bedeutungszuweisung. Diese ist aber<br />

nicht mehr verbunden mit e<strong>in</strong>er gestaltenden Hand, sondern angebunden an e<strong>in</strong><br />

Schneckenhaus, das wiederum symbolisch und allegorisch für die Hervorbr<strong>in</strong>gung von Kunst<br />

steht. Natürlich ist dies auch e<strong>in</strong> phallisches und penetratives Moment, das sich allzu leicht als<br />

Akt der Zeugung sehen ließe und damit an den Mythos der Geburt der Kunst aus e<strong>in</strong>em<br />

Schneckenhaus fortschreibt. Das Zusammentreffen von abgelöstem Index und Schneckenhaus<br />

lässt sich aber auch als e<strong>in</strong> gewaltsamer Zusammenprall zweier nicht immer mit e<strong>in</strong>ander<br />

vere<strong>in</strong>barer Bereiche lesen, von Kunst und von Wissenschaft. Letztere lebt von der<br />

Bezeichnung. Der Index, die Signifikation (die, wie die Dekonstruktion vorführt, sowieso<br />

nicht gel<strong>in</strong>gt) stopft der Schnecke geradezu das Maul. Heißt: Kunst ist nicht. Jedenfalls nicht<br />

dann, wenn man ihr mit zugespitzten E<strong>in</strong>deutigkeiten zu nahe kommt. Und das, obwohl sich<br />

die gestaltende Hand mit ausgestrecktem Zeigef<strong>in</strong>ger nur zu gerne wie e<strong>in</strong>e sich vom<br />

muskulösen Unterarm über die filigrane Hand zum Zeigef<strong>in</strong>ger verjüngende Schlange <strong>in</strong> die<br />

W<strong>in</strong>dungen des Schneckenhauses h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>krümmen würde.<br />

Es s<strong>in</strong>d noch zwei andere Bereiche, die hier aufe<strong>in</strong>anderprallen: Hand und Kopf oder Körper<br />

und Geist. Die Schnecke als skulpturale Metapher für Kopf, Hirn und Geist 55 prallt auf Hand<br />

und Arm. Kopf und Hand weisen nicht <strong>in</strong> dieselbe Richtung. Es ist aber offensichtlich gerade<br />

diese Begegnung, wie sie auch bei Didi-Huberman <strong>in</strong> der Dürerschen Schädelschnecke<br />

angelegt ist und von Gernot Böhme e<strong>in</strong>gefordert wird, die e<strong>in</strong>e neue Ästhetik oder eben e<strong>in</strong><br />

zeitgenössischen Poetisches ausmachen kann und muss.<br />

Sog der Schnecke. Ke<strong>in</strong> Ende <strong>in</strong> Sicht. Xenophora und Elysia<br />

<strong>Anselmo</strong> <strong>Fox</strong> spielt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Schneckenarbeiten traditionelle Positionen des Ästhetischen und<br />

Poetischen gegene<strong>in</strong>ander aus und komb<strong>in</strong>iert sie mit Aspekten, die <strong>in</strong> Diskussion um das<br />

Poetische, das vorrangig als selbstreferentiell gehandelt wird, nicht unbed<strong>in</strong>gt vorkommen.<br />

55<br />

In Michelangelos Erschaffung Adams ist das Gewand Gottes <strong>in</strong> Falten gelegt, die an die W<strong>in</strong>dungen<br />

e<strong>in</strong>es Gehirns er<strong>in</strong>nern.

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